Internationale Archäologie-ASTK 11
e¹pei\ hÅ poluw//numoj e)/stai
denn er wird Namen haben in Fülle
(Homerischer Hymnos an Apollon, V. 82)
Apollon Delphinios – Apollon Didymeus:
Zwei Gesichter eines milesischen Gottes und ihr Bezug zur
Kolonisation Milets in archaischer Zeit*
Alexander Herda
Apollon, der ‘griechischste’ aller Götter –
wenn auch mit westkleinasiatischen Wurzeln –, lässt
sich in besonderem Maße mit der politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Akme der ionischen
Metropole Milet im 7. und 6. Jh. v. Chr. verbinden. In
zwei seiner Erscheinungsformen manifestierte sich
eine Art Bipolarität der milesischen Staatsreligion:
Apollon Delphinios, der nicht nur griechische,
sondern auch kretisch-mykenische wie hattischhethitische Züge trug, war der politische Gott, der
Gründer des Staates und sein Schützer für die Zukunft.
Er wurde im Herzen der Stadt, im Delphinion an der
Agora, verehrt. Hier war der Ort der Bürgerinitiation,
hier lag das Prytaneion, der ‘Urhaushalt’ mit dem
Heiligen Herd und der Regierungssitz Milets in einem.
Der andere Apollon, der Didymeus, war der Gott des
indigenen Orakels von Didyma, viele Kilometer von
Milet entfernt. Die räumliche und ideelle Verbindung
der beiden Kulte erfolgte im Ritual des milesischen
Neujahrfestes. Opfer im Delphinion und in Didyma
bildeten Anfang und Ende, sie wurden durch eine
große Staatsprozession fest miteinander verknüpft.
Didyma war so Teil des milesischen Staates, der
Apollon Didymeus wurde zum ‘Milesios’.
Auch funktional bildeten Delphinios und Didymeus
ein komplementäres Kultpaar, das als spezifisch
milesisch zu gelten hat: Dieses Paar sanktionierte die
milesische Kolonisation in der Propontis und im
Schwarzen Meer, die so überaus erfolgreich war und
in Konkurrenz zur Kolonisationstätigkeit des eng
verwandten panhellenischen Apollon-Pythios-Orakels
in Delphi trat. Aufgezeigt wird dies anhand
literarischer, epigraphischer und archäologischer
Quellen am Beispiel von Borysthenes-Olbie Polis,
Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos und Phasis.
Einen komplizierten Sonderfall stellt Naukratis im
Nildelta dar, das nicht als typische milesische Kolonie
bezeichnet werden kann, auch wenn die antike
Überlieferung dies immer wieder tat und das dortige
Heiligtum des Apollon Didymeus Milesios tatsächlich
bis in die Anfänge der Siedlung zurückreicht. Hier
trafen sich schließlich die beiden Orakelgötter
Apollon Didymeus aus Milet-Didyma und Apollon
Pythios aus Delphi, als die panhellenische Polis
Naukratis mit dem zugehörigen Emporion möglicherweise unter dem Pharao Amasis und mit
Billigung Delphis gegründet wurde.
14
Einleitung
Apollon, die Hauptgottheit Milets, wurde
unter zahlreichen Epiklesen, oder Epitheta,
»Beinamen«, verehrt, die die Vielgestaltigkeit seines
vorgestellten Wirkens ausdrückten. Nicht von
ungefähr nennt der an Apollon gerichtete sog.
homerische Hymnos diesen auch poluw/numoj, »der
viele Namen besitzt«. Dabei ist es wesenhaft für den
griechischen Polytheismus, dass jede Epiklese, sieht
man von den rein ‘poetischen’ ab, für einen
eigenständigen Kult steht, dessen spezifische
Funktionen und dessen Verortung an einem
bestimmten
Kultplatz
sich
aufgrund
der
fragmentarischen Quellenlage allerdings nicht immer
klar herausarbeiten lassen. Zudem sind auch sog.
Doppel- oder Mehrfachepiklesen zu beobachten, die
nicht etwa eine Gleichsetzung der einzelnen Epiklesen
bedeuten, sondern vielmehr ihre Kombination im
Sinne einer funktionalen Erweiterung des vorgestellten
Wirkens der Gottheit1.
____________________
* Zuvorderst sei Ursula Höckmann und Renate Bol für die
Einladung nach Mainz herzlich gedankt. Die vorliegende
überarbeitete Fassung meines Vortrags hat von den anregenden
Diskussionen mit den Teilnehmern des Kolloquiums profitiert.
Erwähnen möchte ich besonders Udo Schlotzhauer, mit dem ich
Fragen zu den keramischen Weihungen aus Naukratis diskutieren
konnte. Ursula Höckmann hat über die Jahre meine Beschäftigung
mit dem Apollon-Kult in Naukratis besonders gefördert (s. u. Anm.
260).
Ermöglicht wurden meine Untersuchungen zum ApollonDelphinios- und Apollon-Didymeus-Kult in Milet durch eine
dreijährige Sachbeihilfe (GZ: HE 3499/2-1/2) der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Ihr möchte ich für das in mich gesetzte
Vertrauen danken.
1
Zu
Epiklesen/Epitheta/Eponymia
vgl.
die
kurze
Zusammenfassung von Graf 1997, 497 – 498; Brulé 1998, 13–34;
Nick 2002, 108 – 109, 113 – 116 und jetzt methodisch
grundlegend: Parker 2003. – Ältere Analysen
und
Materialsammlungen: Bruchmann 1893; Usener 1948; Carter 1902;
Santoro 1974; vgl. außerdem die Epitheta-Zusammenstellungen
unter den einzelnen Götternamen in der RE und die von P. Brulé u.
a. initiierte interaktive »Banque de données des épiclèses grecques«
der Universität Rennes: www.uhb.fr/sc_sociales/crescam; vgl. dazu:
Brulé – Lebreton 2007, 217 – 228 (ich danke Joannis
Mylonopoulos, Universität Erfurt, für diesen Hinweis). – Zu
Apollon etwa: RE II 1 (1895) 1–111 s. v. Apollon (K. Wernicke). –
Zu Apollon als poluw/numoj: Hymn. Hom. Ap. 82 und Kallim.,
Hymn. Art. 7; dort bittet Artemis ihren Vater Zeus, ihr eine Apollon
vergleichbare »Vielnamigkeit« (poluwnumi/a) zu verleihen; dazu:
Usener 1948, 334 mit Anm. 7, der noch auf Hesych s. v.
Poluw/numon: (...) kai\ e¹pi/qeton 'A)po/llwnoj verweist.
Liddell – Scott 1948 – 85, s. v. poluw/numoj II. übersetzen den
Ausdruck stattdessen mit »‘of great name’, i. e. ‘famous’«. Richtig
stünde das Zitat des Apollonhymnos s. v. poluw/numoj I. 2: »of
divinities, ‘whorshipped under many names’«. Vgl. zu
poluw/numoj bzw. zu poluwnumi/a: Onyshkevych 1998, 60 –
63. 220; hier Anm. 155. – Zur Bedeutung von Doppel- und
Mehrfachepiklesen vgl. hier Kap. III mit Anm. 85; Anm. 155.
Zu den verschiedenen Kulten des Apollon in Milet und Didyma vgl.
Ehrhardt 1988, 130 – 147; Fontenrose 1988, 118 – 122; vgl. die
Zusammenstellung der Epiklesen von N. Ehrhardt in: Milet VI 3,
145 – 146.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Ich möchte mich hier im besonderen auf zwei
Epiklesen bzw. Kulte des Apollon konzentrieren, die
für die Polis Milet eine Schlüsselfunktion besaßen:
den ‘Delphinios’ und den ‘Didymeus’. Beide Kulte
zeigen eine ganz individuelle Ausprägung und
besitzen eine eigene Geschichte. Während der Kult
des Apollon Delphinios eine weite Verbreitung
erfahren hat, hat der Apollon Didymeus immer seinen
engen lokalen Bezug zum namengebenden Kultort
Didyma behalten.
Im Folgenden ist aufzuzeigen, dass der
Apollon Delphinios in Milet und der Apollon
Didymeus in Didyma ein komplementäres Kultpaar
bildeten, das als spezifisch milesisch zu gelten hat.
Dazu sei der Kult des Apollon Delphinios in seinem
politischen Charakter skizziert (Kap. I), bevor ich das
Neujahrsfest der Milesier untersuche, anhand dessen
sich paradigmatisch das enge Verhältnis des
Delphinios zum Didymeus bzw. der Polis Milet zum
Heiligtum von Didyma aufzeigen lässt (Kap. II–III). In
den weiteren Abschnitten wird es um die Bedeutung
des Orakelgottes Apollon Didymeus für die milesische
Kolonisation gehen. Ausgangspunkt bildet ein erst
kürzlich entdecktes, in die zweite Hälfte des 6. Jhs. v.
Chr. zu datierendes Orakel betreffs der Gründung von
Olbie Polis am Schwarzen Meer. Weitere Beispiele
aus anderen milesischen Kolonien (Kyzikos,
Apollonia am Rhyndakos, Phasis) machen deutlich,
dass
das
Orakel
in
Didyma
die
Kolonisationsunternehmen Milets in archaischer Zeit
religiös sanktionierte. Die Grundvoraussetzung hierfür
bildete die enge Anbindung Didymas an Milet,
weshalb der Didymeus auch die zusätzliche Epiklese
‘Milesios’, »der Milesische«, trug (Kap. IV–V). Damit
geht zusammen, dass die Verbreitung der beiden Kulte
des Didymeus Milesios und des Delphinios in direkter
Beziehung zur Kolonisationstätigkeit der Metropole
steht (Kap. VI). Besonders hervorzuheben ist zum
einen Borysthenes–Olbie Polis, wo das Kultpaar
Delphinios – Didymeus wie in der Mutterstadt
nachweisbar ist, zum anderen Naukratis, wo ein Kult
des Apollon Didymeus Milesios seit dem späten 7. Jh.
v. Chr. bestand, auch wenn diese Siedlung nicht als
eine typische milesische Kolonie bezeichnet werden
kann (Kap. VII–VIII). Abschließend wird ausgehend
vom sog. Homerischen Apollonhymnos ein
funktionaler Vergleich der Orakel von Delphi und
Didyma unternommen, der auffällige Parallelen,
jedoch auch deutliche strukturelle Unterschiede
erkennen lässt (Kap. IX).
I. Apollon Delphinios
Der Kult des Apollon Delphinios ist als der
politischste aller Kulte in Milet zu bezeichnen und
Internationale Archäologie-ASTK 11
verdeutlicht anschaulich die enge Verbindung von
Religion und Politik in einer griechischen Polis2.
Seine Anfänge reichen wahrscheinlich bis in
die submykenisch-protogeometrische Zeit zurück, also
das 12./11.–10. Jh. v. Chr., den Übergang zwischen
später Bronze- und früher Eisenzeit. Diese Epoche ist
gekennzeichnet durch den Beginn größerer
Migrationsbewegungen, die nach den später
bedeutensten griechischen Volksgruppen zumeist als
‘dorische’, ‘aiolische’ und ‘ionische Wanderung’
bezeichnet werden3. Die Verbreitung des ApollonDelphinios-Kultes reicht von der Peloponnes (Sparta)
über die Phokis (Krisa) nach Attika (Athen, Demos
Erchia, Oropos), Euböa (Chalkis), die Inseln Aigina,
Kreta, Thera, Nisyros und Chios bis nach Kleinasien
(Milet, Erythrai, möglicherweise Phokaia) und die
phokäische Kolonie Massalia an der Rhonemündung4.
In archaischer Zeit wird er weiterhin in die milesischen
Kolonien Sinope, Borysthenes-Olbie Polis, Odessos,
Hermonassa und vielleicht Kios, Prokonessos,
Apollonia Pontike, Pantikapaion, Nymphaion, Kepoi
und Gorgippia übertragen5.
Der Apollon-Delphinios-Kult kann als
Synkretismus, als interkulturelle religiöse Synthese,
begriffen werden6. Er setzt sich zum einen zusammen
aus dem wiederum selbst synkretistisch geformten
Kult Apollons, des »griechischsten aller Götter«7. In
diesem ‘griechischen’ Apollon ist allerdings wohl der
spätbronzezeitliche,
westkleinasiatisch-trojanische
Gott Apaliunaš aufgegangen. Homer erinnert an
diesen Vorgang in seiner ‘Ilias’, indem er Apollon als
den Schutzgott der Trojaner gegen die achäischen
Griechen charakterisiert und ihn als Lukhgenh/j, »der
in Lykien Geborene«, bezeichnet8.
____________________
2
Graf 1979, bes. 7 ff.; Herda 2006b; Herda 2005. – Zur
griechischen Religion als einer ‘eingebetteten Religion’
(»embedded religion«), die sich nicht von den anderen antiken
Lebensbereichen, etwa der Politik, trennen lässt: Bremmer 1994, 2
– 4; Bremmer 1996, 3 – 5; Graf 1997, 457.
3
Vgl. den Überblick in: DNP 1 (1996) 336–341 s. v. Aioleis 1) (E.
Schwertheim); DNP 3 (1997) 787–791 s. v. Dorische Wanderung
(B. Eder); DNP 6 (1999) 646–647 s. v. Kolonisation I. Allgemein
(W. Eder); ebenda 648 – 651 s. v. Kolonisation II. Ionische
Wanderung (S. Deger-Jalkotzy). Vgl. zur Ionischen Migration jetzt:
Herda (im Druck).
4
Ältere Überblicke über die verschiedenen Kultorte des Apollon
Delphinios bieten: Bourboulis 1949; Graf 1979, passim. – Zu
Apollon Delphinios in Phokaia vgl. hier Kap. IX mit Anm. 329.
5
Für die milesischen Kolonien speziell: Ehrhardt 1988, 130 ff.; vgl.
hier Kap. VI mit Verbreitungskarte Abb. 8.
6
Zum Terminus und seiner Bedeutung vgl. DNP XI (2000) 1152 s.
v. Synkretismus (R. Gordon).
7
Vgl. z. B. Otto 1956, 78.
8
Hom., Il. 4, 101. 119. Zu Apollons Herkunft aus Kleinasien stellt
Burkert 1985a, 144 fest: »But that the god as such, with name, cult,
and myth, is imported [to Asia Minor, A.H.] is impossible to
prove«. Vgl. jetzt Beekes 2003; Brown 2004; Herda (im Druck),
Kap. VIII mit Anm. 329 ff.; s. u. Kap. IX mit Anm. 345 ff. – Als
andere Herleitungen Apollons werden in der Forschung weiterhin
diskutiert: 1) aus dem dorisch-nordwestgriechischen Raum
(Namensgebung Apollons/Apellons nach den Apellai, den
15
Spätestens seit submykenisch-protogeometrischer Zeit
entwickelte sich Apollon griechenlandweit zum Gott
der männlichen Initiation und politischen Organisation
und wurde mit dem Kult eines minoisch-mykenischen
Delphin-Gottes verbunden, der ebenfalls der
männlichen Initiation zugeordnet war, sowie außerdem
dem Schutz der Seefahrt und der Kolonisation9.
Auch der Delphinios ist eine synkretistische
Gestalt: Er weist funktionale und namentliche Bezüge
zum hattisch-hethitischen Gott Telipinu auf, dem nicht
nur der Schutz der Vegetation sowie der hethitischen
Staatsordnung und des Königshauses oblag, sondern
der auch als Beherrscher des Meeres galt. Weiterhin
war Telipinu der Schutzgott der Gründung von
Tempel (Altar) und Königspalast (Herd und Thron),
mithin der Gründung des hethitischen Staates selbst10.
Auf den vergleichbaren Aspekt des Apollon
Delphinios als Staatsgründer und Kolonisator soll hier
in Kap. IX noch näher eingegangen werden.
Der spätgeometrisch-früharchaische, d. h.
wohl um 700 v. Chr. anzusetzende11 sog. homerische
Apollonhymnos erinnert den wichtigen Vorgang der
Verschmelzung von Apollon und Delphinios12:
Apollon springt in Gestalt eines Delphins auf ein Boot
mit kretischen Seefahrern, die eigentlich auf dem Weg
zum peloponnesischen Pylos sind. Er führt sie
stattdessen an den Strand nahe Delphi zu einem Ort
namens Krisa, wo sie das Schiff anlanden. Hier mutiert
er zuerst zu einem Stern, dann zu einem langhaarigen
jungen Mann – einem Kouros –, der den Kretern
gebietet, ihm am Strand einen Altar zu errichten, ihm
zu opfern und zu ihm als Delphinios zu beten. Nach
dem Opfermahl führt er sie in einer Prozession nach
Delphi, während der er die Phorminx spielt und sie
kretische Paiane singen. Anschließend macht er sie zu
den Verwaltern seines Orakels (vgl. auch Kap. IX).
Die enge Verbindung zwischen Apollon, Delphinios
und Kreta wird durch seine vielen Kultorte auf der
Stammesversammlungen der Dorier) 2) semitisch (zyprisch); vgl.
Burkert 1985a, 144 – 145; Herda 2005, 287 mit Anm. 207.
9
Vgl. hierzu Herda 2005, 286 – 290. Demgegenüber vertritt Parker
2003, 179 die Meinung, dass der Name Delphinios adjektivisch
gebildet sei und dass deshalb »there is little reason to think that,
say, Delphinios and Lykeios (…) ever existed as independent
gods«. Ebenda schließt sich Parker der Meinung von Graf an (Graf
1979, 5 – 7. 21), dass »Apollo Delphinios was not a god of the
sea«. Diese These lässt jedoch den Befund des sog. homerischen
Apollonhymnos außer Acht, der sowohl den Bezug des (Apollon)
Delphinios zum Meer und zur Kolonisation, als auch den
synkretistischen Charakter des Kultes (Wanderung aus Kreta und
Wandel der zuerst theriomorphen Gottesgestalt) bezeugt: vgl. dazu
hier Kap. IX.
10
Mazoyer 2003; vgl. Herda (im Druck) Kap. VIII mit Anm. 345 ff.;
ablehnend noch: Herda 2005, 287 mit Anm. 208 unter Bezug auf
Graf 1979, 21 – 22 mit Anm. 161.
11
Zur Datierung ins 8./7. Jh. v. Chr. vgl. Herda 2006b, 273 – 274
Anm. 1936; vgl. bereits RE IV 2 (1901) 2517 – 2583 bes. 2528 s.
v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen).
12
Hymn. Hom. Ap. 388 ff.; dazu: Herda 2006b, 268 – 277; Herda
2005, 286 – 290.
16
Insel illustriert. Bisher nachgewiesen sind Knossos,
Dreros, Olous, Hyrtakina und Oleros13. Es liegt daher
nahe, Kreta als Ursprungsort der Verschmelzung von
Apollon und Delphinios zu betrachten. Dies impliziert
auch die Kultverbreitung des Apollon Delphinios, wie
sie der Apollonhymnos bezeugt: Knossos auf Kreta ist
seine Herkunft. Ist es Zufall, dass Apollon
möglicherweise zuerst in einem Linear B-Text aus
Knossos genannt wird?14. Zu erinnern ist auch an die
kretische Herkunft des Paian, des hymnischen
Gebetsgesanges für Apollon, der in einem
mykenischen Linear B-Text aus Knossos und auch in
der homerischen ‘Ilias’ als eigenständige Gottheit Paja-wo-ne bzw. Paiéon erscheint15. Wie noch gezeigt
wird, spielt der Paian auch im Kult des Apollon
Delphinios in Milet eine wichtige Rolle (hier Kap. II).
Die Milesier selbst leiteten zumindest im späteren 3.
Jh. v. Chr. den Kult des Apollon Delphinios aus Kreta
her16. Nach dem zu Anfang des 3. Jhs. v. Chr.
anzusetzenden fragmentarisch erhaltenem Gedicht
‘Branchos’ des Dichters Kallimachos, das einen
wahrscheinlich milesischen Gründungsmythos zum
Orakel von Didyma überlieferte, kam Apollon
Delphinios allerdings nicht direkt aus Kreta nach
Milet. In Anspielung auf die Epiklese Delphinios lässt
der von Kallimachos erzählte Mythos Apollon
stattdessen auf einem Delphin von der Insel Delos,
seinem Geburtsort, nach Milet reiten17.
Über die Organisation des Kultes sind wir
durch zahlreiche Inschriften informiert, die im
Heiligtum des Gottes gefunden wurden, wo sie
____________________
13
Nachweise vgl. hier Anm. 4. Zu den kretischen Kulten vgl. jetzt:
Sporn 2002; Prent 2005.
14
KN E 842, 3 a-]pe-ro2-[ne; vgl. Beekes 2003, 7. 12–14; Herda
(im Druck), Kap. VIII mit Anm. 340.
15
Huxley 1975; Herda 2006b, 106 mit Anm. 705; 277 mit Anm.
1955 – 1958.
16
Vgl. die Einbürgerungsurkunde für Kreter, die u. a. aus Knossos
und Dreros stammten: Milet I 3, 181 ff. Nr. 37a Z. 2. 4 –5.
sugge/neia a)po\ tou= qeou= (»Verwandtschaft vom Gotte her«);
vgl. dazu Didyma II, 196: »Die sugge/neia (Z. 2. 5) ist alte
Tradition; vgl. Ephoros b. Strabon XIV p. 634. Paus. VII 2, 5; dass
der Apollon Delphinios ihr Repräsentant ist, es sich also wirklich
um eine sugge/neia a)po\ tou= qeou= handelt, ist jetzt, wo wir den
Delphinios als den Stadtgott von Milet kennengelernt haben, völlig
klar.« Vgl. dazu Herda 2005, 286 – 290. – Zur Datierung der
Inschrift ins Jahr 229/8 v. Chr.: P. Herrmann in: Milet VI 3, 163 zu
Nr. 38. Eine deutsche Übersetzung gibt er ebenda 162 – 163. Nr.
37.
17
Pfeiffer 1959, 224 fr. 229 Z. 12 – 13: Xai=re deì Delf]i/ni )
a)/[n]ac, ou)/n[o]ma ga\[r] toi to/d )e¹gw\ kata/rxw,| [ei(/neken
Oi¹kou/s]ion ei¹j a)/[s]tu se delfi\j a)p )e)/bhse Dh/lou (»[Sei
gegrüßt] Herrscher [Delph]inios. Ich beginne nämlich von Deinem
Namen,| weil ein Delphin dich von Delos nach der Stadt [Oikous]
brachte«); vgl. jetzt auch mit neuer deutscher Übersetzung: Asper
2004, 35 – 36. 268 – 271 fr. 182. – Ziel ist nicht Milet selbst, oder
etwa Didyma (so zuletzt Fontenrose 1988, 107. 121; danach:
Salviat 2000, 25 ff. bes. 28), sondern Oikous, der nach dem Mythos
ältere, noch in die Zeit vor der minoischen Kolonisation
zurückgeführte milesische Vorort; vgl. dazu: Herda 2006b, 274;
Herda 2005, 288 – 289 mit Anm. 216 – 219; 291 mit Anm. 230;
vgl. hier Kap. IX mit Anm. 315 – 320. 330.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
ursprünglich aufgestellt waren. Das Delphinion,
südöstlich des Löwenhafens gelegen (Abb. 1), war
nach Ausweis dieser Inschriften »der prominenteste
Ort der Stadt« (o¸ e¹pifane/statoj to/poj th¤j
po/lewj), in dem neben Apollon Delphinios zahlreiche
andere Götter mitverehrt wurden, etwa Zeus Nousios,
der ‘Heiler’, Zeus Soter, der ‘Retter’, der nabatäische
Zeus Dusares, Herakles, Hestia, Hekate, Artemis
(Delphinia) und die römischen Kaiser18.
Das Delphinion war nicht nur das religiöse,
sondern auch das politische Zentrum des Polisstaates:
Der Kultverein des Apollon Delphinios, die ‘Molpoi’,
kontrollierten den Zugang zum Bürgerrecht. Dies kann
u. a. an den zahlreichen Kopien von Neubürgerlisten
abgelesen werden, die in hellenistischer Zeit in die
Heiligtumswände eingemeißelt wurden19.
Zum Zweiten war der Vorsitzende der Molpoi,
genannt
‘Aisymnetes-Stephanephoros’,
höchster
Beamter der Stadt und Eponymer. Im Delphinion
wurde eine der vollständigsten inschriftlichen
Eponymenlisten aus einem griechischen Polisstaat
gefunden. Über 400 Namen sind auf mehreren großen
Marmorstelen erhalten20.
Zum Dritten wurden die Dokumente zur
Außenpolitik im Delphinion publiziert, d. h.
Staatsverträge, Proxenie-Dekrete und Ehrendekrete
von fremden Staaten für milesische Richter. Ebenfalls
standen hier Ehrenstatuen für die hellenistischen
Könige Seleukos I. (312–280 v. Chr.) und Ptolemaios
I. (305–283 v. Chr.)21.
____________________
18
Herda 2005, 247 – 248 mit Anm. 32. – Zur Epiklese ‘Delphinia’,
die Artemis im Delphinion von Milet getragen haben dürfte, vgl.
Herda 2006b, 213 Anm. 1490. Die Zweifel von Dubois 1996, 162
an der Lesung eines Weihe-Graffitos an Artemis Delphinia aus dem
Delphinion in Purotino/Olbie Polis (auf einer schwarzgefirnißten
Schale, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr.; SEG 30, 1980, 272 Nr. 978:
'A)rt[e/midi] Dhlfi[ni/hi]), das als Nachweis für den Kult auch
im Delphinion der Mutterstadt zu werten ist, können nicht
überzeugen (er nimmt stattdessen eine Weihung an Artemis und
[Apollon] Delphinios an und ergänzt A)rt[e/midi] Dhlfi[ni/wi]).
Sein Argument, die Epiklese sei sonst für Artemis unbekannt, ist
erstens eine argumentatio e silentio und zweitens falsch, da der
Kult der Artemis Delphinia sich im Delphinion von Athen
nachweisen lässt und für Aigina, Thera und Olous durch den
Nachweis des Festes der Delphinia bzw. des Monats Delphinios
wahrscheinlich gemacht werden kann: Herda 2006b, 248 – 249 mit
Anm. 1770. Dazu, dass die Epiklese ‘Delphinia’ wahrscheinlich
von Apollon auf Artemis übergegangen ist, vgl. Bourboulis 1949,
23 ff. bes. 25 Anm. 1.
19
Vgl. Milet I 3, 166 ff. Nr. 33 – 93; etwa Milet I 3, 181 ff. Nr. 36
– 38 (Kreterliste, 229/28 v. Chr.) mit Beilage zu S. 181 (= Herda
2005, 248 Abb. 3).
20
Zum
Aisymnetes-Stephanephoros-Amt
vgl.
die
Zusammenfassung bei Herda 2006b, 428 – 429. 435; die
Eponymenlisten sind in Milet I 3 Nr. 122 – 128 publiziert; vgl. P.
Herrmann in: Milet VI 3, 166 – 167, n. 122 – 128 vor allem zur
Datierung; zu einem Neufund einer älteren Liste, die später kopiert
wurde: Blümel 1995, 56 – 58 Nr. 26 Taf. 13, 3; SEG 45, 1995, Nr.
1620; Herda 2006b, 15 Anm. 41; Ehrhardt 2003a, 4 Taf. 1.; vgl.
hier Anm. 34 zur Korrektur der Datierung der am weitesten
zurückreichenden Liste Milet I 3, Nr. 122.
21
Herda 2005, 249 mit Anm. 36 – 37.
Internationale Archäologie-ASTK 11
Eine Schlüsselrolle für die Bestimmung der
zentralen religiös-politischen Stellung des Delphinions
kommt schließlich der sog. Molpoi-Satzung zu. Es
handelt sich um die ca. 200 v. Chr. entstandene Kopie
eines spätarchaischen Kultgesetzes, welches das
Neujahrsfest, das im Delphinion gefeiert wurde (vgl.
hier Kap. II), regelt22. Eine der Bestimmungen für den
dritten Tag des Festes sieht vor, dass der AisymnetesStephanephoros des vergangenen Jahres eine
‘Aparche’, eine Erstlingsgabe, im ‘Molpon’, dem
Vereinshaus der Molpoi, an die Göttin Hestia zu
opfern hatte, bevor das Opfermahl begann. Eine
andere Bestimmung erlaubte dem Paar von altem und
neuem Aisymnetes-Stephanephoros, das Neujahrsfest
aus dem Besitz der Hestia zu finanzieren. Dadurch
wird klar, dass die Hestia des Molpons nichts anderes
als die Göttin des Heiligen Herdes der Stadt war,
Hestia Prytaneia, und dass der Besitz der Hestia mit
der Staatskasse Milets gleichgesetzt werden kann. Das
bedeutet aber auch, dass das Molpon das Prytaneion
von Milet war und dass der AisymnetesStephanephoros dem ‘Vater des Staates’ bzw.
vorsitzenden Prytanis gleichzusetzen ist23.
Der Kontext des Neujahrsfestes führt
weiterhin zu der Annahme, dass das MolponPrytaneion im Delphinion lag. Hier fanden die
Opfermähler der milesischen Offiziellen und ihrer
auswärtigen Gäste statt. Aus diesem Grunde wurden
auch die Staatsverträge, die eine Einladung in das
milesische Prytaneion erwähnen, alle im Delphinion
aufgestellt24.
Die religiös-politische Ausrichtung des
Apollon-Delphinios-Kultes lässt sich bis an den
Beginn des 7. Jhs. v. Chr. zurückverfolgen. Zu diesem
Zeitpunkt wurde mit der Einrichtung des AisymnetesAmtes und der Kontrolle des Bürgerwesens durch den
Kultverein der Molpoi ein entscheidender Schritt auf
dem Weg Milets zum Polisstaat unternommen.
Zeugnis sind zum einen Fragmente milesischer
Lokalhistorie zur Einrichtung des Aisymnetes-Amtes,
die bei den um Christi Geburt schreibenden Autoren
Nikolaos von Damaskus und Konon erhalten sind25.
Zum anderen lässt sich der Apollon Delphinios-Kult
als zentraler Poliskult mit den Institutionen der Molpoi
und des Aisymnetes auch in den milesischen
Schwarzmeer-Kolonien Sinope (wiedergegründet ca.
____________________
22
Milet I 3, 277 – 284 Nr. 133; Milet VI 3, 168 – 169 n. 133;
Herda 2006b, passim; Herda 2005, 247 – 250. Zur Datierungsfrage
bzw. Textgeschichte: Herda 2006b, 15 – 20. 425 – 427.
23
Milet I 3, Nr. 133 Z. 8 – 13. 40 – 42. Vgl. dazu: Herda 2006b, 56
– 84. 404 – 414; Herda 2005, 246 – 247. 249 – 250.
24
Vgl. hierzu Herda 2005, 249.
25
Konon FGrHist 26 F 44; Nikolaos FGrHist 90 F 52 – 53.; vgl.
Herda 2006b, 173 – 178; Herda 2005, 290. Gorman 2001, 88 ff.
mit allerdings zu hohem Ansatz der Ereignisse im 10./9. Jh. v. Chr.
Vgl. auch hier Kap. III mit Anm. 71 (um 700 v. Chr.). Gegen die
Historizität dieser Erzählungen: Hölkeskamp 1999, 211 – 214.
17
630 v. Chr.) und Borysthenes-Olbie Polis (gegründet
ca. 550/40 v. Chr.) nachweisen, wodurch sich für die
vorbildhafte Metropolis ein Terminus ante quem
ergibt26.
Im
Delphinion
selbst
reichen
die
archäologischen Befunde nur an den Anfang des 6.
Jhs. v. Chr. zurück. Im Rahmen eines
Forschungsprojektes zur Geschichte und Funktion des
Heiligtums konnten 2002–2006 zusammen mit Prof.
Dr. Helmut Brückner vom Institut für Geographie der
Philipps-Universität
Marburg
geoarchäologische
Tiefbohrungen durchgeführt werden. Diese haben
gezeigt, dass das Areal des Heiligtums ursprünglich zu
einer flachen, sumpfigen Meeresbucht gehörte, die
einen Teil des späteren sog. Löwenhafens bildete
(Abb. 1). Wenn es in der Nähe ein älteres Heiligtum
gegeben haben sollte, ist es am Strand dieser Bucht zu
suchen. Die Situation gliche dann derjenigen des
Altares in Krisa, die der ‘homerische’ Apollonhymnos
beschreibt27.
Das Aussehen des Delphinions ist unter
funktionalen Gesichtspunkten durch alle Jahrhunderte
seiner nachgewiesenen Existenz, d. h. vom 6. Jh. v. bis
um ca. 400 n. Chr. nahezu unverändert: Wesenhaft ist
die Anlage als Hofheiligtum mit einem zentralen Altar
und den Altarhof flankierenden Hallenbauten28.
Ein Kultbild des Apollon Delphinios scheint es erst
spät gegeben zu haben: Um 100 v. Chr. stiftete der
milesische Bildhauer Demetrios während seiner
Amtszeit als Aisymnetes-Stephanephoros eine
Bronzestatue, die den Gott nackt auf einem Felsen
sitzend darstellte (Abb. 2)29.
Für den Kult unverzichtbar war dagegen von
Beginn an der Altar. Er bildete tausend Jahre lang
auch das räumliche Zentrum des Heiligtums. 494 v.
Chr. durch die Perser zerstört, wurde der
spätarchaische Altar kurz nach der Befreiung der Stadt
____________________
26
Zur Verbreitung des Apollon Delphinios-Kultes vgl. Graf 1979,
passim; Herda 2005, 286 – 291; vgl. hier Kap. V–VI; Abb. 8. – Zur
Datierung der Gründung von Sinope, nach Eusebios im 2. Jahr der
37. Olympiade = 631 v. Chr., was ziemlich genau dem
tatsächlichen Datum entsprechen dürfte, vgl. jetzt: Ivantchik 2005,
135 – 161, der sich gegen Ehrhardts Modell der ‘Doppelten
Kolonisation’ des Südpontos (Kyzikos, Sinope und Trapezos zuerst
um die Mitte des 8. Jhs. v. Chr. gegründet, zweite Gründung im 7.
Jh. v. Chr.) wendet (ebenda 148 – 152). – Zur Datierung der
Gründung von Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. vgl. hier
Kap. IV mit Anm. 86; Kap. V mit Anm. 139. 141.
27
Zum Apollonhymnos vgl. oben; zur Frühgeschichte des
Heiligtumsplatzes vgl. Herda 2005, 250 – 258. 278 – 280. 290 –
291 Abb. 6 – 10. 29; Brückner u.a. 2006, bes. 73 – 76; Müllenhoff
(im Druck).
28
Zum folgenden vgl. Herda 2005, bes. 259 – 272.
29
Abbildungen haben sich auf dem wohl aus antoninischer Zeit
(Mitte 2. Jh. n. Chr.) stammenden Fries des Bühnengebäudes des
Theaters von Milet erhalten, sowie auf zahlreichen milesischen
Bronzeprägungen aus der Zeit des Commodus (176 – 192 n. Chr.),
Septimius Severus (193 – 211 n. Chr.) und Elagabal (218 – 222 n.
Chr.): Th. Wiegand in: Milet I 3, 409 ff. Abb. 100 – 101; Thomas
1983.
18
479/78 v. Chr. mit nahezu identischem Aussehen
wiedererrichtet30.
Von besonderer Bedeutung ist außerdem die
südliche Halle. Auch sie wurde wahrscheinlich schon
kurz nach 479/78 v. Chr. wiedererrichtet. Dazu
benutzte man die Fundamente der spätarchaischen
Halle, sowie zahlreiche ihrer Wandblöcke aus
Marmor. Einige dieser Wandblöcke tragen archaische
Inschriften, die ostentativ in den Außenmauern der
frühklassischen Südhalle verbaut wurden. Die
Verwendung der archaischen Inschriften macht die
frühklassische Südhalle zu einem Mahnmal der
Perserzerstörung. Gleichzeitig wird jedoch an die Zeit
vor 494 v. Chr., die Blütezeit Milets, angeknüpft,
zumal, wenn man bedenkt, dass das gesamte
Delphinion an selbiger Stelle in gleichem Grundriss
und fast identischem Äußeren wiederaufgebaut wurde.
Aufgrund dieser Beobachtungen liegt es m. E. nahe, in
der Südhalle das Vereinshaus der Molpoi zu erkennen,
das ‘Molpon’. Wie bereits ausgeführt, war das Molpon
gleichzeitig das Prytaneion Milets. Für diese Funktion
spricht weiterhin zum einen die Ausstattung mit an den
Innenwänden umlaufenden Sitzbänken, die die Halle
als Versammlungsstätte kennzeichnen, zum anderen
die Lage direkt nördlich der politischen Agora, quasi
im Herzen der Stadt (Abb. 1). Dem Wiederaufbau der
Südhalle dürfte damit nach 479/78 v. Chr. besondere
Priorität zugekommen sein31.
II. Das milesische Neujahrsfest und die
Neujahrsprozession nach Didyma
Das Neujahrsfest in Milet wird in einem
spätarchaischen Kultkalenderfragment lapidar das
»Fest des Apollon Delphinios« genannt. Es fand im
Delphinion vom 7. bis 10. Tag des Frühlingsmonats
Taureon statt, der zwischen unseren Monaten April
und Mai liegt32. Die Molpoi-Satzung gibt uns
Auskunft über den Ablauf des Festes. Die
Bestimmungen
gehören
zum
Kerntext
der
Kultinschrift, der spätarchaisch datiert werden kann33.
____________________
30
Das Fundament des Wiederaufbaus ist in situ erhalten. Die
Fragmente der aufgehenden Architektur lassen sich zur für Milet
typischen Form des sog. Volutenaltars rekonstruieren. Es sind zwei
nahezu identische Bauornamentiksätze erhalten, die nach ihrem Stil
einer spätarchaischen und einer frühklassischen Bauphase
angehören: Herda 2005, 259 – 263, Abb. 11 – 16.
31
Vgl. Herda 2005, 259 – 278; vgl. demnächst ders., Agora und
Stadtplanung in Milet vor und nach den Perserkriegen (erscheint in
der Reihe Milesische Forschungen).
32
A. Rehm in: Milet I 3, 162 ff. Nr. 31 a Z. 12 – 13.; P. Herrmann,
in: Milet VI 3, 160 n. 31 a mit deutscher Übersetzung; vgl. Herda
2006b, 247 – 249 zur Position des Kalenderfragmentes im
milesischen Jahr (11. Artemision – 6. Taureon); vgl. Trümpy 1997,
§ 5. 79. 229 (der milesische Taureon entspricht dem attischen
Monat Munichion).
33
Milet I 3, Nr. 133 Z. 6 – 40; hierzu jetzt umfassend: Herda
2006b, passim.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Ein
unter
dem
Aisymnetes-Stephanephoros
Charopinos hinzugefügter Zusatz bezeugt, dass das
Neujahrsfest spätestens 476/75 v. Chr. wieder gefeiert
wurde. Dies setzt den begonnenen Wiederaufbau des
Delphinions voraus34.
Während des viertägigen Festes wurden viele
staatliche Opfer für Apollon Delphinios und die
anderen Götter abgehalten, deren Altäre um den
zentralen Altar im Hof des Heiligtums herum standen.
Das Hauptziel dieser Opfer war es, das göttliche
Wohlwollen für das Schicksal der Polis zu sichern. Ein
anderes Motiv war auch, die göttliche Sanktionierung
der neuen religiös-politischen Magistrate zu erwirken,
die im Rahmen des Neujahrsfestes feierlich in ihre
Ämter eingeführt wurden. Der wichtigste aller
Magistrate war wie schon gesagt der eponyme
Aisymnetes-Stephanephoros35. Als Vorsitzender des
Delphinios-Kultvereins der Molpoi führte der
Amtsinhaber des neuen Jahres zusammen mit seinem
Vorgänger, dem »scheidenden« (e¹ciw/n), alle
Handlungen an. Sie eröffneten sogar die staatlichen
Opfer mit Voropfern in ihrer Funktion als
‘Opferherren’36.
Das Neujahrsfest im Delphinion von Milet
endete in einer Nachtfeier (pannuxi/j) mit dem
Wettkampf der ‘Hamilleteria’, die ich als Agon der
Phylenchöre der ‘Neoi’ im Paiansingen und -tanzen
erkläre. Die Neoi sind die letzte Altersklasse im
Zyklus der Initiation der männlichen Polisbürger und
den Kouroi gleichzusetzen37. Ihre Aufnahme in den
Bürgerverband geschah unter dem Schutz des Apollon
Delphinios, der im homerischen Hymnos nicht zufällig
am Strand von Krisa in Gestalt eines Kouros
erscheint38.
____________________
34
Milet I 3, Nr. 133 Z. 40 – 42; vgl. Herda 2006b, 17 mit Anm. 54.
404 – 414. 426; die Datierungen der Amtsjahre des AisymnetesStephanephoros Charopinos (479/78 v. Chr.) und etwa auch des
Philtes (Z. 1, 450/40 v. Chr.) müssen allerdings um drei Jahre nach
unten korrigiert werden (476/75 v. Chr. bzw. 447/46 v. Chr.): vgl.
Cavaignac 1924; P. Herrmann, in: Milet VI 3, 166 zu n. 122; Herda
2005, 260–263 mit Anm. 87.
35
Vgl. zum Amt hier Anm. 20.
36
Herda 2006b, 38 – 84.
37
Herda 2006b, 84 – 118.
38
Man vergleiche dazu die in etwa zeitgleiche (ca. 700 v. Chr.)
Statuette des Apollon aus dem Delphinion von Dreros, die ich als
Darstellung des Apollon Delphinios deute: vgl. Herda 2005, 289
Abb. 31. Dort ist Apollon als Kouros mit langem Haar gezeigt. Vgl.
dazu jetzt auch: D’Acunto 2005, 14 Abb. 11; S. 25 – 26 (ich
erinnere mich gerne der Diskussionen mit Matteo zu Apollon
Delphinios, die wir im August 2007 in Milet führten und danke ihm
herzlich für den Hinweis auf seinen grundlegenden Artikel); anders
(Apollon Pythios): RE Suppl. 7 (1940) 128 – 149 bes. 137 (E.
Kirsten); danach: Prent 2005, 463, die im übrigen (ebenda 284 ff.
463 – 464) wie Sporn 2002, 81 – 83 und Bumke 2004, 53 m. E. zu
Unrecht an der Identifizierung des Delphinions in Dreros mit dem
unteren Herdtempel an der Agora durch Marinatos zweifelt (vgl.
Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 160; D’Acunto 2005, 22 – 24). –
Zur spätgeometrischen Datierung der Bronze vgl. Boardman 1981,
14 und Abb. 16 (Apollonstatuette von Dreros) im Vergleich mit
Abb. 17 (Bronzestatuette aus Aphrati); zustimmend: Borell – Rittig
1998, 180 Anm. 368; Bumke 2004, 46 – 47. – Bezeichnend ist das
Internationale Archäologie-ASTK 11
Nach dem Ende der Feiern im Delphinion
fand die große Neujahrsprozession nach Didyma statt.
Ihr Ziel war der Altar des Apollon Didymeus, auf dem
die mitgeführten Opfer der Milesier dargebracht
wurden. Das anschließende Opferfest in Didyma, die
‘Boiegia’, bildeten den Abschluss des milesischen
Neujahrsfestes. Seit dem späten 3. Jh. v. Chr. wurde
das Fest in jedem vierten Jahr, d. h. penteterisch, zu
einem panhellenischen Kranzagon erhoben, der zur
Unterscheidung von den dazwischen jährlich
stattfindenden Boiegia die Bezeichnung ‘Didymeia’
erhielt39.
Die spätarchaische Molpoi-Satzung, weitere
hellenistische Inschriften sowie der archäologische
Befund dokumentieren die ca. 18 km lange Prozession
bzw. Prozessionstraße in einzigartiger Weise für eine
griechische Polis (Abb. 3): Die Zeremonie begann mit
der Aufstellung von zwei heiligen Steinen, sog. Gylloi.
Sie schützten als magische Grenzsteine mit eigenem
Kult den Weg zwischen Stadt und Heiligtum. Der eine
stand »bei den Toren« von Milet, dem sog. Heiligen
Tor, der andere »bei den Türen von Didyma«, womit
der Eingang zum eigentlichen Orakel gemeint sein
dürfte, in hellenistischer Zeit wahrscheinlich die sog.
Erscheinungstür
im
Zwölfsäulensaal
des
Apollon‘tempels’40. Die Prozession formierte sich
danach in Milet am Delphinion auf der Agora (Abb.
1). Viel Platz war nötig. Neben den wichtigsten
Beamten und Kultfunktionären der Stadt zog das
ganze Volk von Milet geordnet nach seiner politischen
Struktur in Phylen (»Stämmen«) und Phratrien
(»Bruderschaften«) mit41. An sieben Stationen machte
die Prozession halt, denn die Sieben (e¸bdomh/) ist die
Haaropfer des ‘Kouros’ Gorgos an (Apollon) Phoibos und
(Apollon) Delphinios, das der Dichter Rhianos von Kreta (2. Hälfte
3. Jh. v. Chr.) in einem Epigramm verewigte: Anth. Pal. 6, 278;
Bourboulis 1949, 9 Nr. 9. Zum Haaropfer, dem sog. Koureion, das
das Ende der Ephebenzeit und den Übergang zur Statusgruppe der
Kouroi/Neoi markierte, vgl. Herda 2006b, 94 – 95 mit Anm. 611 ff.
39
Vgl. zu den ‘Boiegia’ und ‘Didymeia’, die später, wahrscheinlich
unter Trajan, in ‘Didymeia’ und ‘Megala Didymeia’ umbenannt
wurden: Herda 2006b, 187 – 211. Zum Zeitpunkt der Inauguration
des Kranzagons der Didymeia/Megala Didymeia zwischen 218/17
v. Chr. und 206 v. Chr. vgl. ebenda 179 – 186 mit Anm. 1280.
1319 ; 320 mit Anm. 2288. Ich verbinde die Neuedition der
Molpoi-Satzung mit der Inauguration des Kranzagons und datiere
die erhaltene Abschrift (Milet I 3, Nr. 133) in diese Zeit: Herda
2006b, 16. 427. – Vgl. auch Marcellesi 2004, 106 – 107, die die
Inauguration der Didymeia mit der Emission von Silber-Tetrobolen
und Bronze-Hemiobolen verbindet, die auf der Vorderseite einen
Apollonkopf bzw. das von Kanachos von Sikyon geschaffene
spätarchaische Kultbild zeigen: Marcellesi 2004, 108. 122 – 125.
179 Taf. 2 Nr. 37, 38a/b, 39. Dazu rechnet sie noch milesische
Silbermünzen (Hemidrachmen) mit Apollonkopf und der Legende
e¹g Didu/mwn i¸erh/: 224 Taf. 4 B; zustimmend: Hoover 2006, 511.
40
Zur Prozession bzw. Prozessionsstraße vgl. jetzt Herda 2006b,
167 – 220. 259 – 385. 435 – 442. 447 – 457. Zur Aufstellung der
Gylloi vgl. Milet I 3, 277 – 284 Nr. 133 Z. 25 – 27; dazu: Herda
2006b, 249 – 259.
41
Zu
den Teilnehmern
der Prozession
vgl. den
Rekonstruktionsversuch bei: Herda 2006, 170 – 186. 435 – 436.
19
heilige Zahl des Apollon, der auch die Epiklese
Hebdomaios in Milet trug42. Bei den Stationen wurden
jeweils Paiane durch Chöre aufgeführt43 (Abb. 3).
Die erste Station bildete ein Schrein der
Hekate vor dem ‘Heiligen Tor’. Die alte, vielleicht
keinasiatisch-karische Gottheit galt wohl als
Schutzmacht des Tores und der Mauern44. Der zweite
Paian folgte »bei Dynamis«, vermutlich der göttlichen
Personifikation der »Amtsgewalt« der milesischen
Beamten45. Nach dem Aufstieg auf den Höhenrücken
des
ãAkron (»Höhe«) zog man durch einen
Eichenwald (drumo/j) bis zu einer Wiese mit einem
Heiligtum der Nymphen, wo der dritte Paian zur
Aufführung kam. Dieses Heiligtum ist die bisher
einzige lokalisierte Station und wurde 1994 erstmals
genauer untersucht46. Dort wurden die Nymphen als
lokale Naturpersonifikationen (Quell-, Wiesen- und
Bergnymphen) verehrt, zu deren Aufgaben auch der
Schutz des menschlichen Nachwuchses gerechnet
wurde47. Der vierte Paian galt dem Gott Hermes und
dem Flussgott Kelados beim heutigen Badeort
Mavi�ehir48. Der Götterbote Hermes dürfte als
Schützer der Prozession sowie des Herdenviehs, etwa
der berühmten milesischen Schafe, und schließlich der
männlichen Jugend verehrt worden sein. Kelados ist
wahrscheinlich mit Keladon identisch, einem Sohn des
aus Kreta in minoischer Zeit eingewanderten Milatos.
Keladon gründete Milet und benannte es nach seinem
Vater ‘Milatos’49. Wie alle Flussgötter war er
außerdem für den Schutz der Jugendlichen zuständig.
Die fünfte Station bildete ‘Phylios’, in dem Apollon
Phylios als Schutzgott der milesischen Phylen zu
erkennen sein dürfte. Er erhielt nicht nur einen Paian,
ihm zu Ehren wurde außerdem Opfergebäck
verbrannt50. Ein sechstes Mal hielt man beim
Keraiïtes, dem »Gehörnten«. Durch Kallimachos (fr.
217 Pfeiffer) wissen wir, dass Apollon hier als Kind
versucht haben soll, einen Ziegenbock zu melken. Die
Geschichte weist auf Apollon Keraiïtes als Hirtengott
und Gott der sexuellen Initiation. Neben dem Paian
wurden hier alle vier Jahre gehäutete Ziegenböcke
geopfert51. Die siebte und letzte Station vor Erreichen
des zweiten Gyllos in Didyma lag »bei den
Standbildern des Chares«. Die gegen 550 v. Chr zu
____________________
42
Herda 2006b, 279 – 280.
Herda 2006b, 265 – 271. 278 – 279. 280 – 281.
Herda 2006b, 282 – 289.
45
Herda 2006b, 289 – 293.
46
Bumke u.a. 2000 – Ein anderer, allerdings nicht überzeugender,
Lokalisierungsvorschlag findet sich jetzt bei Lohmann 2006a, 201 –
204.
47
Herda 2006b, 293 – 302.
48
Herda 2006b, 302 – 310.
49
Scholion zu Dionysios Perihegetes 825; vgl. dazu Herda 2006b,
306 – 310; Herda 2005, 288 – 289.
50
Herda 2006b, 311 – 319.
51
Herda 2006b, 319 – 326.
43
44
20
datierende Sitzstatue des Chares hat sich erhalten52.
Nach Ausweis der Weihinschrift war sie Apollon
geweiht und stand ursprünglich wohl in dem kleinen
Heiligtum eines Familienverbandes nahe der
Prozessionsstraße. Chares war Kommandant (a)rxo/j)
der milesischen Grenzfestung Teichiosa. Der Paian der
milesischen Staatsprozession bei dieser Statue deutet
auf seinen Heroenkult aufgrund besonderer Verdienste
um Milet53.
Zielpunkt der Prozession war schließlich der
Altar des Apollon Didymeus (Abb. 4–5). Pausanias
(5, 13, 11) verglich diesen Altar mit dem Aschenaltar
des Zeus in Olympia und nannte als Erbauer und
implizit ersten Opfernden Herakles. Reste des Altares
haben sich im sog. Rundbau vor der Ostfront des
hellenistischen Apollontempels erhalten. Dabei
handelt es sich um die ca. 600 v. Chr. errichtete
steinerne
Einfassung
des
heute
verlorenen
Aschenkegelaltares54. Dieser ist häufiger zusammen
mit dem von Kanachos geschaffenen spätarchaischen
bronzenen Kultbild des Apollon Didymeus auf
milesischen Bronzemünzen der römischen Kaiserzeit
oder etwa auch auf dem antoninischen Fries des
Bühnengebäudes des Theaters in Milet dargestellt
(Abb. 5)55. Auf diesem Altar opferten die AisymnetaiStephanephoroi, anschließend nahm die versammelte
Polisgemeinde an den Opfermählern teil56.
III. Das Verhältnis zwischen Apollon Delphinios und Apollon Didymeus oder: Milet
und sein wichtigstes außerstädtisches Heiligtum in Didyma
Didyma, das Ziel der Neujahrsprozession der
Milesier, trägt einen indigenen, wahrscheinlich
luwisch-karischen Ortsnamen, der uns bereits für die
archaische Zeit überliefert ist57. Gemäß Pausanias (7,
____________________
52
Ältere Literatur bei Herda 1995. Die ebenda 125 in Anlehnung an
die ältere Forschung vertretene Deutung der Statue als Darstellung
eines karischen ‘Dynasten’ ist allerdings obsolet: vgl. nächste Anm.
53
Herda 2006b, 327 – 350.
54
Herda 2006b, 351 – 370.
55
Zu den Darstellungen des Kanachos-Apollon vgl. jetzt: Strocka
2002, 88 – 90 mit Abb. 4 – 5 (Relief aus dem Theater). – Zur
Deutung der Reliefdarstellung mit flankierenden Fackelträgern, die
in ähnlicher Weise auch auf milesischen Bronzemünzen aus der
Zeit der römischen Kaiser Septimius Severus, Balbinus, Pupienus
und Gordian wiedergegeben sind, vgl. zuerst Kekule von Stradonitz
1904; vgl. außerdem Herda 2006b, 206 – 211 (Fackellaufagon als
Feuerritual und Teil des Opferfestes in Didyma dient der
Entzündung des Altarfeuers zu Beginn des neuen Jahres). – Zum
Kanachos-Apollon als Kultbild vgl. hier Kap. III mit Anm. 76. –
Zum Attribut des Hirschen vgl. hier Kap. IV mit Anm. 115.
56
Zum Opferfest in Didyma vgl. Herda 2006b, 187 – 220. 351 –
356.
