Deutsche Rüstungspolitik: Fakten gegen Fake News

Emblem der Bundeswehr, dahinter viele Euro Scheine

Bild: DesignRage/ Shutterstock.com

Deutschlands Verteidigungshaushalt wächst seit Jahren. Ausgaben in einem Jahrzehnt verdoppelt. Doch eine weitverbreitete Lobbylüge verschleiert diesen Trend. (Teil 1)

Die aktuelle politische und mediale Stimmung lässt vermuten, dass in der breiten "Mitte" der Gesellschaft ein Wettbewerb stattfindet, bei dem es darum geht, welche Partei oder welches politische Lager mehr Geld für Rüstung ausgibt und sich dadurch kriegstüchtiger zeigt. Dabei werden Maß und Mitte, jede Abwägung und Verantwortung aufgegeben.

Die Behauptung, die Bundeswehr sei »kaputtgespart« worden, ist uns in der Vergangenheit immer wieder begegnet.

Kürzlich habe ich ihn erneut in einer Berliner Tageszeitung gelesen. Dieses Mal scheint es sich um eine Form zu handeln, die möglicherweise als besonders irreführend empfunden werden könnte.

Der Journalist äußerte sich an prominenter Stelle zu den Gründen, warum wir die Hunderte Milliarden für Rüstung und Infrastruktur bräuchten. Die Notwendigkeit, in die Infrastruktur zu investieren, wurde mit einer Studie begründet, die aufzeigte, dass in Deutschland international gesehen ein erheblicher Investitionsstau besteht.

Das ist nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar hingegen ist die Anmerkung, dass die Bundeswehr kaputtgespart worden sei. Doch gerade dieses Scheinargument oder als Begründung für weitere Hunderte Rüstungsmilliarden angeführt.

Dann wurde es noch skurriler: Man habe das Problem erkannt, hieß es, als die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), vor drei Jahren darauf hinwies, dass die Soldaten nicht einmal über warme Unterwäsche verfügten.

Die Mär der "kaputtsparten" Armee

Ich hatte bereits zu meiner Zeit im Bundestag die Gelegenheit, die "Kaputtsparen"-Behauptung zu korrigieren. Es scheint sich bei diesem Bild um eines von jenen zu handeln, die möglicherweise von einem Lobby-Think-Tank kreiert und in der Politik eingeführt sowie deren Verbreitung gefördert wurden, lange bevor Russland in die Ukraine einmarschiert ist.

So ist festzustellen, dass sich dieser Satz ohne faktische Grundlage – auch durch die stetige Wiederholung und ungeprüfte Übernahme – mit massiven Konsequenzen überall in der Öffentlichkeit festgesetzt hat.

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Unabhängig von der persönlichen Einstellung zur Aufrüstung oder der politischen Orientierung wurde diese Sichtweise zu einer unbestrittenen "Wahrheit". Es ist bedauerlich, dass nur wenige Politiker und Journalisten dazu geneigt sind, auf solche Vorfälle zu reagieren und Nachforschungen anzustellen.

Die tatsächliche Entwicklung des Verteidigungshaushalts

Im Gegensatz dazu ist die Verteidigung seit vielen Jahren der Bereich, der am stärksten von allen Haushalten gewachsen ist. In den Jahren von 2014 bis 2018 wurde ein Anstieg der Ausgaben von 32,5 auf 38,5 Milliarden Euro verzeichnet, was einer Steigerung von fast 20 Prozent entspricht. Es ist festzustellen, dass sich der Wert von 2018 bis 2023 um mehr als 33 Prozent auf 51,8 Milliarden erhöht hat.

Nach aktuellem Stand werden die Ausgaben im Jahr 2025 bei 55 Milliarden liegen. Hinzu kommt das bereits verabschiedete Sondervermögen von 100 Milliarden, sodass sich die Ausgaben in gut zehn Jahren verdoppelt haben.

Selbstverständlich sind die Lebenshaltungskosten gestiegen, doch es ist interessant, dass dieses Argument in anderen Bereichen keine Anwendung findet. Ferner sollte bedacht werden, dass in jüngster Zeit eine Reihe kostspieliger Einsätze – insbesondere der in Afghanistan – abgeschlossen wurden. Also wird unsere Freiheit nicht mehr am Hindukusch verteidigt.

Der Anteil des Militärs am Bundeshaushalt

Es festigt sich der Eindruck, dass das Gemeinwohl vernachlässigt wird. Es ist wichtig, sich nicht nur auf absolute Zahlen zu beziehen, sondern auch den Anteil der Rüstungsausgaben am Bundesinlandsprodukt zu berücksichtigen.

Ich denke, wir sollten uns vielleicht die Frage stellen, wie hoch die Gesamtausgaben eines Staates sind und welchen Anteil davon das Militär einnimmt. Für das Jahr 2025 wurden im Bundeshaushalt, einschließlich der Bundesschuld, finanzielle Mittel in Höhe von knapp 490 Milliarden veranschlagt.

