Momo
Zuhören 1.Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören. Das ist nichts Besonders, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. 2. Als die beiden die Sache nun bis zum Anfang zurückverfolgt hatten, schwiegen sie eine Weile. 3. Momo hörte allen zu, den Hunden und Katzen, den Grillen und Kröten, ja, sogar dem Regen und dem Wind in den Bäumen. Und das alles sprach zu ihr auf seine Weise. 4. An manchen Abenden, wenn alle ihre Freunde nach Hause gegangen waren, saß sie noch lange allein in dem großen steinernen Rund des alten Theaters, über dem sich der sternenfunkelnde Himmel wölbte, und lauschte einfach auf die große Stille. Dann kam es ihr so vor, als sässe sie mitten in einer großen Ohrmuschel, die in die Sternenwelt hinaushorchte. Und es war ihr, als höre sie eine leise und doch gewaltige Musik, die ihr ganz seltsam zu Herzen ging. In solchen Nächten hatte sie immer besonders schöne Träume.
Freunde 1. Wenn jemand auch sehr viele Freunde hat, so gibt es darunter doch immer wenige, die einem ganz besonders nahestehen und die einem die allerliebsten sind. 2. Nur Momo konnte so lange warten und verstand, was er sagte. Sie wusste, dass er sich so viel Zeit nahm, um niemals etwas Unwahres zu sagen. Denn nach seiner Meinung kam alles Unglück der Welt von den vielen Lügen, den absichtlichen, aber auch den unabsichtlichen, die nur aus Eile oder Ungenauigkeit entstehen. 3. Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schreklich lang, das man niemals schaffen, denkt man. Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort, und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufbilckt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nicht an die ganze Straße denken. Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein. Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.
Zeit
Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran Teil,jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Das Geheimnis ist die Zeit.
Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen,aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen-je nachdem,was man in dieser Stunde erlebt.
Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.
Niemand schien zu merken, dass er, indem er Zeit sparte, in Wirklichkeit etwas ganz anderes sparte. Keiner wollte wahrhaben, dass sein Leben immer ärmer, immer gleichförmiger und immer kälter wurde.
Deutlich zu fühlen jedoch bekamen es die Kinder, denn auch für sie hatte nun niemand mehr Zeit.
Aber Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. Und je mehr die Menschen daran Sparten, desto weniger hatten sie.
#Was ist das für eine Krankheit# Am Anfang merkt man noch nicht viel davon. Man hat eines Tages keine Lust mehr, irgendwas zu tun. Nichts interessiert einen, man ödet sich. Aber diese Unlust verschwindet nicht wieder, sondern sie bleibt und nimmt langsam immer mehr zu. Sie wird schlimmer von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Man fühlt sich immer missmutiger, immer leerer im Innern, immer unzufriedener mit sich und der Welt. Dann hörte nach und nach sogar dieses Gefühl auf und man fühlt gar nichts mehr. Man wird ganz gleichgültig und grau, die ganze Welt kommt einem fremd vor und geht einen nichts mehr an. Es gibt keinen Zorn mehr und keine Begeisterung, man kann sich nicht freuen und nicht mehr trauern, man verlernt das Lachen und das Weinen. Dann ist es kalt geworden in einem und man kann nichts und niemand mehr lieb haben. Wenn es einmal so weit gekommen ist, dann ist die Krankheit unheilbar. Es gibt keine Rückkehr mehr. Man hastet mit leerem, grauem Gesicht umher, man ist genauso geworden wie die grauen Herren selbst. Ja, dann ist man einer der ihren. Diese Krankheit heißt: die tödliche Langeweile.