57
Didyma ist literarisch als Ortsname zuerst bei Herodot 1, 92, 2; 2,
159, 3 und 6, 19, 2 bezeugt. Letztere Erwähnung zitiert einen
spätarchaischen delphischen Orakelspruch zu Argos und
Milet/Didyma, der die Eroberung Milets und Didymas durch die
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
2, 6) und anderer antiken Autoren bestand hier bereits
vor der Ankunft der ionischen Griechen ein
�Karisches’ Orakelheiligtum, das Neileos, der
Anführer der ionischen Kolonisten, bei der Gründung
Milets konsultiert haben soll58.
Wann der auf kleinasiatische Wurzeln
zurückzuführende ‘griechische’ Apollonkult59 dort
eingerichtet wurde und ob Apollon einen älteren,
kleinasiatisch-bronzezeitlichen Kult in sich aufnahm,
etwa den des Hekatos, dem männlichen Pendant zu
Hekate, mit der dieser in Didyma ein karisches
Kultpaar gebildet haben könnte60, bleibt aber ebenso
offen wie die Frage nach den Anfängen des Orakels,
das
möglicherweise
ebenfalls
kleinasiatischbronzezeitliche bzw. karische Wurzeln besitzt61. Das
Perser 494 v. Chr. vorhersagt. Wertet man dieses Orakel als
authentisch, so ist damit der Ortsname ‘Didyma’ auch literarisch
für archaische Zeit belegt: vgl. Ehrhardt 1998, 11 – 20, bes. 15 mit
Anm. 15. 17. Als Bestätigung hierfür treten zwei archaische
Weihegraffiti aus Borysthenes-Olbie Polis (hier Kap. III–V mit
Anm. 86 ff. Abb. 7) und Naukratis (hier Kap. VII mit Anm. 206 ff.)
hinzu, die die vom Ortsnamen abgeleitete Epiklese ‘Didymeus’
bezeugen. Die jetzt von M. Piérat geäußerte Meinung, der Wortlaut
des Orakels sei möglicherweise erst nach 494 entstanden (Piérat
2003, 296), ändert nichts an dieser Feststellung. – Zum möglichen
(luwisch-)karischen Ursprung des Ortsnamens: WilamowitzMoellendorff 1937, 375; Günther 1971, 11 – 12; Zgusta 1984, 162
§ 264, 2; Fontenrose 1988, 3 – 5; Ehrhardt 1998, 15 Anm. 17;
Blümel 1998, 167 s. v. Diduma. Fontenrose 1988, 5 Anm. 3 wies
weiterhin darauf hin: »It is possible that Didyma = Dindyma:
Dindymon is the name of several mountains in western Asia Minor,
whence the Great Mothers name is Dindymênê.«. – Zur bis in
archaische Zeit zurückzuverfolgenden griechischen Etymologie des
Ortsnamens Didyma als Neutrum Plural-Form von di/dumoj,
Zwilling (vgl. z. B. Hdt. 6, 19, 2: nhou= (...) Didu/moij), die auf das
Kultpaar Apollon – Zeus und die zwei Quellen in Didyma anspielt
(Kallim., Branchos fr. 229 Z. 1) bzw. auf das Geschwisterpaar
Apollon – Artemis, die in Didyma von Zeus und Leto gezeugt
worden sein sollen (vgl. die Kultlegende von Didyma): Herda
2006b, 214 – 215 mit Anm. 1494 ff. (zu Kallimachos); 320 – 321
mit Anm. 2288 ff. (zur Kultlegende).
58
Günther 1971, 12; Parke 1985a, 2; Fontenrose 1988, 6 – 7 mit
antiken Quellen in Anm. 4. Tuchelt 1970, 191 ff. bes. 193
vermutet, dass es in Didyma einen indigenen bronzezeitlichen Kult
einer mit einer Quelle verbundenen Muttergottheit (Leto, Hekate)
gegeben habe, zu dem später der ionisch-griechische Apollonkult
hinzugetreten wäre. Vgl. bereits Wilamowitz-Moellendorff 1903
(Leto = Lada, eine lykische ‘Mutter’gottheit); danach Nilsson 1976,
559; dagegen: Burkert 1975, 3 – 4. Burkert 1985a, 145 weist aber
selber auf die Analogie zwischen Didyma und dem lykischen
Xanthos hin, wo sich die Kombination von Apollonorakel und Leto
(= Lada)-Kult wiederfindet. – Zu Neileos, der die »karischen
Orakel« (Karikoi¤j mantei/oij) befragt: Tzetzes, chil. 13, 110 –
112.; vgl. Fontenrose 1988, 229 – 230 zu R 59 (2). Das Orakel, das
Neileos nach der Ankunft anweist, ein Kultbild seiner Schutzgöttin
Artemis Kithone Hegemone anzufertigen (Schol. Kallim., Iov. 77; s.
u. Kap. IV mit Anm. 118; Kap. IX mit Anm. 349), ist m. E.
ebenfalls auf Didyma zu beziehen.
59
s. o. Kap. I mit Anm. 8 – 9.
60
Herda 2006b, 287 – 288 mit Anm. 2038 ff.; vgl. hier Kap. IV mit
Anm. 133; Kap. IX mit Anm. 348. – Vgl. zum Hirschen als
möglichem kleinasiatisch-bronzezeitlichen Substrat in der
Ikonographie des Apollon Didymeus: hier Kap. IV mit Anm. 115.
61
Fontenrose 1988, 117 – 118 z. B. vermutete einen
kleinasiatischen, lykisch-karischen Ursprung der griechischen
Apollon-Orakel, die sich seit ca. dem 10. Jh. v. Chr. bis zur
Internationale Archäologie-ASTK 11
‘griechische’ Orakelheiligtum lässt sich archäologisch
zumindest
bis
in
spätgeometrische
Zeit
zurückverfolgen62. Älteste Funde in Didyma stammen
sogar aus der mittleren und späten Bronzezeit. Sie
belegen zumindest eine Besiedlung des Ortes in dieser
Zeit63.
Wahrscheinlich wird sich Apollon spätestens
im Zeitraum zwischen der sog. Ionischen Wanderung
und der spätgeometrischen Epoche am Ort etabliert
haben, d. h. zwischen dem 11. und 8. Jh. v. Chr.64
Schon in dieser Zeit ist eine Übernahme der Epiklese
‘Didymeus’ vorstellbar, die auf den luwisch-karischen
Ortsnamen zurückgeführt werden kann und eine lokale
Gottheit impliziert, die in Apollon aufging65.
Der andere Ortsname von Didyma,
‘Branchidai’ (Bragxi/dai), dürfte demgegenüber wie
das seltenere ‘Branchiad�n’ (Bragxiadw½n) und die
zugehörige
Apollonepiklese
‘Branchiades’
/‘Branchiates’ (Bragxia/dhj/Bragxia/thj) auf die
gleichnamige
‘Abstammungsgemeinschaft’
der
‘Branchi(a)dai’ zurückgehen66, die sich ihrerseits auf
Gründung des delphischen Orakels ca. 750 v. Chr. entwickelt
hätten; vgl. auch Parke 1985a, 2 – 3. Den besonderen Bezug der
Karer zu Apollonorakeln soll wohl auch der von Herodot (8, 135 f.)
erzählte Vorfall verdeutlichen, dass das Orakel des Apollon Ptoios
in Boiotien dem persischen Feldherrn Mardonios bzw. seinem
karischen Boten Mys direkt auf Karisch antwortete, worauf dieser
die Antwort (in Karisch) auf eine Tafel schrieb und Mardonios
brachte: vgl. Munson 2005, 79; s. u. Anm. 94. – Danach wäre das
Orakel von Didyma älter als dasjenige in Delphi. Bei Homer (Od. 8,
79 – 81) ist jedoch für Delphi ein Alter noch vor dem Trojanischen
Krieg überliefert, wie etwa auch für das Zeus geweihte Baumorakel
von Dodona (Il. 16, 232 – 235 etc): vgl. hier Anm. 349. – Die
Herleitung des Branchos von einem gewissen Smikros, Sohn des
Demoklos aus Delphi bei Kallimachos, ‘Branchos’ fr. 229 (Pfeiffer
1959) ist erst hellenistische Konstruktion, die der Anbindung des
331 v. Chr. wiederbelebten Orakels von Didyma an dasjenige in
Delphi diente: Parke 1985a, 3 ff.; Parke 1986, 125; Fontenrose
1988, 106 ff.; Herda 2006b, 277 mit Anm. 1960.
62
Die ältesten mit dem Apollonkult zweifelsfrei zu verbindenden
Funde im Apollonheiligtum in Didyma sind spätgeometrisch zu
datieren (sog. Sekos I ca. 700 v. Chr.): Tuchelt 1991, 12. 18 ff.
Abb. 27. Zu den ältesten Artefakten gehört das erst 2004 entdeckte
Beinfragment eines gegen 730 v. Chr. datierten Bronzedreifußes:
Furtwängler 2005a, 12 – 13 bes. 13 mit Abb.; Furtwängler 2005b,
209 Abb. 12.
63
Vgl. dazu: Herda 2006b, Anm. 3183; hier Kap. IX mit Anm. 345;
Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 396 ff.
64
Fontenrose 1988, 5 – 9 nimmt z. B. an, dass der Kult in Didyma
erst von den Ionern »probably not before 900 at earliest« gegründet
worden sei (vgl. Fontenrose 1988, 108: »no earlier than 900«;
Fontenrose 1988, 116 ff.).
65
Didyma als kleinasiatischer, luwischer oder karischer Ortsname:
hier Anm. 57; ‘Didymeus’ ist die davon abgeleitete Epiklese.
‘Didymaios’ ist erst in der römischen Kaiserzeit belegt und
vielleicht nur die Graezisierung des lateinischen ‘Didymeus’ bei
Plin., n. h. 6, 16, 49: Fontenrose 1988, 114 mit Anm. 14.
66
Für die Branchidai (maskuline Pluralform) vgl. etwa Hdt. 1, 158.
Der Ortsname ‘Branchidai’ begegnet zuerst bei Herodot (1, 46, 2;
1, 99, 2; 1, 157, 1; 1, 159, 1; 2, 159, 3; 5, 36, 3), wo er eine
feminine Plural-Form bildet. Vielleicht verbirgt sich hinter dieser
Femininum Plural-Form ‘Branchidai’ ebenfalls ein alter Ortsname,
von dem dann umgekehrt der Name des Branchos und der
Familienname der Branchidai abgeleitet worden wäre; vgl. dazu
Fontenrose 1988, 3 Anm. 2: »The feminine gender is anomalous for
21
den sagenhaften Gründer des Orakels namens
‘Branchos’ zurückführten67
und
von denen
Wilamowitz
annahm,
sie
seien
»zweifellos
ursprünglich karisch«, womit impliziert ist, dass er
ihren Namen für nichtgriechisch bzw. (luwisch)karisch
hielt68. Die Branchidai besorgten in archaischer Zeit
a locality namend after a family or tribe and leads one to wonder
whether it was not a place name to begin with, later assumed by the
priesthood with change of gender, who then claimed a common
descent from Branchos.« Besser in das Bild der alten, autochthonen
Ortsnamensformen paßt allerdings Didyma (vgl. hier Anm. 57). –
Zur Nebenform des Ortsnamens Branchiad�n (Varro bei Lact. Plac.
in Stat., Theb. 8, 189) vgl. Fontenrose 1988, 107. 165:
»Branchiadon can only be the genitive plural of Branchiadai (it
cannot be taken as neuter singular): it is the temple of the
Branchiadai (i. e. the Branchidai)«; zur Apollonepiklese
Branchiades vgl. Metrodoros von Skepsis bei Lact. Plac. in Stat.,
Theb. 3, 479 = FGrHist 184 F 16 (1. Jh. v. Chr.), der Branchos aus
Thessalien herstammen lässt: Branchus Thessalus fuit, dilectus
Apolloni, ut Hyacinthus, quem acriter interfectum dolens sepulcro
et templo sacravit. illinc Branchiades Apollo dicitur. Die Form
Branchiates hat Ende des 3. Jhs. n. Chr. Menander Rhetor, peri
epid. 2, 17 (peri\ Sminqiakou=) p. 445 Z. 30 (Spengel); dazu:
Russell 1981, 222 – 223. 360; zu Menander s. u. Anm. 99.
Weiterhin ist noch die Epiklese Branchios überliefert (Orph. Hymn.
34, 7); vgl. dazu den Überblick bei: Fontenrose 1988, 114 – 115.
67
Branchos wird zuerst in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. bei
Hipponax von Ephesos, fr. 105 Z. 6 (West) (= P. Oxy. XVIII 2175
fr. 5, 6) in der Form Ba/ragxoj erwähnt: West 1989, 145 – 146
mit kritischem Apparat. Zur griechischen Etymologie des Namens,
der soviel wie ‘Heiserkeit’ bzw. ‘Halsschmerzen’ bedeutet: RE III 1
(1897) 813 – 814 s. v. Branchos 1) (J. Escher-Bürkli); Frisk 1960,
262 s. v. bra/gxoj; Frisk 1972, 56 s. v. bra/gxoj; Masson 1962,
157; Chantraine 1968, 192 s. v. bra/gxoj; Parke 1985a, 3; Parke
1985b, 59 – 60; Fontenrose 1988, 107 Anm. 1; vgl. Liddell – Scott
1948 – 85, s. v. bra/gxoj I. 1. (mask.): »‘hoarseness’ or ‘sore
throat causing hoarseness’«. Eine andere Etymologie leitet den
Namen von bro/gxoj, ‘Kehle’, ‘Luftröhre’, ab (vgl. das heute noch
gebräuchliche medizinische Wort ‘Bronchien’): Bilabel 1920, 84. –
Der hier verwendete Begriff ‘Abstammungsgemeinschaft’ lässt
bewußt offen, ob es sich bei den Branchidai um eine familiäre oder
fiktiv-familiäre (z. B. Kultvereine, Siedlergemeinschaften, etc.)
Gruppe handelt (Fontenrose 1988, 3. 77 – 78. 117 – 118 denkt an
eine fiktiv-familiäre Gruppe und vergleicht die Branchidai mit dem
Geschlecht der Telmessoi in Lykien; vgl. Günther 1991, 605). Ihre
Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie sich auf eine bestimmte
historische oder mythisch-fiktive Person zurückführte, eben
Branchos: Herda 2006b, 128 – 129 mit Anm. 899; 348 mit Anm.
2489. Zur patronymischen Namensendung -idai vgl. Graf 1985,
104; Parker 1996, 57. 61. – Der Branchos-Mythos ist m. E. keine
Erfindung der hellenistischen Mythographie (so etwa Morgan
1989a, 27. 32; Ehrhardt 1998, 15), sondern ein genealogischer
Mythos der in archaischer Zeit in Didyma installierten Branchidai:
Herda 2006b, 129 Anm. 903; vgl. dazu auch die Bemerkung von
Parke 1985a, 3: »Branchus himself, the ancestor of the family, is
only known to us from Hellenistic sources, but this is just one of the
accidents of tradition.« Zum Kult des Branchos in Didyma vgl.
Fontenrose 1988, 164 – 165. Als Kronzeuge für die archaische
Datierung des Mythos ist das Hipponax-Fragment 105 anzusehen
(s. o.; vgl. jetzt: Kerkhecker 1999, 92 mit Anm. 43), auf das jetzt
auch Ehrhardt 2003b, 289 mit Anm. 101 hinweist, ohne allerdings
auf die Konsequenzen für seine Datierung des Branchos-Mythos in
hellenistische Zeit (s. o.) einzugehen.
68
Wilamowitz-Moellendorff 1937, 375; vgl. Laumonier 1958, 570
– 571. – Für diese Annahme von Wilamowitz und Laumonier kann
als Argument angeführt werden, dass neben der etymologischen
Ableitung des Namens Branchos aus dem Griechischen (vgl.
22
als eine Art Verein den Kult des Apollon Didymeus
und kontrollierten das Orakel, für das sie in der
Nachfolge des Branchos den Seher (‘Mantis’) als
Medium des göttlichen Willens stellten69, bis sie unter
Dareios 494 v. Chr. oder wahrscheinlicher Xerxes 479
v. Chr. nach Sogdiana in Innerasien verschleppt
wurden und das Orakel in Didyma für lange Zeit
verstummte70.
vorherige Anm.) auch ein nichtgriechischer Ursprung erwogen
werden kann. So dachte etwa Burkert 1984, 64 an einen
nichtgriechischen Namen, ohne dies näher auszuführen (Burkert
1984, 62 vermutet hinter dem bei Apollodoros von Kerkyra bei
Clem. Str. 5, 48, 4 und Kallim. Iamb. IV fr. 194, 26 – 31 erhaltenen
uns unverständlichen Heilungsspruch des Branchos für die Milesier
eine »Fremdsprache«; dagegen vgl. aber Fontenrose 1988, 108 –
109; Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 412). Parke 1985a, 3
vermutete für den Namen Branchos eine Herkunft aus »some nongreek language of Asia Minor«. Vgl. bereits RE III 1 (1897) 813 s.
v. Branchos 1) (J. Escher-Bürkli): »Nach anderer Ansicht gehört
der Name zusammen mit skr. ‘brahmán’; Bra/gxoj wäre darnach
ein ursprünglich allgemeiner Priestername, der dem mythischen
Stifter des didymaeischen Orakels als Eigenname geblieben wäre«
(er zitiert dazu: Kaegi 1881, Anm. 82). Frisk 1972 und Chantraine
1968 weisen auf die Verwandschaft mit dem altiranischen
‘brong(a)ide’, ‘heiser’. – Danach gehört das Wort auf jeden Fall der
indoeuropäischen, kleinasiatisch-luwischen Sprachfamilie an, zu
der etwa auch das Karische zu zählen ist: DNP 6 (1999) 279 – 280
s. v. Karisch (F. Starke); DNP 6 (1999) 555 – 559 s. v. Kleinasien
(N. Oettinger); Blümel 2007; Melchert 2004; Adiego 2007, 345 –
347. Die karische Herkunft des Namens ist also durchaus möglich.
69
Fontenrose 1988, 77 – 78. 117 – 118. Zu den Branchidai als
Kultverein des Apollon Didymeus, der auch das Orakel betreute:
Herda 2006b, 298 Anm. 2123; 454 Anm. 3205. Zu den Branchidai
als Manteis vgl. hier Kap. IX mit Anm. 345. Zu Sehern im
griechischen Orakelwesen allgemein vgl. Flower 2008, 22 – 23 zum
Terminus ma/ntij, der sich von indoeuropäischem *men ableitet
und die Bedeutung »einer, der in einem besonderen mentalen
Zustand (der Inspiration) ist« besitzt. – Nachfolger der Branchidai
als Kultverein des Apollon Didymeus waren in hellenistischer Zeit
wahrscheinlich die sog. Kosmoi (vgl. Herda a. O.) und nicht die
Molpoi (so Parke 1985a, 33 – 34; Morgan 1989a, 28), die
stattdessen den Kult des Apollon Delphinios in Milet betreuten. Mit
den Branchidai zu vergleichen sind die Kreter im sog. homerischen
Apollonhymnos. Sie besorgen als ‘Orgeones’, d. h. diejenigen, »die
die heiligen Riten (o)/rgia) ausführen«, Kult und Orakel des
Apollon in Delphi: hymn. hom. Ap. 388 ff.; dazu: Herda 2006b, 35
– 37 (Vergleich der Kreter mit den Molpoi). – Die Aufgabe des von
den Branchidai gestellten Mantis übernahm nach der
Neueinrichtung die sog. Prophetis: vgl. hier Kap. IX mit Anm. 343.
355.
70
Nach Fontenrose 1988, 12 – 13 ist die Geschichte von der
Umsiedlung der Branchidai eine Erfindung der AlexanderHistoriker, die Branchidai seien stattdessen 494 alle umgekommen;
vgl. Tarn 1968, 559 – 563. Demgegenüber zweifelt H. W. Parke
lediglich an der Historizität des sog. Branchidenverrats: Parke
1985a, 37 – 41; Parke 1985b, 59 – 68; vgl. Gorman 2001, 195 –
196. Einen radikaleren Weg beschreitet Ehrhardt 1988, 94 – 95
(vgl. Ehrhardt 1998, 13 – 16). Er ist der Überzeugung, »dass es eine
Familie, einen Clan oder einen sonstwie zu definierenden Verband
der Branchidai in historischer Zeit nicht gab« (Ehrhardt 1998, 16),
es sich bei den Branchidai und der Geschichte ihres Verrats an den
Milesiern und ihrer Umsiedlung durch den Perserkönig Xerxes
nach Sogdiana vielmehr als ganzes um eine milesische Erfindung
der Alexanderzeit handele. Dagegen spricht jedoch, dass die
Geschichte durch mehrere alexanderzeitliche Autoren, angefangen
mit Kallisthenes (FGrHist 124 F 14), überliefert ist, demnach also
weitverbreitet war: Hammond 1998, 341 – 342. Hammond weist
außerdem darauf hin (Hammond 1998, 343), dass »no ancient
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Für die oft gestellte Frage nach dem
Verhältnis zwischen Milet und Didyma in der Frühzeit
kommt der Neujahrsprozession und dem Opfer der
Milesier in Didyma eine Schlüsselrolle zu: m. E.
signalisieren sie eine feste Anbindung der Polis an das
außerstädtische Heiligtum.
Die Lokalhistorie, erhalten wieder bei
Nikolaos von Damaskus (FrGrHist 90 F 52), lässt
bereits den letzten König aus dem Hause der Neleïdai,
Leodamas, in einer Opferprozession nach Didyma
ziehen. Es ist danach schon in spätgeometrischer Zeit
mit einer milesischen Prozession dorthin zu rechnen71.
In dieser Zeit, gegen 700 v. Chr., wurde der
Delphinios-Kult
in
Milet
als
staatstragend
institutionalisiert wie oben beschrieben. In dieser Zeit
entstand auch die erste monumentale Anlage in
Didyma, der sog. Sekos I, der die Orakelquelle
einfasste (Abb. 4)72.
In archaischer Zeit ist Didyma dann auf jeden
Fall als das wichtigste außerstädtische Heiligtum der
Metropole zu betrachten: Der erste größere Ausbau
der Prozessionstraße und ihrer Stationen lässt sich
archäologisch zwischen ca. 550 und 520 v. Chr.
datieren73. Zu dieser Zeit wurden außer dem
Delphinion
weitere
Sakralstätten
Milets
monumentalisiert, wie R. Senff gezeigt hat74. Auch in
Didyma wurde der Apollontempel als Sitz der
Orakelstätte umgestaltet, sowie der Platz um den Altar
mit Treppenanlagen, Terrassenmauern und Hallen
ausgebaut75.
Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch
der sog. Kanachos-Apollon (Abb. 5). Diese ihrem Stil
nach Ende des 6. Jhs. v. Chr. von dem sikyonischen
Bildhauer Kanachos gefertigte Bronzestatue stellt eine
Weihung der Polis Milet an den Apollon Didymeus
author whose work survives raised any doubt that the massacre took
place«. Man vergleiche auch neue Inschriftenfunde aus der Region,
die in die Periode des Kuschan-Reiches (1. Jh. v. – 3. Jh. n. Chr.)
datieren (Fundort Dilbergin) und die die Historizität der Branchidai
und ihrer Umsiedlung möglicherweise belegen können: Pischikian
1991 (russ. mit engl. Zusammenfassung); Hammond 1998;
Panchenko 2002, 249 Anm. 9; Herda 2006b, 129 Anm. 903. – Als
Argumente für die Historizität der Branchidai in archaischer Zeit
lassen sich anführen 1) das Zeugnis des Herodot (1, 158) – 2) das
Verstummen des Orakels in Didyma (vgl. hier Anm. 182).
Argumente für ihre Umsiedlung nach Sogdiana sind 1) die Aussage
der antiken literarischen Quellen angefangen mit Kallisthenes – 2)
die Graffitifunde aus Dilbergin (s. o.) – 3) die (Wieder-) Errichtung
der von Alexander zerstörten Altäre für Apollon Didymeus durch
den milesischen General Demodamas im Namen des Seleukos I.
und seines Sohnes Antiochos in Sogdiana (vgl. hier Kap. VI mit
Anm. 188 – 194).
71
Herda 2006b, 173 – 178. Zum Königtum in Ostionien und seiner
Abschaffung noch vor der Mitte des 7. Jhs. v. Chr.: Smarczyk
2000, 57 mit Anm. 28; Herda (im Druck), Anm. 83. 168. 222.
72
Zum sog. Sekos I vgl. Tuchelt 1991, 18 ff. mit Abb. 27;
Schneider 1996.
73
Herda 2006b, 175. 178. 371 – 372 mit Anm. 2627 – 2628. 447 –
453.
74
Vgl. Senff 2006, passim; außerdem: Niemeier 1999.
75
Herda 2006b, 351 – 385. 447 – 453.
Internationale Archäologie-ASTK 11
dar. Sie visualisiert den vormals kultbildlosen Apollon
Didymeus und wird während der Opferfeiern, die auf
die Prozession nach Didyma folgten, e(/doj, temporär
vorgestellter »Sitz«, Ort der göttlichen Epiphanie und
damit Kultbild Apollons gewesen sein, des Adressaten
der Gebete der Milesier76. Apollon Didymeus
erscheint, wie schon Apollon Delphinios in Krisa oder
Dreros, als Ebenbild eines Kouros77.
Den Ausbau der milesischen Sakralstätten
möglich
gemacht
hat
eine
Zeit
höchster
wirtschaftlicher Blüte, als die Stadt gemäß Herodot (5,
28) »die Zierde Ioniens« darstellte. Eine der
Voraussetzungen für diese Blüte bildete neben der
geschickten Außenpolitik gegenüber den Großmächten
Lydien und Persien, sowie dem Handel mit den
Kolonien, das Territorium der Polis, die sog. Milesia.
Geographisch gesehen handelt es sich dabei im Kern
um die ca. 20 km im Quadrat messende Halbinsel, auf
deren Nordwestspitze die Stadt lag78 (Abb. 3).
Die Prozessionsstraße bildete das ‘kultische
Rückgrat’, die ‘Achse’ dieses Territoriums. Ihre
Stationen wiederum markierten ‘Erinnerungsorte’,
‘Denkmäler’, in einer von Mythen besetzten, ‘rituell
strukturierten’ Landschaft. Sie symbolisieren die
Verwurzelung der Milesier in einem ursprünglich
fremden Territorium, symbolisieren die göttliche
Sanktionierung der Landnahme, etwa im Falle der
Stationen des Kelados oder des Apollon Keraiïtes. Die
Station bei der Statue des Chares dagegen erinnerte
wohl tatsächliche Geschichte, etwa, indem man hier
eine besondere militärischen Tat ehrte, die Chares im
Interesse Milets vollbracht hatte. Zu denken ist hierbei
23
an die Abwehr eines Angriffes auf das milesische
Territorium79.
In diesem Sinne sicherte die periodische
Abhaltung der Prozession zu Anfang jeden Jahres von
neuem die Identität der Polisgesellschaft und ihren
Zusammenhalt, zumal, wenn man bedenkt, dass die
gesamte Polis, d. h. die wichtigsten kultischen und
politischen Funktionäre und Vereine sowie der Demos
geordnet nach Phylen und Phratrien am Ritus
teilnahm80.
Genauso wichtig wie die ‘Achse’ der
Prozession waren die beiden Punkte oder ‘Pole’, die
durch sie verbunden wurden81. In Milet ist es das
Heiligtum des Apollon Delphinios als religiöses und
politisches Zentrum in einem, in Didyma das
Orakelheiligtum des Apollon Didymeus. Beide Kulte
standen als Ausformungen desselben Polisgottes
Apollon in unterschiedlicher Funktion nebeneinander,
waren komplementär zueinander, keinesfalls jedoch
identisch82. Dies wird nicht zuletzt durch die
räumliche Trennung der beiden Kultorte deutlich83.
Das komplementäre Nebeneinander der beiden Kulte
blieb seit ca. 700 v. Chr. bis zum Ende der
heidnischen Antike nahezu unveränderter wesenhafter
Bestandteil der milesischen Staatsreligion. Nicht von
ungefähr opferten die Milesier zu besonderen
Anlässen wie Staatsverträgen in hellenistischer Zeit
sowohl dem Didymeus als auch dem Delphinios als
den beiden obersten Gottheiten84.
Die Zugehörigkeit Didymas zu Milet in
archaischer Zeit wird nicht zuletzt in einer
Erweiterung der Epiklese des Apollon Didymeus
____________________
____________________
Scheer 2000, 21 ff. 120 ff. (zu e(/doj) 252 ff. (zum KanachosApollon); Herda 2006b, 213 – 214 Anm. 1493; 451 – 452 mit
Anm. 3187 ff. Abb. 11 a.
Für das Kultbild als temporäre ‘Wohnung’ der Gottheit während der
Kultfeste ist etwa Heraklit fr. 5 DK (= Aristokritos, Theosophia 68)
zu vergleichen: » (...) Auch beten sie [die Menschen] zu diesen
Götterbildern hier (toi=j a)ga/lmasi de\ toute/oisin eu)/xontai),
so wie wenn einer eine Unterhaltung mit Häusern führen würde
(o¸koi=on ei)/ tij do/moisi lesxhneu/oito), ohne von Göttern und
Heroen auch nur im mindesten zu wissen, wer sie sind.«. – Zum
Kanachos-Apollon vgl. hier Kap. II mit Anm. 39. 55; Kap. IV mit
Anm. 115; Kap. VI mit Anm. 194; Kap. VII mit Anm. 201.
77
Zum Apollon Delphinios in Krisa (Hymn. Hom. Ap. 388 ff.): hier
Kap. I mit Anm. 12; Kap. II mit Anm. 38; Kap. IX mit Anm. 294
ff.; zum Kultbild des Apollon Delphinios im Delphinion von Dreros
vgl. hier Kap. II Anm. 38; Kap. IX mit Anm. 326 ff.
78
Zur Milesia vgl. jetzt die Ergebnisse der Survey-Forschungen von
H. Lohmann: Lohmann 1995; Lohmann 1997; Lohmann 1999;
DNP 8 (2000) 166 – 167 s. v. Milesia (H. Lohmann); Lohmann
2004, 325 – 360; Lohmann 2006b, 163 – 271; Lohmann 2007, 363
– 392. – Nicht berücksichtigt sind hier für die archaische Zeit und
später die sog. milesischen Inseln, Leros, Patmos und Lepsia (dazu:
Rehm 1929; Piérat 1985; Ehrhardt 1988, 16 – 17 Abb. b) S. 582)
und das Territorium an der Südwestspitze der Mykale, um die
kleine Polis Thebai herum: Ehrhardt 1988, 14 – 15; Lohmann 2003,
247 – 260; Herda 2006b, 132 mit Anm. 923; Herda (im Druck), VII
mit Anm. 195.
76
79
Hierzu Herda 2006b, 343 mit Anm. 2441.
Vgl. Herda 2006b, 435 – 436. Zu den Teilnehmern vgl. hier Kap.
II mit Anm. 41.
81
Vgl. hierzu die methodische Einleitung bei Herda 2006b, 25. 448
– 449 mit weiterer Literatur.
82
Die Kombination beider Kulte zu einer Gottheit ‘Apollon
Didymeus Delphinios’ anzunehmen, erscheint schon deswegen
abwegig (so aber Salviat 2000, 29; vgl. dagegen Herda 2006b, 450
– 451 Anm. 3186 mit weiteren Gegenargumenten).
83
Vgl. Herda 2006b, 453 – 454 Anm. 3202 ff.
84
Herda 2006b, 298 Anm. 2123; 454 Anm. 3207.
Es ist bezeichnend, dass die Eponymität in dem Falle, wo sich kein
milesischer Bürger für das Amt des Aisymnetes-Stephanephoros
fand, an den Apollon Delphinios ging. Nur einmal ist der Apollon
Didymeus, nicht der Delphinios, als eponymer Stephanephoros
erwiesen: Didyma II 194 f. Nr. 281 Z. 27 – 28. (Prophetes-Inschrift,
1. Jh. n. Chr.); vgl. dazu Herda 2006b, 39 – 40 Anm. 175. 409
Anm. 2904. – Demgegenüber leitet N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 147
zu n. 1227 (kaiserzeitliche Weihung von Rat und Volk an Apollon
Didymeus) aus dem Kultgesetz Milet I 3, Nr. 134 (= Milet VI 3,
169 n. 134) ab, dass der Apollon Didymeus in der römischen
Kaiserzeit als Hauptgott von Milet zu gelten habe und den Apollon
Delphinios aus dieser Position verdrängte. Er verweist dazu auf A.
Rehm, in: Milet VI 1, 111 Anm. 2: »Der Delfi/nioj tritt ganz
zurück. Ihm gelten nur die paar Stücke aus seinem Heiligtum, Milet
I 3, n. 157 – 160. 163.« Dies erscheint mir aufgrund der eben
angestellten Überlegungen zur Komplementär-Funktion von
Didymeus und Delphinios nicht zuzutreffen.
80
24
sinnfällig85. Ein Beintäfelchen von der zur milesischen
Kolonie Olbie Polis am Schwarzen Meer gehörenden
Insel Berezan (Borysthenes?)86 ist explizit als eine
Weihung an Apollon Didymeus Milesios ( ¡Apo/llwni
87
Didum(ei=) Milhsi/wi) bezeichnet , wobei die nicht
vollständig ausgeschriebene Epiklese Didymeus durch
doppelt gestrichelte Buchstaben hervorgehoben wurde
(Abb. 7a-c). Das Täfelchen wird aufgrund der
Buchstabenformen in die zweite Hälfte des 6. Jhs. v.
Chr. datiert88.
Das
»sensationelle«89
Grafitto
aus
Berezan/Olbie Polis ist nicht nur ein eindeutiger
Nachweis dafür, dass der Apollon von Didyma die
vom vorgriechischen Ortsnamen Didyma90 abgeleitete
Epiklese Didymeus bereits in archaischer Zeit trug91,
____________________
85
Zum Phänomen von Doppel- und Mehrfachepiklesen, die
funktionale Erweiterungen eines bestehenden Hauptkultes bilden,
vgl. die kurzen Bemerkungen von Parker 2003, 181; hier Anm.
155.
86
Die Diskussionen über das politische Verhältnis und den Status
von Berezan/Borysthenes und Purotino/Olbia ist nicht
abgeschlossen. Ich folge Burkert 1994, 52 – 53 u. a., die annehmen,
die skythisch-griechische Siedlung auf der Insel Berezan
(Borysthenes?; s. u. Anm. 262) und die Siedlung an der
Hypanis/Bug-Mündung beim heutigen Dorf Purotino (das
Emporion Borysthenes?) seien gegen Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu
einer Polis ‘Borysthenes/Olbie Polis’ vereinigt worden (vgl. hier
Kap. V mit Anm. 139. 141). Dafür spricht m. E. gerade auch der
Fund des sich auf die Gründung von Olbie Polis beziehenden
Orakels auf Berezan.
87
SEG 36, 1986 (1989) 202 f. Nr. 694 Frontseite Z. B 1 – 3. Die
nicht ausgeschriebene Epiklese Didum(ei=?) erscheint ein zweites
Mal auf der Frontseite in Z. E; auf der Rückseite ist in Z. A
lediglich Did((umei=?) geschrieben (vgl. dazu Onyshkevych 129 –
130.). Beide Male sind die Buchstaben einfach gestrichelt.
88
550 – 525 v. Chr.: Rusjaeva 1986, 28; Burkert 1990a, 155; vgl.
Burkert 1994, 52 mit Anm. 21; Vinogradov 1994, 63 ff. bes. 63;
Dubois 1996, 146 – 154 bes. 146 zu Nr. 93. – 525 – 500 B.C.: SEG
36, 1986 (1989) 202 – 203. Nr. 694; vgl. jetzt auch Burkert 2005,
32 – 33. Nr. 279. – Ende 6./ Anfang 5. Jh. v. Chr.: Onyshkevych
1998, 75 – 77. 212 mit Tabelle der Buchstabenformen S. 345 Abb.
2, 5 – Erste Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.: M. H. Jameson (mündlich zu
Burkert; vgl. Burkert 1994, 146 Anm. 21); Ehrhardt 1987, 116 –
117. Doch Ehrhardt 1989, 115 ff. bes. 118 plädiert zuletzt auch für
eine Datierung ins 6. Jh. v. Chr.! – Entsprechend der Datierung in
spätarchaische Zeit und dem kleinasiatisch-ionischen Dialekt ist die
Psilosis, der Wegfall der Aspirata, vorauszusetzen. Die Aspirierung
setzt sich erst unter dem EinFluss der Koine in Ionien im späteren
4. Jh. v. Chr. durch; vgl. Schwyzer 1939, 216 ff. bes. 218 ff.;
Garbrah 1978, § 35; Schmitt 1977, 96 ff. bes. 102 – 103 M 11;
Dubois 1996, 181 – 182 (Psilosis ist in Olbia noch bis in
hellenistische Zeit belegt). Auch die frühhellenistische Kopie der
spätarchaischen sog. Molpoi-Satzung im Delphinion von Milet
etwa bewahrt noch die Psilosis der älteren Textvorlage: Herda
2006b, 83 mit Anm. 501.
89
Burkert 1994, 54: »If it is an authentic document, it is truly
sensational.«
90
Vgl. hier Anm. 57.
91
Ehrhardt 1988, 144 – 147 vermutete anfänglich noch ‘Pythios’
als Epiklese des Orakelgottes Apollon im Didyma archaischer Zeit.
Das seit 1886 bekannte archaische Grafitto aus dem
Apollonheiligtum von Naukratis mit Weihung an den Apollon
Didymeus (Milesios) (s. u. Kap. VII) übersah Ehrhardt in diesem
Zusammenhang allerdings (es ist jedoch zitiert bei Ehrhardt 1988,
439 Anm. 525). Aufgrund des 1986 veröffentlichten Beintäfelchens
aus Berezan korrigierte er sich später (Ehrhardt 1989, 118): »der
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
es weist uns außerdem auf eine besondere Funktion,
die das Orakel des Apollon Didymeus Milesios in
archaischer Zeit – unter der Leitung der Familie der
Branchidai – besessen hat. Das Orakel entschied zum
einen religiöse Fragen in der Metropolis selbst92, oder
formulierte auch in politischen Angelegenheiten – z.
B. im Zusammenhang mit der Unterwerfung Ioniens
durch die Perser seit der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. –
seine Sprüche im Sinne der (außen)politischen
Interessen Milets93, zum anderen aber sanktionierte es
die milesische Kolonisation:
IV. Apollon Didymeus Milesios in Olbie
Polis, Apollonia am Rhyndakos, Phasis
und Kyzikos: das Orakel und die
milesische Kolonisation
A. S. Rusjaeva und W. Burkert haben den in
Prosa verfassten Text, der auf derselben Seite des
Täfelchens auf dem Kopf stehend eingeritzt ist,
überzeugend als – vermutlich private – Kopie eines
Orakels des Apollon Didymeus Milesios die Gründung
von Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr.
betreffend gedeutet94. Der Text lautet folgendermaßen:
Apollon [trug] in Didyma bereits im 6. Jh. den Beinamen
Didymeus«. Im Kommentar Milet VI 3, 146 – 147. zu n. 1227
schreibt er jetzt aber stattdessen (ebenda 147): »Apollon Didymeus
war ursprünglich, wie das lokale Epitheton anzeigt, der Inhaber des
Orakelheiligtums (auch wenn es bis heute keinen archaischen Beleg
für die Epiklese gibt).«
92
Man vergleiche das auf ein Orakel zurückgehende archaische
Kultgesetz für Herakles aus dem Delphinion in Milet: Milet I 3, 276
– 277. Nr. 132; Milet VI 1, 167 n. 132; dazu: Fontenrose 1988, 8.
93. 156. 181 – 182. ‘R 3’; Gorman 2001, 191 – 192.
93
Zur propersischen ‘Politik’ des Orakels, die mit der Position
Milets übereinstimmte (am deutlichsten wird dies in der Geschichte
des Lyders Paktyes [Hdt. 1, 157 – 161]): Parke 1985a, 15 – 18;
Burkert 1988, 51; Graf 1996b, 61; Ehrhardt 1998, 16.
94
Rusjaeva 1986, 25 – 64; Burkert 1990a, 2, 155 – 160;
ausführlicher: Burkert 1994, 54 zu »private copies of oracles in
antiquity« unter Verweis auf Aristoph., Vögel 981 – 982. Dort ist
von einem Orakel des Apollon die Rede, das in einem Orakelbuch
aufgeschrieben wurde. Zu solchen schriftlichen Orakelsammlungen,
sog. Orakelbüchern, die wahrscheinlich seit Homer angelegt
wurden, vgl. Burkert 2005, 39 – 42. Zustimmend Vinogradov 2000,
329 – 330. Dubois 1996, 153 zu Nr. 93, geht davon aus, eine
orphische Sekte habe das Orakel von Didyma betreffs der
Gründung von Olbie Polis befragt. Man vergleiche etwa auch das
Vorgehen des Persers Mardonios 479 v. Chr., der die Orakel in
Griechenland durch den Karer Mys aus Europos (= Euromos?)
befragen ließ (s. o. Anm. 61). Dieser zeichnete die Antworten
jeweils auf einer Schrifttafel (h¸ de/ltoj) auf und brachte sie zu
Mardonios, der in Thessalien wartete: Hdt. 8, 135 – 136. – Andere
Deutungen: Ehrhardt 1987, 116 – 117 (kein Orakel, sondern
Zeugnis für Orphischen Kult oder Hebdomadischen Apollon-Kult);
vgl. Ehrhardt 1988, im Vorwort zur 2. Auflage, S. IV; Onyshkevych
1998, 70 – 152. 222 – 224; Onyshkevych 2002, 161 ff. bes. 169 ff.
(kein Orakel sondern ein Hymnos eines Orphisch-Hebdomadischen
Kultes des Apollon); ähnlich: Gorman 2001, 194.
Internationale Archäologie-ASTK 11
5
5
¡Epta/: lu/koj a)sqenh/j, e¹bdomh/konta: le/wn deino/j, e¹pt(a)ko/sioi: tocofo/roj fi/li(o)j dwreh\ duna/m¡ i¹hth=(r)oj, e¹ptaki(s)xi/li(oi): delfi\j fro/nimoj, ei¹rh/nh 'Olbi/h po/li, makari/zw e¹kei=,
me/mnhmai Lh[t]o/.
»Sieben: ein Wolf ohne Kraft, siebzig: ein furchtbarer Löwe, siebenhundert: ein Bogenträger, freundlich mit
seinem Geschenk,
mit der Kraft eines Heilers, siebentausend: ein weiser Delphin, Friede
der Glücklichen Stadt (Olbie Polis), ich
erkläre, dass (sie) dort?95 glücklich sein
wird,
ich erinnere an Leto96.«
25
Damit wäre eine schon häufiger vertretene,
jedoch nie eindeutig belegte Forschungsmeinung,
derzufolge die milesische Kolonisation in archaischer
Zeit durch das Orakel des Apollon Didymeus
sanktioniert wurde98, zum ersten Mal durch eine
zeitgenössische epigraphische Quelle bestätigt. Der in
diesem Zusammenhang vom Rhetor Menander aus
Laodikeia (Ende 3. Jh. n. Chr.) hergestellte Vergleich
zwischen den Orakeln des Apollon Smintheus bei
Chryse in der Troas, des Apollon in Didyma und des
Apollon
Pythios
in
Delphi,
die
die
Kolonisationsunternehmen
der
griechischen
Mutterstädte »nach Lybien, dem Hellespont und ganz
Asien« ausgesandt hätten, erhält hierdurch einen neuen
Stellenwert (Menander Rhetor 3, 17 p. 442 Z. 14–21
Spengel = 2, 17 [peri\ Sminqiakou=] p. 442 Z. 14–21
Russell – Wilson)99:
Kai\ o(/ti e¹pi\ tw=n tripo/dwn qespi/zwn %)/kise
th\n h)/peiron, %)/kise de\ th\n qa/lassan, nu=n
me\n ei=j Libu/hn e¹kpe/mpwn, nu=n de\ oi¹ki/zwn
to\n (Ellh/sponton, th\n 'Asi/an, th\n e¸%/an
pa=san. (...) oàti e¹kindu/neuse mh\n a)oi/khtoj
ei¹nai gh= pa=sa, ei¹ mh ta\ mantei=a tou= qeou=
pantaxou= dh gh=j e¹pefoi/thse par ) h¸mw=n,
e¹k Delfw=n, e¹k Milh/tou (...)
Die Formulierung des Orakels auf dem
Beinplättchen lässt sogar daran denken, dass der
Didymeus den Namen der Kolonie bestimmte. So
wünscht der Gott »Frieden der ‘Glücklichen Stadt’«
(ei¹rh/nh 'Olbi/h po/li) in Anspielung auf ihren Namen
‘Olbie Polis’97.
»Weisagend auf dem Dreifuß, besiedelte er
das Festland wie auch das Meer, jetzt schickt
er nach Libyen aus, jetzt besiedelt er den
Hellespont, Asien, den ganzen Osten. (...) Die
ganze Erde wäre unbesiedelt geblieben, wenn
nicht das Orakel des Gottes überallhin auf
____________________
Die Inschrift hat e¹kei. Burkert 1994, 54 ergänzt zu e)kei/(nhn) in
Bezug auf das voranstehende Olbie und übersetzt: »I pronounce her
to be happy«. Dies übernimmt Onyshkevych 1998, 109 – 110. 114.
96
Die Inschrift hat LH- … [T]O. Das Tau zu Beginn von Zeile A 8
ist nicht erhalten, wie Burkert 1994, 53 – 54 aufgrund der
Zeichnung von Rusjaeva angenommen hat: vgl. Onyshkevych
1998, 110 nach persönlicher Autopsie.
Es liegt hier m. E. die Akkusativform Lhto/ vor, die von
me/mnhmai abhängt: vgl. hier Anm. 158; übereinstimmend:
Onyshkevych 1998, 111. 114. 146 – 150. Die Emendationen zu
Lh|to=(j) (so: Dubois 1996, 146 – 154 bes. 147 Nr. 93; vgl.
ablehnend: Onyshkevych 1998, 110 – 111) oder zur Dativform Lh| [t]o[i=] (vgl. Rusjaeva 1986, 26; SEG 36, 1986 [1989], 202 – 203
Nr. 694 Z. A 7 – 8; danach auch: Burkert 1994, 54. 59 – 60) ist
daher nicht nötig. Noch unwahrscheinlicher erscheint die von E.
Krummen vorgeschlagene Emendation zu MEMNHMAI
<MI>LHTO, »I remember Miletus«: dies. mündlich zu W.
Burkert; vgl. Burkert 1994, 60; danach jetzt Burkert 2005, 32 –
33.Nr. 279 (»ich gedenke an <Mi>let«). Dazu ebenfalls ablehnend:
Onyshkevych 1998, 113 – 114.
97
SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203 Nr. 694 Z. A 6 – 7. Vgl. dazu
Burkert 1994, 53; Onyshkevych 1998, 112. Noch vor der
Publikation des Orakeltäfelchens 1986 wies M. V. Skrichinskaja
1981 als erste darauf hin, dass der Name ‘Olbie Polis’ durch das
ebendort verzeichnete Orakel des Apollon Didymeus vergeben
worden ist: Skrichinskaja 1981, 142 – 147; vgl. Hind 2005, 29. –
Die ungewöhnliche Satzkonstruktion erst mit Nominativ (ei¹rh/nh),
dann mit Dativ ('Olbi/h po/li), deutet Burkert 1994, 60 als
Hinweis auf einen semitischen EinFluss im didymäischen Orakel
im Sinne einer »international oracle technique«; dazu ablehnend:
Onyshkevych 1998, 116 – 117.
95
____________________
98
Vgl. z. B. Fontenrose 1978, 143 Anm. 18: »It may be that the
Milesians who colonized the Black Sea coasts sought approaval of
their projects from Apollo of Didyma«. Zu Didyma und der
milesischen Kolonisation vgl. außerdem: Hammond 1967, 113;
Rohrbach 1960, 124 – 125. (non vidi; zitiert nach Ehrhardt 1988,
441 Anm. 553); Parke 1985a, 10 – 11; Fontenrose 1988, 93. 112.
208 – 209; Ehrhardt 1988, 45 – 46. 145 – 146. 185. 250; Morgan
1989b, 65; Morgan 1989a, 26; Gorman 2001, 192 – 193; Herda
2006b, 449 – 450. Anm. 3185 – 3186. – Die einzige Ausnahme,
dass Delphi das Gründungsorakel für eine milesische Kolonie
geliefert hat, scheint Sinope zu bilden: Plutarch, de Pythiae oraculis
(ed. R. Paton p. 54 § 27); dazu: Bilabel 1920, 31 – 32; Parke –
Wormell 1956, 81 Nr. 85. Greaves 2002, 128 erklärt dies
ansprechend damit, dass die Gründer von Sinope, Kretines und
Koos, aus Milet exiliert worden waren und daher »could not have
consulted the Oracle at Didyma which was closely associated with
Miletos«.
99
Russell 1981, 216 – 217. Vgl. den Kommentar zu 442, 21:
»Branchidae (Miletus) and the Smintheum, though important
oracular sites, do not seem to be credited elsewhere with any
influence on colonization.« Fontenrose 1978, 137 – 144 bes. 143
geht auf das Apollon Smintheus-Orakel von Chryse, das schon
Homer (Il. 1, 37 ff. etc.) nennt, nicht ein: »According to Menander
(...) Apollo sent forth colonies from Delphi and Miletos (Didyma)
to Lybia, the Hellespont, and all Asia«. – Zum Smintheion und
Apollon Smintheus vgl. Özgünel 2003, 261 – 291. – Zu Menander
vgl. DNP 7 (1999) 1221 – 1222. s. v. Menander Rhetor (M.
Weißenberger); Heath 2004.
26
Erden vorangegangen wäre, von uns aus
[gemeint ist das Apollon Smintheus-Orakel,
A. H.], aus Delphi, aus Milet (...)«.
Die grundsätzlichen Zweifel an der Rolle
Delphis bei der Kolonisation archaischer Zeit, und
zwar nicht nur im westlichen Mittelmeer und in
Nordafrika, sondern auch in der Propontis und im
Schwarzen Meer100, erweisen sich in diesem
Zusammenhang als unbegründet101.
Der Orakeltext aus Berezan/Olbie Polis lässt
sogar die Aussage zu, dass der Apollon Didymeus auf
einzelne Kolonien zugeschnittene Gründungsorakel
erteilte102.
Anlass zu der Vermutung, das Apollon-Orakel von
Didyma wäre in die milesische Kolonisation
archaischer Zeit involviert gewesen, gab bisher, neben
der kaum beachteten Erwähnung bei Menander
Rhetor, vor allem ein Dekret der Stadt Apollonia am
Rhyndakos aus der Mitte des 2. Jhs. v. Chr., gefunden
im Delphinion in Milet103. Hierin erklärt sich
Apollonia zur milesischen Kolonie. Die Milesier
bestätigen dies, nachdem sie einer Gesandtschaft der
Apolloniaten »mit allem Wohlwollen zugehört und die
diesbezüglichen Geschichtsdarstellungen und die
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
anderen Schriftzeugnisse einer Prüfung unterzogen
haben«104.
Die im Folgenden von den Apolloniaten
wiedergegebene milesische Stellungnahme ist
besonders aussagekräftig:
10
15
»Dann haben sie die Antwort erteilt, dass
unsere Stadt in Wahrheit als eine Kolonie
ihrer eigenen Stadt entstanden ist, durch die
Initiative und den Erfolg der Vorfahren zu
den Zeiten, wo sie ein Heer aussandten in
die Gegenden am Hellespont und an der
Propontis und, nachdem sie mit dem Speer
(= mit kriegerischer Gewalt) die dort
wohnenden Barbaren überwunden hatten,
neben den anderen griechischen Städten
auch unsere als Kolonie gründeten, indem
der Apollon von Didyma die Leitung des
Kriegszuges übernommen hatte.« (Übersetzung P. Herrmann)
____________________
100
Für die megarische Kolonie Kalchedon und die Tochterstädte
Kallatis und Chersones der megarischen Kolonie Herakleia Pontike
sind delphische Orakel indirekt zu erschließen über den Kult des
Apollon Pythios (Kalchedon) bzw. direkt nachweisbar (Kallatis,
Chersones Taurike): Antonetti 1999, 18 – 19 mit Anm. 17 –
18.(Kalchedon, Kallatis); S. 21 – 22 (Kalchedon), 23 mit Anm. 65
(Chersones Taurike). – Im Falle von Chersones ist einschränkend
zu bemerken, dass es sich möglicherweise um eine Nachgründung
klassischer Zeit in einer ehemals milesischen Kolonie handelt:
Vinogradov 2007, 465–473.
101
Die Zweifel an der entscheidenden Rolle Delphis für die
archaische Kolonisation der Griechen gründen auf dem Fehlen
authentischer, zeitgenössischer Texte. So wird vielfach
angenommen, die Orakelsprüche seien spätere Erfindungen des 6.
und 5. Jhs. v. Chr.: Fontenrose 1978, 137 – 144; Fontenrose 1988,
93 (für das Orakel von Didyma akzeptiert er diese Funktion, nicht
aber für Delphi!); vgl. auch Caldas 2003, 66 – 69 mit weiterer
älterer Literatur; zustimmend: Rosenberger 2006, 65; Rosenberger
2001, 69–74 bes. 69 mit Anm. 5 (dort wird Malkin als Referenz
zitiert!). Ebenda S. 73 geht Rosenberger von nachträglichen
Konstruktionen
von
Orakelsprüchen
im
Kontext von
Koloniegründungen aus, die dazu gedient haben sollen, »das
Ansehen einer Stadt zu erhöhen«. Der Fund des Orakeltäfelchens
aus Berezan/Olbie Polis (von Rosenberger 2001, 70 nur kurz
erwähnt und sonst nicht weiter berücksichtigt) macht allerdings die
Problematik deutlich, spätere antike Überlieferung mangels
zeitgenössischer Quellenzeugnisse ex silentio grundsätzlich in
Frage zu stellen. Vgl. dagegen schon Malkin 1987, 7. 17 – 91;
Morgan 1990, 159. 177 – 178, die beide m. E. zutreffend eine
Tätigkeit des delphischen Orakels im Rahmen der Kolonisation
bereits seit dem 8. Jh. v. Chr. annehmen.