Der Militärhaushalt machte, ohne die zusätzlich geplanten Ausgaben, einen Anteil von elf Prozent aus. Um dies in die richtige Perspektive zu rücken, möchte ich betonen, dass die folgenden Bereiche diesen Wert nicht einmal zusammen erreichen.

Die folgenden Bereiche umfassen jeweils weniger als drei Prozent: Inneres (2,8 Prozent), Entwicklungszusammenarbeit (2,1 Prozent), Wirtschaft und Klima (2,1 Prozent), Bau und Wohnen (1,5 Prozent), Ernährung und Landwirtschaft (1,4 Prozent) sowie Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (0,5 Prozent).

Auch in Zeiten zunehmender Haushaltskonsolidierung im Allgemeinen konnte der Verteidigungshaushalt erfreulicherweise weiter ausgebaut werden. Auch im Bereich Sicherheit und Katastrophenschutz mussten leider Einsparungen vorgenommen werden. Im Haushaltsplan für das Jahr 2024 wurde eine Kürzung der Mittel für humanitäre Hilfe und Krisenprävention um 34 Prozent vorgenommen.

Ungleiche Behandlung verschiedener Haushaltsbereiche

In vielen Fällen wurde die Auffassung vertreten, dass zusätzliche Investitionen nur unter der Voraussetzung getätigt werden sollten, dass an anderer Stelle Einsparungen erzielt werden.

Während meiner langjährigen Tätigkeit im Bundestag habe ich oft über deutlich geringere Ausgaben diskutiert, für die dann keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen.

Es ist jedoch zu bedenken, dass Subventionen, also Geschenke, die an bestimmte Gruppen und Lobbys vergeben werden, bereits seit jeher eine Ausnahme darstellen. Die Haushaltspolitik ist bereits seit einiger Zeit Gegenstand von Kritik, da sie als undurchsichtig und undemokratisch wahrgenommen wird.

In Bezug auf Kinder, Bildung, Umwelt und eine Reihe von sozialen Belangen sehen wir uns mit einer Situation konfrontiert, die wir als Spardiktat bezeichnen.

Leider war es nicht möglich, das ursprünglich zugesicherte Klimageld auszuzahlen. Diejenigen, die keine finanzstarke Lobby hinter sich haben, sollen den Gürtel enger schnallen. Die Schuldenbremse wurde genau dort als Disziplinierungselement eingesetzt. Dies führte aber zudem zu dem deutschen allgemeinen Investitionsstau.

Einfluss von Interessengruppen auf Entscheidungen

Es war eine Zeit, in der politische Entscheidungen von bestimmten Interessengruppen beeinflusst wurden. Die Haushalte waren ein Indikator für die politischen Aktivitäten dieser Gruppen, unabhängig von der Regierung. Die Diskussionen über die Verwendung knapper finanzieller Ressourcen werden auch weiterhin von großer Bedeutung sein.

Es ist denkbar, dass die Verteilungskämpfe zunehmen werden. Die neue Regierung wird sich bemühen, die Rüstungsausgaben zumindest teilweise wieder einzusparen.

In der Diskussion ging es um eine Reihe von Themen, nicht nur um das Kindergeld. Noch gibt es vollmundige Versprechen, aber schon an den Formulierungen im Koalitionsvertrag kann man erkennen, wie ernst gemeint sie sind.

Vor allem die zusätzlichen Militärausgaben werden notwendige Ausgaben in anderen Bereichen verknappen, in denen es keine Lobby gibt. In Europa wird das Spiel ähnlich laufen.

Hier sollen weitere 800 Milliarden in die Rüstung fließen, auch die werden nicht vom Himmel fallen, sondern werden von den Nationalstaaten eingesammeltn oder woanders eingespart werden. Steuern für Superreiche wird man überall vergebens suchen.

Gewinner und Verlierer von Rüstungsspiralen

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Rüstungsspiralen neben den genannten Verlierern auch Gewinner hervorbringen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Frieden und Sicherheit in solchen Situationen leider nicht immer gewährleistet werden können.

Die Sektkorken der Rüstungslobby und in einigen Politikerbüros haben zu Recht geknallt. Nach Corona wird "Free Leopard" als ein potenziell vielversprechendes Geschäft gehandelt.

Die Summen, die im Hintergrund zur Verfügung stehen, sind enorm und es wäre wünschenswert, wenn sie auf transparente Weise verwendet werden.

Die bisherigen Milliarden wurden nicht unbedingt in Rüstungsmaßnahmen investiert, die als gerechtfertigt und notwendig betrachtet werden können.

Nun beginnt eine Zeit, in der Vertreter von Interessengruppen und Politiker in komplexe Verhandlungen involviert sind, was gelegentlich zu Vorwürfen der Korruption führen kann.

Selbstverständlich sind diese Maßnahmen Teil eines umfassenden Sicherheitskonzeptes. Es scheint, als sei ein Geschäft entstanden, das auf der Instrumentalisierung von Ängsten beruht.

Marco Bülow ist Publizist, Politiker und Aktivist. Von 2002 bis 2021 war er direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag. Bis 2018 für die SPD, dann faraktionslos.