102
Anders noch Ehrhardt 1988, 145 ohne Kenntnis des
Beintäfelchens aus Berezan: »Das Orakel von Didyma hat vielleicht
keine individuellen Orakelsprüche für die Gründung einzelner Orte
erteilt, sondern gleichsam kollektiv den Kult des Ietros für die
Pontoskolonien propagiert.«
103
Milet I 3, 379 ff. Nr. 155; Milet VI 1, 193 – 194. n. 155 (mit
deutscher Übersetzung).
a)pekri/qhsan
th\n po/lin h(mw=n e)pi\ th=j a)lhqei/aj
gegenh=sqai a)/poikon
th=j e¸autw=n po/lewj diapracame/nwn tw=n
progo/nwn,
kaq' ou(\j kairou\j e¹kpe/myantej
stra/teuma kai\ e)j tou\j
[k]ata\ to\n ¸Ellh/sponton kai\ th\n
Proponti/da to/pouj
krath/santej do/rat(i) tw=n e¹noikou/ntwn
barba/rwn katw/(i)kisan ta\j te a)/llaj ¸Ellhni/daj
po/leij kai\ th\n h¸mete/ran kaqhghsame/nou th=j stratei/aj 'Apo/llwnoj
Didume/wj:
Zwar ist daran zu zweifeln, dass Apollonia
tatsächlich eine Kolonie Milets gewesen ist.
Wahrscheinlicher handelt es sich bei Apollonia
vielmehr um eine sog. sekundäre Gründung durch die
milesische Kolonie Kyzikos. Dies hatte bereits N.
Ehrhardt vermutet und der erst 1990 gelungene
Nachweis des kyzikenischen Kalenders in Apollonia
bestätigt dies jetzt105.
____________________
Übersetzung nach Milet VI 1; vgl. Z. 8 ff. Milh/sioi
diakou/santej | tw=n presbeutw=n meta\ pa/shj eu¹noi/aj
kai\ e)piskeya/menoi | ta\j peri\ tou/twn i¸stori/aj kai\
taÕlla e)/ggrafa.
105
Zu Apollonia am Rhyndakos vgl. Ehrhardt 1988, 44 – 47, der
keine milesische Primärgründung, sondern eine Sekundärgründung
von Kyzikos aus vermutet. Diese Annahme kann durch eine erst
1978 entdeckte und 1990 publizierte und daher Ehrhardt 1988 noch
unbekannte Grabinschrift des 2. Jhs. n. Chr. aus Apollonia weiter
erhärtet werden: Sie bezeugt, dass in Apollonia der kyzikenische
Kalender gültig war, denn es wird der kyzikenische Monat Boudion
genannt, der dem milesischen Metageitnion entspricht: Abmeier
1990, 1 Z. 7 mhno\j Boudiw=noj; vgl. den Kommentar dazu
104
Internationale Archäologie-ASTK 11
Durch den neugefundenen archaischen Orakeltext aus
Berezan steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass das
Orakel von Didyma tatsächlich auch bei der Gründung
von Apollonia am Rhyndakos durch Kyzikos in
archaischer Zeit eine gewichtige Rolle spielte,
mindestens aber, dass man die in dem hellenistischen
Dekret vertretene Version von der Rolle des Gottes bei
der Kolonisation in archaischer Zeit für zeitgemäß
halten konnte106.
Das in dem Dekret für Apollon Didymeus
zusätzlich gebrauchte Epitheton Kaqhgemw/n oder
Prokaqhgemw/n, »Anführer«, wie Apollon Didymeus
ein anderes mal in einer Inschrift neronischer Zeit aus
dem Delphinion genannt wird107, kennzeichnet den
Orakelgott in seiner Funktion als Schützer der
milesischen Kolonisten bzw. als Schutzmacht und
göttlicher Wegweiser des milesischen Staates. Für die
ebenda S. 5 – 6. 7 Anm. 39. Zum Boudion in Kyzikos vgl. Trümpy
1997, 91 – 92 § 78. Robert 1950, 5 Anm. 1 vermutete samischen
EinFluss: »on introduisait Kronion, d’après le calendrier de
Samos«. Doch in Samos entspricht dem Boudion der Metageitnion,
wie in Milet und anderen ionischen Städten: Trümpy 1997, 78 ff. §
69. 76. – Abmeier 1990, 10 – 11 glaubt mit E. Schwertheim (DNP
1 (1996) 872 s. v. Apollonia 6) [E. Schwertheim]), dass Apollonia
erst eine Gründung der Attaliden gewesen sei, die auf eine ältere
Vorgängersiedlung namens Miletou Teichos zurückgehe (vgl. dazu
auch Milet VI 1, 193; Avram 2004, 975: »an attractive solution«).
Das kann aber nicht sein, da Miletou Teichos eine eigenständige
Siedlung war, die möglicherweise mit der späteren Miletopolis
identisch ist, die ca. 18 Kilometer westlich von Apollonia lag:
Ehrhardt 1988, 42 – 44. 575 – 576, vgl. die Karte ebenda 583. Vgl.
jetzt auch Avram 2004, 989 s. v. Miletouteichos (Nr. 751), der
allerdings keine Identität, sondern ein Abhängigkeitsverhältnis
zwischen Miletoupolis (ebenda 988 – 989 Nr. 750) und Miletou
Teichos seit dem 4. Jh. v. Chr. postuliert. – Zur Lage Apollonias in
der Nordostecke des ‘Apolloniatis-Sees’ (heute Ulubat Gölü) auf
der Halbinsel Gölyazı und zu den Resten der antiken Stadt vgl. die
Ergebnisse eines neuen Surveys: Aybek – Öz 2004, 1 – 25.
106
Ehrhardt 1988, 44 – 47 geht von einer erst im 2. Jh. v. Chr.
konstruierten Geschichte aus, die im Zusammenhang der
pergamenisch-milesischen Beziehungen zu sehen sei. Vgl. Ehrhardt
1987, 103 – 105; vgl. den Kommentar von P. Herrmann, in: Milet
VI 1, 193 mit weiterer Literatur dazu und Greaves 2002, 127 – 128,
bes. 128: »Didyma was probably involved in colonisation, but we
have no record of these consultations (…)«. Nach DNP 1 (1996)
872 s. v. Apollonia 6) (E. Schwertheim) »dürfte A. eine
pergamenische Gründung sein, benannt nach Apollonis, der Mutter
Attalos’ II. «. Vgl. auch Abmeier 1990, 9 – 10. Schwertheim und
Abmeier folgend hat Avram 2004, 975 Apollonia nicht in die Liste
der archaischen und klassischen Poleis aufgenommen. – Dagegen
scheint Vinogradov 1997, 337 – 338 eine Historizität der
Geschichte und damit die Existenz einer Polis Apollonia in
archaischer Zeit zu erwägen, ebenso etwa Pippidi 1971, 201;
Robert 1974, 292 – 294; Robert 1980, 89 – 98; Robert 1983, 501
Anm. 18; Fontenrose 1988, 93. 209.
107
Milet I 3, 284 ff. Nr. 134 (= Sokolowski 1955, 138 ff. Nr. 53;
Milet VI 3, 169 n. 134) Z. 6 ff. to\n prokaqh|gemo/na th=j
po/lewj h¸mw=n 'Apo/l|lwna Didume/a (Gesetz über die
Bewirtung der Kosmoi und Molpoi, neronisch). Zum Epitheton, das
etwa auch die Artemis von Ephesos trug, vgl. Robert 1937, 26 – 27;
zuletzt Robert – Robert 1973, 164 Nr. 426 (Artemis Astias von
Iasos). – Vgl. zum ‘Kathegemon’ als Titel des Apollon Didymeus:
Günther 1971, 42 Anm. 105; Fontenrose 1988, 112. 115 und N.
Ehrhardt, in: Milet VI 3, 147 zu Nr. 1227 (kaiserzeitliche Weihung
von Rat und Volk an Apollon Didymeus).
27
Teilnahme des Apollon Didymeus an der Kolonisation
Apollonias spricht nicht zuletzt der Ortsname, der vom
Gottesnamen abgeleitet ist108 und die Zustimmung
Apollons erforderte. Die Zustimmung wird eine
Befragung des Orakels in Didyma gebracht haben109.
Dieser Vorgang ist für eine weitere milesische
Kolonie, Apollonia Pontike an der Westküste des
Schwarzen Meeres, zu erwarten, deren Oikistes der
Philosoph Anaximandros gewesen sein soll110.
In diesem Zusammenhang ist auf eine ca. 450
v. Chr. zu datierenden silberne Omphalosschale
____________________
108
Die These von Schwertheim (DNP 1 (1996) 872 s. v. Apollonia
6) [E. Schwertheim]) und Abmeier (Abmeier 1990, 10 – 11), der
Ortsname sei von der Mutter des Attalos II., Apollonis, hergeleitet,
kann nicht überzeugen. Die zitierte späte Quelle, eine Notiz in der
Suda (A 3416 Ausg. Adler) s. v. 'Apollwni/aj li/mnh bezieht
sich nicht auf die Stadt, sondern den benachbarten See. Zu diesem
vgl. Ehrhardt 1988, 45 mit Literatur in Anm. 300.
109
Malkin 1987, 86 ff. zeigt am Beispiel von Apollonia Illyria,
einer korinthischen Kolonie, dass der Orakelgott von Delphi neben
einem Sterblichen namens Gylax als Oikistes galt und folgert für
Städte mit dem Namen Apollonia, »that in some of these cities, too,
he [Apollon Pythios, A. H.] was considered founder«. In ebenda
Anmerkung 412 verweist er dazu auch auf Apollonia am
Rhyndakos! Weiterhin folgert er ebenda 87 – 88: »It seems
reasonable to assume that Apollo had to be consulted before his
own name was given to a city«. Nach H. S. Versnel deutet der
Name Apollonia, den viele Kolonien tragen (vgl. die Übersicht RE
II 1 [1895] 111 ff. s. v. Apollonia), darauf, dass die Kolonie und die
Kolonisten dem Orakel-Gotte geheiligt waren. Er weist dazu auf die
Weihung der chalkidischen Kolonisten von Rhegion als ‘Zehnten’
an Apollon Pythios in Delphi, eine sog. ‘Dekateusis’ (Strab. 6, 1, 6)
und vermutet hier einen verbreiteten Brauch im Rahmen der von
Delphi sanktionierten Kolonisation: Versnel 1985 – 1986, 140 –
141; danach auch: Bierl 1994, 87 – 88. Dagegen meint Malkin
1987, 31 – 41, vgl. Malkin 1994, 3 – 4, der für Rhegion bezeugte
Ritus der ‘Dekateusis’ sei eher eine Ausnahme und keine generelle
Praxis.
110
Zu Apollonia Pontike: Ehrhardt 1988, 61 – 62; Nedev –
Panayotova 2003, 95 – 155; Oppermann 2005, 5 – 6; Oppermann
2007, 15 – 17. Zum Oikistes Anaximandros, vielleicht der
milesische Philosoph: Ael., var. hist. 3, 17 = Diels – Kranz 12 A 3;
dazu: Ehrhardt 1988, 61. 533 Anm. 30. Boshnakov 2004, 46 – 47.
125 – 128 vertritt jetzt demgegenüber die Meinung, dass die
Angabe bei Ailianos dahingehend zu korrigieren ist, dass
Anaximandros nicht der Oikistes von Apollonia war, vielmehr die
ursprüngliche Überlieferung betreffs der Gründung der Kolonie den
Zeitpunkt mit dem Geburtsjahr des berühmten Philosophen
(Hippol. Ref. 1, 6, 7: Ol. 42, 3 – 4 = 610/09 v. Chr.) synchronisiert
hatte (so bereits Jacoby 1902, 192). Dies würde auch mit dem
archäologischen Befund zusammengehen, der eine Datierung der
Gründung in das späte 7. Jh. v. Chr. nahelegt. – Auch für Apollonia
Pontike ist die besondere Rolle des Apollon Didymeus-Orakels bei
der Gründung zu erwarten. Bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang, dass in Apollonia Pontike wie auch in Kyzikos
und Olbie Polis, Artemis die Epiklese Pytheie trug, wie in Didyma:
Ehrhardt 1988, 61. 148. 151 – 152. 153. 154. 189. 242. 248. Der
Kult wurde demnach direkt aus Didyma übertragen. – Eine weitere
milesische Kolonie trug evtl. den Namen Apollonia: Aus dem
Vorkommen von ca. 475 – 430 v. Chr. datierten Münzen mit der
Legende AP bzw. APOL, die Pantikapaion zugewiesen werden,
hat man abgeleitet, die Stadt habe eine Zeit lang ‘Apollonia’
geheißen: Ehrhardt 1988, 80. 141 mit Anm. 515. Allerdings zeigen
die ältesten Münzen (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr.) die Legende PAN
oder PANT (vgl. Ehrhardt 1988, 438 Anm. 515), so dass der
Name ‘Apollonia’, wäre er wirklich auf Pantikapaion zu beziehen,
erst sekundär sein dürfte.
28
lydischer
oder
griechisch-westkleinasiatischer
Herkunft hinzuweisen, die in einem Kurgangrab des 1.
Jhs. v. Chr. im Tal des Kuban gefunden wurde
(Abb. 6). Nach ihrer griechischen Weihinschrift ist sie
ursprünglich »dem Apollon (H)Egemon in Phasis«
geweiht worden111. Dieses Phasis war eine milesische
Kolonie der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr., ganz im
Osten des Pontos Euxeinos in der Kolchis, im Delta
des namengebenden Flusses Phasis gelegen112. Hinter
dem in der Weihinschrift genannten Apollon Hegemon
dürfte sich nicht etwa der Orakelgott von Delphi113,
sondern niemand anderes als der Orakelgott Apollon
Didymeus verbergen. Er träte hier wieder als
besonderer Schützer der milesischen Kolonisten, deren
Anführer (Oikistes) namens Themistagoras zudem
überliefert ist, auf114. Für diese Deutung kann auch die
Ikonographie der getriebenen Verzierungen der Schale
____________________
111
Silberne Omphalosschale mit auf der Außenseite des Randes
eingeritzter Weihinschrift (datiert ca. 450 v. Chr.): 'Apo/llwnoj
)Hgemo/noj ei¹mi\ toÕm Fa=si; SEG 44, 1994 (1997) 453 Nr. 1298;
vgl. Farnell 1907, 162; Tsetskhladze 1994b, 199 – 215 Abb. 2 – 4;
Lordkipadnidze 1999, 129 – 153 Abb. 1 – 2 (ebenda 143 allerdings
mit falscher Lesung 'Apo/llwnoj 'Hgemo/noj ei)mi\ tou= Fa=si).
– Zur Datierung gegen Mitte des 5. Jhs. v. Chr., zum Schalentyp
und seiner Herstellungstechnik, die nicht nach Kolchis, sondern
nach Lydien bzw. das griechische Westkleinasien weisen: Treister
2007, 67 – 107 bes. 92 – 97 Abb. 18 – 19. Zum Fundort der Schale
in einem Kurgan des 1. Jhs. v. Chr. im Tal des Kuban und ihrer
ursprünglichen Herkunft aus Phasis: Tsetskhladze 1994b, 199. 212;
Lordkipadnidze 1999, 129 – 130. – Die Phiale und die Inschrift
wurden von N. Ehrhardt anfänglich als authentisches Zeugnis
angesehen (Ehrhardt 1988, 85. 142), später jedoch v. a. aufgrund
des Gebrauchs der Epiklese ‘Hegemon’ und weil ihm Photos bzw.
Faksimiles der Inschrift fehlten, unzutreffend als Fälschung
bezeichnet: Ehrhardt 1984, 156 – 157; ihm folgend: SEG 34, 1984
(1987), 213 Nr. 777. – Zur vorauszusetzenden Psilosos s. hier Anm.
88.
112
Zu Phasis, das wahrscheinlich im späteren 6. Jh. v. Chr.
gegründet wurde, allerdings bisher noch nicht genau innerhalb des
Mündungsdeltas des Flusses Rioni (der antike Phasis) lokalisiert
werden konnte: vgl. Ehrhardt 1988, 85 – 86; Gorman 2001, 249 –
250; Avram u. a. 2004, 953 s. v. Phasis (Nr. 711); Lordkipadnidse
2007, 598 mit Lokalisierung beim heutigen Simagre (ebenda Abb.
4 Nr. 20).
113
Burkert 1977, 226 mit Anm. 9; Burkert 1985a, 144. 405 Anm. 9
meinte, der Apollon Hegemon in Phasis sei mit dem Apollon
Pythios von Delphi gleichzusetzen.
114
Vgl. bereits Farnell 1907, 162; Tsetskhladze 1994b, 205;
Tsetskhladze 1994a, 82; Lordkipadnidze 1999, 148. – Zu
Themistagoras: Pomp. Mela, De chorograph. 1, 108; vgl. Ehrhardt
1988, 85 mit Anm. 691; Tsetskhladze 1994b, 205 – 206;
Lordkipadnidze 1999, 144. Themistagoras wird mit dem
milesischen Eponymen von 523/22 oder 518/17 v. Chr.
gleichgesetzt (Milet I 3, 255 ff. Nr. 122 Z. I 6 Qemistago/rhj
Dhmhtri/o; zur Datierung vgl. P. Herrmann, in: Milet VI 1, 166 zu
Nr. 122), die Kolonisation von Phasis daraufhin datiert: Ehrhardt
1988, 85; Gorman 2001, 249; Tsetskhladze 1994b, 205 – 206. –
Namentlich überlieferte Ktistai milesischer Kolonien, die historisch
sein können und nicht etwa durchsichtige eponyme Ktistai sind wie
Tios, der Gründer von Tios, Kyzikos von Kyzikos, oder mythische
Gestalten wie die Argonauten Iason in Kyzikos, Autolykos in
Sinope, Hylas in Kios etc., sind selten. Genannt werden können
Habron, Koos und Kretines für Sinope, Anaximandros (der
Philosoph?) für Apollonia Pontica, Hermochares für Kardia:
Ehrhardt 1988, 226 – 227 mit Anm. 30.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
herangezogen werden: Während sich um den von
einem Zungenornament eingefassten Omphalos eine
Schlange ringelt – eine Anspielung auf Delphi? –, sind
entlang des Innenrandes dreizehn Hirschköpfe radial
angeordnet. Der Hirsch ist aber seit alters her das
Begleittier des Apollon Didymeus. So trug das
berühmte, von Kanachos geschaffene Kultbild des
Apollon in Didyma in seiner Rechten einen Hirschen,
der mit einem Mechanismus bewegt werden konnte
(Abb. 5). Auch ist auf die Form des Bildträgers
hinzuweisen, die Omphalosschale. Schalenweihungen
an den Apollon Didymeus wurden in hellenistischer
Zeit regelhaft von ehemaligen milesischen Kolonien
zu den Feiern der penteterischen Didymeia nach
Didyma geleistet, etwa auch, wenn das Orakel
konsultiert wurde. Die Schale aus Phasis weist darauf
hin, dass die Stiftung von (Omphalos-)Schalen an den
Apollon Didymeus auf eine alte, archaische Tradition
zurückgehen könnte115.
Der Apollon in der Weihinschrift verliehene
Titel ‘Hegemon’ steht sonst synonym für ‘Oikistes’
oder ‘Archegetes’ als Bezeichnung eines »Anführers«
von Kolonisten116, scheint aber als Kultepitheton nur
Göttern verliehen worden zu sein117. Das Epitheton
‘Hegemone’ führte etwa die Artemis Kithone von
Milet als zusätzliche Epiklese, um sie als Schützerin
der ionischen Kolonisten unter dem Gründerheros
Neileos zu kennzeichnen118.
____________________
115
Zum Kanachos-Apollon vgl. hier Kap. II mit Anm. 39. 55; Kap.
III mit Anm. 76; Kap. VI mit Anm. 194; Kap. VII mit Anm. 201. –
Zum Hirsch als möglichem uralten, kleinasiatisch-bronzezeitlichen
Attribut des Apollon Didymeus, das ihn mit dem hethitischen Gott
der Fluren und der Jagd, dLama, verbindet: Herda (im Druck), Kap.
VIII mit Anm. 398. – Zu den Schalenweihungen in Didyma vgl.
hier Anm. 200; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit Anm. 357.
Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Weihung
einer »Omphalosschale« (fia/lh o¹mfalwth/) an Apollon
Didymeus durch die Kyzikener 271/70 v. Chr.: vgl. hier Anm. 357.
116
Hdt. 4, 153 (Battos von Kyrene); dazu Farnell 1907, 161 162;
Malkin 1987, 61 – 62. 71. 246 – 247. 249; Tsetskhladze 1994b,
205 – 206; Lordkipadnidze 1999, 144.
117
‘Hegemon’ scheint nicht als Kultepitheton sterblicher Oikistai,
die heroisiert wurden, zu begegnen. Diese wurden vielmehr als
‘Archegetai’ (so z. B. Battos) oder ‘Oikistai’ bezeichnet: Malkin
1987, 248. 249. Grund hierfür könnte sein, dass der Titel
Hegemon/Hegemone (z. B. für Apollon in Phasis [s. o.], Aphrodite
in Attika [Pirenne-Delforge 1994, 39 – 40. 405; Mikalson 1998,
176 – 177 mit Anm. 22; Parker 2005, 408] oder aber Artemis
Kithone in Milet: s. u.) bzw. Prokathegemon (Artemis von Ephesos;
Artemis Astias von Iasos: vgl. hier Anm. 107; Lordkipadnidze
1999, 146) als göttliches Epitheton reserviert war.
118
Kallim., Artem. 225 ff.; dazu: Herda 1998, 26 – 27;
Lordkipadnidze 1999, 144 – 145. mit Anm. 130. Ein Kult der
Artemis Kithone Hegemone in Milet ist vorauszusetzen. Vgl. dazu
U. v. Wilamowitz-Moellendorff 1962, 59 – 60 mit Anm. 3: »Neleus
macht die Chitone zu seiner Hegemone; damit ist der zweite Name
gedeutet; vielleicht hat Libanius V 34 einen alten Zug darin
erhalten, dass Artemis dia\ kuno\j pare/pemye th\n a)poiki/an
ei¹j I)wni/an [»durch einen Hund die Kolonisation nach Ionien
geleitete«, A. H.; vgl. zu dieser theriomorphen Epiphanie der
Artemis hier Kap. IX mit Anm. 295]. Was es mit Chitone in dieser
Verbindung auf sich hat, entgeht uns leider. Die Scholien fabeln
von einem attischen Demos, aber vielleicht sollte es doch die Göttin
Internationale Archäologie-ASTK 11
Die Weihung der Schale an »Apollon (Didymeus?)
(H)Egemon in Phasis« bezeugt zumindest für das späte
5. Jh. v. Chr. ein Heiligtum des Gottes in Phasis. Zu
erwarten ist jedoch, dass der Kult in Phasis in
Zusammenhang mit der Gründung der Kolonie im
späteren 6. Jh. v. Chr. eingerichtet wurde119. Wie im
Falle von Olbie Polis oder Apollonias ist davon
auszugehen, dass der von Themistagoras geleitete
Kolonisationszug nach Phasis durch das Orakel von
Didyma sanktioniert worden ist120.
Für die Rolle des Apollon Didymeus Milesios
bei der milesischen Kolonisation ist schließlich noch
auf den Befund in Kyzikos, der ältesten, noch in der
ersten Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. gegründeten
milesischen Kolonie in der Propontis, einzugehen121.
Joseph Fontenrose hat – noch ohne Wissen
des Orakeltextes aus Berezan – ein bei Ailios
Aristeides zitiertes Orakel, das nach der Überlieferung
die Gründung von Kyzikos anwies und die glückliche
Zukunft der Stadt vorhersagte, als dasjenige des
Apollon Didymeus erkannt, wobei er sich m. E.
überzeugend gegen die in der Forschung dominierende
Meinung wandte, es handele sich stattdessen um einen
Oralkelspruch aus Delphi122:
eines einheimischen Ortes gewesen sein, die Neleus zur Führerin
nahm.« Mit dem Kulttitel Hegemone wird Artemis beim Fest der
sog. Neleïs verehrt worden sein. Zu diesem bei Plut., mul. virt. p.
253f – 254b erwähnten Fest vgl. Herda 1998, 25 – 28. Zum
Kultbild, das aufgrund eines Orakels, wahrscheinlich aus Didyma
(s. o. Anm. 58), gefertigt wurde: Herda 1998, 35 – 40.
119
Lazzarini 1976, 77 zu Nr. 555; Ehrhardt 1988, 142;
Tsetskhladze 1994b, 204 – 206; Lordkipadnidze 1999, 131. 148.
Wenn die Datierung der Schale, die gleichzeitig mit der
Weihinschrift angesetzt wird, zutrifft, wäre sie ein wichtiger Beleg
für den Kult des Apollon (Didymeus?) Hegemon und damit die
Tradition von der Bedeutung des Orakels von Didyma für die
Schwarzmeerkolonisation Milets noch im 5. Jh. v. Chr. – Der
Fundkontext der Schale deutet darauf, dass das Apollon
(Didymeus?) Hegemon-Heiligtum spätestens im 1. Jh. v. Chr.
geplündert und vielleicht sogar zerstört wurde: Tsetskhladze 1994b,
211 – 213.
120
Tsetskhladze 1994b, 205 weist in diesem Zusammenhang auf
eine ins 6. Jh. v. Chr. datierte Schale mit Weihgraffito aus Didyma,
die angeblich die Weihung eines Griechen namens KOLX sein
soll, in dem Tsetskhladze einen Kolonisten aus der Kolchis
erkennen will: Naumann – Tuchelt 1963/64, 57 Nr. 64 Taf. 25, 1;
vgl. dazu auch Tsetskhladze – Braund 1989, 497 – 499;
Tsetskhladze 1990, 153; Tsetskhladze 1994b, 81 – 82; danach:
SEG 44, 1994 (1997), 453 Nr. 1298. – In Wirklichkeit handelt es
sich bei dem Graffito aber um eine karische Inschrift, die nach der
neuen Lautwertbestimmung (vgl. Adiego 2007, 20. 508 Taf. 1) als
x-l(?)-o-w oder u-l(?)-o-w gelesen weren kann. Die Inschrift wurde
bereits 1964 von F. Steinherr als karisch erkannt, ohne die genaue
Kenntnis der Lautwerte des karischen Alphabets allerdings als
‘Hydrieus’ gelesen: Tuchelt 1970, 120 – 121; Tuchelt 2007, 411
mit Anm. 70 (Diskussionsbeitrag K. Tuchelt); vgl. Blümel 2007,
429 mit Anm. 8 (Bestätigung, dass es sich um eine karische
Inschrift handelt); vgl. Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 413
ff.
121
Ehrhardt 1988, 40 ff. Gorman 2001, 246; Avram 2004, 983–986
s. v. Kyzikos (Nr. 747).
122
Ail. Arist., or. 16, 237; 1, 383 Dind.; dazu: Fontenrose 1988, 93.
112. bes. 208 – 209 zu ‘R 34’: »But Milesians never consulted
Delphi, much less concerning their own colonies in the colonization
29
pepu/sqai de/ tina h)/dh kai\ tw=n
e¹n (Uperbore/oij oiÕmai to\n peri\ Kuzi/kou
xrhsmo\n
kai\
to\n
ma/rtura
th=j
eu¹daimoni/aj t$= po/lei, o(\j tai=j me\n
a)/llaij po/lesin e¹chghth/j e¹sti, t$= de\
po/lei tau/t$ kai\ a)rxhge/thj. ta\j me\n
ga\r a)/llaj po/leij dia\ tw=n oi¹kistw=n
%)/kisen ou(\j a)pe/steilen e¸kasto/se,
tau/thj de\ e¹k tou= eu)qe/oj au¹to\j ge/gonen
oi¹kisth\j, w(/ste pw=j ou¹k eu¹dai/mwn
Ku/zikoj a)po\ toiau/thj te a)rxh=j
a)rcame/nh ei¹j tosou=to/n te a(/ma to\n
oi¹kisth\n kai\ ma/rtura a)nafe/rousa;
»Ich glaube, dass sogar diejenigen, die bei
den Hyperboreern wohnen, von dem Orakel
über Kyzikos erfahren haben, und von dem
Zeugen für das Glück der Stadt, der für die
anderen Städte ‘Exegetes’ ist, für diese
Stadt jedoch auch ‘Archegetes’. Denn er
gründete die anderen Städte durch
(menschliche) ‘Oikistai’ (Gründer), die er
jedesmal losschickte, aber von dieser Stadt
war er selbst ‘Oikistes’. Wie also kann
Kyzikos nicht glücklich sein, nachdem es
einen solchen Ursprung hat und zugleich
solch einen Oikistes und Zeugen besitzt?«
Apollon Didymeus, der hier wie in seinem
Orakeltext auf dem Beintäfelchen aus Berezan/Olbie
Polis das Glück (eu¹daimoni/a) der Kolonie Kyzikos
vorhersagt123, trägt selbst das zusätzliche Epitheton
‘Archegetes’. Statt einen Anführer der Kolonisten
(Oikistes) zu delegieren wie es sonst bei der Anlage
einer der anderen milesischen Kolonien üblich
gewesen zu sein scheint, – denn darauf weist die
Formulierung »denn er gründete die anderen Städte
durch (menschliche) ‘Oikistai’ (Gründer), die er
jedesmal losschickte« sowie die Situation in Apollonia
Pontike und Phasis, für die die Oikistai überliefert sind
(s.
o.)124
–,
leitet
er
persönlich
die
Kolonisationsunternehmung und wird damit zum
Gründer (‘Oikistes’) von Kyzikos125.
era. (...) It appears certain, however, that the Didymean Oracle
sanctioned Milesian colonies.« Vgl. auch Ail. Arist. (ed. Keil) II or.
27; dazu: Bilabel 1920, 103 und hier Anm. 125.
123
Vgl. oben mit Anm. 97 (‘Olbie Polis’ als sprechender Name, in
dem sich das zukünftige Glück der Kolonie manifestiert). Die
Vorhersage des Glücks der Kolonie dürfte fester Bestandteil der
Orakel zur Koloniegründung gewesen sein.
124
Es gab also nicht nur individuelle Orakel des Apollon Didymeus
für einzelne milesische Kolonien (anders Ehrhardt 1988 vgl. hier
Anm. 102), der Orakelgott bestimmte zudem individuelle Oikistai
(vgl. auch oben mit Anm. 114); anders: Ehrhardt 1988, 226 – 227.
125
Zu Kyzikos vgl. Fontenrose 1988, 209: »How Aristeides or the
Kyzikenes thought this was done is unclear; but in some manner
Apollo was supposed to have been himself the oikistês, and
apparently no man was given this title.« Vgl. Gorman 2001, 193:
30
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Mit der Vorstellung von der Gründung
Kyzikos’ unter Apollon Didymeus Archegetes’
Führung hängt der für Kyzikos überlieferte Kult des
Apollon 'Ekba/sioj zusammen, des Apollon »der
(glücklichen) Landung«. Apollonios Rhodios erwähnt
ihn in seinen ‘Argonautika’127. Nach einem Scholion
zu den ‘Argonautika’ erinnerte die Epiklese an die
unter Apollons Schutz erfolgte glückliche Landung der
Argonauten im Gebiet des thrakischen Stammes der
Doliones an der Stelle des späteren Kyzikos128. Das
Scholion zitiert hierzu weiterhin das mindestens 12bändige Werk ‘Epiklesen’ (e¹piklh/seij) des
Kultschriftstellers Sokrates von Kos (1. Jh. v. Chr.),
der seinerseits den Kultschriftsteller Deiochos von
Kyzikos (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.) benutzte. Danach sei
der Apollon Ekbasios in Kyzikos stattdessen
‘Iasonios’
('Iasoni/oj)
genannt
worden129.
Offensichtlich versuchten die Kyzikener durch die
Verbindung des Apollon Ekbasios mit dem
Argonautenführer Iason ihren Kult in möglichst frühe,
vor dem trojanischen Krieg liegende mythische Zeit
zurückzuführen, wobei ihnen die Argonautensage als
Vehikel diente130.
Der weitere Titel ‘Exegetes’ wiederum, den
Apollon Didymeus nach dem von Ailios Aristeides
zitierten Orakel in Kyzikos trägt, spielt auf die
Einrichtung der Kulte in der Kolonie an. In der
quellenmäßig besser bezeugten Westkolonisation der
»Here Apollo is not just the god who inspired the foundation but
the actual founder (oikist) of Kyzikos and the driving force behind
the resulting Milesian colonization (‘advisor to the other cities’).« –
Zu vergleichen ist m. E. der Apollon (Delphnios?) Oikistes in
Aigina, dessen Kult im dortigen Delphinion praktiziert wurde
(Schol. Pind., Nem. 5, 81; vgl. hier Kap. IX mit Anm. 325), sowie
die Artemis Leukphryene als ‘Archegetis’ von Magnesia am
Mäander: Sokolowski 1955, 92 ff. Nr. 33 Z. 18 – 19 (ca. 200 v.
Chr.). – Ablehnend dagegen Ehrhardt 1988, 429 – 430 Anm. 424:
»Wenn Ail. Arist. (ed. Keil) II Or. 27 (...) Apollon in Kyzikos als
Archegetes bezeichnet, so kann das nicht unbedingt mit Oikistes
gleichgesetzt werden, da das Epitheton auch in Orten vorkommt,
die mit Kolonisation nichts zu tun haben«. Ehrhardt verweist dazu
auf einen Vertrag zwischen Milet und Seleukeia-Tralleis, in dem
die Trallier über den Gott ein Verwandtschaftsverhältnis zu den
Milesiern konstruieren: Milet I 3, 330 ff. Nr. 143 Z. 65 (= Milet VI
1, 176 – 177 Nr. 143, datiert 218/17 v. Chr.); dazu Leschhorn 1984,
180 Anm. 2; Ehrhardt 1987, 103 – 104; Curty 1995, 136 ff. Nr. 55.
In vergleichbarer Funktion begegnet Apollon Didymeus Archegetes
als göttlicher ‘Vorfahre’ des Seleukidenhauses: Fontenrose 1988,
112. 184 – 185, ‘R 9’ (Dekret von Iasos für Antiochos III., Ende 3.
Jh. v. Chr.). Zur Apollon-Deszendenz der Seleukiden vgl. Günther
1971, 71 – 74; vgl. hier Kap. VI mit Anm. 189; Kap. VII mit Anm.
254.
126
Vgl. zum Apollon Archegetes allgemein: Leschhorn 1984, 109
ff. 180 – 185 und den Epiklesen-Katalog ebenda 360 – 363; Malkin
1987, 243; Detienne 1990, 301 – 311. – Zum Apollon Archegetes
in Naxos vgl. Thuk. 6, 3, 1; dazu: Malkin 1987, 249; Leschhorn
1984, 111. Die Identifizierung mit dem Apollon Pythios bei:
Malkin 1986, 959 – 972; Malkin 2000, 72 gegen die ältere
Forschungsmeinung, der Apollon Archegetes in Naxos sei mit dem
ionischen Apollon von Delos identisch. Vgl. hier Kap. IX mit Anm.
334 f.
127
Apoll. Rhod. 1, 966 eÃnq’ oiàg’ 'Ekbasi/% bwmo\n qe/san
'Apo/llwnoj; vgl. ebenda 1, 1186. – Dem Apollon Ekbasios von
Kyzikos als Schutzgott der glücklichen Landung entspricht der
Apollon Apobaterios ('Apobath/rioj), dessen Name auf die
»Rückkehr aus dem Draussen des Meeres zur gewohnten Sicherheit
des Festlandes« verweist: Graf 1985, 249 (in Bezug auf Artemis
Apobateria in Erythrai, s. u.). Die Epiklese trägt Apollon in Kyrene
und Side: Graf 1985, 191 mit Nachweisen in Anm. 218; vgl. Nick
2006, 90. – In Erythrai erhielt Artemis Apobateria zusammen mit
Apollon und Leto (die apollinische Trias!) an jedem 15. Monatstag
Opfer: Graf 1985, 190 – 191. Die Epiklese ist neben Apollon und
Artemis auch für Zeus belegt: vgl. RE I (1894) 2814 s. v.
'Apobath/rioj, 'Apobathri/a [1] (O. Jessen): Troas und
Methana; RE X A (1972) 253 – 376 bes. 274 – 275 s. v. Zeus Teil
I. Epiklesen (H. Schwabl): Troas, Methana, Olympia; RE Suppl. 15
(1978) 993 – 1481 bes. 1084 s. v. Zeus Teil II (H. Schwabl):
Methana. Auch Asklepios trägt den Beinamen in Iasos: RE X A
(1972) 274 – 275. s. v. Zeus (H. Schwabl). – Wie für Apollon die
funktionsgleichen Epiklesen Ekbasios und Apobaterios bezeugt
sind, begegnet nicht nur eine Artemis Apobateria (in Erythrai s. o.),
sondern auch eine Artemis Ekbateria in Siphnos: Hesych s. v.
'Ekbathri/a; vgl. Graf 1985, 191.
128
Schol. Apoll. Rhod. 1, 966 a)po\ th=j e¹kba/sewj th=j new\j
e¹pi\ th\n Doloni/an; vgl. dazu Farnell 1907, 368 Anm. 35; Bilabel
1920, 104; skeptisch Ehrhardt 1988, 135. 429 – 430 Anm. 424.
129
Schol. Apoll. Rhod. 1, 966 = Dei(l)ochos FGrHist 471 F 5; zum
Fragment des Sokrates v. Kos vgl. Tresp 1914, 18 – 19. 23. 29. 31.
211 ff. fr. 176; zur Epiklesis vgl. RE IX 1 (1914) 782 s. v. Iasonios,
Iasonia [1] (O. Jessen).
130
Ivantchik 2005, 143. 149 – 151. – Dass hier eine milesische
Version der Argonautensage vorliegt, die die milesische
Kolonisation des 7. Jhs. v. Chr. widerspiegelt, ist schon des öfteren
vermutet worden: RE X 2 (1919) 1460 ff. bes. 1464 s. v. Kadmos 4)
(K. Latte); Wilamowitz-Moellendorff 1962, 232 – 254 bes. 236. 238–
240. 244 – 245. 247; Der Kleine Pauly 1 (1979) 537 ff. bes. 539 s.
v. Argonautai (H. v. Geisau); Herda 1998, 1 ff. bes. 24 mit Anm.
174 (‘imperialistischer’ Mythos). Zur für den kyrenischen König
Arkesilaos I. geschriebenen Fassung der Argonautensage in
Pindars’ vierter pythischer Ode (Mythos als politische
Auftragsdichtung) vgl. DNP I (1996) 1066–1069 bes. 1067 s. v.
Argonautai (P. Dräger). – Zu Iason als möglichem alten Heilgott,
der mit Apollon Iasonios und Athena Iasonia in Kyzikos in
funktionalem Zusammenhang steht vgl. unten Anm. 136. – Zu den
Argonauten in Kyzikos vgl. den Kommentar von Jacoby 1955, 371:
»Von kyzikenischen denkmälern an den Argonautenbesuch stand
bei D. [Deiochos, A. H.] gewiss mehr als der altar des Apollon
Iasonios, das grab des Kyzikos, und die quelle Kleite. Aber die zahl
der fabeln und reliquien wird im laufe der zeit gewachsen sein,
sodass man besser auf rückführungen verzichtet.« Vgl. weiterhin
RE II 1 (1895) 743 – 787 bes. 757 – 758 (O. Jessen); RE IX 1
(1914) 759 – 771 bes. 768 s. v. Iason 1) (O. Jessen).
Diese Situation ist direkt mit derjenigen in der Apoikia
von Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos, zu
vergleichen, die nach dem oben bereits zitierten
milesischen Dekret unter persönlicher Führung des
Apollon Didymeus ‘Kathegemon’ gegründet worden
sein soll.
Weiterhin zu vergleichen ist die Rolle des
Apollon-Orakels von Delphi bei der Gründung von
Naxos auf Sizilien durch Chalkis und das kykladische
Naxos ca. 730 v. Chr. Hinter dem in Naxos von allen
sizilischen Griechen verehrten Apollon ‘Archegetes’
steht, wie I. Malkin zeigen konnte, der Apollon
Pythios von Delphi, der bekanntlich die Kolonisation
der
Griechen
im
westlichen
Mittelmeer
sanktionierte126.
Internationale Archäologie-ASTK 11
Griechen ist es der Orakelgott Apollon Pythios in
Delphi, der als ‘Exegetes’ die jeweiligen Kulte und
religiösen
Vorschriften
für
Städtegründungen
bestimmte und die Aufgabe der Einrichtung des
religiösen Lebens insgesamt dem jeweiligen Gründer
übertrug, der selbst den Titel ‘Exegetes’ erhalten
konnte131. Im Falle der Gründung von Kyzikos
übernahm Apollon Didymeus Milesios offenbar diese
Aufgabe, da ein menschlicher Oikistes fehlte.
Diese Annahme wird gestützt durch ein
weiteres Orakel Kyzikos betreffend, das ebenfalls dem
Apollon Didymeus zuzuweisen ist und das in den
‘Argonautika’ des Apollonios Rhodios erwähnt
wird132:
[...] a)ta\r kei=no/n ge qeopropi/aij ¸Eka/toio
Nhlei/dai meto/pisqen 'Ia/onej i¸dru/santo
i¸ero\n, h(\ qe/mij håen, 'Ihsoni/hj e¹n 'Aqh/nhj.
»[...] Doch nach dem Spruche des Hekatos
weihten die Neleïden, die Iaones, diesen
(Ankerstein) dann später in das Heiligtum
der Athena Iasonia, wie es recht war.«
‘Hekatos’ ist eine der alten Kultepiklesen des
Apollon Didymeus133. Die ionischen Neleïden (die aus
Milet herstammenden Kyzikener)134 weihten einen
angeblichen Ankerstein des Argonautenschiffes ‘Argo’
auf Geheiß eines Orakels des Hekatos in das
Heiligtum der Athena Iasonia. Die Anweisung zur
Weihung des Ankersteins kann als Teil eines
Gründungsorakels für den Kult der Athena Iasonia in
Kyzikos verstanden werden135, deren Epiklese ganz
offensichtlich vom Namen des Argonautenführers
Iason hergeleitet wurde136, um den Kult wie etwa auch
____________________
131
Vgl. Leschhorn 1984, 131 ff.; Malkin 1987, 5. 27. 84. 97 – 101
am Beispiel der athenischen Kolonie Thourioi in Unteritalien
(443/2 v. Chr.). Ihr Gründer Lampon wird in den Quellen als
Mantis (Seher), Chresmologos (Orakeldeuter) und ‘Exegetes’
bezeichnet. Zu Apollon als Exegetes vgl. etwa Plat., rep. 4, 427C.
132
Apoll. Rhod., Argon. 1, 958 – 960; Zuweisung an Apollon
Didymeus: Fontenrose 1988, 93 – 94. 209 Nr. ‘R35’; Gorman
2001, 193; Herda 2006b, 288 Anm. 2041.
133
Herda 2006b, 287 – 288; vgl. hier Kap. III mit Anm. 60; Kap. IX
mit Anm. 348.
134
Zu Neileos als ionischem Gründer Milets: Herda 1998, 1 – 48;
Sourvinou-Inwood 2005, 268 – 271.
135
Vgl. Fontenrose 1988, 209, der das Orakel in die
Kolonisationszeit von Kyzikos datiert (»675 – 650 B.C. «); ihm
folgend: Gorman 2001, 193; Herda 2006b, 288 Anm. 2041.
Fontenrose ebenda vermutet weiterhin, der Ankerstein könne als
»aniconic image of Athena Iasonia« gedient haben. – Zur Weihung
eines Ankersteins für den aiginetischen Apollon in das griechische
Heiligtum im Emporion des etruskischen Gravisca im 6. Jh. v. Chr.
s. u. Anm. 325.
136
Fontenrose 1988, 209 vermutet, die Epiklese bzw. der Kult sei
erst sekundär mit dem Argonautenführer aufgrund der Homonymie
in Zusammenhang gebracht worden. Die Epiklese bedeute
wahrscheinlich ursprünglich »Heilerin«: »No doubt her epithet,
which probably means ‘healer’, caused the Kyzikenes or
Apollonios’ source to associate this cult with Jason and the
31
denjenigen des Apollon Ekbasios Iasonios in
mythische Zeit zurückverfolgen zu können (s. o.).
Apollon (Didymeus) Hekatos tritt hier klar erkennbar
als Exegetes auf, dem die Kontrolle über die neu zu
gründenden Kulte in der Kolonie obliegt.
V. Apollon Didymeus Milesios und die
Übertragung anderer Apollonkulte nach
Olbie Polis
Das Täfelchen aus Berezan/Olbie Polis belegt
nicht nur den Zusammenhang von Orakel und
Kolonisation. Die Weihung des Täfelchens an den
Apollon Didymeus Milesios ist vielmehr auch als
Beweis
für
den
Kult
des
Gottes
in
Berezan/Borysthenes-Olbie Polis in archaischer Zeit
zu werten137. Der genaue Fundort des Beintäfelchens
auf Berezan, der einen Hinweis auf die Lage des
Heiligtums des Didymeus Milesios geben könnte, ist
leider unbekannt138.
Argonauts«. Ohne dies genauer auszuführen, dachte Fontenrose
wohl an die Heilgöttin 'Iasw/, das weibliche Äquivalent zu
(Apollon) Ietros; vgl. RE IX 1 (1914) 758 f. s. v. Iaso 1) (H.
Meyer); Der Kleine Pauly 2 (1975) 1327 f. bes. 1328 s. v. Iatros
(W. Fauth). Iaso ist bisher allerdings erst seit dem 5. Jh. v. Chr.
bezeugt, der Kult scheint mit demjenigen des Asklepios, als dessen
Tochter Iaso galt (vgl. Aristoph., plut. 701 u. ö.), aufgekommen zu
sein. – Für Iason selbst wurde bereits in der Antike ebenfalls eine
etymologische Ableitung von i¹a/omai, »heilen«, vertreten (Schol.
Pind., Pyth. 4, 211a; Schol. Apoll. Rhod. 1, 554 [Wendel]), Pindar
nannte ihn auch i¹atro/j, »Arzt« (Pyth. 4, 119); vgl. dazu: RE IX 1
(1914) 759 – 771 bes. 759. 763 s. v. Iason [1] (O. Jessen). Die
Vorstellung von Iason als ‘Heiler’ geht mindestens in archaische
Zeit zurück, wie der Befund eines bisher einzigartigen Bildes auf
einem korinthischen Kolonettenkrater (ca. 575 v. Chr.) erweist, das
die (durch Beischriften gesicherte) Heilung des blinden thrakischen
Königs Phineus durch Iason zeigt: Vojatzi 1982, 71 – 84. 114 B 39
Taf. 6 – 8; LIMC V (1990) 629 – 638 bes. 630 Nr. 7 s. v. Iason (J.
Neils). Hinter Iason könnte sich ein alter Heilgott verbergen, wie
schon Usener 1929, 156 – 158 vermutete; danach: RE IX 1 (1914)
759 – 771 bes. 759. 763 s. v. Iason [1] (O. Jessen ); RE IX 1 (1914)
782 – 783. bes. 783 s. v. Iasonios, Iasonia [2] (O. Jessen);
vorsichtiger: Voyatzi 1982, 81: »Ursprünglicher Heilgott war Iason
wohl nicht, aber wie alle Schüler des Cheiron konnte er heilen«. Die
Ablehnung des Heil-Aspektes des Heros durch Wilamowitz
(Wilamowitz-Moellendorff 1962, 244) und P. Dräger (DNP 5
[1998] 865–868 bes. 868 s. v. Iason 1): »weder gesichert noch
berechtigt«, ist daher nicht haltbar.
137
Deutung des Täfelchens als Votiv, was einen Kult in
Berezan/Olbie Polis impliziert: Rusjaeva 1986, 58; vgl.
Onyshkevych 1998, 123 – 124: »The only interpretation which can
be safely applied here, however, is that the text is dedicatory in
nature, since it conforms to known dedicatory formulae«. –
Dagegen ablehnend: Ehrhardt 1989, 115 ff. bes. 118 Anm. 35: »Der
Text stellt m. W. die erste Erwähnung des Didymeus in einer
milesischen Kolonie dar, ohne dass man in Olbia einen Kult des
Didymeus vermuten muss. Ich komme darauf an anderer Stelle
zurück«.
138
Vgl. Burkert 1994, 52: »No records of how or where the bone
plaque was found survive. The excavator, V.V. Lapin, has died, and
the piece was unearthed from his archive.« Dazu auch:
Onyshkevych 1998, 72.
32
Die Motivation für die Einrichtung des Kultes
dürfte die Rolle des Orakels bei der Umstrukturierung
zweier Handelsplätze zu einer Kolonie gespielt haben:
Gegen Mitte des 6. Jhs. v. Chr. schlossen sich zwei
milesische Handelsniederlassungen auf der Insel
Berezan (Borysthenes?) und an der Hypanis/BugMündung beim heutigen Ort Purotino/Nikolajev
(Emporion Borysthenes?) zur ‘Glücklichen Stadt’
(Olbie Polis) zusammen139. Denkbar erscheint mir,
dass im Rahmen dieses ‘Synoikismos’ die wichtigsten
gemeinsamen Staatskulte parallel in beiden ca. 37 km
voneinander entfernten Siedlungen jeweils in
Filialheiligtümern eingerichtet wurden. Danach wäre
der Kult des Apollon Didymeus Milesios nicht nur auf
Berezan, sondern auch in Purotino/Nikolajev zu
erwarten140. Dazu vergleiche man den Befund zum
Apollon Delphinios: Das im dritten Viertel des 6. Jhs.
v. Chr. eingerichtete Hauptheiligtum der olbischen
Polis, das Delphinion, lag in Purotino direkt nördlich
der Agora141.
____________________
139
Ältere Lit. bei Herda 2006b, 272 Anm. 1923; vgl. Solovyov
2001, 113 – 125; Avram u. a. 2004, 936 – 940 s. v. Olbia (Nr. 690)
und hier Anm. 26. 86. 141. 262.
Der ältere Name der Siedlung an der Bugmündung (heute Purotino
bei Nikolajev) vor der angenommenen Vereinigung mit
Berezan/Borysthenes zu Borysthenes–Olbie Polis könnte
Borysthenes Emporion bzw. Borystheneïton Emporion (vgl. Hdt. 4,
17 f. 24) gelautet haben: Hind 2005. – Dann wäre es
wahrscheinlich, dass diese Siedlung in ihrer Anfangsphase im
späten 7. und der ersten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. (zu den frühesten
Funden vgl. Bujskich 2005, 15 – 35; Bujskich 2007, 499 – 510;
Kerschner 2006, 234 – 235. 244) keine wirkliche Apoikia bzw.
Kolonie von Milet war, sondern ein Handelsstützpunkt, ein
‘Emporion’. – Den Status eines Emporions kann man bis zur Mitte
des 6. Jhs. v. Chr. auch für die Siedlung auf Berezan annehmen, die
möglicherweise Borysthenes hieß: Hind 2005, 29. Nach den
Untersuchungen von S. Solovyov und R. Posamentir war sie
ebenfalls ein Handelsstützpunkt, der zu Anfang, im späteren 7. Jh.
v. Chr., zudem wohl nur saisonal betrieben wurde: vgl. Kerschner
2006,
242 mit Anm. 113 – 114. Mithin kann sich das
Gründungsdatum, das Eusebios für Borysthenes gibt (Euseb.,
chron. 95 b [Helm]: 33, 2 Olympiade = 647/46 v. Chr.; vgl. dazu:
Hind 2005, 28; Kerschner 2006, 229. 243) nicht auf die Gründung
einer Kolonie, sondern nur auf die Anfänge des Emporions (auf
Berezan?) beziehen, wobei vom archäologischen Standpunkt her
das Datum noch ca. 20 – 30 Jahre zu hoch angesetzt ist. – Ungefähr
in diese Zeit kommt man mit der chronologischen Angabe des
Pseudo-Skymnos 808 – 813 (2. Jh. v. Chr.), der die Gründung von
Borysthenes, das laut ihm vormals Olbia geheißen habe, »zur Zeit
der medischen Herrschaft« (kata\ th\n Mhdikh\n e¹parxi/an)
ansetzt: Hind 2005, 28; Boshnakov 2004, 106. 111 – 112. 225 Fig.
4 Nr. 6. Zu den Medern vgl. DNP 7 (1999) 1094 f. s. v. Meder (J.
Wiesehöfer). – Auch nach der Gründung der Olbie Polis hat ein
Teil der Siedlung (auf Berezan und in Puratino) den Status eines
Emporions beibehalten, wodurch Olbie Polis mit Naukratis
verglichen werden kann: vgl. hier Kap. VIII mit Anm. 262.
140
Belege für den Kult des Apollon Didymeus Milesios in
Purotino/Olbie fehlen bisher allerdings.
141
Zur Lage vgl. Herda 2005, 275 – 276 mit Abb. 27. Zur
Datierung des Delphinions wie der Anfänge der Agora von Olbie
Polis vgl. jetzt Bujskich 2005, 16 mit Anm. 13 – 14. Sie setzt
beides allerdings erst im letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. an, nicht
schon im dritten Viertel (ca. 550 – 525 v. Chr.). Sollte sich letzterer
zeitlicher Ansatz bewahrheiten, stimmt die Situation in Olbie Polis
in auffälliger Weise mit ihrer Mutterstadt überein, in der ebenfalls
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Es scheint jedoch auch ein Filialheiligtum des
Delphinios in Berezan gegeben zu haben. Darauf
deutet der dortige Fund einer ins letzte Drittel des 6.
Jhs. v. Chr. datierten Kylix, deren Inschrift einen
Delphinios im Genitiv nennt142. Entweder handelt es
sich um eine Weihung an den (Apollon) Delphinios,
dann läge ein direkter Beleg für seinen Kult in
Berezan vor143, oder die Inschrift kennzeichnet den
Besitzer der Kylix, einen gewissen Delphinios. In
diesem Fall
wäre
durch
den theophoren
Personennamen immerhin ein indirekter Beleg für den
Kult des Gottes in Berezan gegeben144. Auch der
Apollon Ietros wurde gleichermaßen in Berezan wie in
Purotino--verehrt145.
im dritten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. der Apollon-Delphinios-Kult
reorganisiert und das Delphinion an der Agora aufwendig
neugestaltet wurde: Herda 2006b, 291.
Auf die in der russischen und ukrainischen Forschung (s. u. Anm.
155) vertretene These, nach der der Kult des Apollon Ietros in
Purotino/Olbie (wie auch für Istros/Istrie angenommen) durch ein
Orakel des Apollon von Didyma sanktioniert und seit der Gründung
Purotino/Olbies (angenommen wird das Ende des 7. bzw. der
Anfang des 6. Jhs. v. Chr.) bis zum Synoikismos mit der Siedlung
in Berezan (= Borysthenes?) um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. der
wichtigste Staatskult gewesen sei, sein Heiligtum, das sog.
Westtemenos, das Hauptheiligtum der Stadt darstellte, kann hier
nicht eingegangen werden. Ich halte dies jedoch für wenig
wahrscheinlich, zumal sich der Polisstatus für die Siedlung in
Purotino vor dem dritten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. nicht
nachweisen lässt, es sich wohl vielmehr bis zur Gründung der Olbie
Polis lediglich um ein Emporion handelte (vgl. auch hier Anm. 139.
155). Damit wäre hier eine Entwicklung von einem Emporion zu
einer Polis mit Emporion gegeben, wie ich sie auch in Naukratis
postuliere: s. u. Kap. VII–VIII. Vgl. aber: Vinogradov 1994, 63 ff.
bes. 63 – 66; Rusyaeva 1994, 80 – 102; Rusyaeva 1999, 79 – 80;
Rusjaeva – Vinogradov 2000, 229 – 234; Bujskich 2005, 17. 19;
etc.
142
SEG 32, 1982 (1985) 213 Nr. 739 Delfini/o. Ein genauer
Fundort ist leider nicht angegeben. Vgl. dazu Dubois 1996, 113 Nr.
60 : »Il vaut mieux considérer qu’il y avait à Bérézan même un
sanctuaire de ce dieu dont le culte fut apporté par les nouveaux
colons.« – Zur regelhaften Kontraktion des Digraphs -ou zu oV, die
in ostionischen, etwa auch milesischen Inschriften bis in die zweite
Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. begegnet: Herda 2006b, 59 Anm. 318 mit
Literatur.
143
Zu Weihinschriften, in denen die adressierte Gottheit im Genitiv
genannt ist: Lazzarini 1976, 121 – 122. 241 ff. ‘Dediche del tipo:
tou= qeou=’. Ebenda 121. 248 Nr. 523 ist eine Weihung auf einem
Kylixfragment aus dem Delphinion von Purotino/Olbie angeführt,
das eine direkte Parallele zu dem Stück aus Berezan bildet:
Delfini/o (6./5. Jh. v. Chr.); vgl. weitere spätarchaische Beispiele
bei: Levi 1964, 131 ff. bes. 142 Abb. 9, 1 (= Dubois 1996, 113 Nr.
61); S. 164 Abb. 35, 1; Levi 1985, 68 Abb. 49, 4; Dubois 1996,
115 – 116. Nr. 65.
144
Delphinios ist als Personenname bisher meines Wissens noch
nicht in Milet, wohl aber in zwei milesischen Kolonien bezeugt, in
Sinope (vgl. hier Anm. 175) und Gorgippia (vgl. hier Anm. 174).
Außerdem begegnen die Personennamen Delphinios und Delphinas
im nordionischen Erythrai, wo der Apollon Delphinios ebenfalls
einen Kult hatte: Engelmann – Merkelbach 1973, 440 Nr. 379
(Delphinios, »wohl kaiserzeitlich«); S. 425 Nr. 349 (Delphinas,
hellenistisch); dazu: Graf 1985, 219; Jones 1988, 194 mit Anm. 11.
145
Berezan: 1) Dubois 1996, 107 – 108 Nr. 54 (Weihung einer
Schale an den Ietros, 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.). – 2) SEG 30, 1980
(1983), 255 Nr. 880 = Dubois 1996, 108 Nr. 55 (Weihung einer
Schale an den Ietros, 3. Viertel des 6. Jhs. v. Chr.). – 3) SEG 36,
Internationale Archäologie-ASTK 11
Der Orakeltext aus Berezan verdeutlicht noch einen
weiteren Aspekt der von Didyma sanktionierten
Kolonisation, der bereits im Zusammenhang mit dem
Titel ‘Exegetes’ für Apollon Didymeus in Kyzikos
angesprochen wurde: die Sanktionierung der
Übertragung von Kulten aus der Metropolis in ihre
Kolonien146. Wie diese Kultübertragungen, sog.
a)fidru/mata (»Versetzungen an eine andere Stelle«),
vor sich gingen, kann durch Vergleiche erschlossen
werden. In der Regel erfolgten sie dadurch, dass eine
eigens dazu ausgewählte Person, etwa der Oikistes, ein
heiliges Objekt, z. B. die Nachbildung eines
altehrwürdigen Kultbildes im Ursprungsheiligtum, im
Rahmen eines Gründungsopfers in das Filialheiligtum
‘versetzte’147. Die Auswahl der Kulte und der
kultübertragenden Personen wurde durch Orakel
vorgenommen bzw. bestätigt. Ein solches Orakel ist
beispielsweise für die Übertragung des ArtemisEpheseie-Kultes in die phokäische Kolonie Massalia
ca. 600 v. Chr. überliefert. Aus diesem Anlass wurde
eigens eine Nachbildung des Kultbildes in Ephesos
geschaffen, die Kultübertragung nahm eine durch
Traumgesicht ausgewählte Frau aus Ephesos vor, die
in Massalia zur ersten Priesterin der Artemis Epheseie
wurde148. Hinter dem Orakel könnte, wie kürzlich von
F. Salviat vertreten, der Apollon Didymeus stehen, der
dann nicht nur die milesische Kolonisation, sondern
auch die Kolonisation weiterer ionischer Städte
sanktioniert hätte149. Hierfür kann bestätigend
____________________
1986 (1989), 202 Nr. 693 (Beintäfelchen mit Weihung an den
Flussgott Borysthenes, Ietros wird auch genannt, ca. 550 – 525 v.
Chr. = SEG 44, 1994, 183 – 194. Nr. 651 (dort von Vinogradov auf
ca. 600 – 550 v. Chr. hochdatiert). – 4) SEG 36, 1986 (1989) 202 –
203 Nr. 694 Z. 3 – 4 (Beintäfelchen mit Orakel des Apollon
Didymeus, das den Ietros nennt, ca. 525 – 500 v. Chr.); vgl. hier
mit Anm. 155.
Für Purotino/Olbie vgl. hier Anm. 141. 155. 160.
146
Vgl. dazu allgemein: Nilsson 1976, 637 – 640; Malkin 1987, 88
ff.; Malkin 1991. Zu Milet vgl. Ehrhardt, dessen Untersuchung auf
der überzeugenden Grundannahme fußt, dass im Zuge der
Kolonisation die politischen und religiösen Einrichtungen von der
Mutterstadt in die Kolonien übertragen wurden, wenn auch mit
»gewisse(n) Modifikationen [...], die sich aus den besonderen
Bedingungen der jeweiligen Gründungen ergaben« (Ehrhardt 1988,
243).
147
Vgl. grundlegend Malkin 1987, 9. 69 – 72. 119 – 122; Malkin
1991, 77-96; vgl. jetzt auch: Scheer 2000, 245 – 246; Nick 2002,
24 – 25. 100 – 112. – Zu möglichen Resten eines Gründungsopfers
im Rahmen eines Aphidrymas im Hera-Heiligtum von Naukratis
vgl. hier Kap. VII mit Anm. 213.
148
Strab. 4, 1, 4 p. 179c; dazu Malkin 1991, 77 – 78, 94 – 96;
Rolley 1997, 35 – 43 (non vidi).
149
Salviat 2000, 25 – 31 gegen Malkin 1987, 69 – 72, der
stattdessen ein Orakel des Apollon Pythios in Delphi annimmt. –
Zur möglicherweise ebenfalls von Didyma sanktionierten
Übertragung des Apollon-Delphinios-Kultes aus der Mutterstadt
Phokaia nach Massalia vgl. hier Kap. IX mit Anm. 329. – Der Kult
der Artemis Ephesia bzw. ionisch Epheseie ist nicht nur in der
phokäischen Massalia, sondern auch in den milesischen Kolonien
Olbie Polis und Pantikapaion im Schwarzen Meer in archaischer
Zeit verbreitet: vgl. etwa Ehrhardt 1988, 153 – 154. Hier möchte
ich ebenfalls eine durch das Apollonorakel in Didyma sanktionierte
Kultübertragung annehmen.
33
angeführt werden, dass die Praxis, ein Aphidryma
durch ein Traumorakel anzuweisen, für Didyma in der
späten Kaiserzeit überliefert ist150. Weiter zurück (3./2.
Jh. v. Chr.) führt noch ein Altar des Zeus Labraundos
und des Zeus Lepsynos aus Milet, der als Aphidryma
bezeichnet ist151. Dass auch dieses Aphidryma auf ein
Orakel des Apollon Didymeus zurückging, legt die
Weihinschrift eines weiteren ungefähr zeitgleichen
Altars für (Zeus) Ktesios, Meilichios, Kronion und
Labrendos (= Labraundos) nahe, die den Altar als
kata\
xrhsmo\n,
»(errichtet) aufgrund eines
Orakelsspruchs«, ausweist152.
Explizit werden fünf Apollon-Kulte genannt,
die nach Olbie Polis übertragen worden waren,
wodurch schon deutlich wird, dass Apollon der
Hauptgott von Olbie Polis war. Genannt sind die Kulte
des
‘Wolfsgottes’
Apollon
Lykeios153,
des
154
‘Löwengottes’ Apollon (Helios?) , des ‘Heilergottes’
____________________
150
Vgl. die leider stark verstümmelte Inschrift, die in der Nähe von
Milet gefunden wurde und sich explizit auf ein Orakel des
didymäischen Apollon bezieht: Didyma II 300 Nr. 500 Z. A 11
a)]fei/druma euÂron (frühes 3. Jh. n. Chr.); dazu: Fontenrose
1988, 233 ‘A 3’; Nick 2002, 25. 234 ‘Test. 111’. Dass der
Konsultant des Orakels von seinem Aufwachen aus einem Schlaf
und dem Auffinden eines Aphidrymas (Kultstatue?) berichtet, weist
auf ein Traumgesicht, wie im Falle des Artemis-EpheseieAphidrymas in Massalia. – Traumorakel zählen zu den schon bei
Homer überlieferten Orakeltechniken (vgl. hier Anm. 349), es läge
also eine alte Tradition vor, die in Didyma nach der
Wiederbelebung des Orakels in hellenistischer Zeit (vgl. hier Kap.
VI mit Anm. 185 ff.) wieder aufgegriffen worden wäre.
151
Meines Wissens der bisher früheste Beleg für den Terminus
überhaupt: Milet VI 3, 167 n. 1270 Z. 1 – 4 Dio\j Labrau/ndou,
Dio\j Leyu/nou a)fi/druma Menoi/tou 'Ariste/ou. Vgl. N.
Ehrhardt im Kommentar ebenda: »'Afi/druma in der Bedeutung
‘Kopie einer Götterstatue’ [...] kann hier nicht gemeint sein, da der
Altar weder als Weihgeschenkträger fungierte noch Spuren von
Reliefs erkennbar sind. Der Ausdruck dürfte sich deshalb auf den
Altar selbst beziehen, der dann die Kopie eines monumentalen
Altars in Miniaturformat wäre (Hinweis M. Wörrle).«
152
Milet VI 3, 166 – 167 n. 1268 Z. 1 – 2. Vgl. zur Übertragung
des karischen Zeus-Kultes nach Milet auch: Herda (im Druck),
Kap. VIII mit Anm. 363.
153
SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203 Nr. 694 Z. A 1 ¡Epta\ lu/koj
a)sqenh/j ist als Anspielung auf den Apollon Lykeios-Kult in Olbie
Polis zu verstehen. Dies wurde von Onyshkevych 1998, 34. 85 –
86. 220 – 221 nicht erkannt, die als ältesten Beleg für den Kult des
Apollon Lykeios in Olbie Polis stattdessen das berühmte
Kalendergraffito (Mitte 5. Jh. v. Chr.) anführt: vgl. hier Anm. 155.
Zum Lykeios in Milet: Ehrhardt 1988, 130. 143 – 144; Graf 1985,
220 ff. bes. 225. Aus Didyma stammt ein Altar für Artemis Lykeie
(3. Jh. v. Chr.): Didyma II 123 Nr. 120; dazu: Fontenrose 1988,
132.
154
SEG 36, 1986 (1989), 202 f. Nr. 694 Z. A 1 – 2. e¹bdo|mh/konta: le/wn deino/j; vgl. Herda 2006b, 272 – 273 Anm.
1929. Zum Bezug zwischen Apollon (Helios) und Löwen vgl. schon
Cahn 1950, 185 ff. bes. 187. 191. 195 ff. Zur Gleichsetzung von
Helios und Apollon (Didymeus) bereits in archaischer Zeit: Herda
2006b, 283 Anm. 2005. Vgl. auch die ca. 300 v. Chr. datierte
Inschrift eines Thiasos der Boreikoi in Olbia mit Nennung von
Apollon und Helios (Dubois 1996, 155 – 157 Nr. 95) und die
Weihung einer Statue des Apollon Didymeus Helios durch Milet in
34
Apollon Ietros155 und des ‘Delphingottes’ Apollon
Delphinios156. Als weitere Apollon-Epiklese, diesmal
spezifisch olbiotisch, ist Nikhfo/roj Bore/w, »Sieger
Medinet Habu in Ägypten im 2. Jh. v. Chr.: s. u. Kap. VI mit Anm.
195 – 199.
155
SEG 36, 1986 (1989), 202 f. Nr. 694 Z. A 2–4 e¹pt(a)|ko/sioi:
tocofo/roj fi/li(o)j dwre|h\ duna/m’ i¹hth=(r)oj. Ehrhardt 1989,
117 stellte m. E. zutreffend fest, »dass der Ietros ein
stadtmilesischer Kult war und von dort in die Kolonien übertragen
wurde.« Zudem vermuten Ju. G. Vinogradov und N. Ehrhardt, dass
das Orakel des Apollon in Didyma den Kult des Apollon Ietros
speziell für die Kolonisation im Schwarzmeerraum kollektiv
propagiert habe: vgl. etwa Rusjaeva – Vinogradov 2000, 233;
Vinogradov 1994, 64; Ehrhardt 1988, 144 – 146. 248. 250. – Zu
der fragwürdigen, vor allem von Rusjaeva und Vinogradov unter
Verweis auf das Orakeltäfelchen vertretenen Auffassung, der Ietros
sei zuerst (1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr.) der Hauptgott von
Purotino/Olbie gewesen und erst nach der Beilegung einer Stasis,
die durch eine zweite Kolonisationswelle gegen Mitte des 6. Jhs. v.
Chr. ausgelöst worden war, im Rahmen des Synoikismos mit
Berezan zur Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. durch den
Delphinios ersetzt worden (knappe Zusammenfassung dieser
Position in: SEG 36, 1986, 203; vgl. danach z. B. auch Solovyov
2000, 117 – 118) vgl. ablehnend Burkert 1994, 56; Onyshkevych
1998, 220. 222; außerdem hier Anm. 141. 160. – Ebenso
unzutreffend ist es, von einem »Zusammengehen der beiden Kulte«
des Apollon Ietros und des Apollon Delphinios in Olbie Polis zu
reden: So Rusjaeva – Vinogradov 2001, 234 mit Anm. 27 unter
Verweis auf eine Weihung auf einer frührotfigurigen Schale aus
Kurgan 400 von Jurovka, die ursprünglich aus Purotino/Olbie
herstammen soll: Delfini/o cunh/ I)htro=; danach auch: Burkert
1994, 56; Dubois 1996, 115 – 116 Nr. 65. Denn weder ist die
Herkunft der Schale aus Purotino/Olbie gesichert (vgl. kritisch:
Graf 1974, 214 Anm. 21; Graf 1979, 3 Anm. 11; Ehrhardt 1988,
436 Anm. 489), noch impliziert die gemeinsame Nennung der
beiden Epiklesen in der Weihinschrift die Gleichsetzung der beiden
Kulte. Es handelt sich vielmehr um eine Kombination der Kulte im
Sinne einer funktionalen Erweiterung: vgl. hier Einleitung und
Anm. 85. Beide Kulte bilden in Olbie Polis zwar ein
komplementäres Kultpaar, sind aber als in sich abgeschlossene,
eigenständige Kulte zu betrachten, was sich nicht zuletzt dadurch
ausdrückt, dass sie eigene Heiligtümer in der Stadt besitzen; vgl.
auch Onyshkevych 1998, 59 – 60. 108. 220. Zum Heiligtum des
Apollon Ietros in Purotino/Olbie (sog. Westliches Temenos) vgl.
hier Anm. 141. – Dass eine ‘Epiklesenhäufung’ keine
Gleichsetzung bedeutet, zeigt das berühmte Kalendergraffito aus
Purotino/Olbie (SEG 30, 1980, 271 Nr. 977; dazu: Ehrhardt 1988;
Ehrhardt 1989, 121 mit Anm. 63; Dubois 1996, 160 – 164 Nr. 99;
Onyshkevych 1998, 11 – 69. 212 – 221 Abb. 1, 1 – 7; Mitte 5. Jh.
v. Chr.): die Weihung eines gewissen Andokidos richtet sich an
Apollon in vier Erscheinungsformen, die vier Epiklesen
entsprechen (Delphinios, Iatros, Thargelios, Lykeios); vgl. Herda
2006b, 222 mit Anm. 1555; Dubois 1996, 162: »Apollon, le
dédicataire, apparaît avec quatre épiclèses qui représentent les
différentes facettes de la personnalité divine d’Apollon à Olbia.«
Nach Onyshkevych 1998, 60 – 64. 220 ist die Epithetahäufung in
dem Kalendergraffito den Epitheta-Listen zu Beginn von Hymnen
vergleichbar und deutet eventuell auf ein Gebet hin. Ebenda 64
resümiert sie jedoch: »more likely, the listing of epithets is simply a
way of aggrandizing the god Apollo«. Man vergleiche schließlich
zu diesem Befund den attischen Demos Erchia. Hier wurde Apollon
mit sechs Epiklesen verehrt (Pythios, Delphinios, Lykeios,
Apotropaios, Paion, Nymphagetes). Dazu Parker 2003, 181: »It
seems to follow that different Apollos were functionally distinct,
and that more than one was desirable for a community’s welfare.«
156
SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203. Nr. 694 Z. A 4 – 6
e¹ptaki(s)xi/…li(oi): delfi/j fro/nimoj ei)rh/|nh 'Olbi/h po/li.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
des Nordens«, anzusprechen157. Auch die Verehrung
der Leto ist durch die Gebetsformel am Ende des
Textes für Olbie Polis impliziert (Z. 7 f. me/mnhmai
Lh|[t]o/, »ich erinnere an Leto«). Leto wurde in Olbie
Polis wie etwa auch in Istros/Istria zusammen mit
ihren Zwillingskindern Apollon und Artemis in der
sog. apollonischen Trias verehrt, wobei der auf
kleinasiatische Wurzeln führende Kult der Trias in
Didyma als Vorbild gedient haben wird158.
____________________
157
Vorderseite Z. D 1; Rückseite Z. B 1. Zur Epiklese vgl. Dubois
1996, 153 zu Nr. 93 (Beintäfelchen aus Berezan): »L’expression
nikhfo/roj Bore/w doit être une désignation d’Apollon archégète,
«vainqueur du Nord», celui qui a permis l’installation des Grecs à
Bérézan et Olbia«. Er setzt den nikhfo/roj Bore/w mit dem durch
archaische Weihinschriften in Purotino/Olbie bezeugten Apollon
Borh=j gleich: vgl. den Kommentar ebenda 132 zu Nr. 83 (6. Jh. v.
Chr.); dazu auch Onyshkevych 1998, 127 – 128. Der Kultverein des
Apollon Bores sind wahrscheinlich die wiederum inschriftlich in
Purotino/Olbie belegten Boreikoi/ qiasi=tai: Dubois 1996, 132.
155 – 157 Nr. 95 (um 300 v. Chr.). – Der Kult des (Apollon) Bores
ist jetzt auch für das hellenistische Istros/Istria durch eine Weihung
bezeugt: Alexandrescu 2005, 126. 214 (Votivbasis »s« an der ‘via
sacra’): Bore/w; vgl. Bîrzescu 2006, 170 Abb. 6.
158
Am Ende des Orakeltextes »erinnert« Apollon selbst durch sein
Medium (den Mantis der Branchidai, vgl. hier Anm. 345) »an
Leto« (Z. 7 f. me/mnhmai Lh|[t]o/, »ich erinnere an Leto«); vgl.
hier Anm. 96. Vgl. dazu Burkert 1994, 54. 59 – 60. Burkert
übersetzt »I bear rememberence to Leto« und ergänzt wie die
Erstherausgeberin der Inschrift, A. S. Rusjaeva (Rusjaeva 1986, 25
– 64), den Namen der Leto im Dativ: Lh[t]oi= Der Ausdruck weise
auf den Vortrag eines Gebetes an Leto: Burkert 1994, 60 mit
Hinweis auf die häufigere Formel mnh=sai, mit der bei Homer
Gebete von Personen eingeleitet werden. Vgl. dazu allgemein jetzt
auch: Bakker 2005, 136 – 153 (Kap. ‘Remembering the Gods
Arrival’). – Wahrscheinlicher erscheint mir jedoch, Lhto als
Akkusativform Lhto/ aufzufassen, eine Emendation der Inschrift
wäre dann überflüsssig: mimnh/skomai mit dem Akussativ in der
Bedeutung »(sich) an jemanden erinnern« ist homerisches
Griechisch (vgl. die Nachweise etwa bei Liddell – Scott 1948 – 85
s.v. mimnh/skomai I.1.), während die Konstruktion mit dem Dativ
erst seit dem 3. Jh. v. Chr. bezeugt ist, worauf Burkert 1994, 59
selbst hinweist. – Der Schlusssatz des Orakels wäre demnach als
Überleitung zu einem Gebet an Leto zu verstehen, das in der
feierlichen Form eines Hymnos gehalten war (diese Deutung jetzt
auch bei Onyshkevych 1998, 111. 146 – 149; Onyshkevych 2002,
172 ff.). Der Hymnos könnte z. B. die Heilige Hochzeit Letos mit
Zeus in Didyma zum Thema gehabt haben. Unabhängig vom Inhalt
des Gebetes wird jedenfalls deutlich, dass der Orakelgott Apollon in
Berezan/Olbie Polis wie in Didyma in archaischer Zeit ein enges
Verhältnis zu seiner Mutter besaß. Auch hier wäre somit, wie in
Delos oder etwa Klaros, die ‘apollinische’ Trias von Apollon,
Artemis und Leto bezeugt: vgl. Herda 2006b, 320 – 321 Anm.
2290. – Auf Leto deutet m. E. außerdem die ebenfalls auf dem
Beintäfelchen aus Berezan angeführte Epiklese Z. C 1 Mhtro\<j>
'Olbofo/roj, »Bringer des Glücks von der Mutter«; gemeint sein
dürften Apollon und Leto. Demgegenüber möchte Dubois 1996,
153 Mhtro\<j> auf Milet, die mhtro/polij beziehen. – Ein
Unterschied etwa zur milesischen Kolonie Istros/Istrie, wo die
‘apollinische’ Trias Leto – Apollon – Artemis für das 5./4. Jh. v.
Chr. nachgewiesen wurde und in die Gründungsphase
zurückreichen dürfte (vgl. dazu z. B. Oppermann 2004, 102 mit
Anm. 996; sowie den Beitrag von A. Avram – I. Bîrzescu – K.
Zimmermann in diesem Band), ist somit in Olbie Polis nicht
festzustellen (so aber Ehrhardt 1988, 160 – 161).
Internationale Archäologie-ASTK 11
In dem Orakel blickt der Didymeus in die
Zukunft und sieht voraus, dass Olbie Polis 7000 Jahre
vom »weisen Delphin« (Z. A 4 f. e¹ptaki(s)xi/li(oi) delfi\\j fro/nimoj) regiert werden wird, was nichts
anderes heißen soll, als dass Apollon Delphinios ‘bis
in alle Ewigkeit’ der Hauptgott von Olbie Polis sein
werde159. Die Stadt gab seit dem späteren 6. Jh. v. Chr.
Bronzemünzen in Gestalt von Delphinen aus160. Diese
‘vormonetäre’ Münzform ist als Illustration der
theriomorphen Epiphanie des Stadtgottes zu verstehen,
der etwa auch im zu Anfang bereits zitierten sog.
homerischen Apollonhymnos in gleicher Gestalt das
Schiff der Kreter in seinen Besitz nimmt und es nach
Krisa führt161.
____________________
159
Zur Zahlensymbolik in dem Orakel (7+70+700+7000), die auf
das ‘Große Jahr’ (7777) führt: Burkert 1994, 54 – 57. Dubois 1996,
148 – 149. vermutet stattdessen eine mystische Zahlensymbolik
pythagoreischen oder – seiner Meinung nach wahrscheinlicher –
orphischen Ursprungs.
160
Charko 1964, 321 – 378 mit englischer Zusammenfassung S.
379; Karyškovskij 1988, 27 – 40; Burkert 1994, 55; Stingl 2005,
121 – 122. Taf. 63, 1 – 5. – Die Annahme, in Olbie Polis sei seit
dem späteren 6. Jh. v. Chr. erst Münzgeld in Form von Pfeilspitzen
ausgegeben worden, die für den Apollon Ietros als Hauptgott
Purotino/Olbies stünden, wogegen die Delphin-Münzen als Symbol
des Stadtgottes Apollon Delphinios erst ab 500 v. Chr. emitiert
worden wären (vgl. Stingel 2005, 121 mit weiterer Literatur), ist
problematisch: Zum einen steht die Annahme einer Sukzession der
beiden Typen in Zusammenhang mit der fragwürdigen Theorie, der
Stadtgott von Purotino/Olbie sei zuerst der Ietros gewesen, und erst
nach der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. der Delphinios (vgl. dazu
ablehnend hier Anm. 141. 155). Zum anderen scheinen datierende
Befunde, die eine chronologische Scheidung des Aufkommens
beider Typen ermöglichen, weitgehend zu fehlen (Stingl 2005, 122
mit Anm. 40; Stingl 2006, 99 mit Anm. 38). Vielmehr ist bereits
erkennbar, dass beide Münztypen ungefähr gleichzeitig gegen Ende
des 6. Jhs. v. Chr. aufkamen. So bemerkt z. B. Bujskich 2005, 20 –
21, dass die Pfeilspitzen und Delphine in den Verfüllungen »nahezu
jeder frühen Anlage« (= Grubenhäuser, sog. Dugouts des 6. Jhs. v.
Chr.) in Purotino/Olbie zusammen begegnen. Schließlich ist zu
überlegen, ob nicht die Pfeilspitzen die frühe bronzene Geldform in
Istros/Istrie und vielleicht auch in Apollonia Pontike darstellten
(vgl. Stingl 2005, 120 zur möglichen Herkunft aus diesen beiden
Orten; Stingl 2006). In Istros wie in Apollonia war der Apollon
Ietros Hauptgottheit, die Pfeilspitzen wären dann in der Tat als
Symbol dieses Gottes aufzufassen. Dann wäre das Pfeilspitzengeld,
neben den eigenen Delphinen, auch in Olbie Polis in Umlauf
gewesen. Für diese Annahme spricht im übrigen auch die
Fundverbreitung der Münztypen: Die Pfeilspitzen konzentrieren
sich um Istros/Istrie, die Delphine um Purotino/Olbie. Insgesamt
betrachtet waren die Pfeilspitzen jedoch weiter verbreitet und
zahlreicher. Zur Fundverbreitung vgl. jetzt Banari 2003, 289 – 299
Karte 30 – 31 (diese wichtige Arbeit ist bisher lediglich als
ausdruckbare PDF-Datei im Internet zugänglich unter:
http://bibserv7.bib.uni-mannheim.de/madoc/volltexte/2004/853/pd
f/dissertation.pdf; ich danke Angelika Lorenz, Berlin, für diesen
Hinweis). Banari 2003, 298 – 299. mit Anm. 1323. 1325 folgt
allerdings wie Stingl der vorherrschenden Forschungsmeinung, in
Purotino/Olbie wären erst Pfeilspitzen, dann Delphine emittiert
worden (vgl. jetzt auch: Solovyov 2006, 63 – 75).
161
Herda 2006b, 273 – 274. mit Anm. 1932 ff. Den Bezug
zwischen den Delphin-Münzen und Apollon Delphinios in Olbie
Polis erkannte bereits 1914 Golubtsov 1914, 75; vgl. Onyshkevych
1998, 46 mit weiterer älterer russischer Literatur. – Die
Delphingestalt des Delphingottes dürfte zum ältesten
(bronzezeitlichen?) Stratum des Kultes gehören: Herda 2005, 287
35
In der Einrichtung des Apollon Didymeus Kultes wie
auch des Apollon Delphinios Kultes und der damit
zusammenhängenden Institutionen der Molpoi und des
eponymen Aisymnetes-Stephanephoros, sowie des
Delphinions als Prytaneion und damit religiöspolitisches Zentrum der Polis, erweist sich Olbie Polis
als genaue Kopie der Verhältnisse in der
Metropolis162.
VI. Zur Verbreitung des Kultpaares
Apollon Didymeus – Apollon Delphinios
Olbie Polis ist bisher die einzige Kolonie, in
der das für Milet so spezifische Kultpaar des Apollon
Didymeus und des Apollon Delphinios nachweisbar
ist163. Die anderen Kolonien zeigen stattdessen
entweder den einen, oder den anderen Kult164
(Abb. 8).
So sind der Kult des Apollon Delphinios und
sein Kultverein, die Molpoi, direkt über Weihungen
bzw. Nennung in Inschriften – oder indirekt über
theophore
Personennamen
oder
etwa
auch
Münzemissionen in Delphinform, vergleichbar denen
von Olbie Polis165 – in den Kolonien Prokonessos166,
Kios167,
Apollonia
Pontike168,
Odessos169,
Anm. 209. 212; vgl. hier Kap. IX mit Anm. 296. Vgl. zu Göttern in
Tiergestalt als altem Glaubensgut immer noch grundlegend: RE VI
1 (1936) 862 – 921 s. v. Tierdämonen (S. Eitrem); WilamowitzMoellendorff 1955, 140 – 151. 274 – 275. Burkert 1985a, 64 – 66
bes. 64 sieht die tiergestaltigen Götter bei den Griechen
demgegenüber
als
Konstrukt
einer
evolutionistischen
Religionswissenschaft an und spricht lediglich von einem »Spiel«
des griechischen Mythos mit der Tiergestalt der Götter (»Myth, of
course, toys with animal metamorphoses.«). Die tiergestaltigen
Epiphanien der Götter seien »little more than heraldic animals«
(Burkert 1985a, 65). – Zum delphingestaltigen Apollon im
Apollonhymnos vgl. hier Kap. I; IX mit Anm. 293 ff. 326.
162
Vgl. Graf 1974; Graf 1979; Ehrhardt 1988, 139 – 140. 142 –
143. 160 – 161. 198 – 199; Herda 2005, 275 – 276 mit Anm. 152
ff. Abb. 27.
163
In der milesischen Kleruchie Amorgos ist nur der Kult des
Apollon Delphinios in hellenistischer Zeit nachweisbar (vgl. hier
Anm. 176), die indirekten Zeugnisse für den Kult des Apollon
Didymeus sind nicht eindeutig. Sie können sich auch auf den Kult
in Didyma beziehen: vgl. hier Anm. 201.
164
Vgl. die Zusammenstellung des Befundes zum Apollonkult in
Milet und den Kolonien bei Ehrhardt 1988, 130 ff. Es fehlt dort die
Weihung an Apollon Delphinios aus Berezan: vgl. hier Kap. V mit
Anm. 142; sowie die Weihung an den Delphinios aus Odessos: hier
Anm. 169.
165
Vgl. hier Text mit Anm. 160.
166
Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personennamen
Molpothemis: IG II2 Nr. 10114 – 5 (Grabstein eines Molpothemis
aus Prokonessos in Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.); dazu: Ehrhardt
1988, 134 mit Anm. 412.
167
Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personenname
Molpagoras: Polyb. 15, 21 (Tyrann in Kios zur Zeit Philipps V.);
dazu Ehrhardt 1988, 135 mit Anm. 434.
168
Münzen in Delphinform: Oppermann 2004, 71 mit Anm. 672, S.
102.
169
Weihinschrift an Apollon Delphinios, 5. Jh. v. Chr.: erwähnt bei
Hind 1983/84, 74; Oppermann 2004, 102; Minchev 2003, 243 –
36
Nymphaion170,
Pantikapaion171,
Kepoi172,
173
174
175
Hermonassa Gorgippia und Sinope bezeugt. In
allen Fällen dürfte die Einrichtung des Kultes auf die
Zeit der Kolonisation zurückgehen176. Dadurch wird
der enge Bezug des Apollon Delphinios zu Seefahrt
und Kolonisation sinnfällig. Er lässt sich im Übrigen
auch
am
Beispiel
des
sog.
homerischen
Apollonhymnos aufzeigen, wie weiter unten noch
auszuführen bleibt (Kap. IX).
Kulte
des
Apollon
Didymeus,
die
wahrscheinlich noch in die Kolonisationszeit
zurückreichen, finden sich außer in Olbie Polis und im
ägyptischen Naukratis, auf das gleich noch einzugehen
ist
(Kap.
VII–VIII),
an
der
südlichen
Schwarzmeerküste direkt durch eine allerdings erst
kaiserzeitliche Weihung in Amisos nachgewiesen177.
244. 254 Taf. 2, 4 (die unpublizierte Inschrift ist auf dem Foto
leider nur schlecht lesbar: ]ORA[-] Apo/llwni Delfini/wi … --]RAQRA). Zum Heiligtum des Apollon, das in einer Inschrift des
1. Jhs. v. Chr. genannt ist und zu dem ein dorischer Prostylos
gerechnet wird: Minchev 2003, 243 – 244, Taf. 1, 3. Mögliche
odessische Münzemission in Delphinform: Oppermann 2004, 71
Anm. 672 unter Bezug auf Topalov 1999, 79 – 80; vgl. Minchev
2003, 262.
170
Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personennamen
Molpothemis: SEG 49, 1999, 293 Nr. 1038 (Grabstele, ca. 500 –
450 v. Chr.).
171
Indirekter Nachweis der Molpoi durch die Personennamen
Molpas und Molpagoras: Ehrhardt 1988, 141 mit Anm. 513.
172
Indirekter Nachweis der Molpoi durch den Personennamen
Molpagoras: Ehrhardt 1988, 141. 464 Anm. 796 (Weihung als
Priester an Aphrodite, 6. Jh. v. Chr.).
173
Weihung an Apollon Delphinios (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.): Struve
1965, 1038 Z. 2; dazu: Graf 1979, 3 mit Anm. 11; Ehrhardt 1988,
83 mit Anm. 672; S. 141 mit Anm. 520; Onyshkevych 1998, 45 –
46.
174
Indirekter Nachweis des Apollon Delphinios durch den
theophoren Personennamen Delphinios (3. Jh. v. Chr.): Ehrhardt
1988, 141 mit Anm. 52. Gorgippia ist die einzige Kolonie im
nördlichen Schwarzmeerraum, in der der Name bisher nachweisbar
ist: Fraser – Matthews 2005, 89 s. v. Delfi/nioj. Sonst ist er noch
für Sinope an der Südküste bezeugt: vgl. die nächste Anm.
175
Indirekte Nachweise des Apollon Delphinios und der Molpoi
durch die Personennamen Delphinios (Name auf sinopischen
Amphorenstempeln: Ehrhardt 1988, 136 mit Nachweisen in Anm.
442; vgl. außerdem den Grabaltar eines Delphinios aus dem 4. Jh.
v. Chr.: Jones 1988, 193 – 194. Taf. 6 a; ebenda 194 Anm. 9 wird
auf einen weiteren sinopischen Amphorenstempel mit Nennung
eines Delphinios verwiesen, der in Pantikapaion gefunden wurde)
und Molpagoras (Ehrhardt 1988, 136 mit Anm. 443; Jones 1988,
194). Die Eponymität des Aisymnetes-Stephanephoros ist durch
Amphorenstempel belegt: Ehrhardt 1988, 57. 196 mit Anm. 1140;
S. 200; Herda 2006b, 19 Anm. 65.
176
Eine Sonderstellung nimmt Aigiale auf Amorgos ein, das nach
Ausweis der Inschriften erst ca. im 3. oder 2. Jh. v. Chr. die
Einrichtung des Apollon Delphinios-Kultes und seines Kultvereins,
der Molpoi, sowie des Amtes des Stephanephoros von Milet
übernahm: Bilabel 1920, 101 – 102; Ehrhardt 1988, 27 mit
Nachweisen in Anm. 145 (der Stephanephoros war allerdings nach
Ehrhardt 1988, 194 nicht eponym wie in Milet). Die Siedlung hatte
wohl nicht den Status einer unabhängigen milesischen Kolonie,
sondern eher einer Kleruchie: Ehrhardt 1988, 27 – 28.
177
Weihung eines Römers domitianischer Zeit: Ehrhardt 1988, 136.
431 Anm. 450 mit Nachweis.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Indirekte Zeugnisse für seinen Kult liefert das
Vorkommen des Personen- bzw. Herosnames
‘Philesios’ in Trapezos, einer Tochterkolonie
Sinopes178. Philesios ist eine Epiklese des Apollon in
Didyma und als ‘Phili(o)s’ ist Apollon auf dem
spätarchaischen Beintäfelchen mit Orakel aus
Berezan/Olbie Polis bezeichnet179, der Kult könnte
daher bereits im 7./6. Jh. v. Chr. aus Milet/Didyma
nach Sinope und von dort nach Trapezos übertragen
worden sein180.
Auf den Kult des Apollon Hegemon, der mit
dem Apollon Didymeus identisch sein dürfte, in Phasis
ganz im Osten des Schwarzen Meeres, wurde schon
hingewiesen.
Insgesamt gesehen hat die Annahme einige
Wahrscheinlichkeit für sich, dass Apollon Didymeus
in allen milesischen Kolonien und Tochterkolonien, zu
deren Gründung ein Orakel seinerseits erfolgte, ein
Kult eingerichtet bekam181.
Nach dem Verschwinden der Branchidai aus
Didyma und dem anschließenden Verstummen des
Orakels182 büßte der Kult des Apollon Didymeus seine
überregionale Bedeutung, die er in archaischer Zeit
noch besessen hatte, ein. Zwar nahmen die Milesier
das Heiligtum gleich nach der Befreiung von der
persischen Herrschaft 479/78 v. Chr. wieder in
Betrieb, so ist etwa die große Neujahrsprozession vom
Delphinion nach Didyma schon für 476/75 v. Chr.
____________________
178
Grabstein mit Liste von (mindestens) fünf Namen (eines
Bestattungsvereins?) im Dativ, nach Buchstabenform ca. 3./2. Jh. v.
Chr.: Robinson 1905, 319 Nr. 54 Z. 9 Filhs[i/w (mit Faksimile
der Inschrift). In Trapezos ist außerdem der Kult eines Heros
Philesios überliefert, der ein Enkel des Hermes gewesen sein soll:
Arrian, peripl. m. Eux. 2; vgl. dazu Bilabel 1920, 112; Fontenrose
1988, 120 Anm. 23; Herda 2006b, 304 Anm. 2164; ablehnend:
Ehrhardt 1988, 136. 144, der nur einen Bezug zum gleichnamigen
Heros erkennen will.
179
Zu Philesios vgl. mit Quellennachweisen: Fontenrose 1988, 118
– 120. Zum Phili(o)s im Orakeltext des Beintäfelchens aus Berezan
Z. A. 2 – 4 e¹pt(a)|ko/sioi: tocofo/roj fi/li(o)j dwre|h\ duna/m'
i)hth=(r)oj: Onyshkevych 1998, 92 – 95. – Nach Ehrhardt 1988,
130 – 131. 144 dagegen ist Philesios als Epiklese nicht archaisch,
»und auch für Milet [...] wird man den Beinamen überhaupt
ablehnen können«; vgl. Günther 1991, 607.
180
Vgl. Farnell 1907, 172; Bilabel 1920, 112; Herda 2006b, 304
Anm. 2164; ablehnend: Ehrhardt 1988, 136. 144; Günther 1991,
607.
181
Zu denken ist etwa an Kyzikos und seine Kolonie Apollonia am
Rhyndakos, oder auch Apollonia Pontike (vgl. vorheriges Kap.).
Für einen Kult des Apollon Didymeus in Istros/Istria fehlen bisher
Belege. Weder ist ein Gründungsorakel überliefert, noch ist sicher,
dass die Weihungen an Apollon im Apollon-Ietros-Heiligtum von
Istros/Istria, die keine besondere Epiklese nennen, an Apollon
Didymeus Milesios gerichtet sind, wie jetzt Bîrzescu 2006, 170
annimmt.
182
Vgl. Günther 1971, 13. 19 – 22; Parke 1985a, 20 – 22. 33 – 34;
Fontenrose 1988, 14 ff.; Tuchelt 1988, 433 ff.
Gerade das Verstummen des didymäischen Orakels nach 499 bzw.
479 v. Chr. steht in ursächlichem Zusammenhang mit dem
Verschwinden der Branchidai. Es kann als ein weiteres Indiz für die
Historizität der Branchidai angesehen werden.
Internationale Archäologie-ASTK 11
inschriftlich belegt183, doch Didyma spielte für die
nächsten ca. 150 Jahre eine rein lokale Rolle als
wichtigstes außerstädtisches Heiligtum der Polis
Milet184.
Erst wieder im Zusammenhang mit der
Wiedereinrichtung des Orakels in der Alexanderzeit
(331 v. Chr.)185 erweiterte sich die Klientel des Gottes.
Neben milesischen Kolonien sind es vor allem
griechische Poleis des Ostens, die zum Fest der
Didymeia Gesandschaften (Theoriai) nach Didyma
schickten und das Orakel konsultierten186.
Die Zeugnisse für den Kult des Apollon Didymeus
außerhalb Didymas und der Stadt Milet selbst, wo
nach Aussage des epigraphischen Befundes zumindest
im Hellenismus und in der Kaiserzeit ein Filialkult
bestanden hat187, sind selten und zudem meist nicht
eindeutig.
Am verlässlichsten ist noch die bei Plinius
erhaltene Nachricht, der milesische General
Demodamas habe, in Diensten von Seleukos I. und
seinem Sohn Antiochos (der spätere Antiochos I.)
stehend, vor 306 v. Chr. in Baktrien-Sogdiana noch
jenseits des Flusses Iaxartes – dem weitest entfernten
von den Griechen je erreichten Punkt in Zentralasien
____________________
183
Kronzeuge ist die sog. Molpoi-Satzung (Milet I 3, Nr. 133), die
die Abhaltung des Neujahrsfestes und der Prozession nach Didyma
für das Jahr 476/75 v. Chr. sichert: Hahland 1964, 143 ff.; Günther
1971, 20 – 21; Fontenrose 1988, 14 – 15; Gorman 2001, 195;
Ehrhardt 2003, 12 – 13; Herda 2006b, 17. 404 – 414. 425 – 426;
Herda 2005, 260 – 263 mit Anm. 87. Zur Datierung der in der
Molpoi-Satzung genannten Eponymen vgl. hier Anm. 34.
184
Wilamowitz-Moellendorff 1937, 375. Bezeichnend ist in diesem
Zusammenhang, dass Milet 345 v. Chr. Ehrenstatuen für die in
Milet und ganz Ionien als Satrapen herrschenden Hekatomniden
Ada und Idrieus nicht nach Didyma, sondern nach Delphi weihte:
IG V 2 Nr. 89; vgl. Hornblower 1982, 111. 375; Tuchelt 1988, 436
mit Anm. 75. Hinter dieser Weihung nach Delphi mögen jedoch
auch politische Motive stehen: Schipporeit 1998, 235 (Milesier
stellen Hekatomniden im panhellenischen Delphi als Euergetai und
Philhellenen dar); Marcellesi 2004, 45 – 46 (vermutet eine
Symmachie zwischen Milet und den Hekatomniden).
185
Zur Wiedereinrichtung vgl. Günther 1971, 21 ff.; Parke 1985a,
33 – 43; Fontenrose 1988, 15 ff.; hier Anm. 61. 300; Kap. IX mit
Anm. 343 – 344. 353 ff. – Frühester Beleg für das
Wiederfunktionieren des Orakels ist eine Kallisthenes-Notiz
(FGrHist 124 F 14; bei Strabon 17, 1, 43), die vom Wiederaufleben
der Heiligen Quelle und von einem daraufhin 331 v. Chr. für
Alexander ausgestellten Orakel berichtet. Die von A. Rehm
(Didyma II, 322 B) erwogenen Tätigkeit des Orakels im 5. und
früheren 4. Jh. v. Chr. lässt sich dagegen weder durch literarische
oder epigraphische Quellen stützen (dazu Habicht 1960, 149), noch
durch archäologische Befunde (so aber Hahland 1964, 232 – 233;
Voigtländer 1972, 96. 111 – 112; vgl. dagegen Parke 1985a, 230 –
231. Anm. 4; Voigtländer 1985, 61 – 62. mit Anm. 12; Voigtländer
1986, 123 – 124 mit Anm. 5).
186
Dazu: Günther 1971, 22. 124 – 127; Günther 2001, 198; zu den
Theoriai vgl. Herda 2006b, 180 f. mit Anm. 1284 ff.; hier Anm.
200; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit Anm. 357.
187
Mehrere hellenistische und kaiserzeitliche transportable
Marmoraltäre des Apollon Didymeus wurden in Milet gefunden (N.
Ehrhardt, in: Milet VI 3, 146–150 n. 1227–1236). Sie befanden
sich allerdings nicht in situ, so dass die Lage des Filialheiligtums
des Apollon Didymeus in Milet bisher unbekannt ist. Vgl. Herda
2006b, 454 Anm. 3208.
37
(vgl. Abb. 8) – für den Apollon Didymeus Altäre
errichtet, um die Grenze der griechischen Welt zu
markieren188. Den Hintergrund hierfür wird die
erklärte Deszendenz der Seleukiden von Apollon
Didymeus bilden, den sie als ihren a)rxhge/thj tou=
189
ge/nouj, als ihren »Stammvater«, verehrten . Zu
erinnern ist in diesem Zusammenhang aber auch an die
Ermordung der in Sogdiana lebenden Nachfahren der
Branchidai durch Alexander den Großen wenige Jahre
vorher (329 v. Chr.). Die Umsiedlung der Branchidai
durch die Perser an den äußersten Nordwestrand ihres
Imperiums, zwischen dem Oxus-Fluss und nahe dem
nördlichen GrenzFluss Iaxartes in BaktrienSogdiana190, ist als historisch anzusehen wie etwa auch
die Umsiedlung von Teilen der milesischen
Bevölkerung in die Stadt Ampe an der Tigrismündung,
ca. 500 Stadien von Susa entfernt191. Die Branchidai
werden den Kult des Apollon Didymeus, mit dem sie
im archaischen Didyma als Kultverein und
Orakelpersonal so eng verbunden waren, auch in der
Fremde weiterpraktiziert haben, um ihre Identität zu
bewahren192 (vgl. Kap. IX). Mit ihrer Auslöschung
hätte folglich der Kult des Apollon Didymeus in
Sogdiana durch Alexander ein gewaltsames Ende
gefunden193. Die Weihung der Altäre, die Demodamas
____________________
188
Plin., n. h. 6, 49 (= Demodamas FGrHist 428 F 2). Die
Nachricht wird von F. Jacoby in seinem Kommentar wie auch von
Tarn 1968, 232 als historisch eingestuft. Vgl. zu den Altären des
Demodamas: Didyma II, 282 A; Parke 1985b, 67; vgl. Günther
1971, 35 zu Demodamas, Sohn des Aristeides, der in Milet/Didyma
epigraphisch bezeugt ist: Didyma II, 284 Nr. 480 (Ehrendekret für
Apame, die aus Baktrien-Sogdiana stammende Frau von Seleukos I.
und Mutter des Antiochos II., von 299/98 v. Chr.; vgl. Günther
1971, 23 ff.); ebenda 282 ff. Nr. 479 (Ehrendekret für Antiochos II.
von 299/98 v. Chr; vgl. Günther 1971, 29 ff.). Zu Demodamas vgl.
auch Robert 1984, 467 – 472 (»XXXI: Pline VI 49, Démodamas de
Milet et la reine Apamè«). – K. Wernicke, RE II 1 (1895) 1–111
bes. 50 s. v. Apollon irrt, wenn er die von Plin, n. h. 6, 49
ausdrücklich als Gründung des Demodamas bezeichneten Altäre
des Apollon Didymeus Alexander dem Großen zuschreibt.
189
Leschhorn 1984, 181 – 182. Zur Didymeus-Deszendenz der
Seleukiden vgl. hier Anm. 125; Kap. VII mit Anm. 254.
190
Zur ungefähren Lage der Stadt der Branchidai vgl. Strab. 11, 11,
4; dazu: Parke 1985b, 64 Anm. 18; Hammond 1998, 341.
191
Zu den Branchidai in Sogdiana vgl. hier Anm. 70. 182; s.
außerdem: Altheim – Stiehl 1970; 158 – 161; Holt 1988, 74 – 75;
Holt 2005, 40; O’Brien 1992, 129 – 130; Flower 2000, 117 – 118;
Fredricksmeyer 2003, 266. – Zur Ansiedlung der Milesier in Ampe
(Hdt. 6, 20): RE I (1894) 1877 – 1880 s. v. Ampe (F. C. Andreas);
Altheim – Stiehl 1970, 159 – 160; zu Ampe vgl. auch: DNP 1
(1996) 607 s. v. Ampe (J. Oelsner).
192
Curtius Rufus 7, 5, 28 ff. überliefert, dass die Branchidai zur
Zeit der Ankunft Alexanders weiterhin die Sitten und Gebräuche
ihrer Vorfahren pflegten (»mores patrii nondum exoleverant«);
dazu Parke 1985a, 40.
193
Strabon 11, 11, 4 spricht davon, dass Alexander die ganze Stadt
der Branchidai zerstörte: to\ tw=n Bragxidw=n a)/stu a)nelei=n.
Curtius Rufus 7, 5, 28 – 35 berichtet, dass Alexander alle
Einwohner töten, die Gebäude der Stadt abreißen und alle
Pflanzungen eingeschlossen die heiligen Haine (»luci sacri«)
entwurzeln ließ, bis am Ende nur noch ein wüster, steriler Boden
übrigblieb (»ut vasta solitudo et sterilis humus … linqueretur«). Im
besonderen die Vernichtung der heiligen Haine macht deutlich,
dass auch die Heiligtümer der Branchidai vollständig zerstört
38
im Namen des Seleukos I. und des Antiochos
errichtete, sind also als Wiederbelebung des ApollonDidymeus-Kultes in Sogdiana zu verstehen, als
pietätvolle Sühnehandlung, die ihre besondere
Motivation in der erklärten Abstammung des
Seleukidenhauses von Apollon Didymeus fände. In
den gleichen Kontext gehört auch die Rückgabe der
von
Kanachos
geschaffenen
spätarchaischen
Kultstatue des Apollon Didymeus (Abb. 5), die die
Perser einst geraubt hatten, aus Ekbatana nach Didyma
durch Seleukos I. ca. 300 v. Chr.194
Mit der Rolle des Apollon Didymeus als
Orakelgott dürfte auch die Weihung einer Statue des
Gottes im ägyptischen Medinet Habu westlich von
Theben am Nil durch die Polis Milet selbst
wahrscheinlich im mittleren 2. Jh. v. Chr.
zusammengehen. Die Inschrift bezeichnet den Gott als
‘Didymeus Helios Apollon’195. Ptolemaios VIII. hatte
in Medinet Habu ca. 140 v. Chr. ein Orakelheiligtum
des Gottes Thot oder Theuth eingerichtet, der mit dem
griechischen Gott Hermes gleichgesetzt wurde196. Die
Milesier nutzten wohl ihre Chance, die guten
Beziehungen zum ptolemäischen Königshaus zu
pflegen, die seit dem 3. Jh. v. Chr. bestanden, als Milet
und Didyma kurzzeitig ptolemäisch waren.
Gleichzeitig wird es ihnen darum gegangen sein, den
Ptolemäern den Kult ihres Hauptgottes wieder ins
Gedächtnis zu rufen, dessen Orakelheiligtum schon
Kallimachos, der Hofdichter Ptolemaios’ II., wohl in
königlichem Auftrag, besungen hatte und der seit
archaischer Zeit ein Heiligtum in der griechischen
wurden. Ein heiliger Hain des Apollon spielt in der
Gründungsgeschichte um Branchos und das Orakel in Didyma eine
zentrale Rolle: Herda 2006b, 264 – 265 mit Anm. 1875 – 1877; vgl.
jetzt auch: Günther 2006, 108.
194
Paus. 1, 16, 3; 8, 46, 3; dazu: Tuchelt 1986, 75 – 84; Tuchelt
1988, 427 – 438; Günther 1971, 39 – 43; Scheer 2000 (s. o. Anm.
76) 252 – 257; Strocka 2002, 94 ff.
195
Statuenbasis in Form einer Säule mit 10-zeiliger Weihinschrift:
Carter 1905, 121 Nr. IX; Preisigke 1915, 130 – 131 Nr. 1530;
Visser 1938, 72 – 73 Nr. 5; Robert 1965, 209 Anm. 1; Robert 1969,
583 Nr. 5; Robert 1984, 468 mit Anm. 8: --]… qeoj Qeofra/stou
… Milh/sioi to\n … pa/trion qeo\n … Didume/a (/Hlion …
)Apo/llwna … eu¹ca/menoi a)neqh…/kamen e¹p’ a)gaqoi=j. …
Farmou=qi l¡ … Q (» [Im Jahr des ...]thes, Sohn des Theophrastos:
wir Milesier, die gebetet haben [zum Gott], haben den von den
Vätern ererbten Gott Didymeus Helios Apollon aufgestellt. Zum
Guten ! Am 30. Pharmouti. [in der zehnten Zeile steht mittig alleine
der Buchstabe:] Theta [für Thot?] «). – Zur Gleichsetzung des
Apollon mit Helios s. o. Kap. V mit Anm. 154.
196
Hölbl 1994, 243; vgl. 343 ff. (Appendix »Übersicht über die
behandelten Ereignisse der Geschichte des Ptolemäerreiches«). Das
Orakel des Thot in Medinet Habu gab möglicherweise das gegen
130 v. Chr. datierte sog. Töpferorakel aus. Zu diesem vgl. etwa:
Hoffmann 2000, 186 – 187; Potter 2003, 427. Theut/Thot galt den
Ägyptern auch als Erfinder der Hieroglyphenschrift und Begründer
der Wissenschaft, wie Platon im Phaedros 274c – 275b (vgl. ders.,
Philebos 18b – d) überliefert: vgl. Vazunia 2001, 141 – 142. 146 ff.
224. Auf ägypto-karischen Grabstelen des 6. Jhs. v. Chr. erscheint
der ibisköpfige Thot zudem wie Hermes als Seelenbegleiter, der
manchmal eine Schriftrolle hält, vgl. z. B. auf einer Stele aus
Saqqara: Kammerzell 2001, 239. 254 Abb. 13 oben rechts.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Siedlung Naukratis im Nildelta besaß, von wo Theut
herstammen sollte197. Die milesische Weihung in
Medinet Habu hat ihre Wirkung wohl nicht verfehlt:
Noch im mittleren 1. Jh. v. Chr. sandten Ptolemaios
XII. und XIII. beträchtliche Mengen von Elfenbein als
Schenkung für den Tempel nach Didyma und
Kleopatra VII. (51 – 30 v. Chr.), die letzte Pharaonin
aus dem Lagidenhaus, stiftete ebenfalls198.
Eine Weihung an Apollon Didymeus aus dem
nicht weit südlich von Milet gelegenen Iasos in
Karien, das angeblich eine Nachbesiedlung aus Milet
erfahren hat199, ist dagegen vielleicht aus Didyma
verschleppt200. Fraglich ist auch, ob ein Filialheiligtum
des Didymeus in der milesischen Kleruchie Aigiale
auf Amorgos angenommen werden kann201. Ebenso
unsicher ist es, einen Kult des Didymeus in der
karischen Metropole Mylasa zu vermuten, wie ein
Vertrag zwischen Milet und Mylasa aus dem Jahre
215/14 v. Chr. suggerieren mag202. Eine kaiserzeitliche
____________________
197
Zu Apollon Didymeus in Naukratis s. das nächste Kapitel; zu
den Ptolemäern und Didyma s. ebenda mit Anm. 253 ff. Gemäß
Sokrates in: Platon, Phaedros 274c – 275b stammte Theut/Thot aus
Naukratis und soll sein Wissen zu König Thamus nach Theben
gebracht haben, den die Griechen mit Amun gleichgesetzt hätten.
An diese Geschichte konnte Ptolemaios VIII. bei der Gründung des
Thot-Heiligtums in Medinet Habu bei Theben anknüpfen, wo
zudem seit der 18. Dynastie im sog. kleinen Tempel Amun verehrt
wurde. Dieser Tempel wurde unter PtolemaiosVIII., IX. und X.
weiter ausgebaut: Hölbl 1994, 243. 250 – 251 Abb. 22. In
Naukratis selbst gab es vermutlich ebenfalls ein Amunheiligtum,
das in die Anfänge der ursprünglich ägyptischen Siedlung
zurückreichte: s. u. Anm. 240.
198
s. u. Anm. 256.
199
Zu Iasos, das nach Polybios 16, 12 von Milesiern unter dem
Sohn des ionischen Milet-Gründers Neileos nachbesiedelt worden
ist: Ehrhardt 1988, 26 – 27 (der Name des Neileos-Sohnes hieß
allerdings nicht Miletos, wie Ehrhardt 1988, 26 versehentlich
angibt, vielmehr ist er von Polybios nicht namentlich genannt: vgl.
Walbank 1967, 514 zu 16, 12, 2).
200
REG 6, 1893, 186 f. n. 31 ('Apo/llwnoj Didume/wj).
Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 leitet aus der Inschrift den Kult
des Didymeus in Iasos ab. Nach Ehrhardt 1988, 427 Anm. 398 ist
sie aber »aus Didyma verschleppt worden«.
Die Iasier weihten seit dem frühen 3. Jh. v. Chr. zahlreiche Phialen
dem Apollon Didymeus nach Didyma: Günther 1971, 127;
Ehrhardt
1988,
27.
133.
Den
Hintergrund
bilden
Festgesandtschaften (Theoriai) zum von Milet ausgerichteten
großen Opferfest des Apollon Didymeus in Didyma: vgl. hier Kap.
IV mit Anm. 115; Anm. 186; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit
Anm. 357. Dies ist zwar ein Beleg dafür, dass die Iasier ihre
Herkunft aus Milet im frühen 3. Jh. v. Chr. selbst propagierten, die
Weihung der Phialen an den Apollon Didymeus in Didyma beweist
allerdings noch keinen Kult des Gottes in Iasos selbst.
201
Es liegen nur indirekte Zeugnisse für den Kult des Apollon
Didymeus in Aigiale vor (zur Kleruchie vgl. Ehrhardt 1988, 27 –
28): So zeigen amorgische Münzen das Bild des Apollon Kanachos:
Ehrhardt 1988, 134 mit Anm. 401. Eine Weihung der Amorgier
nach Didyma: Didyma II, 268 – 269, Nr. 446, Z. 8 – 9 (225/24 v.
Chr.); vgl. Ehrhardt 1988, 294 Anm. 144; S. 134. Beide Zeugnisse
können sich jedoch ausschließlich auf den Kult des Apollon
Didymeus in Didyma beziehen, ein Kult in Amorgos muss nicht
zwingend angenommen werden.
202
Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 beruft sich auf Milet I 3, 330
ff. Nr. 146 B; vgl. Milet VI 1, 178 ff. n. 146 (Isopolitievertrag
Internationale Archäologie-ASTK 11
Weihung im phrygischen Nakoleia, die den Namen der
Gottheit nur in Teilen erhalten hat, wurde
versuchsweise auf den Didymaios bezogen, doch sind
auch andere Ergänzungsmöglichkeiten der Inschrift
gegeben203.
Auf den Kult des Apollon Didymeus im
ägyptischen Naukratis in archaischer Zeit sei
anschließend ein Blick geworfen.
VII. Apollon Didymeus Milesios in
Naukratis
Das Apollonheiligtum in Naukratis wurde, so
lässt die vielzitierte Beschreibung bei Herodot (2, 178)
vermuten, von den Milesiern unter Amasis’ Regierung
errichtet (ca. 570–60 v. Chr.). Die Grabungen von
Flinders Petrie legten das Areal bereits in den ersten
Kampagnen 1884–5 frei204. Die Identifizierung
ermöglichten zahlreiche Graffiti, die im Heiligtum
gefunden wurden. Sie waren auf Trinkgefäßen als
Weihinschriften an Apollon ‘Milesios’ angebracht205.
Milets mit Mylasa, 215/14 v. Chr.). Die in der Inschrift Z. B 75
genannten Opfer und den Priester des Apollon Didymeus verortet er
in Mylasa. Dagegen hat aber schon A. Rehm, in: Milet I 3, 333 –
334 m. E. überzeugend argumentiert, Priester und Opfer des
Apollon Didymeus bezögen sich auf Milet; vgl. Herda 2006b, 75
Anm. 438. Ein kleiner Marmoraltar für Apollon Didymeus Soter
und Zeus Labraundos Soter aus dem späten 3./frühen 2. Jh. v. Chr.
wurde im übrigen in Milet gefunden: Milet VI 3, 167 n. 1269.
Diesen Altar und weitere Marmoraltäre für Zeus Labraundos in
Milet verbindet N. Ehrhardt überzeugend mit Neubürgern aus
Mylasa, die den Kult ihres karischen Heimatgottes nach Milet
brachten: N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 164 – 165 (Kommentar zu
Nr. 1265–1270); Ehrhardt 2006, 85; Herda (im Druck) Kap. VIII
mit Anm. 363.
203
Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 zitiert eine von Ramsay
1882, 125 noch ohne Ergänzungen publizierte kaiserzeitliche
Weihung eines Aelius oder Aurelius Antonius. In Z. 3 – 4.
]UM[.]IW … eu¹xh/n erkennt Fontenrose unter Bezug auf die
Ergänzung der Inschrift durch To�ilescu 1882, 52: [Did]um[a]i/w
eu¹xh/n eine Weihung an den Apollon Didymeus (vgl. Fontenrose
1988, 118: »partly restoration, but fairly certain«; To�ilescu folgend
auch RE II 1 (1895) 1 – 111 bes. 50 s. v. Apollon [K. Wernicke]).
Gesetztenfalls die Ergänzung der Inschrift aus Nakoleia ist
zutreffend, würde die Form ‘Didymaios’, die von der älteren
Epiklese Didymeus abgeleitet ist, gut zur kaiserzeitlichen Datierung
der Inschrift passen, da sie typisch für die Kaiserzeit ist: Fontenrose
1988, 114 mit Anm. 14; vgl. hier Anm. 65. – Die Inschrift aus
Nakoleia kann jedoch z. B. auch zu einer Weihung an (Zeus)
Olympios ergänzt werden: Dii\ / Zhni\ 'Olum[p]i/w(i) … eu¹xh/n.
Aus diesem Grunde fällt die Inschrift m. E. als sicherer Beleg für
den Didymeus-Kult in Nakoleia aus.
204
Flinders Petrie u.a. 1886, 11 – 16. Zur Lage vgl. ebenda Taf. 40
– 41. Vgl. Möller 2000, 94 – 99 Abb. 1 – 2. Zu den erhaltenen
Architekturteilen, deren Zuweisung z. T. unsicher bleibt, vgl. auch
Höckmann – Kreikenbom 2001, VII; Koenigs 2007, 311 – 344.
205
Die Weihungen an den ‘Milesios’ im Apollonheiligtum von
Naukratis: Flinders Petrie u.a. 1886, 60 Nr. 2 (= Bernand 1970, 642
Nr. 4); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 99 (= Bernand 1970, 648
Nr. 61); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 110 (= Bernand 1970, 649
Nr. 72); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 218 (= Bernand 1970, 661
39
Welcher Apollon sich hinter diesem ‘Milesios’
verbirgt, lässt jetzt der Befund in Berezan/Olbie Polis
deutlich werden: Zu erwarten ist Apollon Didymeus
Milesios. Als Bestätigung kann ein singuläres Graffito
aus
dem
Apollonheiligtum
von
Naukratis
herangezogen werden, das Gardner bereits 1886 in der
ersten Naukratis-Publikation vorlegte206 und das U.
Schlotzhauer jetzt im British Museum genauer
untersuchen konnte (vgl. Beitrag Ehrhardt –
Höckmann – Schlotzhauer Abb. 1 – 2)207. Das bisher
kaum beachtete Graffito stellt eine Weihung an
Apollon Didymeus dar und ist neben dem
Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis der zweite
sicher archaisch zu datierende Beleg für diese
Epiklese.
Der
Inschriftenträger,
eine
sog.
Knickrandschale milesischer Produktion, datiert die
Weihung in das zweite Drittel des 6. Jhs. v. Chr.208.
Dass dieser wichtige Befund an zwei so weit von Milet
und Didyma entfernten Orten begegnet, bisher aber
nicht in der Metropolis und ihrem außerstädtischen
Heiligtum selbst209, illustriert anschaulich den Zufall
der Erhaltung, auf dem unsere Forschungen oft
aufbauen.
Die Einrichtung eines Heiligtums des Apollon
Didymeus Milesios in Naukratis weist auf die
besondere Stellung der Milesier innerhalb der
griechischen Siedlung, deren politischer Status – Polis
Nr. 179); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 219 (= Bernand 1970,
661 Nr. 180); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 233 (= Bernand
1970, 662 Nr. 194); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 234 (=
Bernand 1970, 662 Nr. 195); Flinders Petrie u.a. 1886, 62 Nr. 237
(= Bernand 1970, 662 Nr. 198); Flinders Petrie u.a. 1886, 62 Nr.
341 (= Bernand 1970, 671 Nr. 302); Bernand 1970, 708 Nr. 661
(Fundort unsicher). Vgl. jetzt Möller 2000, 166 ff. mit neuer
Zusammenstellung; Höckmann 2003, 68 mit Anm. 66.
206
Inv. Nr. BM 1886.4–1.262; dazu: Flinders Petrie u.a. 1886, 61
Nr. 164 Taf. 32 (Faksimile mit Beschreibung des Graffititrägers:
»black and buff bowls, hard; incised on the buff rims«); vgl.
Bernand 1970, 655 Nr. 125; Möller 2000, 176 Nr. 1; S. 258
Appendix 1. k. Nr. 11.
207
Das wiedergefundene Stück wird von U. Schlotzhauer und N.
Ehrhardt hier neu vorgelegt.
208
'Apo/llw]ni Didu[mei=; s. a. Bernand 1970, 655 Nr. 125; dazu:
Prinz 1908, 118; Bresson 2000, 49 mit Anm. 142; Herda 2006b,
449 – 450. mit Anm. 3185; Höckmann – Kreikenbom 2001, VII.
228 Anm. 103; vgl. Höckmann 2003, 68 – 69. 70 mit Anm. 78
unter Bezug auf J. Vinogradov und eine briefliche Mitteilung des
Verfassers vom 17.10.2000 (s. u. Anm. 260). Vgl. jetzt auch: Nick
2006, 87. 88. – Die Datierung wird U. Schlotzhauer verdankt.
209
Die Epiklese Didymeus ist in Milet und Didyma bisher für
archaische Zeit noch nicht epigraphisch bezeugt. – Die Korrektur
der bisherigen Lesung einer Weihinschrift auf einem archaischen
Kourosbein aus Didyma (sog. Latmier-Weihung, ca. 575 – 550 v.
Chr.: Didyma II, 8 – 9. Nr. 12 Abb. 17) durch Jeffery 1955, 70
Abb. 3; S. 84 Nr. 4 Z. 1 – 2. zu [to)po/l|wni tw=i Did]u?mi/wi; vgl.
danach auch SEG 16, 1959, 192 Nr. 711, ist nicht angenommen
worden: Robert 1959, 661 (»ne semble pas tenir«); vgl. Tuchelt
1970, 55 – 56. ‘K 9’; Günther 1971, 11 Anm. 7. Jeffery hat ihre
Korrektur später selbst zurückgenommen: Jeffery 1961/1990, 332.
333 – 334. 342 Nr. 25. – Zum möglichen Nachweis des Ortsnamens
‘Didyma’ in einem spätarchaischen Orakel des Apollon von Delphi
(Hdt. 6, 19, 2) vgl. hier Anm. 57.
40
und/oder Emporion – ein offenes Problem darstellt
(vgl. nächstes Kap.). Nur die Aigineten und die Samier
hatten laut Herodot eine vergleichbare Stellung inne,
so dass sie vom Pharao autorisiert worden waren, ein
Heiligtum ihrer Polisgottheit in Naukratis zu
errichten210. Erstere besaßen ein Heiligtum des Zeus,
der wahrscheinlich die Epiklese Hellanios bzw.
Hellenios trug, wie jetzt Dipinti auf chiotischer
Importkeramik des mittleren 6. Jhs. v. Chr. zeigen211,
letztere eines der Hera212, in dessen Keramikinventar
Udo Schlotzhauer vielleicht sogar Überreste eines
Gründungsopfers (Aphidryma) aus dem ersten Drittel
des 6. Jhs. v. Chr. ausgemacht hat213. Die übrigen
Griechen, nach Herodot aus Mytilene, Chios, Teos,
Phokaia, Klazomenai, Rhodos, Knidos, Halikarnassos
und Phaselis stammend, opferten in einem
gemeinsamen Heiligtum, dem ‘Hellenion’, den
Göttern214. Nach Ausweis der Graffiti waren sie aber
auch berechtigt, im Heraion der Samier und im
Apollonheiligtum der Milesier zu opfern215. So stiftete
____________________
210
Vgl. Bresson 2000, 48 – 49.
Hdt. 2, 178; Lage und Aussehen dieses Heiligtums sind
unbekannt: Möller 2000, 104. 183. 194. 201 – 202. Die einzigen
mir bekannten Weihungen an Zeus aus Naukratis sind diejenigen
eines Mik(k)is an den Zeus Hellenios, die R. Wachter aus
zahlreichen Fragmenten von chiotischen Dipinti-Gefäßen des 6.
Jhs. v. Chr. rekonstruiert hat: s. u. Anm. 286. Dieser Zeus Hellenios
(chiotisch-ionisch) bzw. Hellanios (aiginetisch-dorisch) dürfte mit
dem Zeus der Aigineten identisch sein, den Herodot 2, 178 ohne
Epiklese nennt. Der Zeus Hellanios wurde in Aigina auf dem Berg
Panhellenios als Schutzgott der Wasserversorgung bzw. als
Wettergott verehrt. Nach Pausanias (2, 30, 4) soll sein Heiligtum
von Aiakos gegründet worden sein. Vgl. zuletzt: Fearn 2007, 104 –
105 mit weiterer Lit. in Anm. 66. – Die Gefäße, die Mikkis für den
Kult des Zeus Hellenios von Naukratis in Chios anfertigen ließ,
finden eine direkte Parallele in den chiotischen Dipintigefäßen, die
die Aigineten(?) Aristophantos und Damonidas im Heiligtum der
Aphaia auf Aigina weihten: hier Anm. 220.
212
Hdt. 2, 178; dazu: Möller 2000, 101.
213
Vgl. Schlotzhauer – Weber 2005, 81. 93. 106 Abb. 10;
Schlotzhauer 2006, 311 – 313 Nr. 4A – C Abb. 11 – 13 (ich danke
U. Schlotzhauer, der mir freundlicherweise sein Manuskript und die
frisch gedruckte Publikation zur Verfügung stellte). – Falls sich die
relativ späte Datierung der Gründung des Heraheiligtums in
Naukratis »im ersten Drittel [des 6. Jhs. v. Chr. ] spätestens um 570
v. Chr.« durchsetzen sollte (Schlotzhauer 2006, 313), hat Shipley
1987, 86 vielleicht mit seiner Vermutung Recht, dass die Samier
sich erst unter Amasis in Naukratis niederließen, vorher aber einen
eigenen Handelsstützpunkt im Nildelta unterhielten wie einige
andere griechische Poleis auch (vgl. Hdt. 2, 154: Psammetich I.
siedelt Karer und Ioner unterhalb von Bubastis am Pelusischen
Nilarm in sog. strato/peda an). Dieser Stützpunkt ist vielleicht
mit der schon von Hekataios erwähnten sog. Insel von ‘Samos im
Nil’ gleichzusetzen: Steph. Byz. s. v. )/Efesoj (= Hekataios
FGrHist 1 F 310). Die ägyptischen Funde aus dem Hauptheiligtum
der Samier auf Samos, dem Heraion, zeigen jedenfalls, dass
spätestens um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr., der Zeit Psammetichs’
I., engere Kontakte mit Ägypten bestanden: Ebbinghaus 2006, 191
– 192. – Zu Aphidrymata vgl. hier Kap. V mit Anm. 147 – 152.
214
Hdt. 2, 178. Zum Hellenion: Möller 2000, 105 – 108 Abb. 1. 5;
S. 190 – 196; vgl. Höckmann – Möller 2006, 11 – 22.
215
Die archaischen Weihinschriften aus dem Heiligtum des
milesischen Apollon und der samischen Hera nennen vor allem
Chioten und einige wenige Teier, Phokäer, Mytilenier, evtl. auch
Klazomenier. Diese Liste stimmt auffallend gut mit der des Herodot
211
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
etwa der Knidier Xaroph(a)nes ca. 550 v. Chr. eine
Schale für den »Milesischen Apollon«216.
(2, 178) überein, die er für die Zeit des Amasis (570 – 525 v. Chr.)
gibt: Austin 1970, 24 – 25 Anm. 2. Alle (publizierten) Inschriften
im Überblick: Bernand 1970, 641 ff.; Möller 2000, 166 – 181.
Ebenda 179 weist Möller auf die Möglichkeit, der Phanes, der laut
Weihinschrift einen sog. East Greek black-glaze Dinos dem
Apollon der Milesier stiftete (Möller 2000, 179 Nr. 6: Fa/nhj me
a)ne/qhke tw)po/llwn[i tw=i Mi]lhsi/wi o¸ Glau/³o), könne
mit dem Söldnerführer aus Halikarnassos gleichgesetzt werden, der
laut Herodot (3, 4. 7. 11) 525 v. Chr. von Amasis zu Kambyses
überwechselte. Dies hatte bereits E. Gardner (Flinders Petrie u.a.
1886, 55 zu Nr. 65) erwogen, der den Dinos ca. 530 v. Chr.
datierte. Diese Datierung von Gardner wird jetzt von Schlotzhauer
2006, 294 – 301 Abb. 1 – 4 bestätigt (er datiert das Gefäß in das
dritte Viertel des 6. Jhs. v. Chr.). Schlotzhauer kann zudem durch
eine Keramikanalyse die Herkunft des Dinos aus der Athener
Akropolis-Werkstatt nachweisen. Den nunmehr wahrscheinlichen
Fall vorausgesetzt, der Stifter ist mit dem Söldnerführer identisch
(vgl. dazu auch Schlotzhauer 2006, 301 mit Anm. 60), hätten auch
Griechen aus Halikarnassos, das ebenfalls am Emporion beteiligt
war, in das Apollonheiligtum der Milesier gestiftet. Zur Herkunft
des Phanes aus Halikarnassos würde im Übrigen auch passen, dass
die Inschrift wie der Name im ionischen Dialekt gehalten sind, denn
im ‘dorischen’ Halikarnassos wurde ionisch gesprochen und
geschrieben. Fraser – Matthews 1987, 453 s. v. haben stattdessen
noch eine chiotische Herkunft des Phanes erwogen. Dies dürfte aber
von der älteren, unzutreffenden Zuschreibung des Gefäßträgers an
eine ostgriechische Werkstatt abhängen sowie der Beobachtung,
dass der Name Phanes in chiotischen Inschriften des 3. Jhs. v. Chr
häufiger begegnet. – Resümierend stellt Möller 2000, 215 die These
auf, dass »All the sanctuaries were used by all of the Greeks, as
evidenced by the vase inscriptions and the pottery, albeit that
certain poleis focused more on some sanctuaries than others.«
216
Bernand 1970, 662 Nr. 198; Jeffery 1961/1990, 352. 357 Nr.
32a Taf. 68; Blümel 1992, 128 Nr. 214; Möller 2000, 171 Nr. 1; S.
257 Appendix 1. k Nr. 1; Johnston 2006, 23 Abb. 2a):
Xarof<a/>nhj : me a)ne/[qhke tw=]i 'Apo/l[lwni M]ilasi/wi
(das benutzte Alphabet ist das knidische). – Bei der von U.
Schlotzhauer und W. Röllig aufgrund ihrer Inschrift als phönikische
‘Fremdweihung’ interpretierte, gegen 600 v. Chr. zu datierende,
ostdorisch-rhodische Knickrandschale aus dem Apollon DidymeusHeiligtum (London, BM GR 1886.4–1.96 = Schlotzhauer 2006,
301 – 307 Nr. 2 Abb. 4 – 6) handelt es sich m. E. ebenfalls um die
Weihung eines Knidiers. Darauf weist nicht nur der dorische
Dialekt der Inschrift (s. u.), sondern auch die kürzlich
vorgenommene Analyse des Keramikmaterials. Sie ergab, dass das
Stück in (‘Alt’-)Knidos (Datça/Emecik) hergestellt wurde:
freundliche Mitteilung U. Schlotzhauer; vgl. Schlotzhauer – Villing
2006, 7; Schlotzhauer – Villing 2006, 55. 60 mit Abb. 24 (‘Nauk
51’, NAA-Group ‘EMEb’). Die sehr flüchtig eingeritzte
Weihinschrift lese ich als eu¹xa/(n). Es handelte sich dann um eine
typische Weihung aufgrund eines Gelübdes (lat. votum; dorisch
eu¹xa/; ionisch: eu¹xh/ bzw. eu¹xwla//eu¹xwlh/; die GelübdeFormel lautet kat’ eu¹xa/n/eu¹xh/n. Zu solchen Weihungen vgl.
Lazzarini 1976, 98 – 101. 128. 280 – 282 Nr. 732 – 744 etc.
Ebenda 98. 128. 282 Nr. 742 mit Beispielen aus dem AphroditeHeiligtum von Naukratis: Bernand 1970, 684 Nr. 427 – 428;
Möller 2000, 178 – 179 Nr. 5a–c Xarmh=j me a)ne/qhke
th¹frodi/thi eu)xwlh/n (nordionisch?, der Name ist für Chios
bezeugt; vgl. Fraser – Matthews 1987, 483 s. v. Xarmh=j [1] [5./4.
Jh. v. Chr.]). – Vgl. für Fremd-Weihungen im Heiligtum des
‘Milesischen’ Apollon weiterhin einen Mytilenier: Möller 2000,
173 – 174 Nr. 4; einen Teier: Möller 2000, 169 Nr. 2; evtl.
aiginetische Weihungen: Möller 2000, 175 Nr. (a)–(d). – Die
Weihung eines Chioten an Apollon stammt aus den ältesten
Schichten im sog. Hellenion: Bernand 1970, 700 Nr. 574; Möller
2000, 106 mit Anm. 122; S. 168 Nr. 2 c); S. 244 Appendix 1. d. Nr.
Internationale Archäologie-ASTK 11
Der archäologische bzw. epigraphische Befund erweist
weiterhin, dass es mehr als die von Herodot
angegebenen griechischen Heiligtümer in Naukratis
gab. Zu nennen ist eines der Aphrodite, dessen Funde
noch ins 7. Jh. v. Chr. zurückreichen und das nach
naukratitischer Tradition das älteste Heiligtum der
Siedlung darstellte217, sowie ein weiteres für die
Dioskuren, das zumindest schon im 6. Jh. v. Chr.
Bestand hatte218. Diese beiden Heiligtümer sind bisher
keiner bestimmten Siedlergruppe zuweisbar, die
Keramik und die Weihinschriften zeigen jedoch starke
Verbindungen nach Nordionien (Chios, Phokaia,
Teos) und Aiolien (Mytilene auf Lesbos) auf219.
21 (Datierung des Inschriftenträgers noch vor ca. 570 v. Chr.). Da
das Hellenion direkt östlich des Apollon-Didymeus-Heiligtums lag
(vgl. den Plan bei Möller 2000, Abb. 1), wäre zu überlegen, ob
diese Weihung nicht sogar ursprünglich aus dem DidymeusHeiligtum stammte und beim Bau des Hellenions oder zu einem
späteren Zeitpunkt dorthin umgelagert wurde. Zum Hellenion vgl.
hier Anm. 214. – Es ist zu überlegen, inwieweit nicht alle
Weihungen, die den Apollon ausdrücklich als »milesisch«
ansprechen, von Nichtmilesiern stammen (vgl. Herda 2006b, Anm.
1014). Umgekehrt kann jedoch beim Fehlen eines Ethnikons nicht
davon ausgegangen werden, dass der Dedikant dann immer ein
Milesier gewesen ist: vgl. Austin 1970, 25.
217
Das Heiligtum der Aphrodite bestand angeblich schon in der 23.
Olympiade (688 – 685 v. Chr.): Athen. 15, 675f – 676c zitiert
Polycharmos von Naukratis (FGrHist 640 F 1); dazu: Flinders
Petrie u.a. 1886, 4. 11.; Möller 2001, 8. 17; vgl. Möller 2000, 185 –
186. (»sounds like a story from the Hellenistic period«). Zum
archäologischen Befund: Gardner 1888, 33 – 58 Taf. 1 – 4; Möller
2000, 102 – 104. 118 Abb. 1. 3a. 4.
218
Zum Dioskuren-Heiligtum: Möller 2000, 99 – 100 Abb. 1 – 2. 3
b.
219
Mehrere Dipinti-Gefäße (meist Kantharoi), darunter ein
Kantharos aus der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. mit Weihung eines
gewissen Zoilos an Aphrodite dürften in Chios auf Bestellung
produziert worden sein, wie die chiotische Keramik überhaupt
einen großen Anteil an der Fundkeramik aus dem
Aphroditeheiligtum hat: Boardman 1988, 119 – 120. 123 – 124
Abb. 139. 141; Möller 2000, 195. Vgl. Boardman 1988, 122 Abb.
139 (chiotische Protomenschale ca. 600 v. Chr. mit Weihgraffito
eines Sostratos an Aphrodite; vgl. Möller 2000, 56 – 57. 178 Nr. 2);
vgl. jetzt zusammenfassend: Williams 2006, 127 – 132 (ich danke
Alexandra Villing, London, herzlich für den Hinweis auf diese
wichtige Studie). Zahlreiche chiotische Dipinti-Gefäße wurden
auch im Aphaia-Heiligtum auf Aigina gefunden: vgl. Williams
1983, 165 – 168 Nr. 23 Abb. 8; Nr. 41 Abb. 9 (Kelche); S. 169 –
177 Nr. 62 – 63. 76 – 146 Abb. 12 – 17 (Kantharoi). Sie sind
allesamt Weihungen eines Aristophantos und eines Damonidas.
Aufgrund der dorischen Namen vermutete Williams 1983, 184 –
186, es habe sich um zwei aiginetische Händler gehandelt, die die
chiotischen Dipinti-Gefäße bei Töpfern im ionischen Chios bestellt
hatten. Die chiotischen Dipinti-Gefäße in Naukratis wurden nach
Ausweis ihrer Weihinschriften dagegen sowohl von Chiern als auch
von Nichtchiern (darunter vielleicht auch Aigineten) bestellt und
geweiht: Williams 1983, 184 – 185. Vgl. etwa auch die
Bemerkungen hier Anm. 221. 286 zu den Weihungen chiotischer
Dipintigefäße an den aiginetischen Zeus Hellanios in Naukratis
durch einen gewissen Mik(k)is. – Dass die chiotischen DipintiGefäße von einem in Naukratis arbeitenden chiotischen Töpfer
produziert wurden, wie Boardman 1988, 123 und zuletzt Piekarski
2001, 100 – 101 annehmen (vgl. auch Möller 2000, 178: »The fact
that a LWG-style vase was dedicated to Aphrodite at Naukratis
before firing raises the question whether vases were specially
produced at home or whether pieces of this style were produced at
Naukratis, too.«), oder gar von mehreren, die die Gefäße als Dank
41
Betreffs des Alters des Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtums in Naukratis ist eine klare
Feststellung zu treffen: Wie M. Kerschner und U.
Schlotzhauer 1999 auf der Table Ronde zu Naukratis
in Mainz dargelegt haben, stammen einige der ältesten
griechischen Funde in Naukratis, die in das letzte
Viertel des 7. Jhs. v. Chr. datiert werden können, aus
dem milesischen Apollonheiligtum220. Darunter
befinden sich auch drei nordionische Vogelschalen mit
Weihinschriften an Apollon221 (Abb. 9–11).
Ihre Datierung passt bestens zu den Funden
aus den tiefsten Schichten des Heiligtums, die bereits
Flinders Petrie zu einer Datierung des Beginns des
Heiligtums in die zweite Hälfte des 7. Jhs. v. Chr.
bewogen222. Nach Ausweis dieser Funde wäre das
Heiligtum also älter als Herodot uns überliefert und
für ihre in Naukratis erfolgreich laufende Produktion selbst als
»humble routine gifts« gestiftet hätten (so Wachter 2001, 219), ist
unwahrscheinlich, wie mir A. Villing brieflich mitteilt (7.3.2006).
Die Gefäße in Naukratis sind aus chiotischem und nicht lokalem
Nil-Ton produziert. Um die These von der lokalen Produktion in
Naukratis aufrechterhalten zu können, müßte man dann einen
Import des Tons postulieren (so beispielsweise Boardman 1988,
123. 274 Anm. 43; dagegen kritisch: Williams 2006, 131;
Mommsen – Kerschner 2006, 108 Anm. 7). – Sicher durch Ethnika
identifizierbare Weihungen von Chiern an Aphrodite gibt es:
Williams 1983, 185 Anm. 56; Möller 2000, 167 – 168. Nr. 2d – e.
Vgl. auch archaische Weihungen von Stiftern aus Teos in
Nordionien an Aphrodite in Naukratis: Möller 2000, 168 – 169. Nr.
1. 3. 5; sowie Weihungen von äolischen Lesbiern, u. a. aus
Mytilene: Gardner 1888, 65 – 66. Nr. 786 – 793. Daneben zeigen
die Weihinschriften (vgl. die Zusammenstellung in: Gardner 1888,
62 – 67) aber auch einen Samier (ebenda 65 Nr. 778: Rhoikos; vgl.
Möller 2000, 175 – 176. Nr. 2), einen Lesbier aus Maloeis(?)
(ebenda 65 Nr. 786) und Ägypto-griechische Namen (Gardner
1888, 64 Nr. 754 Yende[; ebenda Nr. 766 Nego/mandroj).
Zumindest der letzte Name, Nr. 766, ist allerdings zu
Nelo/mandroj zu korrigieren, es liegt ein griechischer
Personenname vor, der sehr wahrscheinlich aus den Namen der
Flüsse Nil (Nei=loj) und Maiander (Mai/androj) als
‘Potamonym’ gebildet ist: Thonemann 2006, 11 – 43. Zu Yende[
schreibt mir A. W. Johnston (28.04.2008): » Yende could be read
erga]yen de[«. – Eine Weihinschrift im Dioskuren-Heiligtum
weist nach Mytilene/Lesbos: Möller 2000, 173 Nr. 2, eine andere
nach Phokaia: Möller 2000, 169 Nr. 1.
220
Kerschner 2001, 22 (Diskussion zum Beitrag Möller); ebenda
79; vgl. Schlotzhauer 2001, 117 – 118.
221
Die Gefäße mit Inschriften sind bei Gardner 1888, 741 nur kurz
erwähnt: 1) Kairo Mus. 26153: Gardner 1888, 68 Nr. 878 Taf. 20;
Venit 1988, 2 Nr. 2 Taf. 1; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr.
12; Inschrift: tw)po/llwnoj e¹[mi/ (= hier Abb. 9) – 2) Museum
Kairo 26155: Gardner 1888, 68 Nr. 881 Taf. 20; Venit 1988, 2 – 3.
Nr. 3 Taf. 2; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr. 13; Inschrift:
'Apo/llwnoj emi/ (= hier Abb. 10) – 3) Kairo Mus. Inv.-Nr.
26154: Gardner 1888, 68 Nr. 879 Taf. 20; Venit 1988, 3 Nr. 5 Taf.
2; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr. 15; vgl. Kerschner 2001, 79
mit Anm. 90; Taf. 7, 1 (Typ Kerschner IV–V); Inschrift:
'Apo/llwnoj emi/ (= hier Abb. 11).
222
Flinders Petrie u.a. 1886, 19; vgl. zum stratigraphischen Befund
im Apollonheiligtum das Diagramm ebenda Taf. 44; dazu auch:
Möller 2000, 90 – 91, die neben der Keramik auch einen zyprischen
Terrakottakopf zu den ältesten Funden zählt, der gegen Mitte des 7.
Jhs. v. Chr. zu datieren sei.
42
mindestens genauso alt wie das Aphroditeheiligtum223.
Wie die eben durch W. Koenigs abgeschlossene
Bearbeitung der Architekturreste des Heiligtums zeigt,
erfuhr das Apollon-Heiligtum allerdings in der Zeit
des Amasis (Mitte 6. Jh. v. Chr.) eine repräsentative
Monumentalisierung durch den Bau des ersten
griechischen (Kalkstein-) Tempels in Naukratis
überhaupt224.
Die Gründung des milesischen ApollonHeiligtums gehört aber nicht in die Anfangszeit der
Regierung des Amasis (570/60 v. Chr.), sondern
entweder in die letzten Regierungsjahre von
Psammetich I. (664–610 v. Chr.) oder in den Beginn
der Herrschaft Nechos II. (610–595 v. Chr.)225. Gerade
diese letzten beiden Pharaonen, die am Anfang der 26.
Dynastie stehen, haben besondere Kontakte zu Milet
unterhalten, die im Kontext ihrer militärischen
Unternehmungen zur Sicherung ihrer Herrschaft
standen. So hat P. Haider die Bedeutung milesischer
Söldner für die Aufrüstung des pharaonischen Heeres
und der Flotte seit Beginn der Regierung
Psammetichs’ I. (660/50 v. Chr.) aufgezeigt226.
Strabon, der vielleicht Artemidoros von Ephesos
benutzte227, berichtet in diesem Zusammenhang, dass
der Gründung von Naukratis durch die Milesier die
Anlage einer befestigten Siedlung (Milhsi/wn tei=xoj)
in der Regierungszeit des Psammetich (I.) voranging,
sowie
ein
siegreich
abgeschlossenes
Flottenunternehmen mit 30 Schiffen gegen einen
____________________
223
Kerschner 2001, 79 gegen die Annahme von Möller (Möller
2000, 104; Möller 2001, 8), das Aphroditeheiligtum sei das älteste
griechische Heiligtum in Naukratis. Möller 20, vgl. auch Möller
2000, 91 bemerkt selbst, dass die Funde im Apollonheiligtum »bis
in die Zeit der ersten Besiedlungsspuren zurückreichen«, relativiert
diese Aussage aber wieder, indem sie meint, dass die Funde »nicht
besonders durch milesisches Material geprägt« seien. Damit
impliziert sie aber, dass das Heiligtum in seiner ersten Phase nicht
dem Apollon Milesios im besonderen geweiht war, also evtl. gar
keine Gründung der Milesier darstellte.
224
Koenigs 2007, 312 (Zusammenfassung); zur älteren
Kalksteinbauphase (sog. first temple of Apollo: Flinders Petrie u.a.
1886, 12 – 13.): ebenda 313 – 327; vgl. Höckmann 2007, 162. Die
Marmorbauteile des sog. second temple of Apollo (ca. 525 v. Chr.)
könnten auch zum Neubau eines Altars gehören: Koenigs 2007,
328. 340.
225
Vgl. schon Flinders Petrie u.a. 1886, 11 zu Hdt. 1, 178: »But the
passage does not exclude an earlier age for these foundations (die
Heiligtümer des Zeus, der Hera und des Apollon in Naukratis, A.
H.), before 570 B. C.« Ebenda 19 resümiert er den
stratigraphischen Befund: »The data for such an estimate are that
the town and temple was probably founded in the reign of Psamtik
I., judging by the history of the site in general and the earliness of
some of the dedicated pottery; (...)«. Ähnlich Möller 2000, 214,
während Gorman 2001, 56 – 58 das Apollonheiligtum wie auch das
Aphroditeheiligtum als die beiden ältesten Heiligtümer am Ort (das
Hellenion setzt sie 570 v. Chr. an) ohne Angabe von Referenzen
erst in das frühe 6. Jh. v. Chr. datiert.
226
Zuletzt: Haider 2001, 197 – 209; Haider 2004, 447 – 491.
Allgemein zum griechischen Söldnerwesen im Nahen Osten, das
spätestens im dritten Viertel des 8. Jhs. v. Chr. einsetzt: Luraghi
2006, 23. 25. 35 f. (Söldner im Ägypten der 26. Dynastie).
227
Strabon 17, 1, 18, 801c; dazu: Möller 2001, 14 mit Anm. 79. Zu
Artemidoros: F. Jacoby, FGrHist 438 (ca. 100 v. Chr.).
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
gewissen Inaros228. Reflexe dieser Aktivitäten strahlen
bis in die milesischen Heiligtümer zurück: Im Apollon
Didymeus-Heiligtum von Didyma fand sich in einer
Anschüttung, die vor die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu
datieren ist, eine bronzene Bes-Statuette (vgl. Beitrag
Bumke Abb. 3)229. Im Aphrodite-Heiligtum auf dem
Zeytıntepe bei Milet stammt ein Skarabäus mit einer
Königskartusche des Psammetich I. aus einer
Abfallschicht des frühen 6. Jhs. v. Chr.230, die übrigen
Funde von Aegyptiaca und ägyptischen Importen, die
z. T. in Naukratis selbst produziert worden sind,
gehören nahezu ausschließlich in die zweite Hälfte des
7. Jhs. v. Chr.231
Psammetichs’
Nachfolger
Necho
II.
schließlich weihte, wie wieder Herodot überliefert232,
nach seinem Sieg über den judäischen König Joschija
bei Magdôlos 609 v. Chr., der die – wenn auch nur
kurzzeitige – ägyptische Kontrolle über Palästina und
die phönikischen Küstenstädte brachte233, seinen
Leinenpanzer dem Apollon Didymeus in Didyma. Den
Hintergrund für diese Dankesgeste dürfte vor allem
der Anteil milesischer Söldner an dem strategischen
Sieg bei Magdôlos gebildet haben234. Der Aufwand
des Pharaos, die Weihung in das ferne Didyma zu
schicken, weist aber noch auf eine andere Qualität:
Die Weihung hat den Rang einer diplomatischen
Kontaktaufnahme auf staatlicher Ebene zwischen
Necho und der Polis Milet. So hat kürzlich W.
Günther die Weihung des Panzers nach Didyma denn
auch treffend als »gezielt politische Geste [des
Pharaos] gegenüber Milet« bezeichnet235. Demnach
____________________
228
Haider 2001, 198 – 199. Im Sinne Haiders jetzt auch: Hölbl
2007, 448 mit Anm. 3; vgl. schon Lloyd 1975, 24 – 26. Möller
2001, 16 vermutet stattdessen, dass Inaros »durch eine
Verwechslung in die Tradition über Naukratis hineingeraten« sei.
Vgl. Möller 2000, 186 – 187, die insgesamt an der Darstellung des
Strabon zweifelt. Möller 2000, 188 – 189. 196 geht aber auch
davon aus, dass die griechische Siedlung in Naukratis bereits unter
Psammetich I. angelegt wurde.
229
Bumke 2002, 209 – 219; vgl. den Beitrag von H. Bumke in
diesem Band. – Nicht erhalten, jedoch in den Grabungstagebüchern
erwähnt sind Funde weiterer Aegyptiaca im Bereich des
Apollonheiligtums von Didyma, etwa Fragmente von Alabastra aus
Alabaster und Fayencegefäßen: Bumke 2002, 216 mit Anm. 29 –
31; S. 218 Anm. 50. Westlich des hellenistischen Tempels fand sich
ein vollständiges (rhodisches?) Fayencegefäß in Gestalt einer
hockenden Frau mit Steinbock und Kröte auf dem Schoß und Kind
oder Affe auf dem Rücken: Tuchelt 1971, 85 Nr. 281 Taf. 21; Hölbl
1999, 367 ff. (mit Vergleichsstück aus Milet ebenda Abb. 37);
Bumke 2002, 216 Anm. 28.
230
Hölbl 1999, 351 – 352. Abb. 8; Hölbl 2007, 456 – 457. mit
Anm. 72 – 74 Taf. 58, 1 a–c.
231
Hölbl 1999, 371; Hölbl 2005, 116. 119 Abb. 10; 120 Abb. 14;
122 Abb. 19.
232
Hdt. 2, 159.
233
Vgl. Wenning 2001, 260. Weitere Lit. bei Günther 2001, 187
Anm. 13. Vgl. auch: Lloyd 1988, 158 – 164.
234
Haider 2001, 202.
235
Günther 2001, 188; vgl. schon Bresson 2000, 48 – 49. (»relation
d’État à État«) mit Parallelen; Lloyd 1988, 159 – 160; Bowden
1996, 34–36 und zuletzt: Ebbinghaus 2006 (Anm. 213) 189 – 202.
– Ein Parallelfall zur Weihung des Necho II. nach Didyma könnten
Internationale Archäologie-ASTK 11
steht zu vermuten, dass die milesischen Söldner
zumindest mit Billigung der Polis Milet in ägyptischen
Diensten standen, wenn es sich nicht sogar um eine
gezielte Militärhilfe der Milesier handelte236, hinter
der sicher auch handfeste Handelsinteressen standen.
Dass Necho für die Aufstellung seines
Weihgeschenks in der ionischen Fremde nicht das
stadtmilesische
Hauptheiligtum
des
Apollon
Delphinios, sondern das zu Milet gehörige
außerstädtische Heiligtum des Apollon Didymeus
wählte, dürfte kein Zufall sein. Wie oben an den
Beispielen von Olbie Polis, Apollonia, Kyzikos und
Phasis dargelegt, galt der Orakelgott von Didyma den
Milesiern als göttlicher Führer und Schützer
(Hegemon, Oikistes, Exegetes, Archegetes) bei ihren
Kolonisations- und Handelsfahrten. Diese Funktion
hat der Didymeus Milesios ganz offensichtlich auch
bei den frühen milesischen Aktivitäten in Ägypten
eingenommen237. So wird schließlich verständlich,
ägyptische Funde im Heiligtum der Athena von Ialysos auf Rhodos
bilden, darunter eine Holzstatuette mit Namenskartusche des Necho
II: Di Vita 1991, 89 mit Anm. 3; vgl. Höckmann – Kreikenbom
2001, 228 Anm. 103. Ob es sich allerdings bei den relativ kleinen
Votiven in Ialysos um diplomatische Geschenke des Pharaos
handelt, ist eher fraglich. Immerhin überliefert Hdt. 2, 182 die
Weihung von zwei Holzstatuen des Amasis in das Heraion von
Samos in Zusammenhang mit dessen engen Kontakten zum
samischen Tyrannen Polykrates. Amasis weihte außerdem einen
Panzer aus Leinen (vgl. den Panzer des Necho!) zusammen mit
zwei Statuen aus Stein in das Heiligtum der Athena in Lindos auf
Rhodos (Hdt. 2, 182; 3, 47) sowie einen weiteren Leinen-Panzer
mit eingewobenen Bildern als diplomatisches Geschenk nach
Sparta (Hdt. 3, 47). – Dass Milet nicht von Amasis mit Geschenken
bedacht wurde, erklärt jetzt Bresson 2005, 150 – 151 (vgl. die
referierende Besprechung von Möller 2005, 187 – 188) damit, dass
es zur Koalition der mit Amasis' Vorgänger und Rivalen Apries
verbündeten Griechenstädte gehörte und zudem nach 545 v. Chr.
von Persien, dem Feind Ägyptens, kontrolliert worden sei. Die
Verbindung Milets zu Apries ist nach Bresson auch der Grund,
warum die Stadt von Amasis nicht als (privilegiertes) Mitglied des
Hellenions in Naukratis zugelassen worden sei.
236
Haider 2001, 197 – 198 weist auf den vergleichbaren Fall, dass
der Lyderkönig Gyges nach 663/62 v. Chr. mit Psammetich I. ein
Abkommen über lydische Militärhilfe gegen Assyrien schloss, wie
die assyrischen Quellen berichten. Diese bestand wahrscheinlich zu
Teilen aus ionischen und karischen Söldnern, die gerade zu dieser
Zeit laut Herodot 2, 153, 3 ff. im Nildelta landeten: vgl. Lloyd
1975, 14 – 16; Luraghi 2006, 35.
237
Ein indirekter Hinweis auf die Bedeutung, die die Milesier in
Naukratis dem Apollon Didymeus Milesios zumaßen, könnte in der
Weihung zweier ägyptisierender Löwen an den Apollon in Didyma
durch die Söhne eines Python vorliegen: Didyma II, 3 Nr. 1;
Tuchelt 1970, 93 ff. K 66 – 67 Taf. 63. 65 – 68 (ca. 570/60 v.
Chr.). Dieser Python ist vielleicht identisch mit dem griechischen
Offizier Python, Sohn des Amoibichos, der sich in einem Graffito
in Abu Simbel als Teilnehmer des Feldzuges Psammetichs II. 591 v.
Chr. gegen Nubien identifizierte: Haider 1987b, 8 – 12; Haider
2001, 204. 213 Abb. 3; dazu Höckmann – Kreikenbom 2001, 228
Anm. 103; Höckmann 2005 (hier Anm. 231) 84 Abb. 1 – 2; S. 86 –
87. – Die Inschrift des Python wie diejenige für seinen Bruder
Archon brachte womöglich der Karer Pldaq/Pe/le³oj in Abu
Simbel an: Kammerzell 1993, 17. – Eine zusätzliche Funktion des
Didymeus als »Soter-Gottheit« für die Kolonisten bzw. Söldner, wie
sie Ju. G. Vinogradov erst für den Apollon Ietros (Vinogradov
43
weshalb die Milesier in Naukratis gerade ein Apollon
Didymeus-Heiligtum errichteten. Zu erwarten ist, dass
die Einrichtung des Heiligtums in Zusammenhang mit
einem erteilten Orakel des Didymeus für die
Niederlassung in Naukratis stand, vielleicht hat der
Gott die Milesier sogar ausdrücklich aufgefordert, ihm
dort ein Heiligtum zu bauen.
Dieser Befund
ist mit der oben
rekonstruierten Situation in den milesischen
Schwarzmeerkolonien Olbie Polis und Phasis
vergleichbar. Die Besonderheit von Naukratis ist
jedoch, dass hier – zumindest nach dem
archäologischen Befund – das älteste Apollon
Didymeus-Heiligtum nach demjenigen in Didyma
lokalisiert werden kann238.
Der Beginn des Apollon Didymeus-Kultes in
Naukratis fällt bezeichnenderweise – unter dem
Vorbehalt, dass die Keramikchronologie gewisse
Datierungsspielräume offenlässt239 – just in die Zeit
des Sieges von Magdôlos. Die Verlockung ist groß,
hier einen kausalen Zusammenhang zu sehen: Wäre es
nicht denkbar, dass nicht erst Amasis, sondern bereits
Necho II. aus Dankbarkeit für die milesische Hilfe bei
Magdôlos, den Milesiern als ersten erlaubte, sich in
Naukratis in Nachbarschaft zu einer älteren
ägyptischen Siedlung240 niederzulassen und dort ein
Filialheiligtum ihres göttlichen Führers und Schützers
Apollon Didymeus Milesios zu errichten241, dessen
1997, 80. 337 – 338; vgl. dazu Ehrhardt 1988, 146 mit Anm. 560)
und zuletzt für den Apollon Didymeus vorgeschlagen hat (vgl.
Höckmann – Kreikenbom 2001, 228 Anm. 103; Höckmann 2003,
69. 70; Höckmann 2005, 86; Höckmann 2007, 126 – 127), ist
denkbar, jedoch m. E. hier nicht von vorrangiger Bedeutung.
238
Zum Alter des Heiligtums in Didyma vgl. hier Kap. III mit Anm.
57 ff.; Kap. IX Anm. 345; Herda (im Druck) Kap. VIII mit Anm.
394 ff.
239
Vgl. etwa die Laufzeit für die nordionischen Vogelschalen des
Typs Kerschner IV–V (ca. 620–590 v. Chr.): Kerschner 2001, 79.
240
Der griechische Ortsname Naukratis geht in einer durchsichtigen
Etymologie (nau=j krate/w) auf das ägyptische Toponym Nkrd
zurück. Zur älteren ägyptischen Ansiedlung gehörte ein
Amuntempel: Yoyotte 1991–2, 634 – 644; Vittmann 2003, 217 –
218; Hölbl 2007, 448 mit Anm. 5; ablehnend: Möller 2000, 117 –
119; Möller 2001, 9 mit Anm. 48.
241
Die milesische Anwesenheit in Naukratis im späteren 7. Jh. v.
Chr. würde auch die zahlreichen ägyptischen und v. a.
naukratitischen Importe (Skarabäen, Siegelamulette und
Fayencestatuetten) im Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe bei
Milet erklären, die »noch im 7. Jh. in den endgültigen Kontext in
Milet kamen« (Hölbl 1999, 361; vgl. Günther 2001, 187 mit Anm.
11). – Haider, Löwen 1987, (hier Anm. 237) 8; Haider 1987a, 173
ff. erwägt, dass die Milesier bereits in den letzten Regierungsjahren
Psammetichs’ I., also noch vor dem Amtsantritt Nechos’ II. (610 v.
Chr.) das Recht bekamen, Naukratis nahe bei der älteren
ägyptischen Siedlung Pr-mrj.t unter ihrer »koordinierten Leitung«
zu gründen. Der schon angesprochene Datierungsspielraum für die
früheste Keramik in Naukratis erlaubt zumindest vom
archäologischen Standpunkt her keine entgültige Entscheidung, ob
die griechische Ansiedlung in Naukratis kurz vor oder kurz nach
610 v. Chr. gegründet wurde.
44
Anlage durch sein Orakel in Didyma sanktioniert
wurde?
Necho II. besaß zudem – wenn wir Herodot
Glauben schenken wollen – wie schon sein Vater
Psammetichos I. einen besonderen Bezug zu Orakeln.
So hatte das nahe Naukratis aber auch nahe seiner
Residenzstadt Saïs gelegene Orakel von Buto
Psammetich zu einem Bündnis mit ionischen, d. h. vor
allem milesischen sowie karischen Piraten bzw.
Söldnern geraten, mit deren Hilfe er erst an die Macht
kam und die 26. Dynastie begründen konnte242. Necho
wiederum führte dasselbe Orakel zu seinem schon
erwähnten Sieg bei Magdôlos243. Nach der von
Herodot gegebenen interpretatio Graeca wurde die
lokale Orakelgottheit Buto bzw. Eto von Buto, die in
Gestalt der Uräusschlange auch die unterägyptische
Krongöttin der Pharaonen war, mit Leto gleichgesetzt
und als Ziehmutter des Geschwisterpaares Horus und
Bubastis verehrt, die wiederum mit Apollon und
Artemis verglichen wurden. Der Ort, an dem
Buto/Leto die beiden vor ihrem Verfolger
Seth/Typhon versteckt haben sollte, war auch der Ort
des Orakels244. Hier befanden sich neben dem Tempel
der Buto/Leto solche für Horus/Apollon und
Bubastis/Artemis245. Es fällt nicht schwer sich
____________________
242
Hdt. 2, 152 – 154; vgl. oben mit Anm. 226. Zu Saïs, das nur ca.
10 km östlich von Naukratis entfernt lag: DNP 10 (2001) 1234 s. v.
Saïs (K. Jansen-Winkeln). – In Buto/Tell el-Fara ‘în wurden erst vor
kurzem Reste eines Tempels aus der Zeit des Amasis (vgl. Faltings
1998, 560) und Bebauungsspuren des 7. Jhs. v. Chr., also der Zeit
Psammetichos’ I. und Necho II., festgestellt (Faltings 1999, 607).
Der Ort wurde nach fast 2000-jähriger Unterbrechung seit der 3.
Zwischenzeit (8. Jh. v. Chr.) wiederbesiedelt: Hartung 2005. 2, 197
– 199.
243
Hdt. 2, 158 – 159.
244
Das Orakel von Buto wird in den ägyptischen Quellen nicht
genannt (vgl. z. B. DNP 2 [1997] 860 – 861 bes. 861 s. v. Buto [K.
Jansen-Winkeln]), woraus man sogar geschlossen hat, dass Herodot
ein solches samt seiner Orakelsprüche in Anlehnung an Delphi für
Buto konstruiert habe: Crahay 1956, 65 – 67. 217. 227 – 228.
Allgemein sind jedoch Orakelbefragungen durch Pharaonen seit
dem Neuen Reich (Ramses II.) bezeugt und nehmen immer mehr an
Bedeutung zu: Lloyd 1976, 346 – 349 zu Hdt. 2, 83. Lloyd 1975,
15 folgert daraus für die Befragung des Buto-Orakels durch
Psammetich I.: »First, the form of the oracular response mentioned
in II, 152 is impossible in an Egyptian context, though a natural
reply for the mantic oracle at Delphi. We need not deny the basic
tradition that Psammetichus consulted an oracle at this crucial point
but the content of the response has, over centuries, been modified
by Greeks to suit a Greek context«.
245
Hdt. 2, 155 – 156; auf den Mythos anspielend: Aischyl., supp.
560; Pind. fr. 91; zu Herodot und seiner Sicht auf fremde Kulturen
und Religionen, speziell die ägyptische: Burkert 1985b, 121 – 132;
Burkert 1990b, 1 – 39; Lloyd 1990, 218 ff.; Harrison 2000, 208 –
222. – Buto lag am Westrand des Nildeltas, östlich des
bolbitinischen Nilarms, ca. 30 km nördlich von Saïs und ca. 40 km
nordöstlich von Naukratis. In dieser Gegend hatte Psammetichos I.
griechische und karische Söldner angesiedelt: Lloyd 1975, 14 – 23;
Lloyd 1976, 325. Herodot besuchte es, um sich nach den
»geflügelten Schlangen Arabiens« zu erkundigen (Hdt. 2, 75): Dihle
1990, 46. Mit den geflügelten Schlangen kann nur Buto/Eto, die
mit Leto gleichgesetzte Landes- und Krongöttin Unterägyptens,
gemeint sein: Lloyd 1976, 326 – 327. Sie wurde in Gestalt der
Kobra/Uräusschlange verehrt: vgl. auch Kolta 1968, 145 – 148;
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
vorzustellen, dass Necho in einer interpretatio
Aegyptia den Orakelgott Apollon Didymeus mit dem
Horos von Buto identifizieren konnte, zumal Apollon
in Didyma zusammen mit Leto und seiner Schwester
Artemis in der sog. apollinischen Trias verehrt wurde,
wodurch sich eine weitere Parallele zu Buto ergab246.
Für die Weihung Nechos nach Didyma und die
Autorisierung des Heiligtumbaus in Naukratis fände
sich somit ein weiteres Motiv.
Die hierdurch begründete Vorrangstellung
der Milesier und ihres Apollon Didymeus-Heiligtums
bei der Anlage der griechischen Siedlung in Naukratis
kann durch zwei weitere Beobachtungen gestützt
werden: Zum einen fällt auf, dass das ApollonDidymeus-Milesios-Heiligtum auch von den anderen
Griechen
frequentiert
wurde,
wobei
bezeichnenderweise die Griechen, die im Emporion
wohnten, ihre Herkunft z. T. durch Ethnika in den
Weihinschriften dokumentierten247. Die Weihungen
aus dem Apollonheiligtum sind zahlenmäßig die
bedeutensten und überwiegen etwa auch diejenigen
aus dem ungefähr gleichalten Aphroditeheiligtum248.
Zum anderen wies M. A. Dicker bereits 1930 darauf
hin, dass in Naukratis der milesische Kalender galt249.
Möglicherweise haben die in Naukratis ansässigen
Milesier den milesischen Kalender, der ihren
Jahresablauf rituell fasste250, schon im späten 7. Jh. v.
Chr. mit nach Naukratis gebracht und er wurde dann
bei der Einrichtung der Polis Naukratis unter Amasis
ca. 570/60 v. Chr. (vgl. nächstes Kapitel) oder aber
Lexikon der Ägyptologie 1 (1975) 887 – 888 s. v. Buto (H.
Altenmüller); DNP 2 (1997) 860 f. s. v. Buto (K. Jansen-Winkeln).
246
Zur apollinischen Trias in Didyma vgl. hier Anm. 158. Der
interpretatio Aegyptia des Necho in Buto entsprechend wäre die
von den Milesiern in das Orakelheiligtum des Thot nach Medinet
Habu geweihte Apollon-Didymeus-Statue (s. o. Kap. VI mit Anm.
195 ff.) als interpretatio Graeca zu verstehen.
247
Vgl. hier Anm. 215 – 216. Demgegenüber scheinen die
Griechen, die nicht nur zeitweise im Emporion, sondern andauernd
in Naukratis wohnten (Samier, Aigineten, Milesier), keine Ethnika
in ihren Weihinschriften verwandt zu haben. So sind beispielsweise
die Weihungen von Aigineten an Apollon (Didymeus Milesios) nur
durch das verwendete Alphabet zu identifizieren: Möller 2000, 174
f. a–d.
248
Zur Dominanz der Weihungen an Apollon: Bernand 1970, 772;
Austin 2004, 1238 – 1240 bes. 1240 s. v. Naukratis (Nr. 1023).
Höckmann 2003, 68 gibt an, dass von den »ca. 1500 erhaltenen
Weihinschriften (...) mindestens 410 an Apollon gerichtet« sind.
249
Der milesische Kalender ist in Naukratis indirekt nachgewiesen
über sein Vorkommen in griechischen Urkunden der Zeit 133 – 212
n. Chr. in dem nach naukratischem Vorbild angelegten
Antinoopolis: Dickens 1930, 226 – 227; Ehrhardt 1988, 119. 124 –
125; Trümpy 1997, 90 – 91 § 78. – Zu möglichen milesischen
Elementen in der Verfassung von Naukratis, die ihrerseits Vorbild
für diejenige von Antinoopolis wurde: Ehrhardt 1988, 89 – 90. 199
– 200. 207.
250
Zur Bedeutung des griechischen Kalenders vgl. etwa Nilsson
1962; Burkert 1985a, 225 – 246.
Internationale Archäologie-ASTK 11
erst im späten 4. Jh. v. Chr. für alle in Naukratis
lebenden Griechen verbindlich251.
Der hier geschilderte Sachverhalt bildete
zusammen mit der Neueinrichtung des Orakels in
Didyma unter Alexander dem Großen ca. 331 v. Chr.
m. E. die Grundlage für die seit dem späten 4. Jh. v.
Chr. sowohl von Milet als auch von Naukratis
propagierte
Gründungsgeschichte,
gemäß
der
Naukratis eine Apoikie von Milet war252.
Die führende Rolle, die die unter dem Schutz
des Apollon Didymeus stehenden Milesier bei der
Gründung der griechischen Siedlung in Naukratis
einnahmen und die lange Tradition der Verbindungen
zwischen dem pharaonischen Ägypten und dem
Apollon Didymeus Milesios erklären schließlich auch
das Interesse, das die Ptolemäer, vor allem Ptolemaios
I. Soter (305–283 v. Chr.) und Ptolemaios II.
Philadelphos (285–246 v. Chr.), für Milet und Didyma
45
entwickelten253. In Konkurrenz zu den Seleukiden
stehend, die die Deszendenz vom Apollon Didymeus,
ihrem a)rxhge/thj tou= ge/nouj, als Legitimation ihrer
herrscherlichen Machtposition bereits kurz nach der
Wiederbelebung des Orakels von Didyma für sich
okkupiert hatten254, konnten die Ptolemäer vor allem
auf die lange Tradition ägyptisch-milesischer Kontakte
abheben. Wenn der ptolemäische Hofgelehrte
Kallimachos unter Ptolemaios II., der 279/78 bis
261/60 v. Chr. das südwestliche Kleinasien und damit
auch Milet beherrschte, einen Iambos zur
Gründungsgeschichte des Orakels von Didyma mit
dem Titel ‘Branchos’ verfasste255, geschah dies also
auch aus Interesse an den Kulten im ptolemäischen
Herrschaftsbereich256.
Eine
erst
kürzlich
bekanntgemachte umfangreiche Stiftung der Polis
Naukratis für den Tempelbau in Didyma fällt
bezeichnenderweise gerade in diesen Zeitraum257.
____________________
____________________
251
253
Das schließt gewisse Modifikationen, die keine Parallelen in
Milet fanden, nicht aus. Sie erklären sich durch die unterschiedliche
Herkunft der Siedler in Naukratis. So ist beispielsweise das bei
Hermeias (Athen. 4, 149d–150a) bezeugte Fest des Apollon
(Pythios) Komaios nicht in Milet nachweisbar, jedoch in vielen
nordionischen Poleis (vgl. Kap. VIII). – Bowden 1996, 26. 30
datiert die Einführung des milesischen Kalenders in Naukratis im
Kontext seiner Ansetzung einer Polis Naukratis erst zur Zeit der
Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen; vgl. danach z.
B. auch Gorman 2001, 56 Anm. 26.
252
Frühester Rest einer Gründungsgeschichte (4. Jh. v. Chr.):
Aristagoras (von Milet?), FGrHist 608 F 8 bei Steph. Byz. s. v.
Gynaikospolis; dazu Möller 2001, 19 mit Anm. 105 ff. v. a. zu
Aristagoras: C. W. Fornara, FGrHist III C fasc. 1 (1994) 18 – 20;
griech. Text vgl. Möller 2001, 19 Anm. 107. – Vgl. außerdem die
Inschrift eines Polyandrions in Milet (2. H. 3. Jh. v. Chr.), die die
Gründung von Naukratis durch Milet erwähnt: Milet VI 2, 65 – 66.
Nr. 732 Z. 12, dazu: Herda 2006b, 144 – 145. Anm. 1015; Günther
2001, 186 – 187. mit Anm. 10. Dazuzustellen sind Stiftungen von
Phialai (Opferschalen) durch Naukratis in das Apollon DidymeusHeiligtum nach Didyma seit Ende des 3. Jhs. v. Chr., die
Festgesandtschaften (Theoriai) implizieren. Phialen-Stiftungen
waren in diesem Zusammenhang als a)parxh/ üblich: Didyma II,
270 – 271 Nr. 452 Z. 9 ff.; S. 271 – 272 Nr. 457 Z. 10 – 11; dazu:
Herda 2006b, 144 – 145. Anm. 1015. Vgl. außerdem eine neu
entdeckte naukratitische Stiftungsurkunde aus Didyma von ca. 270
v. Chr.: Günther 2001, 188 ff. – Auf eine im 4. Jh. v. Chr. kreierte
Gründungsgeschichte von Naukratis könnten auch zwei Scholien zu
Theokrit, Idyll. 7 (Thalysia), 98 und 7, 114 c zurückgehen. Dort
wird der ionisch-milesische Gründerheros Neileus (andere
überlieferte Namensformen sind Neleus und Neileos) als Gründer
von Naukratis bezeichnet, nach ihm sei sogar der Fluss Neilos
benannt worden (vgl. auch Diod. 1, 19, 4): vgl. dazu Bresson 2005,
144 – 148; vgl. Möller 2005, 186 – 187. 188. Zu Schol. Theokrit 7,
114 c vgl. auch Wilamowitz-Moellendorff 1962, II 140 Anm. 1 –
Auf die Gründung von Naukratis beziehen sich schließlich eine
Reihe von Ehreninschriften aus dem 2. Jh. n. Chr., die die Polis
Milet auf Statuenbasen für die Kaiser Antoninus Pius, Marc Aurel
und Septimius Severus anbringen, und vermutlich auf dem
Südmarkt aufstellen ließ: Milet VI 1, 46 ff. Nr. 233 – 236. 240.
260; dazu: Günther 2001, 185 – 186 mit Anm. 3. Völlig haltlos ist
die Behauptung von Bowden 26: »There is no reference to a
Milesian foundation of Naukratis earlier than Strabo [17, 1, 18 =
C801–802, A. H.]«; danach noch: Gorman 2001, 56 Anm. 26.
Vgl. die Zusammenstellung der Zeugnisse aus Milet und
Didyma bei: Ehrhardt 2003b, 286 – 288.
254
Vgl. hier Anm. 125; Kap. VI mit Anm. 189. Der Orakelgott
erteilte seinem ‘Familienmitglied’ Seleukos I., dem Begründer der
Dynastie, seit 312 v. Chr. mehrere Orakel, das letzte noch kurz vor
dessen Ermordung 281 v. Chr. (Appian, Syr. 63); dazu: Günther
1971, 70; Bringmann 2000, 81 – 84.
255
Kallimachos, Branchos fr. 229 (Pfeiffer). Vgl. außerdem weitere
Stellen, an denen sich Kallimachos auf Didyma oder Milet bezieht:
Kallim., Iamb. IV fr. 194, 28 – 31 (Branchos heilt die Milesier von
einer Seuche); Aetia III fr. 80 – 83 (Liebesgeschichte zw. Phrygius
und Pieria beim Fest der Artemis Kithone in Milet); Hymn. Artem.
225 – 228 (der ionische Gründerheros Neileos bringt den Kult der
Artemis Kithone nach Milet); Iamb. I fr. 191 (Thales weiht den
Siegpreis aus dem Wettstreit der Sieben Weisen dem Apollon
Didymeus).
256
Vgl. dazu Parke 1986, 129 – 130 und jetzt: Ehrhardt 2003b, 283
ff. unter Bezug auf ältere Überlegungen von WilamowitzMoellendorff 1914, 85 und Wilamowitz-Moellendorff 1962, 58 –
59. – Parke 1986, 130 – 131 vermutete, dass die Ptolemäer in Milet
den Dionysoskult besonders förderten, er sah außerdem Bezüge
zwischen dem ptolemäischen Herrscherhaus und Didyma. Dazu
verwies er auf die Elfenbein-Stiftungen von Ptolemaios XII.
(Didyma II, Nr. 394, von 54/3 v. Chr.) und Ptolemaios XIII.
(Didyma II, Nr. 218, von 51 – 48 v. Chr.) für die »großen Türen«
des Tempels in Didyma. Vgl. dazu auch Günther 1971, 93 Anm.
170; Huß 2001, 698. Zu nennen ist außerdem die Phialenstiftung
von Ptolemaios IX.: Didyma II, 277 – 278 Nr. 475 Z. 33 – 35 (ca.
100 – 90 v. Chr.); Günther 1971, 93 Anm. 170; Huß 2001, 664
(irrtümlich Ptolemaios VIII. zugewiesen), sowie die Stiftung
unbekannten Umfangs einer Kleopatra, wahrscheinlich der VII. (51
– 30 v. Chr.): Didyma II, 279 Nr. 477; Marcellesi 2004, 18 mit
Anm. 147. – Zu Zeugnissen für den Herrscherkult der Ptolemäer in
Milet und Didyma vgl. Ehrhardt 2003b, 286 – 287 (Arsinoë und
Philotera); N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 199 zu n. 1323 (Altar für
Arsinoë Philadelphos). Zum posthumen Kultbild für Ptolemaios I.
Theos Soter im Delphinion vgl. vorerst Herda 2006b, 25 Anm. 100.
257
Günther 2001, passim; bes. 196: »Man wird nicht fehlgehen in
der Annahme, dass die von der naukratitischen Delegation als
Stiftung an ihre Heimatpolis überbrachte Gabe für Didyma nicht
nur mit dem wohlwollenden Einverständnis des Königshauses
erfolgte, sondern in eine Zeit fiel, in der Milet sich im
ptolemäischen EinFlussbereich befand.« Vgl. zustimmend Ehrhardt
2003b, 288 – 289.
46
VIII. Bemerkungen zum politischen Status
von Naukratis
Es seien noch einige abschließende
Bemerkungen zum politischen Status von Naukratis
angefügt: In einem Fragment des spätklassischen
Kultschriftstellers Hermeias werden die Opfermahle
im Prytaneion von Naukratis beschrieben258. Einen
Anlass bildete unter anderem das Fest des Apollon
Pythios Komaios259. Dieser Gott ist m. E. als der Gott
der politischen Einheit der Polis Naukratis
anzusprechen. Die Polis wurde, wie aus Herodot (2,
178) abgeleitet werden kann, vielleicht schon unter
Amasis (ca. 570 v. Chr.) an der Stelle einer älteren
Handelsniederlassung, eines Emporions, um das
Aphroditeheiligtum der Nordioner(?) und das
Apollonheiligtum der Milesier herum eingerichtet260.
Auch nach der Einrichtung der Polis hatte ein Teil der
Siedlung den Status eines ‘Emporions’, eines
‘Freihafens’261, wodurch für Naukratis eine Olbie Polis
____________________
258
Hermeias bei Athen. 4, 149d–150a; Tresp 1914, 159 – 161 fr.
112; dazu: Robert 1934, 26 – 30 (= Robert 1969a, 973 – 976;
Bresson 2000, 78 – 79; Herda 2006b, 143 – 150.
259
Die Doppelepiklese Pythios Komaios ist aus Hermeias
erschlossen: einmal ist vom Fest des Komaios, ein anderes mal vom
Priester des Pythios die Rede. Eine Parallele bietet der Apollon
Pythios Epikomios im nordionischen Erythrai: vgl. hier Anm. 265.
260
Dieser Gedanke wurde von mir in einem Brief an Ursula
Höckmann vom 17.10.2000, sowie im für den Druck im August
2001 abgeschlossenen Manuskript meiner Dissertation formuliert
(Herda 2006b, 147 mit Anm. 1036 ff.) und erstmals am 04.06.2002
in einem Vortrag mit dem Titel »Das Prytaneion und die politische
Agora von Milet« öffentlich geäußert, den ich auf Einladung des
Sonderforschungsbereichs 295 »Kulturelle und Sprachliche
Kontakte: Prozesse des Wandels in historischen Spannungsfeldern
Nordostafrikas/Westasiens« an der Johannes-Gutenberg-Universität
Mainz hielt. Ich möchte an dieser Stelle nochmals herzlich Ursula
Höckmann, Renate Bol und Detlev Kreikenbom für die Einladung
danken, sowie ihnen und den Zuhörern für anregende Diskussionen.
Zum Apollon Pythios Komaios als Stadtgott von Naukratis vgl.
jetzt auch Nick 2006, 87. – Ehrhardt 1988, 88 – 90 kombiniert
(unter Bezug auf H. Kees, RE XVI 2 [1935] 1954 ff. bes. 1959 s. v.
Naukratis; Boardman 1988, 117) aus Herodot 2, 178 und dem
Hermeiasfragment zum Prytaneion von Naukratis, dass die
Reorganisation der älteren griechischen Siedlung in Naukratis (mit
den drei Heiligtümern der Milesier, Samier und Aigineten) unter
Amasis die Einrichtung einer Polis (neben dem Emporion) zum Ziel
gehabt haben könnte. – Ablehnend Möller 2000, 191, die von einer
autonomen Polis Naukratis erst nach der Eroberung Ägyptens unter
Alexander dem Großen ausgeht (Möller 2001, 20 mit Anm. 113;
DNP 8 [2000] 747 – 749 s. v. Naukratis [A. Möller]). Amasis habe
stattdessen lediglich die Struktur des älteren ‘Emporions’ Naukratis
reorganisiert, das am besten mit dem aus der modernen
Wirtschaftsforschung (Polanyi 1968) übernommenen Begriff des
‘port of trade’ zu charakterisieren sei: Möller 2000, 188 – 189. 192
ff. zum ‘port of trade’-Begriff ebenda 1 – 25; vgl. schon Austin –
Vidal-Naquet 1977, 66; Bresson 2000, 57 mit Anm. 170; vgl. dazu:
Bowden 1996, 29. Das Hermeias-Fragment zum Prytaneion von
Naukratis behandelt Möller 2000 nicht, sieht es also als nicht
relevant für die archaische Zeit an. Vielmehr bezieht sie es auf die
hellenistische Zeit, als nach ihrer Meinung die Polis gegründet
wurde: Möller 2005, 186; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 18
– 19; vgl. Bresson 2000, 78 – 79.
261
Von einer zweigeteilten Struktur Naukratis’ (Polis und
Emporion) gehen z. B. auch Austin 1970, 29 – 30; Thompson
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
vergleichbare zweigeteilte Struktur erschlossen
werden kann262. Das naukratische Emporion wurde
seit Amasis von den prosta/tai tou= e¹mpori/ou geführt
und besaß als zentrales Heiligtum das sog.
Hellenion263.
Die vor allem in Nordionien (Kolophon,
Ephesos, Erythrai) verbreitete Apollon-Epiklese
Kwmai=oj bzw. 'Epikw/mioj/'Epikwmai=oj ist von dem
Wort kw/mh abgeleitet, das beispielsweise in Athen
die Stadtquartiere bezeichnete264. Sie weist auf die
1988, 97 und Hansen 1997, 94. 96. 103 aus; vgl. dagegen: Möller
2001, 2 – 4; Möller 2000, 189 mit Anm. 60. Sie spricht Naukratis
bis in spätklassische Zeit als Emporion im Sinne eines ‘port of
trade’ an; vgl. vorherige Anm.
262
Zu Olbie Polis, die vermutlich durch den Zusammenschluss
zweier Emporia, Borysthenes auf Berezan und dem Emporion
Borysthenes (Hdt. 4, 17. 18. 24: Borusqenei+te/wn e¹mpo/rion
bzw. Borusqe/nhj e¹mpo/rion) in Purotino an der Hypanis/BugMündung entstand, wobei das Emporion als Teil der Polis
weiterexistierte (eine Lokalisierung im östlichen, tiefer liegenden
Hafenviertel der Stadt wurde vorgeschlagen), vgl. Hansen 1997, 86.
102 – 103; Bujskich 2005, 29 – 30 mit Literatur; vgl. hier Anm. 86.
139. 141. – Auch die nachträgliche Einrichtung von Emporia
innerhalb schon bestehender älterer Poleis ist keine Seltenheit: Im
Piraeus von Athen gab es beispielsweise einen ‘Bezirk für
Fremdhandel’ mit Hafenmarkt und Lagerhallen, der als ‘Emporion’
bezeichnet wurde: Schol. Aristoph., Pax 145; Xen., Hell. 5, 1, 21;
dazu: Der Kleine Pauly 4 (1975) 584 s. v. Peiraieus (E. Meyer).
Auch in Milet hat es ein Emporion gegeben. Inschriftlich sind
e¹pimelhtai\ tou= e¹mpori/ou für ca. 260/50 v. Chr. bezeugt: Milet
I 3, 307 ff. Nr. 140 Z. 31 – 32. 63; P. Herrmann, in: Milet VI 1, 174
– 175. n. 140 mit deutscher Übersetzung und Kommentar. Zum
Emporion in Kos vgl. u. Anm. 287. – Zu den zwei Bedeutungen des
Begriffs ‘Emporion’, nämlich a) Hafen oder Teil des Hafens einer
Polis b) isolierte Siedlung, die durch ‘emporia’ geprägt war, aber
keinen Polis-Status besaß: Möller 2001, 1 – 2.
263
Möller 2000, 192 ff. Möller vertritt die Meinung, dass Herodot
(2, 178) irrte, wenn er die Gründung des Emporions in die Zeit des
Amasis datierte. Sie verbindet stattdessen die ältesten
archäologischen Befunde des letzten Drittels des 7. Jhs. v. Chr. aus
dem Aphrodite- und dem Apollonheiligtum (vgl. vorheriges
Kapitel) mit der Einrichtung des Emporions, das somit schon unter
Psammetich I. gegründet worden sei. Gleichzeitig bemerkt sie aber
auch, dass die Funde im Hellenion, dessen Einrichtung gemäß
Herodot engstens mit der des Emporions zusammenhängt, erst nach
570 v. Chr. einsetzen, »the date of Amasis’ accession« (Möller
2000, 193. 196; vgl. ebenda 105 – 106. 107 – 108.). Zu den
Prostatai, die wahrscheinlich von jeder der neun im Hellenion
vertretenen Poleis gestellt wurden und daher neun an der Zahl
gewesen sein dürften: Bresson 2000, 46; Bowden 1996, 33; Möller
2000, 192 – 196. Roussel 1976, 30 vermutete, die neun Städte
hätten je eine Phyle gebildet, deren Vorsteher die Prostatai gewesen
wären: vgl. Bresson 2000, 33. Mittlerweile sind durch eine aus
Naukratis stammende Bouleutenliste des 3. Jhs. v. Chr. zwei (von
vier?) Phylennamen nachgewiesen, die Heraïs und die Neilias,
benannt nach der Göttin Hera und dem Flussgott Neilos: Scholl
1997, 213 – 228; Bresson 2005, 142 – 148. Bresson geht davon
aus, die Phylennamen seien bei der Gründung der Polis Naukratis
im 4. Jh. v. Chr. eingeführt worden (vgl. auch Möller 2005, 186 –
187).
264
Graf 1985, 185 – 188 (gegen die These von Robert 1934, 30, die
Epiklese leite sich von kw=moj, dem Wort für rauschhafte Umzüge,
ab; vgl. außerdem Vine 1998, 688 – 689, der kw/mh von
indogermanischem
*kem,
»zusammendrücken«,
»zusammenpressen«, ableitet): Apollon (Epi-)Komaios/Epikomios
Internationale Archäologie-ASTK 11
mögliche territoriale Einteilung und politische Struktur
von Naukratis. Denkbar ist, dass die Bürger der
einzelnen griechischen Städte, die sich zur Polis
Naukratis zusammenschlossen – in archaischer Zeit
waren dies wahrscheinlich Milet, Samos, Aigina und
mindestens zwei weitere evtl. nordionische Städte –, je
eine Kome bildeten265.
Als zentrale Heiligtümer der Komai in
Naukratis wären das Apollon Didymeus Heiligtum der
Milesier, das Heraion der Samier, das Zeusheiligtum
der Aigineten sowie das Aphrodite- und das
Dioskuren-Heiligtum zweier weiterer nordionischer
oder aiolischer Poleis anzusprechen (mögliche
Kandidaten: Smyrna, Erythrai, Kolophon oder
Ephesos)266. Die Bürger der Polis Naukratis hätten
demnach über die Teilnahme an einem dieser aus der
jeweiligen Heimatstadt übertragenen Kulte267 ihre
ist direkt in Erythrai (Pythios Epikomios), in der makedonischen
Stadt Philippi (Komaios) und der makedonischen Gründung
Seleukeia am Tigris (Komaios) nachweisbar, sowie im thrakischen
Ainos (Epikomaios), einer äolischen Gründung (Nachbesiedlung
durch Lesbos und Kyme). Der Kult des Komaios ist im ionischen
Kolophon und im von Paros kolonisierten Thasos durch das Fest
der Komaia und den theophoren Personennamen Komaios belegt.
Indirekte Nachweise des Kultes durch den theophoren
Personennamen Komaios liegen für Athen, Ephesos, Keramos
(Karien) und Abdera (Gründung des nordionischen Klazomenai,
Nachbesiedlung durch das ionische Teos) vor. Graf 1985, 187 sieht
den Kult als »primär (nord-)ionisch (Ephesos, Kolophon)« an, »die
Kolonisation brachte ihn nach Naukratis einerseits, Thasos, die
thrakische Küste (Abdera), das makedonische Hinterland (Philippi)
und die makedonischen Kolonien (Seleukeia) andererseits«.
265
Zu dem hier Ausgeführten vgl. Herda 2006b, 143 – 150. Die für
Naukratis erschlossene doppelte Epiklese Pythios Komaios ist im
nordionischen Erythrai für das 2. Jh. v. Chr. bezeugt, der dortige
Pythios Epikomios wird von Graf in Analogie zu Ainos (Theophr.
ap. Stob. 4, 2, 20 [Hense]; zum Bezug auf Ainos, nicht Thurioi vgl.
Graf 1985, 186 Anm. 190) als eine Art ‘Quartiergottheit’
angesehen: Graf 1985; Herda 2006b, 147 Anm. 1038. Graf 1985,
187 (vgl. vorherige Anm.) führt im übrigen übereinstimmend mit
der hier vorgetragenen These den Kult des Apollon Komaios in
Naukratis in die Kolonisationszeit, d. h. das 7./6. Jh. v. Chr.,
zurück. Vgl. jetzt auch: Nick 2006, 87.
266
Entgegen Bowden 1996, 28 – 29 rechne ich nicht nur das von
Herodot 2, 178 unerwähnte Heiligtum der Aphrodite zur möglichen
Polis Naukratis, sondern auch das von Herodot ebenfalls nicht
genannte Dioskurenheiligtum, sowie die drei explizit von ihm
genannten: das Heraheiligtum der Samier, das Zeusheiligtum der
Aigineten und das Apollonheiligtum der Milesier. Demgegenüber
lässt Austin 1970, 30. 32 offen, ob die Milesier, Samier und
Aigineten zur Polis Naukratis zu zählen sind. – Die griechischen
Poleis, die das Aphrodite- und das Dioskurenheiligtum gegründet
haben könnten, sind unbekannt. Die verortbaren Weihungen weisen
nach Nordionien bzw. Äolien: vgl. hier Anm. 219. In der Liste der
Städte, die laut Herodot 2, 178 das Emporion bildeten und das
Hellenion errichteten, fehlen z. B. Smyrna, Erythrai, Kolophon und
Ephesos. Auffällig ist, dass unter diesen vieren drei Städte sind
(Erythrai, Kolophon und Ephesos), in denen wie in Naukratis der
Apollon Komaios (Kolophon, Ephesos) bzw. Pythios Epikomios
(Erythrai) verehrt wurde! Weiterhin ist bemerkenswert, dass der im
Aphroditeheiligtum für das 6./5. Jh. v. Chr. nachgewiesene Kult der
Pandemos auch in Erythrai begegnet, wenn auch erst im 4. Jh. v.
Chr.: s. u. mit Anm. 283 ff.
267
Vgl. dazu auch Bowden 1996, 32. Die Übertragung der Kulte
war zumindest im Falle der griechischen Kolonisation archaischer
47
ursprüngliche
signalisiert268.
Herkunft
bzw.
Abstammung
Das
gemeinsame
Polisheiligtum
der
Naukratitai dürfte demgegenüber Apollon Pythios
Komaios geweiht worden sein. Die oben schon
genannten Kultmähler zu Ehren des Apollon Pythios
Komaios, die Hermeias für das Prytaneion von
Naukratis überliefert, lassen daran denken, dass das
Heiligtum des Gottes im oder direkt beim Prytaneion
lag. Eine Parallele hierfür, nämlich dass das
Prytaneion im Apollon geweihten Hauptheiligtum
einer Polis integriert war, bieten Milet und seine
Kolonie Olbie Polis mit ihren Apollon DelphiniosHeiligtümern269.
Eindeutige Belege für den Kult des Apollon (Pythios)
Komaios im Naukratis archaischer Zeit, die die These
von der archaischen Polis Naukratis – und damit etwa
auch die Existenz eines Prytaneions, wie von
Hermeias beschrieben – stützen können, fehlen bisher.
Anzuführen ist hier aber zum einen ein Graffito auf
einem Trinkgefäß aus dem Hellenion. Die Aufschrift
Kwmai=o oder Kwmai=oj ist nach dem Schriftduktus ins
spätere 5. Jh. v. Chr. zu datieren. Der Name ist
entweder im Genitiv oder im Nominativ geschrieben.
Es kann sich entweder um eine Weihung an den
(Apollon) Komaios handeln, dann läge ein direkter
Beleg für den Kult in klassischer Zeit in Naukratis vor.
Oder aber es handelt sich um eine Besitzerinschrift
und damit um einen theophoren Personennamen. Dann
Zeit durch Orakel des Apollon von Delphi oder Didyma
sanktioniert (vgl. hier Kap. IV–V). Im besonderen Fall von
Naukratis ist etwa für die Einrichtung des Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtums ein Orakelspruch des Apollon Didymeus
vorauszusetzen (vgl. hier Kap. VII). Gleiches darf für die Gründung
des Heraheiligtums der Samier vermutete werden, dessen
Gründungsopfer vielleicht sogar in Teilen erhalten ist (vgl. hier
Kap. VII mit Anm. 213). Als Parallele ist auf die phokäische
Gründung von Massalia zu verweisen: Die Übertragung des
Artemis-Epheseie-Kultes von Ephesos nach Massalia geschah
wahrscheinlich auf Veranlassung des Apollon-Orakels in Didyma:
hier Kap. V mit Anm. 148 – 150. – Die Niederlassung der Milesier
und der anderen Griechen sowie die Einrichtung ihrer Heiligtümer
setzte jedoch ebenso das Einverständnis des Pharaos voraus:
Bresson 2000, 24.
268
Dass beispielweise im Heiligtum des Apollon Didymeus
Milesios neben den Milesiern auch Griechen, die im Emporion
lebten, also nicht zu den Naukratitai zu zählen waren, Weihgaben
stifteten (vgl. hier Anm. 215 – 216.), steht hierzu nicht im
Widerspruch. Der milesische Apollon war ganz offensichtlich für
alle in Naukratis lebenden Griechen, auch diejenigen aus dem
Emporion, von herausragender Bedeutung.
269
Vgl. oben Kap. I. Eine weitere Parallele bildet das Delphinion
von Dreros: Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 158 – 159.
A. Möller vertritt jetzt die These, dass das Hellenion in
hellenistischer Zeit als Prytaneion der neugegründeten Polis
Naukratis umgewidmet wurde und lokalisiert die von Hermeias (bei
Athen. 4, 149d–150a) überlieferten Kultmahle im Prytaneion
ebendort: Möller 2005, 186; Möller, in: Höckmann – Möller 2006,
19.
48
läge zumindest ein indirekter Beleg für den Kult
vor270.
Hinzuweisen ist andererseits auf ein weiteres,
spätklassisch oder frühhellenistisch zu datierendes
Grafitto aus Naukratis, das den theophoren
Personennamen Pu/qwn nennt und auf den Kult des
Apollon Pythios weist271.
Der Apollon Pythios Komaios wäre in seiner
Funktion als Stadtgott der Polis Naukratis dem
Apollon Delphinios in Milet oder Olbie Polis
vergleichbar. Bezeichnenderweise ist der Kult des
Delphinios in Naukratis nicht nachgewiesen272. Dies
____________________
270
Oxford, Ashmolean Museum G141.27: Hogarth 1905, 116 –
117. Abb. 2 Nr. 32 (Faksimile des Grafitto); Prinz 1908, 12 – 13;
Bernand 1970, 705 Nr. 675 (ich danke U. Höckmann für den
Hinweis auf diesen Fund). Nach brieflicher Mitteilung von
Alexandra Villing, London (08.05.2007), die das Stück zusammen
mit Alan Johnston im British Museum in London studieren konnte,
handelt es sich beim Inschriftenträger um einen schwarzgefirnisten
steilwandigen Skyphos oder eine Pyxis. Gefäßform und
Inschriftenduktus weisen auf eine Datierung ins späte 5. Jh. v. Chr.,
»wohl kaum früher« (Villing a. O.). Die Lesung Kwmai=oj durch
Hogarth ist nicht sicher, was das endständige Sigma angeht. A.
Villing teilt mir dazu mit: »Die Lesung der Inschrift ist allerdings
nicht 100%ig korrekt dort (...), da das S[igma] am Ende nämlich
nicht wirklich existiert: KWMAIO ist ganz klar und deutlich, aber
dann kommen lediglich ein paar kaum zu interpretierende Striche
(auch Alan weiß nicht, was er davon halten soll)«. Man vergleiche
dazu das Faksimile bei Hogarth 1905: die wellenförmigen beiden
Zeichen am Ende gleichen eher zwei Omegata, denn zwei Sigmata.
– Einen indirekten Beleg für den Kult in archaischer Zeit könnten
die von Hermeias für das Prytaneion von Naukratis überlieferten
Kultmähler zu Ehren des Apollon Komaios und des Dionysos
liefern. Graf 1985, 188 Anm. 202 charakterisiert sie als in einem
»altertümlichen, männerbundartigen Zusammenhang stehend«. Er
führt den Kult des Apollon Komaios in die Kolonisationszeit
zurück: vgl. hier Anm. 265. Zum kontrahierten ionischen Genitiv
auf -oV vgl. s. o. Anm. 142. Für archaische Weihinschriften, die die
verehrte Gottheit im Genitiv nennen: s. o. Anm. 143; Gottheit im
Nominativ: Lazzarini 1976, 59. 121 ff. 238 ff. Nr. 7) ‘Dediche del
tipo: o¸ qeo/j’. – Das Graffito aus Naukratis wurde als
Personenname gedeutet von: Robert 1934, 28 – 29. (= Robert
1969a, 974 – 975); vgl. Bernand 1970, 709 Nr. 675 (SB 210), der
eine Herkunft des Schreibers aus Chios vermutet; vgl. ihm folgend:
Fraser – Matthews 1987, 280 s. v. Kwmai=oj [1]. – Zu
Weihinschriften, die den Dedikanten im Genitiv nennen: Lazzarini
1976, 119 – 120. Nr. 5) �Dediche del tipo: tou¤ dei¤no/j (ei¹mi)’;
ebenda 235 Nr. 419 a/b führt Lazzarini zwei spätarchaische
Beispiele aus Naukratis an; Dedikant im Nominativ: Lazzarini
1976, 59. 118 – 119. 231 ff. Nr. 4) ‘Dediche del tipo: o¸ dei=noj’.
271
Hogarth 1905, 116 Abb. 2 Nr. 33 (Faksimile); S. 117; Bernand
1970, 707 Nr. 676 (Fundort unbekannt, aber nicht aus dem
Hellenion). – Ein weiterer Python, Sohn des Amoibichos, nahm am
Feldzug des Psammetich II. 591 v. Chr. gegen Nubien Teil, seine
Söhne weihten möglicherweise ca. 570 v. Chr. in Didyma zwei
Löwenstatuen: s. o. Anm. 237. Hierdurch ist der theophore Name
schon für das frühe 6. Jh. v. Chr. in Ägypten und in Milet bezeugt.
– Durch ein rhodisches Proxeniedekret klassischer Zeit aus Lindos
ist weiterhin der Sohn eines Pytheas in Naukratis bezeugt: Prinz
1908, 119; C. Blinkenberg – Kinch 1941, I 210 – 214 Nr. 16 Z. 3
(ca. 440 – 420 v. Chr.); vgl. zum Dekret: Bresson 2000, 26 – 36;
Bresson 2002, 501; Bresson 2005, 135 – 136; Möller 2000, 190 –
191.
272
Die Annahme von Höckmann 2007, 126 Anm. 1082, die
Weihungen an den Apollon Milesios in Naukratis »können den
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
ist als Hinweis darauf zu werten, dass die Gründung
der Polis Naukratis, die schon unter Amasis erfolgte,
nicht durch Milet alleine vorgenommen wurde,
sondern unter Beteiligung weiterer griechischer Poleis,
wobei der panhellenische Orakelgott Apollon Pythios
von Delphi und nicht der milesische Apollon
Didymeus die Gründung sanktioniert haben dürfte,
vorausgesetzt, der Stadtgott von Naukratis, Apollon,
trug tatsächlich die Epiklesen Pythios Komaios. Mit
der besonderen Rolle Delphis bei der Gründung zur
Zeit des Amasis erklärt sich jedenfalls bestens,
weshalb der Pharao so großzügig für den
Wiederaufbau des Tempels in Delphi nach dem Brand
von 548 v. Chr. spendete, während Spenden nach
Didyma von ihm nicht bekannt sind. Ein Grund für die
Neuorientierung des Pharaos nach Delphi dürfte
gewesen sein, dass die Milesier in der Frühphase
seiner Herrschaft nicht ihn, sondern seinen Feind
Apries und späterhin die Perser unterstützt hatten, wie
kürzlich A. Bresson vermutet hat273.
Apollon Delphinios oder den Apollon Didymeus oder beide
meinen«, ist unwahrscheinlich. Der Apollon Milesios ist wie hier
gezeigt der Gott von Didyma.
273
Der Kult des Apollon Pythios dürfte v. a. vom Orakel von
Delphi seit dem 8. Jh. v. Chr. propagiert worden sein: vgl. hier
Anm. 341. Vorstellbar ist daher, dass die Einrichtung des Kultes
des Apollon Pythios in Naukratis von Delphi sanktioniert wurde,
indem etwa Delphi ein Orakel zur Gründung der Polis Naukratis
ausgab und ein Aphidryma auf den Weg nach Ägypten schickte.
Dass Delphi und nicht Didyma die Gründung der Polis Naukratis
zur Zeit des Amasis durch ein Orakel sanktioniert haben könnte,
läge einerseits in seinem, der Ansiedlung in Naukratis
vergleichbaren panhellenischen Charakter begründet, den das
Orakel in Didyma in dieser Weise nie besessen hat. Für die Rolle
Delphis bei der Gründung der Polis Naukratis unter Amasis spricht
andererseits auch, dass derselbe Pharao das Orakelheiligtum von
Delphi nach dessen Brand im Jahre 548 v. Chr. mit großzügigen
Spenden besonders unterstützte (Hdt. 2, 180; vgl. dazu: Haider
1987b, 9), wie er etwa auch in das Athena-Heiligtum nach Lindos,
das Heraion von Samos und nach Sparta stiftete. Demgegenüber
erhielt das Heiligtum in Didyma scheinbar keine Weihgeschenke
von ihm, zumindest erwähnt Herodot in diesem Zusammenhang
keine Weihungen des Amasis nach Didyma. A. Bresson erklärt dies
jetzt damit, dass Milet mit Amasis’ Vorgänger und Rivalen Apries
bis zu dessen entgültiger Niederlage 567 v. Chr. verbündet war,
danach mit den Persern, den Feinden der Ägypter: hier Anm. 235.
In diesem Zusammenhang von Interesse ist, dass im polykratischen
Samos, das mit Amasis wie auch mit Naukratis aufs engste
verbunden war, der Vater des Philosophen Pythagoras, Mnesarchos
bzw. Mnemarchos, aus Dank für die vom delphischen Apollon
angekündigte Geburt seines Sohnes ein Heiligtum des Apollon
Pythios einrichtete, sowie seine Frau (Pythais, vorher: Parthenis)
wie auch den Sohn nach dem Gott benannte: Iambl., vita Pyth. 4–6.
9; vgl. Paus. 2, 31, 6 (Heiligtum); Diod. Sic. 1, 98; Athenag., leg.
pro Christianis 17, 4 (Kultbild); dazu: Nick 2006, 88 – 89. –
Bemerkenswert ist weiterhin die Weihung eines Zehnten in Gestalt
von Bratspießen an den Apollon Pythios in Delphi durch die aus
Samos nach Naukratis gebrachte Hetäre Rhodopis, die
möglicherweise vom Bruder der Sappho, Charaxos, während der
Regierung des Amasis freigekauft worden war: Hdt. 2, 134 – 135;
dazu: Prinz 1908, 3; DNP 10 (2001) 996 s. v. Rhodopis (L.-M.
Günther); Möller 2000, 199 – 200. Die Angabe Herodots, Charaxos
habe die Rhodopis freigekauft, beruht allerdings wohl auf einer
Verwechslung. Charaxos kaufte eine Doricha frei und dies schon
im späten 7. oder frühen 6. Jh. v. Chr., nicht erst in der
Internationale Archäologie-ASTK 11
Bei der Einrichtung der neuen Polis standen
nicht nur milesische Institutionen als mögliche
Vorbilder zur Verfügung, ebenso konnte auch auf die
religiös-politische Strukturen der anderen beteiligten
griechischen Poleis zurückgegriffen werden. Naukratis
war demnach keine typische milesische Kolonie, wie
es die seit dem 4. Jh. v. Chr. überlieferten milesischen
und naukratitischen Versionen des Gründungsmythos
vertreten. Sie kann auch nicht als typische griechische
Polis – im Sinne eines unabhängigen Polisstaates –
bezeichnet werden, da ihre Existenz zumindest in
archaischer Zeit und wohl noch im 4. Jh. v. Chr. vom
‘good will’ der im nahen Sais residierenden Pharaonen
abhing274.
Als weiteres – wenn auch umstrittenes – Indiz
für die Existenz einer Polis Naukratis zur Zeit des
Amasis kann schließlich das Vorkommen des
Ortsnamens ‘Naukratis’ und des davon abgeleiteten
Ethnikons
‘Naukratites’/‘Naukratitai’
angeführt
werden275. Die früheste griechische Erwähnung des
Ortsnamens bietet ein Dipinto auf der Innenseite einer
im späten Tierfriesstil bemalten Schale aus dem
Aphroditeheiligtum, die der Göttin als 'Afrodi/]thi
th=i e¹(n) Naukra/ti (»der Aphrodite in Naukratis«)
geweiht ist276. Das Gefäß ist in das erste Viertel des 6.
Jhs. v. Chr. zu datieren und wahrscheinlich auf
Bestellung produziert und nach Naukratis transportiert
worden277. Das Dipinto bezeugt den Ortsnamen
spätestens für die Zeit des Amasis, er begegnet zudem
auf einer weiteren Weihung in das Aphroditeheiligtum
Regierungszeit des Amasis. Ob er Jahrzehnte später auch noch
Rhodopis freikaufte, ist fraglich: Sappho fr. 7 Lobel – Page; Strab.
17, 1, 33; Athen. 13, p. 596b–d; dazu: Prinz 1908. Dankte
Rhodopis mit ihrer Weihung in Delphi dem Hauptgott ihrer neuen
Heimatstadt Naukratis, Apollon Pythios (Komaios)? – In Milet ist
der Kult des Apollon Pythios seit dem späteren 6. Jh. v. Chr.
indirekt durch die theophoren Namen Pythomandros (s. u. Anm.
344) und Python (s. o. Anm. 237. 271) nachgewiesen. Gelangte der
Kult etwa über Naukratis nach Milet?
274
Austin 2004, 1239 s. v. Naukratis (Nr. 1023): »Naukratis was an
unusual community in a special position. (…) it was dependent for
its existence and prosperity on the continued good will of the rulers
of Egypt, from the pharaohs to the Romans.« – Diese Abhängigkeit
drückt sich etwa in der Abgabe von Steuern (10%) an den Pharao
aus, wie sie die sog. Stele des Nektanebis I. aus Naukratis (ca. 380
v. Chr.) und Aristoteles (Oikonomika 2, 2, 25 = 1351a 3 – 6) für
die Zeit des Pharaos Tachos (363/2–362/1 v. Chr.) belegen: Möller
2000, 207 – 208; Scholtz 2002/3, 233.
275
Inwieweit Ethnika auf einen Polisstatus der betreffenden
Siedlungen schließen lassen, ist umstritten. Ehrhardt 1988, 86
meint etwa: »Gerade Ethnika aber gelten im allgemeinen als sichere
Zeugnisse für die Existenz autonomer Poleis«; vgl. dazu jetzt die
umfassende und differenzierende Analyse von: Hansen 2004, 64 zu
Naukratis; s. u. Anm. 279.
276
Gardner 1888, 64 – 65 Nr. 768 Taf. 21 (Faksimile des Dipinto,
das im ionischen Dialekt gehalten ist); Möller 2000, 178 Nr. 4; S.
243 Appendix 1. d. Teos/Klazomenai Nr. 5. Für weitere Beispiele
vgl. Austin 2004, 1238 s. v. Naukratis (Nr. 1023).
277
Vgl. die Bemerkungen zu den chiotischen Dipinti-Gefäßen, die
(auf Bestellung?) mit Weihinschriften versehen nach Naukratis und
etwa auch nach Aigina geliefert wurden: hier Anm. 219.
49
sowie auf zwei ägyptischen Weihgeschenkstelen aus
der Gegend von Saïs278. Das von diesem Ortsnamen
abgeleitete Ethnikon erscheint zuerst im 5. Jh. v. Chr.
in Inschriften in Athen und Delphi279. Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang, dass die in den
archaischen Weihinschriften aus Naukratis genannten
Ethnika nie Samier, Milesier oder Aigineten nennen280,
wohl aber Chioten, Teier, Phokaier, Klazomenier und
Mytilenier281. M. Austin hat betreffs der Ethnika aus
Naukratis auf die Übereinstimmung mit der Liste
____________________
278
Archaische Inschrift (nicht genauer datiert) auf einem
Kalksteinobjekt aus dem Aphrodite-Heiligtum: Gardner 1888, 66
Nr. 795 Taf. 21 (Gardner ebenda: »This is of great importance,
from the scarcity of inscriptions that mention the name of the
town.«); Bernand 1970, 744 – 745 Nr. 5; Lazzarini 1976, 203 Nr.
177c; Scholtz 2002/3, 239 mit Anm. 37; Nick 2006, 81 – 82 mit
Anm. 871: [--]hn … [ei¹]j Na<u/>kratin … [a)fiko/me]noj … [th=i
'Afrodi/th]i Ka/i³o[j a)ne/qhken].
In der Zeit des Amasis begegnet der Ortsname außerdem auf zwei
Weihgeschenkstelen, die ägyptische Inschriften tragen: Möller
2001, 9 – 10 zu den Stelen Berlin 7780 und Petersburg, Ermitage
8499. Die letztere von ihnen bezieht sich auf die Weihung einer
Lampe durch einen gewissen Neferibre-sa-Neith »aus Naukratis«,
der sie im 16. Regierungsjahr des Amasis (554 v. Chr.) in ein
Heiligtum des Osiris im saïtischen Nomos weihte: Möller 2001, 9 –
10 mit Anm. 55. Dieser Neferibre-sa-Neith hatte wahrscheinlich
einen griechischen Vater mit Namen Korax, der ägyptische Name
des Sohnes deutet auf die Assimilation der Griechen in Naukratis:
Möller 2001 unter Bezug auf Masson 1962, 10 mit Anm. 58; vgl.
auch Vittmann 2003, 220; vgl. evtl. den ägypto-griechischen
Namen Yende[ hier Anm. 219. Gesetze gegen ‘Epigamia’, Heirat
von Griechen mit Nichtgriechen, vermutet Bresson 200, 21 mit
Anm. 36 in Naukratis erst nach der Gründung der Polis, die er wie
Möller 2005, 186 in der Alexanderzeit ansetzt; vgl. auch Lloyd
1975, 17 – 20. Zu weiteren Belegen für eine griechisch-ägyptischen
‘Mischkultur’ vgl. Crielaard 2005, 34; Vittmann 2003, 194 – 235.
279
Belege bei Möller 2001, 4 Anm. 12; S. 19 – 20 und Austin
2004, 1238 f. s. v. Naukratis (Nr. 1023). Möller 2000, 189 lehnt es
ab, vom Ethnikon auf den Polisstatus von Naukratis zu schließen.
Sie erachtet das Ethnikon Naukratites stattdessen als »not sufficient
to allow us to draw conclusions as to the legal status of a
settlement«; vgl. auch Bresson 2000, 53. Demgegenüber stellt jetzt
Hansen 2004, 64 fest: »The context as well as other evidence
indicates that Naukratis was a polis in 5th – 4th century B. C. and
that Naukrati/thj is used as a city-ethnic.« Austin 2004, 1239:
»It has been denied that these ethnics indicate political status as
opposed merely to place of origin (...), but this is not consistent
with the evidence for ethnics on Attic tombestones or for the
institution of proxeny.«
280
Einzige Ausnahme ist der allerdings erst spätklassische
Grabstein eines Milesiers: Collitz – Bechtel 1905, 641 Nr. 5513 (4.
Jh. v. Chr.); Bernand 1970, 762 – 763 Nr. 33; dazu: Austin 1970,
25. 62.
281
Vgl. hier Anm. 215 – 216. Singulär ist eine attische
Schwarzfirnis-Schale mit Stempelzier, die die Weihung eines
Syrakusiers darstellt und ins 5. Jh. v. Chr. datiert werden kann:
Gardner 1888, 68 Nr. 874 Taf. 22: ...]I Surako/sioj; vgl. Bresson
2000, 50 Anm. 144. (mit Korrektur der zu späten Datierung durch
Gardner). Auf die Anwesenheit von Syrakusiern könnte auch der
Fund einer syrakusischen Münze frühklassischer Zeit in Naukratis
weisen: Bresson 2000, 50 – 51 mit Anm. 144 – 145. Allerdings
stammt die Münze aus einem 15 Münzen gemischter Herkunft
(Lykien, Chios, Samos, Aegina, Athen, Kyrene) umfassenden
Hortfund, der laut Gardner nicht vor 439 v. Chr. unter die Erde
gekommen sein kann (sog. Silversmith’s Hoard): B. V. Head, in:
Flinders Petrie u.a. 1886, 65.
50
derjenigen neun Poleis verwiesen, die nach Herodot 2,
178 nur temporär im Emporion von Naukratis wohnten
und das Hellenion frequentierten. Er hat hieraus
überzeugend geschlossen, dass die Griechen des
Emporions nicht das Bürgerrecht der Polis Naukratis
besaßen, was den Gebrauch der Ethnika erklären
würde282.
Schließlich ist im Zusammenhang mit dem
politischen Status von Naukratis als Polis noch auf den
Kult der Aphrodite Pandemos hinzuweisen, der durch
zwei spätarchaische und ein frühklassisches Grafitto
aus dem Aphroditeheiligtum im Süden der Siedlung
bezeugt ist283. Entgegen der immer wieder unter
Berufung auf Platon (Symp. 180d–181c) vertretenen
Auffassung, bei Aphrodite Pandemos handele es sich
um eine reine ‘Hetärengöttin’284, ist die »Aphrodite
____________________
282
Austin 1970, 30 – 31. Ebenda 25 warnt er allerdings bezüglich
der Aussagekraft der Graffiti: »But the number of useful
inscriptions is obviously too slight to permit statistical comparisons
or argument from silence.« – Ethnika der von Herodot genannten
Städte, die das Hellenion unterhielten, finden sich auch in
Weihinschriften aus dem Hellenion: Möller 2000, 174 Nr. 6
(Weihung eines Mytileniers an Aphrodite, vorhellenistisch);
Hogarth 1905, 116 – 117 Nr. 16 (Weihung eines Rhodiers an
Aphrodite; nach Austin 1970, 62 Anm. 2; Bresson 2000, 26, am
ehesten nach dem Synoikismos von Rhodos 408/7 v. Chr. zu
datieren; doch muss dann auch Hdt. 2, 178 [Polis Rhodos zur Zeit
des Amasis] als spätere Redaktion des Herodot erklärt werden:
Bresson 2000, 37, wenn man nicht annehmen will, dass jeweils nur
eine der drei rhodischen Poleis im Hellenion vertreten war, diese
also rotierten: Bresson 2000, 47). – Daneben erscheint noch die
archaische Weihung eines Chalkid[eus] an Aphrodite aus dem
Hellenion: Edgar 1898/99, 55 Nr. 48; dazu: Bresson 2000, 49.
283
Die drei Inschriften sind jetzt abgebildet bei Möller, in:
Höckmann – Möller 2006, 16 Abb. 13 – 18. Zwei der Inschriften
stammen aus dem Aphroditeheiligtum: 1) Randfragment einer
attischen Schale, ca. 500–480 v. Chr.: [Afrodi/thi] Pandh/mwi
(London BM GR 1888.6-1.211.; vgl. Gardner 1888, 66 Nr. 818;
Bernand 1970, 688 Nr. 467; Höckmann – Möller 2006, Abb. 15 –
16); 2) Wandfragment einer attischen C-Schale, 1. Hälfte 5. Jh. v.
Chr.: [Afrodi/thi P]andh/m[wi (London BM GR 1888.6-1.212;
vgl. Gardner 1888, 66 Nr. 821; Bernand 1970, 689 Nr. 470; Möller,
in: Höckmann – Möller 2006, Abb. 17 – 18). Die dritte Inschrift, in
monumentalen, 1 cm großen Buchstaben auf den Rand eines
attisch-rotfigurigen Volutenkraters geschrieben, ca. 500 v. Chr.:
[Afrod]i/thi : Pandh/m[wi (London BM GR 1900.2-14.6; vgl.
Edgar 1898/9, 56 Nr. 107; Faksimile Taf. 5; Bernand 1970, 704 Nr.
630; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, Abb. 13 links. Ein
zugehöriges Fragment befindet sich heute in Bonn, Akademisches
Kunstmuseum Inv.-Nr. 697.90: Möller, in: Höckmann – Möller
2006, Abb. 13 rechts). Das Londoner Stück stammt aus dem
Hellenion, allerdings aus den obersten Schichten »just above or just
below a concrete pavement« (Hogarth 1898/9, 30 zu Nr. 107; vgl.
den Lageplan ebenda Taf. 3 bei Nr. 17/18), dürfte daher wohl
umgelagert sein und könnte ursprünglich ebenfalls aus dem
Aphroditeheiligtum stammen. Eine Umlagerung ins Hellenion
vermute ich auch für eine der Apollonweihungen: s. o. Anm. 216.
Es ist nicht klar, ob die Buchstaben der Weihinschrift für Aphrodite
Pandemos auf dem attischen Krater vor oder nach dem Brand
eingeritzt wurden: Höckmann – Möller 2006, 16. Wenn ja, handelt
es sich um die älteste Weihung an die Pandemos in Athen,
alternativ ist aber auch an eine Auftragsarbeit für Naukratis zu
denken, wie im Falle der chiotischen Dipinti-Gefäße, die im
Aphroditeheiligtum gefunden wurden: s. o. Anm. 219.
284
Vgl. zuletzt: Scholtz 2002/3, 231 – 242; danach: Corsten 2006,
620 – 621 Nr. 1793; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 16 – 17.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
des gesamten Volkes« stattdessen vor allem als eine
»eminent politische Gottheit« aufzufassen, »in deren
Obhut
der
friedliche
Zusammenhang
der
Polisgemeinschaft liegt«285. Diese allgemeine und
zentrale Bedeutung der Aphrodite für Naukratis erklärt
dann auch die bereits zitierte Ansprache der Göttin als
»Aphrodite in Naukratis«. Ihre Klientel wird sich vor
allem aus der Gemeinschaft der oben erschlossenen
Komai zusammengesetzt haben, die die Polis
Naukratis gebildet haben dürften. Miteingeschlossen
werden auch die griechischen Händler des Emporions
gewesen sein, die sich im Hellenion versammelten286.
Als Schutzgöttin der Polisgemeinschaft begegnet
Aphrodite auch anderswo, etwa in Athen, wo sie
zusammen
mit
Peitho,
der
göttlichen
Überzeugungskraft verehrt wurde287, aber auch im
nordionischen Erythrai, wo ihr die Polis in der ersten
Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. auf Geheiß eines Orakels
zum Dank für »die Rettung des Demos« einen Tempel
mit Kultbild einrichtete288. Sollte sich die Existenz
____________________
285
Graf 1985, 260 – 261; vgl. Burkert 1985a, 155 mit Anm. 36;
Pirenne-Delforge 1994, 446 – 450; Parker 1996, 49; Parker 2002,
152 – 156; Parker 2005, 407 – 408; van Bremen 2003, 325 – 326.
286
Vgl. ein koisches Gesetz über den Verkauf von Priestertümern
von kurz nach 198 v. Chr.: alle Bürgerinnen, Bastarde (Z. 17
no/[q]wn) und in Kos wohnende Fremde (Z. 17 paroi/kwn), die
heiraten wollen, müssen innerhalb eines Jahres nach ihrer Hochzeit
der Aphrodite Pandamos opfern, ebenso haben Händler (Z. 23
eÃmporoi{j}) und Reeder (Z. 23 nau/klaroi{j}), die Kos
verlassen, der Aphrodite Pandamos zu opfern: Segre 1993, 120 –
123 ED 178 A15–25; vgl. dazu: Parker 2002, 156 – 157 (mit engl.
Übersetzung); van Bremen 2003, 324 – 325. – Die Gelder des
Heiligtums der Aphrodite Pandamos und Aphrodite Pontia, das
nach Aussage der Inschrift nahe bei der Schiffswerft von Kos lag
(vgl. Z. B 5 naupagi/wn), wurden von den ‘Prostatai’ verwaltet. Es
war demnach Teil des Emporions von Kos. Als Prostatai bezeichnet
Herodot (2, 178) auch die Verwalter des Emporions in Naukratis: s.
o. Anm. 263. Ob das Aphroditeheiligtum von Naukratis ebenfalls
im Bereich des Emporions lag und zu diesem gezählt wurde, ist
unklar. Immerhin spricht Herodot noch von anderen Plätzen in
Naukratis, wo die Händler des Emporions mit Erlaubnis des Amasis
Altäre und Temene errichten konnten. Das Hellenion war ihm
zufolge nur ihr größtes und berühmtestes Heiligtum. Nach Aussage
der archäologischen Befunde wurden dort neben den anonymen
»Göttern der Hellenen« weitere Götter verehrt, etwa Artemis,
Apollon, Herakles, die Dioskuren und Aphrodite: Höckmann –
Möller 2006. Vgl. außerdem die Weihung eines Mikis an den Zeus
Hellenios von Aigina(?) (vgl. hier Anm. 212. 220), die R. Wachter
mithilfe zahlreicher Fragmente chiotischer Dipinti-Gefäße
rekonstruiert hat: Mi/k(k)ij (m’) a)ne/qhken [...?] tw=i Zhni\ tw=i
'El(l)hni/wi [...?]; vgl. Wachter 2001, 214 – 215 mit Anm. 660
zur Rekonstruktion des Textes von Nr. (E)(a); S. 218 zum
Männernamen Mikis.
287
Pirenne-Delforge 1994, 26 – 34. 446 – 449. 456; Parker 1996,
49. 234; Parker 2005, 407 – 408. 461; Rosenzweig 2004, 13–28.
68–77. 102–104. – Der Kult der Pandemos wurde in Athen auf
Solon oder gar auf die Zeit des Synoikismos unter Theseus
zurückgeführt.
288
Der Stiftungsbeschluss: Merkelbach 1986, 15–18 (datiert gegen
400 v. Chr.); SEG 36, 1986 (1989), 308 – 309 Nr. 1039; SEG 39,
1989 (1992), 404 Nr. 1238 (datiert ca. 350 v. Chr.); Gauthier 1988,
355 Nr. 396; Pirenne-Delforge 1994, 449; Parker 1996, 49 Anm.
25. – Vgl. für die politische Funktion weiterhin den Kult der
Aphrodite Pandamos in Kos, der wahrscheinlich zur Zeit des
Internationale Archäologie-ASTK 11
einer archaischen griechischen Polis Naukratis
bewahrheiten, kann meines Erachtens auch für die
zahlreichen
archaischen
Kourosstatuetten
aus
Naukratis, die jetzt in so vorbildlicher Weise vorgelegt
wurden289, zumindest zu Teilen angenommen werden,
dass sie Weihungen junger Griechen waren, die den
Status des wehrhaften Vollbürgers der Polis erreicht
hatten. Dieser Status wird in den antiken Quellen mit
den Termini ‘Kouros’ bzw. ‘Neos’ bezeichnet und
stand häufig unter dem besonderen Schutz Apollons,
der selbst als ‘Ur-Kouros’ galt290. Dass er diese
Funktion auch in Naukratis besessen haben wird,
darauf weist die Tatsache, dass die meisten der
Kourosstatuetten aus dem Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtum in Naukratis stammen und die
Palästra, der ‘Trainingsplatz’ für die jungen Männer,
die Kleainetos, Sohn des Aristothemis und
Maiandrios, Sohn des Stratonides im 4. Jh. v. Chr. in
Naukratis errichteten, dem Apollon geweiht war291.
IX. Milet – Didyma und Krisa – Delphi im
Vergleich: Der Zusammenhang von
Apollon Delphinios, Apollon-Orakel und
Kolonisation
Im antiken Polisstaat Milet standen sich
Apollon Delphinios, der Gott der politischen Einheit,
und Apollon Didymeus, der Gott des außerstädtischen
Orakels von Didyma als komplementäres Kultpaar
Synoikismos von 366/5 v. Chr. eingeführt wurde: Parker 2002,
(ebenda 152 Anm. 39 mit weiteren Belegen des Kultes für Paros
und Amantia in Epirus); zu Kos vgl. auch Parker 2005, 407 Anm.
84; s. o. Anm. 286.
289
Höckmann 2007, 162.
290
Vgl. hierzu Herda 2006b, 45 – 46 mit Anm. 222; 94 ff. mit
Anm. 611 ff.; Herda 2005, 289 mit Anm. 223 – 224; hier Kap. II
mit Anm. 38; Kap. VIII mit Anm. 326. Zu Kouroi als Weihungen
von Jungbürgern: Herda 2006b, 96 mit Anm. 624; vgl. auch Herda
2006a, 95 – 96 mit Anm. 274 – 275 zu den Kouros-Weihungen im
Apollon-Karneios-Heiligtum
in
Emecik
bei
Alt-Knidos
(Datça/Burgaz).
291
Zu den Fundorten der Kouroi: Höckmann 2006, 17 – 18. 115.
Neben dem Apollonheiligtum sind weiterhin das Heraheiligtum der
Samier und möglicherweise das Aphroditeheiligtum angeführt:
ebenda. – Höckmann dagegen wertet die Kouros-Statuetten in
Naukratis in erster Linie als Weihungen von Söldnern (daneben
auch von Händlern und Seefahrern), die sich an Apollon und andere
Gottheiten wandten, um ihren Schutz zu erflehen: Höckmann 2006,
117. 125 – 126. 143 – 149; s. o. Anm. 237 zur Soter-Funktion des
Apollon Milesios Didymeus. Die Möglichkeit, dass die
Kourosstatuetten Weihungen von Neubürgern an Apollon sein
könnten, lehnt sie (Höckmann 2006, 126) mit dem Hinweis ab, dass
»Naukratis vor dem späten 5. Jh. v. Chr. als griechische Siedlung in
Ägypten keine Autonomie besaß, wenngleich sie vielleicht einer
Polis ähnlich funktionierte«. – Zur Weihung der Palästra: Bernand
1970, 755 – 756. Nr. 20 Taf. 39, 1 – 2: Kleai/netoj
'Aristoqe/mioj, | Maia/ndrioj Stratoni/dew | th\m
palai/strhn a)ne/qhkan | 'Apo/llwni; vgl. Bresson 2000, 54
mit Anm. 161.
51
gegenüber. Aufgrund der Kultverbreitung in den
Kolonien (Abb. 8) und durch die allerdings nur in
kläglichen
Fragmenten
erhaltene
milesische
Lokalhistorie lässt sich zeigen, dass die Institutionen
beider Kulte als konstitutive Elemente des milesischen
Polisstaates spätestens in der ersten Hälfte des 7. Jhs.
v. Chr. eingerichtet worden sind und eine der
wesentlichen Grundlagen für die so erfolgreichen
Kolonisationsunternehmen Milets bildeten.
Den Höhepunkt der rituellen Praxis in der
Metropolis stellte das Neujahrsfest im Frühlingsmonat
Taureon dar (vgl. Kap. III–III)292. Es begann in Milet
mit Opferfeiern für Apollon Delphinios in seinem
Heiligtum, dem Delphinion, das zumindest seit dem 6.
Jh. v. Chr. im Zentrum der Stadt an der Agora lag
(Abb. 1). Anschließend zog die gesamte
Polisgemeinschaft in einer feierlichen Prozession nach
Didyma, um dort das Neujahrsfest mit Opfern für den
Apollon Didymeus zu beschließen (Abb. 3–4). Ziel
der Feiern war die Versicherung des göttlichen
Beistandes zum Schutz von Polis und Territorium. Die
Prozession markierte dabei symbolhaft die beiden Pole
des milesischen Staates, das Delphinion und Didyma.
Gleichzeitig verband sie aber auch diese Pole als
physisches Band, als ‘Achse’ und diente der
Repräsentation der milesischen Identität, wie etwa die
Stationen oder die Teilnahme des gesamten Demos
und der politischen und religiösen Vertreter des
Polisstaates deutlich werden lassen.
Die Funktion des Apollon Delphinios kann
als primär politisch-religiös definiert werden. Er ist
der politische Gott des Polisstaates Milet. Alle
wichtigen,
in
diesem
Kontext
stehenden
Funktionsbereiche
sind
auch
während
des
Neujahrsfestes präsent: Initiiert wird dort der neue
Aisymnetes-Stephanephoros als eponymer Beamter,
der mit dem Vorstand des Apollon-DelphiniosKultvereins,
den
Molpoi,
zusammen
das
Prytanenkollegium und damit die Regierung der Stadt
bildet. Initiiert werden im Rahmen des Wettkampfs
der ‘Hamilleteria’ schließlich auch die Neoi bzw.
Kouroi, die »neuen« Bürger, deren Aufnahme in den
Bürgerstand das Fortleben der Polis als Institution
garantierte. Nicht von ungefähr ist das Bild des
Apollon dem eines Kouros gleichgesetzt (Abb. 5).
Einen zweiten wesenhaften Funktionsbereich
des Apollon Delphinios verdeutlicht das Zeugnis des
sog. homerischen Apollonhymnos (ca. 700 v. Chr.)
(vgl. Kap. I). Es ist dies der Schutz der Seefahrt und
der Kolonisation. Beide komplementären Funktionen
verbinden ihn mit dem bronzezeitlichen, hattischhethitischen Gott Telipinu, der irgendwie mit dem
minoisch-mykenischen Gott Delphinios zusammen____________________
292
Vgl. jetzt Herda 2006b, passim.
52
gehört293: Der Gott führt in einer theriomorphen
Epiphanie als allmächtiger Delphin294 das Schiff der
kretischen Seefahrer aus Knossos sicher nach Krisa,
wie etwa Artemis Kithone ‘Hegemone’ später die
ionischen Siedler um Neileos in Gestalt eines Hundes
nach Ionien geführt haben soll295. Die Knossier sind
eigentlich auf Fahrt nach dem peloponnesischen Pylos,
die Zuhörer des Hymnos wussten also, dass die
Ereignisse in mythischer Vorzeit spielten, dem
heroischen Zeitalter, der minoisch-mykenischen
Zeit296. Der delphingestaltige Apollon gibt die
Richtung vor und sorgt für den nötigen Wind297, damit
das Schiff schnellstmöglich an sein Ziel gelange298. In
Krisa schließlich bestimmt er in Kourosgestalt, dass
ihm als ‘Delphinios’ am Landungsplatz auf dem
Strand ein Opferaltar zu errichten sei, auf dem sie
weiße Gerstengrütze bzw. weißes Gerstenmehl
darbringen sollen299.
____________________
293
Zum Bezug zwischen Apollon Delphinios und Telipinu vgl. hier
Kap. I mit Anm. 10.
294
Die Macht des Tieres wird als unmittelbar erfahrbar
beschrieben, wodurch der epiphanische Charakter betont ist; vgl. V.
401: kai\ kei=to pe/lwr me/ga te deino/n te (»Da lag er, ein
Untier, ungeheuerlich groß und schrecklich«, Übersetzung A.
Weiher). Man vergleiche die plötzliche Epiphanie Pans in einem
Geißbock, die U. v. Wilamowitz-Moellendorff erlebte: WilamowitzMoellendorff 1955, 151.
295
Libanius 5, 34; vgl. hier Anm. 118. Götter geleiten in Gestalt
theriomorpher Epiphanien regelhaft Kolonisationsunternehmen;
vgl. allgemein: RE VI 1 (1936) 862 – 921 bes. 913–916 s. v.
Tierdämonen (S. Eitrem); Bourboulis 1949, 57 – 61.
296
Knossos und Pylos zählen im Mythos zu den Zentren des
heroischen Zeitalters, ihr tatsächliches bronzezeitliches Alter ist
archäologisch hinlänglich nachgewiesen. Zur bronzezeitlichen
Verortung der Ereignisse des ‘Homerischen’ Hymnos vgl. unten mit
Anm. 322. 349.
297
Vgl. Hymn. Hom. Ap. 419 – 420.: eÃxousa … h)/i'+ o¸do/n, pnoi$=
de\ a)/nac e¸ka/ergoj 'A)po/llwn (»Fahrtwind gab ja und
Richtung der Herrscher Apollon, der Fernwirkende«, Übersetzung
A. Weiher).
298
V. 433 – 437.
299
V. 490 – 498. 508 – 512.
Der Altar in Krisa heißt der ‘Delphinische’, da er die Stelle der
Anlandung des delphingestaltigen Apollon am Strand markiert und
dem Delphinios geweiht ist. Die singuläre Überlieferung der
Handschrift ‘M’ (Codex Leidensis 22) für V. 495 – 496. au¹taÜr o¸
bwmo\j | au¹to\j Delfi/nioj kai\ 'Epo/yioj e)/ssetai ai¹ei/ ist
also zumindest inhaltlich korrekt und derjenigen der anderen
Handschriften vorzuziehen, die V. 496 stattdessen De/lfeioj
(korrekt eigentlich Delfai=oj), der »Delphische«, haben: vgl.
bereits Farnell 1907, 146 Anm. a; S. 381 Anm. 111. Nach Graf
1979, 5 Anm. 33 paßt allerdings Delfi/nioj nicht ins Metrum des
Hexameters, die Bedeutung von De/lfeioj wiederum »verstehe
ich nicht« (ebenda). Graf meint daher ebenda: »Man sollte die
Stelle mit Gemoll als korrupt ansehen«. – Zum Opfer der »weißen
Gerstengrütze« bzw. des »weißen Gerstenmehls« (V. 491. 509 pu=r
d' e¹pikai/ontej e¹pi/ t’ a)/lfita leukaÜ qu/ontej) vgl.: Malkin
2000, 77 (»les colons allument un feu à des fins sacrificatoires,
puisque ce qu’ils offrent est de la ‘farine blanche’, et non des
offrandes brûlées «).– Zu Hom., Od. 14, 77 a)/lfita leuka/ in der
Bedeutung »weiße Gerstengrütze« als Teil einer Mahlzeit
zusammen mit Ferkelfleisch vgl. Herda 2006b, 70 mit Anm. 400.
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Die ihm dort zusätzlich verliehene Epiklese
'Epo/yioj (»der Auswählende«) verweist darauf, dass
Apollon die Knossier als seine o¹rgi/onej, seinen
Kultverein, der die o)/rgia, die ‘heiligen Riten’
ausführt, »auswählte«300. Er siedelt sie im phokischen
Krisa an, und übergibt ihnen zu ihrem Unterhalt das
landeinwärts gelegene Orakelheiligtum von Delphi zur
Verwaltung301. Dies Orakelheiligtum hatte er selbst
____________________
300
Zu Apollons Epiklese ‘Epopsios’, die auch für Zeus belegt ist
(vgl. Hesych s. v. 'Epo/yioj; Kallim., hymn. Zeus 82), etwa in
Kreta, was in unserem Zusammenhang besonders interessant ist
(ein Zeus Epopsios begegnet als Adressat in einer Weihinschrift auf
einem steinernen Zeiger für eine Sonnenuhr in Itanos auf Kreta im
4. Jh. v. Chr: Guarducci 1942, 111 zu Nr. IV 11 Z. 1 – 2), vgl. die
ältere Forschungsmeinung bei O. Jessen, RE VI 1 (1907) 247 s. v.
Epopsios: »Beiwort der Götter, die von ihrer hohen Warte auf die
Menschen niederschauen, die Freveltaten erkennen und strafen und
Unschuldige schützen.«; vgl. ders., ebenda 248 s. v. Epoptes; Cook
1914, Cook 1925, 1130 – 1131; Kolk 1963, 33 mit Anm. 18. – Der
Kult des Apollon Epopsios ist nicht nur in Krisa, sondern auch in
Didyma für das frühe 3. Jh. v. Chr. nachgewiesen: Didyma II, Nr.
76 'Apo/llwnoj 'Efoyi/ou (Block einer Rundbasis oder eines
Altars); vgl. dazu: Tuchelt 1973, 85. Ehrhardt 1988, 131 – 132
deutet den Ephopsios in Didyma unter Verweis auf Hesych s. v.
e¹po/yomai: qewrh/sw als Orakelgott. Vgl. Fontenrose 1988, 120:
»The name suits the oracular god, but the dedication to a god so
named appears to mean a separate cult, perhaps marked only by an
altar (and image?)«. – Mir erscheinen diese Deutungen nicht
zutreffend. Vielmehr ist die Epiklese 'Epo/yioj in Hymn. Hom.
Ap. 496 eine Anspielung darauf, dass Apollon die Kreter in Krisa
als seine ‘Orgiones’ »auswählt«, damit sie den Kult des Delphinios
in Krisa und das Orakel des Pythios in Delphi anführen (vgl. die
betreffenden Passagen des Hymnos in der folgenden Anm.; dazu
auch hier Anm. 69. 351). Vgl. für diese schon bei Hom., Il. 9, 167
(Boten/Herolde) und Od. 2, 294 (Schiffe) nachweisbare
Wortbedeutung: Liddell – Scott 1948 – 85 s. v. e¹pio/yomai: »I will
choose«. Burkert 1991, 42 mit Anm. 5 weist darauf, dass das Verb
e¹pio/yasqai später nur noch in der attischen Sakralsprache
gebräuchlich war und »die Inanspruchnahme für sakrale Pflichten«
bedeutete. Er weist dazu etwa auf die Auswahl der Arrephoroi
durch den Archon Basileus, die als o( basileu\j e¹pio/yato
a)rrhfo/rouj bezeichnet wird und altes »sakrales Königsrecht«
bedeute (Suda, weitere ältere Beispiele für den Wortgebrauch bei
Burkert 1991, 54 Anm. 5). – Wurde der Kult des Ephopsios in
Didyma also in Anspielung auf denjenigen in Krisa/Delphi bei der
Neugründung des Orakels 331 v. Chr. im Namen des Kultpersonals
eingerichtet, das seine Auswahl durch Apollon Didymeus
beanspruchte? – Die Kreter als o¹rgi/onej des Apollon in
Krisa/Delphi (die überlieferten Handschriften Hymn. Hom. Ap. 389
haben die Akkusativ Plural-Form o¹rgi/onaj, zu erwarten wäre
eigentlich o¹rgho/naj oder o¹rgeio/naj) sind den Molpoi im Kult
des Apollon Delphinios in Milet direkt vergleichbar: vgl. Herda
2006b, 35 – 37. Vergleichbar sind etwa auch die Branchidai im
Kult des Apollon Didymeus in Didyma: hier Anm. 351.
301
V. 388 – 396. 478 – 485. 501. 524 – 543. Der Ort Krisa lag ca.
3,5 km westlich unterhalb von Delphi beim heutigen Ort Chryso
und war spätestens seit dem 4. Jt. v. Chr. besiedelt. Zugehörig ist
der ca. 1,5 km südlich liegende, bis in die Frühbronzezeit (Anfang
3. Jt. v. Chr.) zurückgehende Hafenort Kirrha (südlich der Magula
von Xeropigadi, heute wieder Kirrha), mit dem Krisa schon in der
Antike gleichgesetzt wurde und der später zum Heiligtumshafen
von Delphi wurde: DNP 6 (1999) 850 – 851 s. v. Krisa (G. Daverio
Rocchi); Rousset 2002, 32 – 33. 43 – 44. 185 – 187. 190 – 191.
Abb. 1 – 3. – Möglicherweise verbirgt sich hinter Krisa auch ein
polisartiges Ethnos, das sich aus mehreren Siedlungen
zusammensetzte: Rougemont 2006, 477 Anm. 4; zu solchen
Internationale Archäologie-ASTK 11
53
gegründet, indem er den Grundstein des Tempels
legte302, den Altar baute und das Altarfeuer
entfachte303.
Die Darstellung des Hymnos darf nicht
einfach als »literarische Mache« abgetan werden304,
genausowenig, wie der maritime Aspekt des
Delphinios insgesamt zu leugnen ist305. Vielmehr kann
im synkretistischen Apollon Delphinios, wie schon Th.
Wiegand und andere vermuteten, das minoischmykenische
Substrat
einer
delphingestaltigen
Seefahrergottheit ausgemacht werden306, die zusätzlich
noch Merkmale des hethitischen Telipinu trägt. Im
Rahmen der ‘großen Kolonisation’ in archaischer Zeit
erlangte der Apollon Delphinios dann besondere
Bedeutung307. Die weite Kultverbreitung im
‘dorischen’ wie ‘ionischen’ Siedlungsraum zeigt
jedoch an, dass bereits in protogeometrischer bis
geometrischer
Zeit
im
Zuge
der
Migrationsbewegungen, die gemeinhin als dorische,
aiolische und ionische Kolonisation bezeichnet
werden, der politische Gott Apollon mit dem
Seefahrergott Delphinios zum synkretistischen Kult
des Apollon Delphinios vereinigt wurde308. Eines der
bestimmenden Elemente seines Kultes dürfte dabei die
Verbindung zur Kolonisation gewesen sein.
I. Malkin hat herausgearbeitet, dass Apollon im
Apollonhymnos als doppelter Gründer (Ktistes)
auftritt309: Er gründet nicht nur später das
Orakelheiligtum in Delphi, vielmehr veranlasst er die
Kreter auch, ihm zuerst als Apollon Delphinios einen
Altar bzw. ein Heiligtum am Strand von Krisa zu
errichten, wo das von ihm geleitete Schiff glücklich
anlandete. Hier werden weitere Funktionen des
Apollon deutlich: er ist nicht nur der Gründergott,
sondern auch der Schützer der Schiffe (Nhosso/oj),
Gott der Küste bzw. des Strandes (
)/Aktioj,
'Aktai=oj) und Gott der glücklichen Landung
('Ekba/sioj/'Ekbath/rioj/ 'Epiba/sioj/'Epibath/rioj)
und Ausfahrt ('Emba/sioj)310.
Die Einrichtung des Altares des Apollon
Delphinios und das anschließende Opfer dort am
Strand von Krisa ist als Chiffre für die Gründung der
phokischen Polis Krisa durch den Gott selbst zu
werten311. Die Kreter aus Knossos, die das Feuer des
Altares entzünden, vollführen eine Handlung, die
typisch ist für die Gründung einer Kolonie in
‘Ethnosstaaten’ vgl. etwa Morgan 2003, 124 – 126 zu Krisa. Der
Apollonhymnos mit der Geschichte von der Gründung des
Delphinios weist m. E. aber eindeutig auf ein religiös-kultisches
Zentrum, das die Siedlung bzw. der Siedlungsverband, der unter
dem Namen Krisa figurierte, besessen haben muss.
302
V. 287. 294 – 295.
303
V. 271. 384. 444.
304
RE VI 1 (1936) 862 – 921 bes. 913–916 s. v. Tierdämonen (S.
Eitrem).
305
Die sonst wegweisende Studie von Graf 1979, betont einseitig
den politischen Delphinios und spielt die Verbindung zur Seefahrt
herunter. Der Aspekt der Kolonisation wird gar nicht
berücksichtigt. Zum Apollonhymnos schreibt er ebenda 21: »Die
Ableitung vom Delphin, schon im Apollonhymnus vorausgesetzt
und dort wohl mit ein Grund dafür, dass der Gott mit der Seefahrt
verbunden wurde, erweist sich bei der vorgetragenen Deutung des
Kultes als problematisch.« Vgl. Graf 1985, 219: »Auch diese Form
des Apollon (der A. Delphinios, A. H.), irrigerweise oft als Gott der
Seefahrt bezeichnet, kreist um die Sorge für die Epheben und ihre
Aufnahme in das staatliche Leben.«; vgl. ebenda 57. Graf folgen z.
B. Ehrhardt 1988, 421 Anm. 341; Trümpy 1997, 187; Gorman
2001, 169. 171. 194; Parker 2003, 179. 181 (dazu hier Anm. 9).
306
Th. Wiegand, in: Milet I 3, 407; vgl. ältere Literatur bei Graf
1979, 2 Anm. 1 – 4; Herda 2005, 246 mit Anm. 17; 287 mit Anm.
209. 212; hier Kap. V mit Anm. 161.
Der Delphin ist bereits in der minoischen und mykenischen
Ikonographie v. a. der Siegel als ‘Dämonisches Wesen’ Helfer des
Göttlichen, indem er bei Opferungen assistiert: Marinatos 1986, 48
ff. 71 Abb. 33. 34. 36. 38. 39; Czernohaus 1988, 169 – 184; vgl.
Jung 1997, 144 – 145 mit Anm. 79. Zu tiergestaltigen ‘Dämonen’
in der mykenischen Ikonographie vgl. auch Graf 1997, 496.
307
Vgl. bereits: Gruppe 1906, 1226 ff. Ältere Literatur weiterhin
bei: Graf 1979, 2 mit Anm. 1 – 3; vgl. außerdem: Leipunska 1964,
22; Losev 1957, 277; vgl. dazu Onyshkevych 1998, 41 Anm. 93.
308
Graf 1979, 21 – 22; Graf 1985, 129 weist darauf, dass Apollon
Delphinios im nordionischen Erythrai verehrt wurde (vgl. hier
Anm. 144), im direkt nördlich angrenzenden äolischen
Siedlungsraum bisher jedoch noch nicht nachgewiesen werden
konnte. Er folgert, dass der Gott »wohl der ionischen Siedlerschicht
angehört«. Vgl. dazu bereits Bourboulis 1949, 47. 61, die den ihrer
Meinung nach aus Attika herstammenden ‘ionischen’ Delphinios
dem ‘dorischen’ Karneios gegenüberstellt.
Wilamowitz-Moellendorff 1955, 142 mit Anm. 1 – 2 ging dagegen
davon aus, der Apollon Delphinios sei überhaupt erst mit der von
Delphi geleiteten archaischen Kolonisation entstanden.
309
Malkin 2000, 72.
310
Malkin 2000, 76; vgl. Malkin 1986, 960. 971. Man vgl. auch
Graf 1979, 5: »Steht wirklich hinter der eben erzählten Episode des
Hymnos ein Opfer der ankommenden Pilger in Krisa, so könnte
daraus die Funktion des Apollon Delphinios als Geleiter der
Seefahrer gelesen werden. Anderswo gelten solche Opfer Apollon
Epibasios, gehören so jedenfalls in den Funktionsbereich Apollons«
mit Hinweis auf Apoll. Rhod. 1, 404. – Zum Kult des Apollon
'Ekba/sioj in der milesischen Kolonie Kyzikos vgl. hier Kap. IV
mit Anm. 127 – 130.
311
Vgl. Malkin 2000, 71. 76 – 77, der allerdings nicht von der
Gründung der Polis Krisa, sondern der Polis Delphi ausgeht. Eine
Polis Delphi konnte allerdings erst nach der Zerstörung von Krisa
im sog. ersten Heiligen Krieg ca. 600 v. Chr. entstehen: vgl. schon:
RE IV 2 (1901) 2547 – 2553 s. v. Delphoi (F. Hiller v.
Gaertringen); Graf 1979, 4 – 5; Herda 2006b, 273 – 274. Anm.
1936. Bis zu diesem Zeitpunkt unterstand das Orakelheiligtum der
Polis Krisa, wie der vom Apollonhymnos beschriebene
Prozessionsverlauf Krisa–Delphi deutlich macht. Entsprechend ist
das Aufkommen der volksetymologischen Ableitung des
Ortsnamens Delphi von Delphinios auch erst nach der Zerstörung
von Krisa zu denken, als die neue Polis Delphi die Kontrolle über
den Kult des Apollon Delphinios in Krisa und seinem Hafenort
Kirrha gewann: Graf 1979, 4-5. Möglicherweise wurde der
Ortsname Delphi/Delfoi/ statt des älteren Puqw/ sogar jetzt erst in
Anlehnung an den Kultnamen des Delphinios eingeführt: RE IV 2
(1901) 2527 s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen). – Zu
Krisa/Kirrha vgl. hier Anm. 301; DNP 3 (1997) 411 – 412. s. v.
Delphoi (G. Daverio Rocchi); DNP 6 (1999) 850 – 851 s. v. Krisa
(G. Daverio Rocchi); zum Heiligen Krieg: DNP 5 (1998) 251 – 252
s. v. Heilige Kriege (K.-W. Welwei). – In diese Zeit (6. Jh. v. Chr.)
gehört vielleicht auch der Mythos von dem Kreter Kastalios, der
unter Führung des Apollon Delphinios Delphi als kretische Kolonie
gegründet und ein Heiligtum des Apollon Delphinios erichtet haben
sollte: Etym. Magn. s. v. Delfi/nioj; Tzetzes Schol. Lykophr. 207;
vgl. Bourboulis 1949, 12 – 13. Nr. 36. 38; S. 23 – 24. Anm. 1.
54
archaischer Zeit. Das erste gemeinsame Feuer der
Siedler ist dabei mit der koinh\ e¸sti/a, dem Heiligen
Herd im Prytaneion der neugegründeten Polis
gleichzusetzen312. Die Parallele zu Milet ist wieder
schlagend: auch dort ist der Heilige Herd im
Delphinion zu suchen, so wie übrigens auch in Milets
Kolonie Olbie Polis, im kretischen Dreros und in
Hyrtakina313 und – was eine weitere enge Parallele
zum Aussagegehalt des homerischen Hymnos bietet –
in Knossos, der Heimatstadt der von Apollon
ausgewählten kretischen Seefahrer314. Für Milet ist
zudem der Gründungsakt des Gottes selbst in einer
allerdings nur fragmentarisch erhaltenen literarischen
Beschreibung erhalten: Wie Kallimachos berichtet,
landete Apollon (Delphinios) von Delos, seinem
Geburtsort, kommend auf einem Delphin reitend im
milesischen Vorort Oikous315. Die Tradition der
Gründung eines Altares bzw. eines Heiligtums am
Strand von Milet durch den Gott selbst ist in Analogie
zum Apollon-Hymnos vorauszusetzen, wenn uns auch
die Überlieferung hierfür bisher fehlt. Anzeiger für
eine solche bei den Milesiern gültige Vorstellung ist
die Tatsache, dass die Molpoi als Kultverein des
Apollon Delphinios, zuvorderst aber ihr Vorsitzender,
der Aisymnetes-Stephanephoros, nicht nur den Kult
des Apollon Delphinios besorgten, sondern auch für
die Pflege des Hestia-Prytaneia-Kultes in Milet
zuständig waren316. Sie pflegten den auf Veranlassung
des Gottes errichteten Heiligen Herd und wurden
damit symbolhaft gesprochen zu den Hütern des
gottgegebenen milesischen Staates. Umgekehrt konnte
Apollon Delphinios selbst, wenn sich kein milesischer
Bürger für das kostspielige Amt des AisymnetesStephanephoros
fand,
zum
Aisymnetes-
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Stephanephoros werden317, wodurch die für uns
Heutige merkwürdig anmutende Situation entstand,
dass der Gott – zumindest symbolisch – seinem
eigenen Kult vorstand und gleichfalls für den Kult der
Hestia zu sorgen hatte.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass nach
Kallimachos, der hier sicherlich die milesische
Lokalhistorie zitiert318, der Apollon Delphinios am
Strand des milesischen Vorortes Oikous landete und
nicht in Milet selbst, wo das historische Delphinion am
südöstlichen Strand der Löwenbucht lag (Abb. 1).
Oikous galt den Milesiern als die erste Siedlung der
Minoer, bevor sie auf einer nahegelegenen Insel eine
neue Siedlung gründeten, die nach dem minoischen
Gründer bzw. einer gleichnamigen Siedlung auf Kreta
‘Milatos’, bzw. später ionisch-griechisch ‘Miletos’,
benannt wurde319. Wenn der Apollon Delphinios in
Oikous landete, dann lokalisierte dort die milesische
Tradition auch das erste (minoische) Heiligtum des
Gottes320. Das Delphinion am Löwenhafen konnte
danach nur dasjenige sein, das bei der Verlegung der
minoischen Siedlung vom Festland auf die Insel neu
eingerichtet wurde. Dorthin, so dürfen wir den nur in
Fragmenten erhaltenen Gründungsmythos ergänzen,
brachten die ionischen Gründerheroen um den
Kodros-Sohn Neileos schließlich auch die Flamme des
Heiligen Herdes des Prytaneions von Athen, um das
politische Zentrum des ionischen Milet neu zu
gründen321.
Abwegig erscheint diese Rekonstruktion des
Gründungsmythos keineswegs, zumal der im
‘Homerischen’
Apollonhymnos
überlieferte
Gründungsmythos von Krisa, versinnbildlicht in der
____________________
317
____________________
312
Malkin 2000, 77; vgl. Detienne 1990, 307. 310. Zum Heiligen
Herd und seiner Bedeutung bei Kolonisationsunternehmen vgl.
umfassend Malkin 1987, 114 – 134.
313
Vgl. Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 158 – 159. – Zu Dreros
und Hyrtakina vgl. jetzt: D’Acunto 2005, 46 –48. 55. Ebenda 48
geht D’Acunto jedoch davon aus, dass das Prytaneion von Dreros
nicht im Herdtempel an der Agora zu suchen ist, den er mit dem
Delphinion gleichsetzt (ebenda 22 – 24). Zur Identifizierung des
Delphinions von Dreros vgl. hier Anm. 38.
314
Im Delphinion von Knossos wurden laut Aussage von
Inschriften zumindest seit dem 3. Jh. v. Chr. Proxeniedekrete
aufgestellt, was auf die Abhaltung von Gastmählern am Staatsherd
ebendort hinweist: Guarducci 1935 (= ICr I), VIII Nr. 8 (201 v.
Chr.). 10 (3./2. Jh. v. Chr.). 12 (Ende 2. Jh. v. Chr.). Zudem
standen hier wie im Delphinion von Milet Staatsverträge: ICR I,
VIII Nr. 6 (um 250 v. Chr.). 13 (nach 145 v. Chr.?); ICR I, XVI Nr.
3 – 5 (Ende 2. Jh. v. Chr.); vgl. Graf 1979, 10 mit Anm. 85. Zur
Datierung der knossischen Urkunden vgl. Herda 2006b, 276 Anm.
1951. – Vgl. außerdem den milesischen Vertrag mit Knossos (Milet
I 3, Nr. 140 A Z. 7 – 8; ca. 260 – 220 v. Chr.), der ausdrücklich im
Apollon (Delphinios)-Heiligtum in Milet und im Apollon
(-Delphinios)-Heiligtum in Knossos aufgestellt werden sollte.
315
Kallim., Branchos fr. 229 Z. 12 – 13. (Pfeiffer); Herda 2005,
288 – 289. mit Anm. 216 – 219; 291 mit Anm. 230; vgl. hier Kap. I
mit Anm. 17.
316
Vgl. hier Kap. I mit Anm. 23.
Zu Apollon Delphinios als Aisymnetes-Stephanephoros: Herda
2006b, 39 – 40. Anm. 175; 35 mit Anm. 153; 76 Anm. 440; 293
mit Anm. 2085; 409 mit Anm. 2904.
318
Vgl. zur »intensiven Heranziehung« der milesischen Lokal- und
Gründungsgeschichten durch Kallimachos: Ehrhardt 2003b, 284.
319
Vgl. Schol. Dion. Periheg. 825; dazu: Herda 2005, 288 – 289.
mit Anm. 216 – 219. Die Tradition von Milatos als mythischem
Gründer Milets lässt sich bis zu Herodoros von Herakleia FGrHist
31 F 45 (5. Jh. v. Chr.) zurückverfolgen, ist also älter als die
Erwähnung bei Ephoros FGrHist 70 F 127 (4. Jh. v. Chr.):
Sourvinou-Inwood 2005, 269 – 270. mit Anm. 149. Ephoros als
älteste Quelle vermutete dagegen: Prinz 1979, 97 ff. bes. 109 – 111
zu Test. 80; danach z. B. DNP 8 (2000) 170 s. v. Miletos [1] etc.,
(L. Käppel). – Anknüpfungspunkt für diesen Mythos war die
Homonymie des Ortsnamens der Siedlung am Golf des Mäander
mit dem kretischen Milatos: Prinz 1979, 107. 111; Gorman 2001,
19 – 20; vgl. schon Ephoros. – Die neuesten Ergebnisse der
Grabungen im bronzezeitlichen Milet, dem Mil(l)awanda/Milawata
der hethitischen Texte, lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass
der Ortsname Millawanda-Miletos tatsächlich auf ein kretischminoisches Toponym *Mil(l)Mtos zurückgeht: Herda (im Druck),
Kap. VIII mit Anm. 215 – 216.
320
Vgl. auch Parke 1985, 226 Anm. 7: »Callimachus fr. 229. He
described Apollo as brought by a dolphin from Delos, Oi¹kou/s]ion
ei¹j a)/stu. The use of the periphrasis for Miletus [gemeint ist
‘Oikous’, A. H.], as George Huxley points out to me, may be meant
to suggest a pre-Ionian setting«.
321
Vgl. Hdt. 1, 146; dazu: Malkin 1987, 117 ff.; Herda 2006b, 159
– 160 mit Anm. 1145–1147.
Internationale Archäologie-ASTK 11
Gründung des Delphinions am Strand von Krisa durch
Apollon selbst, ebenfalls in der heroischen Zeit
angesetzt ist, in der die minoischen Kreter zum
mykenischen Pylos enge Kontakte besaßen. Außerdem
folgten die griechischen Gründungsmythen, wie F.
Prinz festgestellt hat, immer dem Ziel, das Alter einer
Stadt »in ältestmögliche Zeit hochzudatieren«322.
Der archäologische Befund zeigt freilich im
Delphinion am Löwenhafen ein ganz anderes Bild:
Am Ort kann das Heiligtum erst im 6. Jh. v. Chr.
entstanden sein, es wurde also erst zu diesem
Zeitpunkt dorthin verlegt323. Und auch die
Religionsgeschichte lässt vermuten, dass der
synkretistische Apollon Delphinios-Kult erst in der
frühen Eisenzeit (11.–10. Jh. v. Chr.) entstanden ist,
wenn er sich auch aus den wohl bronzezeitlichen
Göttern Apollon und Delphinios zusammensetzt (vgl.
Kap. I).
Der Apollon Delphinios dürfte aber
zumindest nach der Vorstellung der Milesier
mythischer Gründer ihres sakralen und politischen
Zentrums und damit auch des Polisstaates als Ganzem
gewesen sein, was ihn direkt mit dem bronzezeitlichen
hethitischen Gott Telipinu vergleichbar macht.
Apollon Delphinios war gleichsam die Personifikation
der Staatlichkeit. In identischer Funktion erscheint er
wie oben erschlossen wurde etwa auch in Krisa,
Dreros, Knossos und Olbie Polis. In Athen wird dieser
Bezug durch die enge Verbindung des Apollon
Delphinios mit dem attischen Staatsgründer und Heros
Theseus deutlich324. In der Inselpolis Aigina wurde
Apollon (Delphinios) im Monat Delphinios als
Oi¹kisth/j (»Gründer [der Stadt]«) und Dwmati/thj
(»zum Haus [des Staates] gehörend«) im dortigen
Delphinion geopfert, wodurch auch in Aigina der
Apollon Delphinios-Kult – neben demjenigen des
Zeus – als wichtigster Staatskult erkennbar wird, das
Delphinion als Zentrum des Staates (Prytaneion)325.
____________________
322
Prinz 1979, 109. Vgl. zu den verschiedenen Mythenversionen
der Gründung Milets, die insgesamt dem Ziel dienten, den
Ursprung der Polis in möglichst weit zurückliegende mythische Zeit
zurückzuverfolgen: Herda 1998, Hauptblatt 9 – 10 Anm. 52 – 53;
Herda 2006b, 308 mit Anm. 2192; Sourvinou-Inwood 2005, 268 –
309. Zur mythischen Kolonisation von Kyzikos durch die
Argonauten vgl. hier Kap. IV mit Anm. 130. – Zum zeitlichen
Ansatz der Gründung Krisas und Delphis in minoisch-mykenischer
Zeit vgl. oben mit Anm. 296. Nach Homer, Od. 8, 79 – 81 war das
Orakel in Delphi bereits vor dem trojanischen Krieg tätig: vgl.
unten mit Anm. 349.
323
Hierzu Herda 2005, 258 mit Anm. 78; 290 – 291 mit Anm. 229
– 230.
324
Farnell 1907, 146; Bourboulis 1949, 38 – 43; Graf 1979, 9 – 10.
13 – 19.
325
Zum Opfer an Apollon ‘Oikistes’ und ‘Domatites’ in Aigina vgl.
Schol. Pind., Nem. 5, 81a = Pythainetos FGrHist 299 F 6 (2. Jh. v.
Chr.); dazu: Farnell 1907, 135. 148. 367 – 368. Anm. 34 d;
Bourboulis 1949, 11 Nr. 26; S. 61. 70; Graf 1979, 4. 18 – 19. – Zu
Apollon (Delphinios?) Oikistes in Aigina vgl. den Apollon
(Didymeus) Archegetes Oikistes in Kyzikos (Ail. Arist., or. 16, 237;
dazu hier Kap. IV mit Anm. 122 – 125) bzw. den Apollon (Pythios)
Archegetes in Naxos: Thuk. 6, 3, 1; dazu hier Kap. IV mit Anm.
55
Die Doppelfunktion des Apollon Delphinios
als politischer Gott und Gott der Seefahrt und
Kolonisation ist für Milet aus dem Vergleich mit dem
‘homerischen’ Apollonhymnos problemlos zu
erschließen. Die Parallelen betreffen sogar die
bildliche Gottesvorstellung: Wie im Hymnos, so
figuriert der synkretistische Gott auch in Milet als
anthropomorpher Kouros (Abb. 2) und theriomorpher
Delphin326.
126; Kap. IX mit Anm. 334 – 335. – Farnell 1907, 148 übersetzt
Dwmati/thj (von dw½ma, »Haus«, abgeleitet) mit »builder of the
home«; Liddell – Scott 1948 – 85 s. v. dwmati/thj übersetzen mit
»belonging to the house«. O. Jessen, RE V 1 (1903) 1294 s. v.
Domatites setzt den Domatites in Anlehnung an Wide 1893, 46. 84
– 85 mit dem Apollon Oi¹ke/thj gleich und deutet ihn als »Hausund Gentilgott« (vgl. Wide 1893, 46: »der im Hause verehrte«). F.
Jacoby, FGrHist, Dritter Teil b, Kommentar zu Nr. 297 – 607
(Noten) (1955, Reprint 1969) 3 Anm. 7 meinte dazu übertrieben
skeptisch: »Die Deutung als ‘Haus- und Gentilgott’ (Sam Wide
Lakon. Kulte p. 46; 84) ist leider keineswegs sicher.« – Nach dem
hier Ausgeführten wird mit dem »Haus« das »‘Urhaus’ des Staates«
respektive das Prytaneion als Regierungssitz der Polis Aigina mit
dem Heiligen Herd im Zentrum gemeint sein, das im Delphinion
von Aigina zu suchen ist. Hierfür spricht zudem, dass auch die
Herdgöttin Hestia den Beinamen Dwmati=tij führte: Aischyl., Ag.
968 (im Palast des Agamemnon in Mykene); vgl. Wide 1893, 46;
Jessen a. O. – Das Prytaneion von Aigina ist in einer Inschrift des 2.
Jhs. v. Chr. im Zusammenhang mit der dortigen öffentlichen
Speisung (Sitesis) eines Pergameners genannt: M. Fränkel, IG IV 1
(1902) 1 ff. Nr. 3 Z. 44 – 45. si/th|s]in e¹n prutanei/wi (Ehrung
für Kleon, Sohn des Strategos, ca. 158 – 144 v. Chr.); vgl. dazu:
Walter-Karydi 2000, 95 mit Anm. 19. Zu Apollon Delphinios in
Aigina vgl. Herda 2006b, 248 – 249 mit Anm. 1770. Auf den Kult
ist auch in Pind., Isth. 9, 6 f. angespielt, wo die Aigineten »wie
Delphine in der See« beschrieben werden: Hornblower 2007, 287
Anm. 3. – Der ‘Aiginetische’ Apollon, dem ein gewisser Sostratos
(wahrscheinlich der aiginetische Händler, den Herodot 4, 152
erwähnt) ca. 500 v. Chr. einen Steinanker im etruskischen Gravisca
(griech. Agylla) im dortigen Heiligtum des griechischen Emporions
weihte (Jeffery 1961, 416. 439 – 440. Inschrift Aigina »E«; Taf. 73,
7: 'Apo/…lon…oj 'Aigina/…ta e¹m…i\ So/st…ratoj… e¹poi/e…se ho
[?I]…[--]; Boardman 1988, 206 mit Abb. 245: Johnston 2000, 15 –
16. Nr. 1), ist m. E. der Apollon Delphinios. Demgegenüber nimmt
Walter-Karydi 2001, 97 an, es habe sich hier um den Apollon
Pythios gehandelt, der in Aigina ein großes Heiligtum mit einem
Bankettgebäude, dem sog. Thearion, besaß: vgl. Pind., Nem. 3, 70
mit Scholien; dazu: Walter-Karydi 2001, 87 – 95 Abb. 2 – 5. – Den
überragenden Rang des Zeuskultes in Aigina erweist die von
Herodot (2, 178) überlieferte Information, die Aigineten hätten in
Naukratis ein Heiligtum des Zeus eingerichtet, wie dies die Milesier
für ihren Hauptgott Apollon und die Samier für ihre Stadtgöttin
Hera getan hätten. Dieser Zeus war wahrscheinlich der Zeus
Hellanios, der auf dem Berg Panhellanios verehrt wurde: s. o. Kap.
VII mit Anm. 211 – 212.
326
Zu Apollon Delphinios als Kouros im Apollonhymnos: hier Kap.
I mit Anm. 38 (ebenda mit Hinweis auf die ungefähr zeitgleiche
Darstellung des Gottes aus dem Delphinion von Dreros); – als
Delphin: oben mit Anm. 294 – 299. Münzzeichen der Polis Delphi
war in spätarchaischer und frühklassischer Zeit neben dem Widder
der Delphin (vgl. etwa: Head 1884, 24 – 25 Taf. 4, 1 – 12), ebenso
trug die Kassettendecke im spätarchaischen Apollontempel von
Delphi wahrscheinlich Delphindarstellungen (vgl. die Darstellung
auf den Rückseiten delphischen Tridrachmen der frühklassischen
Zeit: Franke – Hirmer 1972, 102 – 103 Taf. 146 unten rechts).
Diese Darstellungen sind nicht nur als Anspielung auf die
Ableitung des Ortsnamens Delphi von Delphin zu deuten (ältere
Literatur bei Herda 2006b, 273 – 274 mit Anm. 1936), sondern sind
56
In diesem Kontext ist weiterhin darauf zu verweisen,
dass
der
Beginn
der
Hauptseefahrtssaison
wahrscheinlich mit dem milesischen Neujahrsfest für
Apollon Delphinios und Apollon Didymeus
zusammenfiel, das im Monat Taureon, der unserem
April/Mai entspricht, gefeiert wurde327.
Die weite Verbreitung des Kultes in den
milesischen Kolonien kann als wichtiges zusätzliches
Indiz für eine Doppelfunktion gewertet werden (Abb.
8)328. Apollon Delphinios war prädestiniert, als
Stadtgott in den politisch eigenständigen Kolonien zu
dienen. Eine Parallele hierfür bietet die Übertragung
des Apollon-Delphinios-Kultes vom nordionischen
Phokaia in dessen Kolonie Massalia, die
wahrscheinlich wie auch die Übertragung des ArtemisEpheseie-Kultes dorthin, vom Orakel des Apollon
Didymeus sanktioniert worden ist329.
auch auf den Kult des Apollon Delphinios in Krisa zu beziehen, der
nach der Zerstörung Krisas von der neuen Polis Delphi
übernommen worden sein dürfte: s. o. Anm. 311. – Zu Apollon
Delphinios als Kouros in Milet vgl. man die Darstellung des von
Demetrios gegen 100 v. Chr. geschaffenen Kultbildes für das
Delphinion in Milet. Es zeigt den Gott als nackten jungen Mann:
hier Kap. I mit Anm. 29; Abb. 2. Auch den ‘rationalisierten’
Delphinreiter Apollon Delphinios, wie ihn Kallimachos, Branchos
fr. 229 Z. 12 – 13 überliefert (vgl. hier Kap. I mit Anm. 17; Kap. IX
mit Anm. 315), hat man sich als Kouros vorzustellen. Die
Mythenrationalisierung, seit Hekataios gern geübt (vgl. etwa: Graf
1987, 117 ff. 168 ff.), blühte unter dem EinFluss des Aristoteles in
der alexandrinischen Akademie, etwa bei Theophrast, Palaiphatos
und eben Kallimachos: Brodersen 2002, 9 ff. – Ursprünglicher
dürfte allerdings die Vorstellung sein, dass Apollon Delphinios als
Delphin das Meer durchquert und erst am Strand zum Kouros
mutiert: Herda 2005, 287 Anm. 212. Für die Delphingestalt
vergleiche man die spätarchaischen Münzen der milesischen
Kolonie Olbie Polis, die wie der Gott selbst als Delphin gebildet
sind: hier Kap. V mit Anm. 160 – 161.
327
Farnell 1907, 148; Bilabel 1920, 82; Bourboulis 1949, 63 – 69
(sie unterscheidet den eigentlichen Beginn der Seefahrt zur Zeit der
Großen Dionysia in Athen im Monat Artemision [März/April; vgl.
Theophr., char. 3] vom Beginn der Hauptseefahrtssaison im
April/Mai); dagegen Graf 1979, 6 – 7, der dieser Unterscheidung
nicht folgt und den Beginn der Hauptseefahrtssaison im Artemision
ansetzt.
328
Vgl. schon Bourboulis 1949, 77 – 78, deren Resümée mit dem
Kult in Milet endet. Allerdings hat Bourboulis die politische
Komponente des Kultes weitgehend verkannt.
329
Zum Kult des Apollon Delphinios und der Artemis Epheseie in
Massalia vgl. Strab. 4, 1, 4 p. 179c; dazu: Salviat 2000, 25–31 (vgl.
dazu hier Anm. 149). Zu Apollon Delphinios als Hauptgott
Massalias auch: Salviat 1992, 143 – 144; Herda 2006b, 275 Anm.
1945. Furtwängler 1978, 290. 293 verbindet zwei massaliotische
Silbermünzemissionen mit dem Delphinioskult: Obolen mit einem
jugendlichen Männerkopf mit Krobylosfrisur (ebenda 110 – 122
Groupe C; Taf. 3 – 5; ca. 490 – 470 v. Chr.) sowie
Hemitetartemoria mit Delphinköpfen (ebenda 272 – 273 Groupe
BB, BBa; Taf. 39; ca. 490 – 470 v. Chr.). – Aufgrund des Befundes
in Massalia ist der Apollon-Delphinios-Kult für die Mutterstadt
Phokaia vorauszusetzen, wieder in Analogie zum Befund in Milet
und seinen Kolonien; vgl. schon RE IV 2 (1901) 2547 s. v. Delphoi
(F. Hiller v. Gaertringen); Bilabel 1920, 83 und bes. 243 der
vermutete, »dass der Delphinios die Phokäer nach Massalia führte«;
vgl. auch Gorman 2001, 170 Anm. 11. Dies ist von Graf 1979, 3;
Graf 1985, 410 – 417 nicht berücksichtigt worden. Salviat 2000, 28
leitet den Kult des Apollon Delphinios in Massalia stattdessen nicht
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Die Parallelisierung der Situation in Milet –
Didyma mit derjenigen in Krisa – Delphi geht noch
weiter: Die im Apollonhymnos beschriebene
Prozession von Krisa zum Orakelheiligtum in Delphi,
die Apollon Phorminx spielend anführt, während die
Kreter ihm Paiane singend folgen, kennzeichnet die
Richtung der Kultverbreitung des Gottes: zuerst Krisa,
dann Delphi. Man vergleiche wieder die Situation in
Milet, wie sie Kallimachos in seinem ‘Branchos’
beschreibt: Apollon landet zuerst auf einem Delphin
reitend in Oikous-Milet. Dann erst trifft er, von dort
kommend, in einem Wald im Gebiet von Milet den
Hirten Branchos. Am Ort des Treffens gründet er das
Orakel und macht Branchos zum ersten Mantis330.
Andererseits wird durch den Prozessionsritus
die enge Zusammengehörigkeit von Krisa und Delphi
– auf die übrigens schon Homer anspielt – deutlich
gemacht. Letztere Funktion hat auch die
Neujahrsprozession zwischen Milet und Didyma,
deren Anfänge bis in die Jahre um 700 v. Chr.
zurückverfolgt werden können331. In beiden Fällen ist
also zumindest ursprünglich ein Orakelheiligtum durch
eine Prozessionsstraße fest an eine Polis angebunden,
deren religiös-politisches Zentrum, d. h. Prytaneion,
ein Apollon-Delphinios-Heiligtum bildet. Der
Unterschied liegt in der späteren Entwicklung:
Während das Orakel von Pytho-Delphi schon früh
einen panhellenischen Charakter erlangte und
spätestens nach der Zerstörung der Polis Krisa im
ersten ‘Heiligen Krieg’ (ca. 600 v. Chr.) gänzlich
unabhängig
wurde,
sich
sogar
die
Herrschaftsverhältnisse zwischen beiden Orten in dem
Sinne umkehrten, dass jetzt Krisa/Kirrha mit seinem
Delphinion zu einer Art Heiligtumshafen für die neue
Polis Delphi wurde, Delphi selbst ein eigenes, neues
Prytaneion erhielt332, blieb das Orakel von Didyma
aus Phokaia, sondern aus Milet her. – Zur Übertragung des
Artemis-Epheseie-Kultes vgl. hier Kap. IV mit Anm. 148 – 149.
330
Kallim., Branchos fr. 229 (Pfeiffer); vgl. Dieg. 10, 14. – Die
knapp gehaltene Bemerkung in Dieg. 10, 14 und der
fragmentarische Zustand des Kallimachos-Gedichtes führen immer
wieder zu dem Missverständnis, Apollon sei als Delphinreiter direkt
bei Didyma gelandet: vgl. hier Kap. I mit Anm. 17. Die Analogie
der Situation in Krisa-Delphi, wie sie der Homerische
Apollonhymnos liefert, kann stattdessen als Indiz gewertet werden,
dass Apollon nach dem Verständnis der Milesier erst in OikousMilet landete, bevor er dann nach Didyma zog, um sein Orakel zu
gründen.
331
Zur Prozession Krisa–Delphi vgl. Hymn. Hom. Ap. 513 – 523;
vgl. Herda 2006b, 268 – 271. – Homer, Il. 2, 519 – 520 nennt Pytho
(der alte Name von Delphi; s. o. Anm. 311) mit Krisa in einem Zug
als von den Phokern Epistrophos und Schedios, Söhnen des Iphitos,
beherrscht: Puqw=na/ te petrh/essan | Kri=sa/n te zaqe/hn.
332
Vgl. zur Zerstörung der Polis Krisas hier Anm. 311. Zu Krisa als
Heiligtumshafen von Delphi vgl. bes. Graf 1979, 5. Zur Identität
von Krisa und Kirrha vgl. hier Anm. 301. Zum Prytaneion von
Delphi und seinem Heiligen Herd vgl. Miller 1978, 11. 17. 30. 139
– 140 Nr. 26; S. 159 Nr. 139; S. 171 Nr. 212; S. 187 – 189 Nr. 288
– 305; S. 227 – 228; Malkin 1987, 118 – 119. Zu den Prytanen von
Delphi vgl. Roux 1970, 117 – 132. Zur möglicherweise erst gegen
Internationale Archäologie-ASTK 11
immer als ‘extraurbanes’ Heiligtum an Milet
angebunden und wurde von der Polis kontrolliert.
Schlussendlich ist noch einmal auf die
Bedeutung der beiden Orakel in Delphi und Didyma
für die Kolonisation einzugehen: Die Rolle Delphis
bei den Kolonisationsunternehmen der griechischen
Poleis ist in vielen Studien eingehend behandelt
worden333. I. Malkin konnte plausibel machen, dass
Delphi schon für die chalkidische Gründung Naxos auf
Sizilien (gegründet ca. 730 v. Chr.) Pate stand334. Der
dort verehrte Apollon Archegetes ist der Apollon
Pythios von Delphi in seiner Funktion als ‘Anführer’
der Kolonisten335. Seinem panhellenischen Charakter
entsprechend sanktionierte Delphi die Kolonisation
vieler verschiedener Griechenstädte vor allem im
westlichen Mittelmeer und in Nordafrika. Sein weiter
Wirkungskreis sicherte ihm eine entsprechend große
Klientel, die auch mehr Einnahmen für das
Heiligtumspersonal in Delphi bedeutete. Dieses
Vorgehen ist durch den Gott selbst legitimiert: Im
Apollonhymnos animiert er die knossischen Händler,
sein Kultverein zu sein. Ihre Zweifel an der
Lukrativität des Unternehmens, sich an einem
unfruchtbaren und ungeliebten Ort niederzulassen (V.
529 ou)/te trughfo/roj h(/de g’ e¹ph/ratoj), wischt er
mit der Aussicht auf einträgliche Geschäfte durch das
Orakel hinweg (V. 478 f.)336:
a)ll' e¹nqa/de pi/ona nho\n,
eàcet' e¹mo\n polloi=si tetime/non
a)nqrw/poisin:
»Ihr
werdet
Besitzer
hier
meines
schatzreichen Tempels, den viele Menschen
verehren.« (Übersetzung A. Weiher)
Apollon
Wie hier gezeigt wurde, trat das Orakel des
Didymeus Milesios demgegenüber –
600 v. Chr. erfolgten Umbenennung von Pytho in Delphoi vgl. hier
Anm. 311.
333
Beispielhaft Malkin 1987, 17 – 91; vgl. hier Anm. 101.
334
An der Gründung war neben der Polis Chalkis auf Euböa auch
die kykladische Inselpolis Naxos beteiligt, was die Namensgebung
der Kolonie erklärt: Hellanikos FGrHist 4 F 82; Thuk. 6, 3, 1; Diod.
14, 88, 1; vgl. dazu, DNP 8 (2000) 765 – 767 s. v. Naxos 1 (H.
Sonnabend); DNP 8 (2000) 767 – 768 s. v. Naxos 2 (G. Falco – E.
Olshausen).
335
Zum Apollon Archegetes im sizilischen Naxos (Thuk. 6, 3, 1)
und seiner von Malkin erkannten Verbindung zum Apollon Pythios
vgl. hier Kap. IV mit Anm. 126. Dem Apollon (Pythios) Archegetes
in Naxos ist etwa auch der Apollon (Didymeus) Archegetes
Oikistes in Kyzikos (Ail. Arist., or. 16, 237; vgl. dazu hier Kap. IV
mit Anm. 122 – 125) oder der Apollon (Delphinios) Oikistes
Domatites in Aigina vergleichbar (Schol. Pind., Nem. 5, 81 =
Pythainetos FGrHist 299 F 6; dazu hier Kap. IX mit Anm. 325).
336
Vgl. auch V. 482 – 483. 501. 524 – 543; s. o. mit Anm. 300.
Den Reichtum des Orakels von Delphi an Dreifüßen (vgl. Hom.
Hymn. Ap. 265) und Tieren (Rinder, Schafe, Pferde) kennt schon
Homer, Il. 9, 404 – 405.
57
entsprechend seiner engen Anbindung an eine einzelne
Polis, nämlich Milet – als oberste Instanz und
Schutzmacht der milesischen Kolonisation auf, die
insbesondere auf die Kontrolle der Propontis und des
Schwarzen Meeres mit all ihren Ressourcen abzielte.
Eindeutig wird dies durch den Orakeltext auf dem
Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis für das spätere
6. Jh. v. Chr. erwiesen (Abb. 7a-c)337.
Die phokäische Kolonie Massalia im
Rhônedelta (gegründet ca. 600 v. Chr.) scheint etwas
aus dem Rahmen zu fallen. Gesetztenfalls, diese
Gründung ist tatsächlich mit Hilfe des Orakels von
Didyma und nicht Delphis geschehen, würde sich eine
Konkurrenz zwischen Delphi und Didyma338 in dem
Sinne andeuten, dass Didyma nicht nur die
Kolonisation Milets, sondern auch diejenige weiterer
ostionischer
Poleis
sanktionierte,
die
dann
gegebenenfalls ihre Kolonien auch im EinFlussbereich
des Orakels von Delphi gründeten339.
In ihren Funktionen glichen sich die beiden
Orakel in Delphi und Didyma bis in die Details (vgl.
Kap. IV–V). Wie der Apollon Pythios, so trat der
Apollon Didymeus als ‘Archegetes’ (in Kyzikos) und
‘Kathegemon’ (in Apollonia am Rhyndakos) an Stelle
eines menschlichen Oikistes auf, führte die Siedler
persönlich an den Ort der Gründung, richtete Kulte als
‘Exegetes’ (in Kyzikos, Olbie Polis, evtl. Massalia und
Naukratis) ein oder bestimmte die Oikistai, sandte sie
aus (Themistagoras in Phasis, evtl. Anaximandros in
Apollonia Pontike)340 und schützte sie als ‘Hegemon’
(Phasis).
Die Tätigkeit der beiden Orakel war an die
beiden Orakelorte mit ihren für die Orakel
lebenswichtigen Einrichtungen, etwa das Kultpersonal
____________________
337
Damit bestätigt sich die in der älteren Forschung nur
vermutungsweise geäußerte Meinung, das Orakel von Didyma habe
die milesische Kolonisation sanktioniert (vgl. hier Kap. IV mit
Anm. 98 – 99). Die Zweifel von Malkin 1987, 17, die er mit dem
Fehlen authentischer archaischer Gründungsorakel begründet, sind
daher hinfällig.
338
Salviat 2000, 27 Anm. 6: »La rivalité des deux oracles – Pytho
et Didymes – ne fait pas de doute«.
339
Vgl. dazu auch Greaves 2002, 124 – 127 bes. 124, der vermutet,
dass z. B. die ionischen Poleis Klazomenai, Erythrai und der
Inselstaat Paros, die mit Milet zusammen Kolonien gründeten,
gleichfalls das Orakel von Didyma konsultierten. Ebenda 124 weist
Greaves auf Herodot (1, 157), der von Konsultationen durch Ioner
und Äolier spricht. Eine Sammlung der überlieferten Orakel durch
J. Fontenrose (Fontenrose 1988, 177 – 244), die Greaves 2002, 125
Abb. 3.19 kartiert hat, zeigt außerdem, dass Lyder und Karer das
Orakel befragten. – Aus Hdt. 1, 165, 1 und 1, 167, 4 geht allerdings
hervor, dass Phokaia seine Kolonie Alalia auf Korsika ca. 565 v.
Chr. aufgrund eines Orakels »der Pythia«, also Delphis, gegründet
hat: Malkin 1987, 17. 72 – 73. Klazomenai stiftete noch vor der
Eroberung von Sardes durch die Perser ca. 548/7 v. Chr.,
möglicherweise aus Anlass eines Sieges gegen die Lyder, ein
Schatzhaus nach Delphi: Hdt. 1, 16. 51; dazu: RE IV 2 (1901) 2549
– 2550. s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen). Zum delphischen
Orakel bezüglich der Nachgründung der milesischen Kolonie
Sinope vgl. hier Anm. 99.
340
Zu den namentlich bekannten Gründern milesischer Kolonien
vgl. hier Kap. IV mit Anm. 114.
58
(Kreter, Branchidai, Mantis, Pythia) oder die heiligen
Orte, mit den Kultmälern (Lorbeer, Quelle) gebunden:
Keines der zahlreichen Filialheiligtümer des Apollon
Pythios, die über das ganze Mittelmeer verstreut waren
und die diesen speziellen Apollonkult als den
weitverbreitetsten ausweisen341, hatte eine Delphi
vergleichbare Funktion. Ebenso gibt es keine
Anzeichen dafür, dass die Filialheiligtümer des
Apollon Didymeus Milesios in Naukratis, Olbie Polis
oder Phasis Orakel erteilten. Eine Sonderrolle mag
vielleicht noch dem Kult des Apollon Didymeus in
Sogdiana zugekommen sein, den die Branchidai in
ihrem Exil seit 494 oder 479 v. Chr. ausgeübt haben
werden, bevor sie von Alexander ausgelöscht wurden
(vgl. Kap. VI). Während das Orakel in Didyma
schwieg, weil sein Kultpersonal, eben diese
Branchidai, fehlten, mangelte es allerdings den
Branchidai in Sogdiana an der heiligen Orakelstätte
von Didyma mit dem Lorbeer und der Heiligen Quelle,
so dass auch in Sogdiana schwerlich ein Orakel
bestanden haben wird. Dass die Branchidai trotzdem
sterben mussten342, wird nicht durch ihren Verrat der
griechischen Sache an die Perser erklärt werden
können, da übertreibt die Propaganda zu
offensichtlich. Ihre Ermordung wird vielmehr – wie H.
W. Parke vermutet –, mit der Neueinrichtung des
Orakels von Didyma zusammengehangen haben, die
unter Alexander erfolgte: Das von Milet gesteuerte
Orakel343 sollte – um seine Kontrollierbarkeit und
____________________
341
Zur Kultverbreitung s. die ältere Zusammenstellung bei RE II 1
(1895) 1 – 111 bes. 64 – 68 s. v. Apollon (K. Wernicke); RE XXIV
(1963) 566 – 567 s. v. Pythios [1] (H. v. Geisau). Vgl. Parker 2003,
181: »If we accept and conflate the results of recent studies we
might suggest that Apollo Pythios is Apollo in his most general
aspect«. Die weite Verbreitung des Apollon Pythios-Kultes dürfte
vor allem vom Orakel des Gottes in ‘Pytho’-Delphi seit dem 8. Jh.
v. Chr. propagiert worden sein: Suárez de la Torre 1998, 69 – 70;
vgl. Caldas 2003, 34 – 35 Anm. 187; vgl. hier Anm. 273 zu
Naukratis. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die
Epiklese Pythios bei Homer nicht gebraucht wird, vielmehr zuerst
im sog. Homerischen Apollonhymnos (V. 370 – 374) begegnet, wo
sie dadurch erklärt wird, dass Apollon in Pytho (= Delphi) eine
Drachin tötete, die dann »verweste« (griechisch pu/qesqai). Die
Epiklese ist demnach vom Ortsnamen abgeleitet: s. WilamowitzMoellendorff 1903, 579; RE IV 2 (1901) 2517 – 2538 bes. 2525 (F.
Hiller. v. Gaertringen); RE XXIV (1963) 515 – 547 bes. 517 s. v.
Pythia [1] (W. Fauth); RE XXIV (1963) 566 – 567 s. v. Pythios [1]
(H. v. Geisau); RE XXIV (1963) 569 – 580 bes. 571 – 572 s. v.
Pytho [1] (S. Lauffer). Die Umbenennung von Pytho in
Delphi/Delphoi erfolgte wahrscheinlich erst nach der Zerstörung
Krisas im ersten Heiligen Krieg: s. o. Anm. 311.
342
Zur Historizität der Branchidai und ihrer Verschleppung nach
Sogdiana vgl. hier Kap. III mit Anm. 67; Kap. VI mit Anm. 182.
188 – 194; zum archaischen Alter des Branchos-Mythos als
genealogischem Mythos der Branchidai vgl. hier Kap. III mit Anm.
67 – 68.
343
Zu den von Milet bestellten Kosmoi als wahrscheinlichen
Nachfolgern der Branchidai als Kultverein des Apollon Didymeus
vgl. hier Anm. 69. Der ‘Prophetes’ als vermutlicher Vorsitzender
der Kosmoi wurde aus den fünf milesischen Demen per Wahl für
jeweils ein Jahr bestimmt: Herda 2006b, 34 Anm. 146 mit älterer
Literatur. Die ‘Prophetis’ als Medium des Orakels (vgl. hier Text
mit Anm. 355) wurde von Apollon selbst durch ein ‘Investitur-
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Autorität zu wahren – mit milesischer Stimme
sprechen und nicht mit derjenigen der aus dem tiefsten
Innerasien
möglicherweise
zurückkehrenden
Branchidai. Deshalb rieten die Milesier im Heer des
Alexander ihm wohl, die Branchidai zu ‘bestrafen’344.
Der synkretistische Kult des Apollon Didymeus stellt
eine Anbindung des wohl schon in der Spätbronzezeit
entstandenen kleinasiatisch-griechischen Apollon an
eine indigene Lokalgottheit Didymeus dar, die schon
früh, vielleicht in protogeometrischer Zeit, in den
Pantheon des griechisch-ionischen Milet integriert
wurde. Die Frage nach den möglicherweise
bronzezeitlichen Anfängen des Orakels bleibt
weiterhin offen345. Doch wird es spätestens in
spätgeometrischer Zeit (ca. 700 v. Chr.), als der sog.
Sekos I um die Orakelstätte errichtet wurde (Abb. 4),
Bestand gehabt haben. Ungefähr um dieselbe Zeit
dichtete Homer die Ilias, in der Apollon Phoibos als
omnipotenter Orakelgott eine hervorgehobene Stellung
innerhalb
derjenigen
Götter
innehatte,
die
kleinasiatische Trojaner wie festländische Griechen
gleichermaßen beherrschten. Dort begegnen bereits
alle Elemente, die wesenhaft für die Orakelpraxis sind,
etwa auch der griechische Seher (ma/ntij) Kalchas346.
Orakel’ bestimmt, wie eine Hydrophoros-Inschrift des 1. Jhs. n.
Chr. aus Didyma belegt: Günther 1980, 170 – 176 Nr. 5 Taf. 74, 3;
Günther 1985, 2 – 3 Abb. 2; Fontenrose 1988, 56. 192 ‘R 17’ (von
Günther und Fontenrose als Ausnahme bewertet).
344
Die Hauptquelle ist Curtius Rufus 7, 5, 28 – 35, der von
Alexanders Konsultation der Milesier in seinem Heer berichtet; vgl.
Parke 1985b, 67 – 68; Tuchelt 1988, 436 – 437 mit Anm. 77 – 78;
Gorman 2001, 196 Anm. 57. Demgegenüber vermutet Hammond
1998, 344 (vgl. auch: Altheim – Stiehl 1970, 158 – 161; Flower
2000, 118; Fredricksmeyer 2003, 266; MacLean Rodge 2004, 154),
Alexander sei es als Hauptinitiator ausschließlich um die
Bestrafung der Branchidai für ihren Verrat an der griechischen
Sache gegangen. Nach Hammonds Meinung (Hammond 1998, 344
Anm. 18) ist Parkes’ Rekonstruktion »far from convincing«.
345
Zum Alter des Orakels in Didyma, das beispielsweise Pausanias
(7, 2, 6) in die Zeit vor der ionischen Migration ansetzt, vgl. hier
Kap. III mit Anm. 58 – 63; zum archäologischen Befund im
griechischen Orakelheiligtum, der nur ins späte 8. Jh. v. Chr.
zurückgeht, während sonstige Funde bis in die mittlere Bronzezeit
zurückreichen, vgl. hier Kap. III mit Anm. 62 – 63.
346
Vgl. z. B. Hom., Il. 1, 72. 80. 86 – 87. 384 – 385 zu Kalchas als
Mantis des Apollon Phoibos. Nach W. Burkert praktiziert Kalchas
noch die ‘altmodische’ Orakelpraxis der Vogelschau, die zur Zeit
Homers durch die aus dem Orient von wandernden Sehern nach
Kleinasien und weiter nach Festlandsgriechenland verbreitete
Opferschau in Gestalt der Leberschau (Hepatoskopie) weitgehend
verdrängt worden sei: Burkert 1984, 50. 54; vgl. Burkert 2005, 5 –
8. Ein verlorenes Gedicht Hesiods (dessen Vater aus Aiolien
stammte) über Vogelmantik sowie eine archaische Inschrift zur
Vogelmantik aus Ephesos weisen allerdings darauf hin, dass diese
Art der Divination, die im westlichen Kleinasien eine
bronzezeitliche Tradition besitzt, in archaischer Zeit weiter
praktiziert wurde: vgl. dazu Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm.
401 – 402. Flower 2008, 25 mit Anm. 2; S. 79 (Homer). 51
(Hesiod). 113 (Inschrift Ephesos). 90. 136 (Aischylos). 15
(Xenophon). 135 (Aristoteles).– Zu Kalchas vgl. DNP 6 (1999) 153
s. v. Kalchas (R. Nünlist); Flower 2008, 25. 78. 80 – 81. 133. 204.
209.
Internationale Archäologie-ASTK 11
Apollon trägt zudem das zusätzliche Epitheton
‘Hekatos’347, wie der Apollon in Didyma348.
Nach dem Verständnis der homerischen Zeit
reichten die Urspünge der griechischen Orakel also in
die heroische Zeit bzw. die Bronzezeit zurück. Diese
Vorstellung spiegelt sich etwa im Mythos des
‘homerischen’ Apollonhymnos wider, der von den
Kretern aus dem minoischen Knossos als ersten
Priestern und Orakeldeutern des Apollon von Delphi
erzählt, oder in den didymäischen Orakeln zur
Gründung des ionischen Milet349.
Ihre Bedeutung für die Kolonisationsunternehmungen werden die Orakel von Delphi und
Didyma
jedoch
erst
in
spätgeometrischfrüharchaischer Zeit (seit ca. 730 v. Chr.) erlangt
haben. Das früheste Fallbeispiel bildet Naxos auf
Sizilien, Kolonie von Chalkis und dem kykladischen
Naxos. Wenn die oben schon angesprochene
Vermutung von I. Malkin zutreffen sollte, dass hinter
dem Apollon Archegetes in Naxos das Orakel des
Apollon Pythios von Delphi steht, dann hätte Delphi
noch vor Didyma mit der Sanktionierung von
Kolonisationsunternehmen begonnen350. Seitdem
dominierte Delphi zwar im Vergleich, doch Didymas
Rang dürfte sich parallel zur Zunahme der milesischen
Kolonisationstätigkeit im 7./6. Jh. v. Chr. erhöht
haben. Dass die uns heute noch erhaltene antike
Überlieferung so wenig über den Zusammenhang
zwischen dem didymäischen Orakel und der
____________________
347
Hom., Il. 1, 356.
Vgl. hier Kap. III mit Anm. 60; Kap. IV mit Anm. 133.
349
Verschiedenste Orakeltechniken sind zu Zeiten Homers voll
etabliert und praktiziert worden, hierdurch ergibt sich ein Terminus
ante quem: Traumorakel, von Zeus gesandt: Il. 1, 63. – In Od. 8, 79
– 81 befragt Agamemnon vor dem Zug nach Troja das Orakel des
Apollon in Pytho (Delphi), das danach bereits in der Bronzezeit in
Betrieb gewesen wäre: vgl. dazu Burkert 1985a, 114 – 118; Suárez
de la Torre 2005, 17 – 31, vgl. zu Delphis Gründung in der
Bronzezeit auch den ‘Homerischen’ Hymnos: s. o. mit Anm. 286.
312. – Zum Baumorakel des Zeus in Dodona: Hom., Il. 16, 232 –
235; Od. 14; 327 – 328; 19, 296 – 297; Burkert 2005, 31 – 32;
Eidinow 2007, 60 – 61. – Zu Totenorakeln: Od. 11, 23 – 332; vgl.
dazu Rosenberger 2001, 128 – 129; Burkert 2005, 14. – Vgl. auch
die Weisagungen Sterbender: Il. 16, 851 – 855 (Patroklos); 22, 356
– 361 (Hektor). – Die in der Forschung vorherrschende zeitliche
Bestimmung der Anfänge der griechischen Apollon-Orakel in
geometrischer Zeit basiert vor allem auf der Annahme, die
Apollongestalt sei erst in protogeometrischer Zeit entstanden. In
den spätbronzezeitlichen Linear B-Texten sei der Gott nicht zu
belegen und (ex silentio!) also auch nicht vorhanden gewesen:
Burkert 1975, 1 – 21; Burkert 1985a, 51. 143 – 149. 367 Anm. 53;
vgl Graf 1996a, 122: der Kult des Apollon »must have been
introduced and brought to Panhellenic importance during the Dark
Ages«. In Übereinstimmung setzt etwa Sourvinou-Inwood 1996,
445 die Ursprünge des Orakels von Delphi im späten 9. Jh. v. Chr.
an, Burkert 1985a, 117 sogar erst nach 750 v. Chr. (vgl. auch
Morgan 1990, 148 – 190). Zum wohl bronzezeitlichen,
kleinasiatischen Ursprung Apollons vgl. aber hier Kap. I mit Anm.
8 – 9. – Zu den didymäischen Orakeln für den ionischen Ktistes
Neileos s. o. Kap. III mit Anm. 58.
350
Man vergleiche die nützliche chronologische Übersicht über die
Koloniegründungen bei: DNP 6 (1999) 653–664 s. v. Kolonisation
IV (W. Eder).
348
59
milesischen Kolonisation zu berichten weiß – ganz im
Gegensatz zu den Verbindungen Delphis zur
Kolonisation – kann durch die historische Entwicklung
erklärt werden: da das Orakel in Didyma einen festen
Bestandteil des milesischen Polisstaates bildete,
weshalb der Apollon Didymeus deshalb auch die
erweiterte Epiklese ‘Milesios’ trug, war sein Schicksal
an dasjenige der Polis gebunden. Milet aber verlor
nach der Niederlage im Perserkrieg (499–494 v. Chr.)
und der anschließenden persischen Okkupation
schlagartig seine Bedeutung. Auch das in archaischer
Zeit für das Orakel zuständige Geschlecht der
Branchidai, in seiner Funktion den Kretern des
Apollonhymnos
vergleichbar351,
verschwand
____________________
351
Vgl. hier Anm. 69. – Die späteren Quellen wissen nichts mehr
von den Kretern in Delphi. Die Annahme von F. Hiller v.
Gaertringen (RE IV 2 [1901] 2528 s. v. Delphoi), sie seien »zu
Tempelsklaven degradiert« worden, stützt sich auf keinerlei
Zeugnisse. Wahrscheinlich wurden sie bzw. diejenigen, die sich auf
sie zurückführten (gentilizische Strukturen sind typisch für
Kultvereine und besonders Kultpersonal in Orakelheiligtümern: vgl.
die Branchidai in Didyma oder die Telmessoi in Telmessos; vgl.
dazu allgemein: Flower 2008, 37 – 50 [‘Mantic Families’]), nach
der Zerstörung Krisas im ersten Heiligen Krieg ca. 600 v. Chr.
durch die Amphiktyonen, die von da an Delphi kontrollierten,
entfernt. Die Ankündigung Apollons, die Kreter bei künftigen
Freveln gegen sein göttliches Recht in Delphi mit ihrer
Entmachtung zu bestrafen (Hom. Hymn. Ap. V. 540 – 543), kann
m. E. nicht, wie häufig geschehen, als Argument dafür herhalten,
der sog. pythische Teil des Hymnos sei erst nach dem ersten
Heiligen Krieg entstanden (so etwa Hiller v. Gaertringen a. O. 2527
f. zu V. 540 – 543: »ein nachträgliches Einschiebsel«; vgl. auch
Schmidt 1974, 21 mit älterer Literatur in Anm. 3; Morgan 1990,
144; D. Frame, The Homerizon: Conceptual Interrogations in
Homeric Studies, The Homeric Poems after Ionia: A Case in Point,
http://chs.harvard.edu/publications.sec/classics.ssp [Center for
Hellenic Studies, Washington, September 2006] mit Anm. 6 – 8).
Apollon sanktioniert vielmehr für die Zukunft das göttliche Recht
durch
Strafandrohung.
Strafandrohungen
aber
sind
selbverständlicher Teil schon in den ersten schriftlich erhaltenen
griechischen Gesetzen auf Kreta, etwa im Delphinion von Dreros
(2. Hälfte 7. Jh. v. Chr.): vgl. Hölkeskamp 1994, 149–151. Sie
werden bereits vor der Verschriftlichung von Gesetzen als
Sanktionsmaßnahmen der mündlich tradierten Regelungen sakraler
wie politischer Art gedient haben. – Kretische Elemente hat man im
Delphi der historischen Zeit in der delphischen Phratrie der
Labyadai zu fassen geglaubt (der Name ihres Urvaters Labys weist
angeblich auf die kretische Doppelaxt, ‘Labrys’; kleine bronzene
Votiv-Doppeläxte fanden sich im Heiligtum): Dumont 1975, 64 mit
Anm.
42
unter
Verweis
auf
Picard
1949,
208
(Labrys>Labys>Labyadai); Bourboulis 1949, 37 unter Verweis auf
Perdrizet 1908, 4 – 5 (Doppeläxte>Labrys>Labyadai). Doch steht
hinter ihrem Namen (gleichzusetzen mit der delphischen Phratria
der Lafria/dai bei Hesych s. v.?) wohl eher die alte
mittelgriechische Göttin (Artemis) Lafri/a von Kalydon, deren
Kult die Labyadai in Delphi im Rahmen des Festes der Lafri/a
besorgten. Zu dieser vgl. Nilsson 1906, 218–225 bes. 220 – 221.;
Wilamowitz-Moellendorff 1955, 374 – 380; Graf 1985, 411 – 412.
– Auffällig ist der Anteil an kretischen Bronzen (Dreifüße,
Untersätze, Helm und Schilde) unter den frühesten Funden aus dem
Heiligtum (8. Jh. v. Chr.): Morgan 1990, 45 – 46. 134. 140. 142 f.
Morgan 1990, 143 – 144 erklärt die Funde jedoch als Weihungen
von Korinthern. Vgl. aber Maass 1993, 128 – 132 Abb. 54 – 56, der
Beziehungen Delphis zu Kreta im 8.–7. Jh. v. Chr. konstatiert.
Ebenda 129 weist Maass zusätzlich auf zwei minoisch-kretische
Kultgefäße (ca. 1500 v. Chr.; vgl. d’ Athènes 1991, 7 – 8. Abb. 1 –
60
spätestens 479 v. Chr. aus Didyma, das Orakel selbst
verstummte. Als etwa Herodot seine ‘Geschichten’
niederschrieb, gehörte es also bereits der
Vergangenheit an352.
Die Dominanz von Delphi als wichtigstem
panhellenischem Orakel war in der Folgezeit so
prägend, dass die Milesier bei der Wiederbelebung des
Orakels von Didyma in der Alexanderzeit353 bewusst
eine Deszendenz des mythischen Orakelgründers
Branchos aus Delphi konstruierten354 und den
männlichen ‘Mantis’ der Branchidai, der das Medium
des orakelnden Apollon Didymeus in archaischer Zeit
gewesen war355, durch eine weibliche ‘Prophetis’ nach
dem Vorbild der ‘Pythia’ von Delphi ersetzten, die
beide ihre göttliche Inspiration in ähnlicher Weise
2) aus einem mykenischen Heiligtum beim späteren ApollonTempel, die seines Erachtens »weniger eine frühe – vielleicht auch
nur indirekte – Beziehungen zu Kreta« aufzeigen, als vielmehr die
Bedeutung des mykenischen Kultplatzes erweisen.
352
Zum Verstummen vgl. hier Kap. III mit Anm. 70; Kap. VI mit
Anm. 182 – 184.
Wenn Herodot aus der Perspektive seiner Zeit, des mittleren 5. Jhs.
v. Chr., vom Orakel in Branchidai/Didyma berichtet, schreibt er
bezeichnenderweise immer in der Vergangenheit: Parke 1985a, 230
Anm. 4; Parke 1985b, 61 mit Anm. 12; Parke 1986, 123 Anm. 5.
353
Zur Wiederbelebung vgl. hier Anm. 61; Kap. VI mit Anm. 185
ff.; Anm. 300; Kap. IX mit Anm. 343 – 344.
354
Zur konstruierten Abstammung des Branchos von einem
gewissen Smikros aus Delphi (Kallim., Branchos fr. 229 Pfeiffer)
vgl. hier Anm. 61; Herda 2006b, 129 Anm. 903; 277 mit Anm.
1960. In den Kontext der Angleichung an Delphi im späten 4. Jh. v.
Chr. mag auch gehören, dass der Apollon Didymeus mit der
zusätzlichen Epiklese Pythios versehen werden konnte. Dies ist
allerdings erst für 287 n. Chr. bezeugt: Didyma II Nr. 159 Z. I 1
(Epigramm des T. Festus); vgl. dazu: Fontenrose 1988, 23 – 24;
Herda 2006b, 297 Anm. 2117. Demgegenüber dürfte die Epiklese
der Artemis in Didyma seit archaischer Zeit Puqei/h gelautet
haben, ein Bezug dieses Kultes zum Orakelkult des Apollon
Didymeus bereits in archaischer Zeit ist naheliegend: Herda 2006b,
297; man vergleiche etwa den theophoren Namen Pytheios des
Vaters des milesischen Eponymen von 479/78 v. Chr.: Milet I 3,
254 ff. Nr. 122 I 45 'Anaci/mandroj Puqei/o. – Der Apollon
Pythios von Delphi dürfte ebenfalls schon in archaischer Zeit in
Milet verehrt worden sein. Darauf weist etwa das Vorkommen des
theophoren Namens Puqo/mandroj, der im 6. und 5. Jh. v. Chr.
mehrfach als Name eponymer Aisymnetai-Stephanephoroi
begegnet: Milet I 3, 254 ff. Nr. 122 I 20 'Astua/nac
Puqoma/ndro (504/3 v. Chr.); I 27 'Arte/mwn Puqoma/ndro
(497/96 v. Chr.); I 39 Puqo/mandroj 'Arte/mwnoj (485/4 v.
Chr.). Zur Datierung vgl. hier Anm. 34. Daneben begegnet
außerdem der theophore Name Python: s. o. Anm. 237. 271.
355
Aus dem Branchos-Mythos ist herzuleiten, dass einer der
männlichen Branchidai in der Nachfolge des Branchos als Mantis
das Medium des Orakels bildete: Parke 1985a, 2 – 4; Fontenrose
1988, 45 – 46. 78. 172; Herda 2006b, 129 Anm. 903. Die
archaische, gegen 550 v. Chr. datierte Statue eines langgewandeten,
auf einem hochrechteckigen Block (Thakos?) sitzenden Mannes mit
langem Stab aus Didyma, jetzt im Archäologischen Museum in
Istanbul (Inv. 1945), hat U. Höckmann als Darstellung eines Mantis
gedeutet: Höckmann 1996, 93 – 102 Taf. 18 – 19; vgl. dagegen
Kopanias 2001, 149 – 166, der die zweifellos ägyptisch beinflusste
Statue als Darstellung eines reichen Söldners oder Händlers
griechischer oder ägyptischer Abstammung deuten möchte und ca.
580/70 v. Chr. datiert (ich danke Joannis Mylonopoulos, Erfurt, für
diesen Hinweis).
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
erhielten356. Dass das Wissen um die Bedeutung
Didymas für die Kolonisation Milets aber trotzdem
nicht verloren ging, darauf weisen die zahlreichen
epigraphisch bezeugten Theoriai, die ehemalige und
angebliche milesische Kolonien wie etwa Naukratis
spätestens seit dem 3. Jh. v. Chr. zu den Didymeia als
Teil des milesischen Neujahrsfestes auf den Weg nach
Didyma schickten357. Schließlich stellte der Rhetor
____________________
356
Zur Erwähnung einer ‘Prophetis’ in einer Hydrophoros-Inschrift
aus Didyma (1. Jh. n. Chr.) vgl. hier Anm. 333. Literarisches
Hauptzeugnis für die Prophetis in Didyma und das dortige
Orakelritual ist Jamblichos, de myst. 3, 11; vgl. dazu: A. Rehm, in:
Didyma II 323 B; Parke 1985a, 42. 210 – 219; Parke 1986, 123 –
124; Fontenrose 1988, 55 – 56. 78 – 79. 81. 84. 85. 105. 128. 239.
Die Pythia in Delphi wurde selbst auch ‘Prophetis’ genannt: vgl.
Aristoph. Gramm. in der Hypothesis zu Aischyl., Eum.; Eur., Ion
42. 321; Plat., Phaidr. 244a. – Aus Lukian, Bis. acc. 1 geht
zusätzlich hervor, dass die ‘Prophetis’ in Didyma auch als
‘Promantis’ bezeichnet werden konnte. Dies ist wiederum eine
Angleichung an Delphi, wo die Pythia diesen Titel trug: z. B. Hdt.
6, 66; 7, 111. 141; vgl. G. Radke, RE XXIII 1 (1957) 647 s. v.
Promantis 2); RE XXIV (1963) 515 – 547 bes. 516 – 517 s. v.
Pythia [1] (W. Fauth); Parke 1985a, 186.
Nach Meinung von Parke 1986, 124 ist der Wechsel in der
Ausgabeform der Orakel in Didyma von archaischer Zeit (in Prosa;
vgl. etwa auch das neugefundene Orakel auf dem Beintäfelchen aus
Berezan/Olbie Polis) zur Phase nach der Neugründung ca. 331 v.
Chr. (in Hexameter-Versen) ebenfalls eine Angleichung an
delphische Praxis, die allerdings seit dem 4. Jh. v. Chr. einen immer
selteneren Gebrauch der altertümlicheren Versform zeigte.
Demgegenüber vertritt Fontenrose 1988, 102 – 103 die Meinung,
Versorakel hätten in Delphi im Gegensatz zu solchen in Prosa
immer eine seltene Ausnahme gebildet, es bestünde in diesem
Punkt also ein Unterschied zwischen der Orakelpraxis in Delphi
und Didyma seit dem späten 4. Jh. v. Chr.
357
Zu den Theoriai, die regelhaft Phialai-Stiftungen nach Didyma
beinhalteten: Herda 2006b, 144 – 145 Anm. 1015 (Naukratis, Kios,
Iasos, Sinope etc. mit älterer Literatur); 180 – 180 mit Anm. 1286;
hier Kap. VI mit Anm. 186 (allgemein). 200 (Iasos); Kap. VII mit
Anm. 252 (Naukratis). Zu Phialai-Stiftungen allgemein vgl. die
Zusammenstellung nach Heiligtumsinventaren bei: SchmidtDounas 2000, 145 – 151; zum finanziellen Aspekt vgl. Marcellesi
2004, 20 – 26. 111. – Graham 1964, 98 – 117 postuliert, wenn auch
mit historisch bedingten Unterbrechungen, ein enges politisches
und vor allem auch religiöses Verhältnis zwischen Milet und seinen
Kolonien seit der Gründungsphase im 7./6. Jh. v. Chr. Vgl. ebenda
142 – 153 am Beispiel des Verhältnisses von Korinth zu seiner
Kolonie Korkyra und ebenda 154 – 165 am Beispiel von Argos und
seinen erklärten Kolonien Knossos und Tylissos. Vorsichtig
zustimmend zu Grahams These betreffs Milet und seiner Kolonien:
Ehrhardt 1988, 23 – 24; Ehrhardt 1985, 94 – 95; Gorman 2001,
147 – 151 vermutet ein enges Verhältnis zu den Kolonien erst seit
der zeitweisen Befreiung Milets von den Persern 479/78 – 404 v.
Chr. – Von einer »Fiktion des 4. Jhs.« geht dagegen Ehrhardt 1987,
88 unter Bezug auf Gawantka 1975, 111 – 112 aus; vgl. P.
Herrmann, in: Milet VI 1, 171. Nach Ehrhardt 1987, 105 – 107 sind
beispielweise die Phialenweihungen der milesischen Kolonie
Kyzikos nach Didyma in erster Linie politisch motiviert. Der
Isopolitie-Vertrag zwischen Milet und seiner Kolonie Olbie Polis
aus den Jahren zwischen 334 und 323 v. Chr. sah jedoch
ausdrücklich vor, dass die Milesier gemäß bereits bestehender
älterer Verträge das Recht hatten, an den Kulten in Olbia zu
partizipieren wie umgekehrt den ‘Olbiopolitai’ das Recht zustand,
an den milesischen Kulten teilzunehmen: Milet I 3, 289 – 291 Nr.
136; Milet VI 1, 170 – 171. n. 136. Vergleichbares wird der
zeitgleiche Isopolitie-Vertrag zwischen Milet und Kyzikos enthalten
haben: Milet I 3, 291 – 294 Nr. 137; Milet VI 1, 171 n. 137; vgl.
dazu Graham 1964, 98 – 117. Fassbar ist dies am ehesten in den
Internationale Archäologie-ASTK 11
Menander von Laodikeia noch im 3. Jh. n. Chr. die
Kolonisationstätigkeit der Orakel von Delphi und
Didyma auf eine Stufe, wenn er damit im Falle
Didymas auch nur die ruhmreiche Vergangenheit
beschwor358.
X. Zusammenfassung
Apollon, der ‘griechischste’ aller Götter –
doch mit westkleinasiatischen Wurzeln (vgl. Apaliunaš
und Lukhgenh/j = »der in Lykien Geborene«) –, lässt
sich in besonderem Maße mit der politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Akme der ionischen
Metropole Milet im 7. und 6. Jh. v. Chr. verbinden. In
zwei seiner Erscheinungsformen manifestierte sich
zum einen der synkretistische Charakter griechischer
Kulte im früheisenzeitlichen Kleinasien, die als
Produkt
eines
Jahrhunderte
dauernden
Migrationsprozesses anzusehen sind, der im 11. Jh. v.
Chr. einsetzte. Zum anderen wird eine Art Bipolarität
der milesischen Staatsreligion erkennbar: Apollon
Delphinios, der nicht nur eisenzeitlich-griechische,
sondern auch bronzezeitliche, kretisch-mykenische
(Delphinios = Delphin-Gott) wie hattisch-hethitische
Züge (Telipinu) trug, war der politische Gott, der
Gründer des Staates und sein Schützer für die Zukunft.
Er wurde im Herzen der Stadt, im Delphinion an der
Agora verehrt (Abb. 1–2). Hier war der Ort der
Phialai-Weihungen von Kyzikos nach Didyma: Graham 1964, 108.
In diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert ist, dass die
Kyzikener 271/70 v. Chr. zwei Phialai, darunter eine
»Omphalosschale« (vgl. dazu auch hier Kap. IV mit Anm. 111),
nach Didyma weihten, die in der betreffenden didymäischen
Schatzurkunde ausdrücklich als aus zwei kyzikenischen
Heiligtümern stammend angeführt sind: Didyma II 258 Nr. 432 Z. 6
ff. fia/lai du/o e¹k Kuzi/kou, aÑj a)ph/neikan e¹k tw½n
temenw½n tw½i qew½i, tou/twn mi/a o¹mfalwth/, e¸kate/raj
o¸lkh\ 'Aleca/ndreiai draxmai\ e¸kato/n. Die hierfür von
Ehrhardt 1987, 105 gelieferte Erklärung, die Weihung sei »Hals
über Kopf« erfolgt, ist nicht befriedigend. Eher handelt es sich um
einen Akt besonderer Pietät gegenüber Apollon Didymeus als
Gründergottheit von Kyzikos; vgl. auch A. Rehm, in: Didyma II
262: »Die Vermutung liegt nahe, dass man sich in Kyzikos
getrieben fühlte, dem Gott von Didyma, dem Herrn der Mutterstadt,
eine ganz besondere Ehrung zu erweisen«. Denkbar ist, dass die
Schalen ursprünglich ältere Weihungen an Apollon (Iasonios
Ekbasios?) in Kyzikos darstellten, die – in gewisser Weise
Aphidrymata vergleichbar – dazu dienen sollten, das gerade 277 v.
Chr. durch Kelten geplünderte Inventar des Heiligtums in Didyma
wiederherzustellen. Von diesem sicherlich nicht unbedeutenden
Inventar (man vergleiche nur die riesige Schatzstiftung des
Seleukos I. und Antiochos I. aus dem Jahre 288/87 v. Chr.: A.
Rehm, in: Didyma II 255 – 257 Nr. 424; Bringmann – Steuben
1995, 334 – 338 Nr. 280) waren nach Ausweis der Schatzurkunde
des Jahres 277/76 v. Chr. gerade einmal eine treibverzierte(?) Phiale
und ein versilbertes Rinderhorn »aus dem Krieg übriggeblieben«:
Didyma II 257 Nr. 426 Z. 6 ff.: ta/de pe[ri] | egenhqh/ e¹k tou=
pole/mou para\ 'Apo/llwni: fia/[lh] | tupwth/, ke/raj boo\j
perihrgurwme/non; dazu A. Rehm, ebenda 260; Günther 1971, 48
– 50 bes. 48 mit Anm. 127.
358
s. o. Kap. IV mit Anm. 99.
61
Bürgerinitiation, hier lag das Prytaneion, ‘Urhaushalt’
mit dem Heiligen Herd und Regierungssitz Milets in
einem. Der andere Apollon, der Didymeus, war der
Gott des indigenen Orakels von Didyma, viele
Kilometer von Milet entfernt. Das Orakel bestand nach
dem milesischen Lokalmythos bereits vor der Ankunft
der ionischen Griechen. So half Apollon Didymeus
den Siedlern, den rechten Ort für die Gründung Milets
zu finden und wies die Einrichtung des Kultes der
Artemis Kithone Hegemone an. Der Kult des Apollon
Didymeus wurde von den Branchidai versehen, einem
möglicherweise luwisch-karischen Clan, deren Name
auch synonym für den Ort bzw. das Orakel stehen
konnte (Abb. 3–5). Die räumliche und ideelle
Verbindung der beiden Kulte erfolgte im Ritual des
milesischen Neujahrsfestes. Opfer im Delphinion und
in Didyma bildeten Anfang und Ende, sie wurden
durch eine große Staatsprozession fest miteinander
verknüpft. Didyma war so Teil des milesischen
Staates, der Apollon Didymeus wurde zum ‘Milesios’.
Auch funktional bildeten Delphinios und Didymeus
Milesios ein komplementäres Kultpaar, das als
spezifisch milesisch zu gelten hat: Dieses Paar
sanktionierte die milesische Kolonisation in der
Propontis und im Schwarzen Meer, die im 7./6. Jh. v.
Chr. so überaus erfolgreich war und in Konkurrenz zur
Kolonisationstätigkeit des panhellenischen ApollonPythios-Orakels in Delphi trat (Abb. 8). Aufgezeigt
wird dies anhand literarischer, epigraphischer und
archäologischer
Quellen
am
Beispiel
von
Borysthenes–Olbie Polis, Kyzikos, Apollonia am
Rhyndakos und Phasis. Für das propontische Kyzikos
und dessen Tochterkolonie Apollonia am Rhyndakos
sowie für Phasis in der Kolchis können
Gründungsorakel des Apollon Didymeus aus
verschiedenen Indizien erschlossen werden. Für
Borysthenes–Olbie Polis liegt sogar die archaische
Kopie eines didymeischen Gründungsorakels vor. Das
Beinplättchen, auf das der Text geschrieben wurde, ist
Apollon Didymeus Milesios geweiht, der also in
Borysthenes–Olbie Polis einen eigenen Kult besaß
(Abb. 7a-c).
Im Rahmen der Kolonisation führte Apollon
Didymeus mehrere Kulttitel. So bezeichneten etwa die
Epitheta ‘Hegemon’ (Phasis, vgl. Abb. 6) bzw.
‘Kathegemon’ (Apollonia am Rhyndakos) den
Didymeus in seiner Funktion als Anführer und
Schützer der Kolonisten, die nur in Ausnahmefällen
von einem namentlich bekannten Oikistes/Archegetes
geführt wurden (Habron, Kretines und Koos in Sinope,
Anaximandros in Apollonia Pontike, Hermochares in
Kardia, Themistagoras in Phasis). Zumindest in
Kyzikos übernahm der Orakelgott auch explizit die
Aufgabe des ‘Exegetes’, die sonst dem menschlichen
Oikistes zufiel: Er bestimmte die Kulte, gründete sie
mittels sog. a)fidru/mata (Kultübertragungen) und
legte die religiösen Vorschriften fest. Diese Rolle wird
62
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Didyma regelhaft zugefallen sein, wie etwa der
Orakeltext aus Borysthenes–Olbie Polis zeigt (Abb.
7a-c). Auf diese Weise war die Kontinuität des
milesischen Pantheons auch in der feindlichen Fremde
gewahrt. Die angestammten Götter dürften nach dem
Verständnis der antiken Milesier eine der Garantien
des Fortbestands ihrer Kolonien und Tochterkolonien
gebildet haben, die seit ihren Anfängen den Status
eigener Polisstaaten besaßen. Dieser religiöse
Konservatismus ermöglicht uns heute im günstigsten
Fall, von den Kolonien auf die Zustände in Milet zur
Zeit der Kolonisation zurückzuschließen und
umgekehrt359.
Dies lässt sich etwa auch für den zentralen
Kult des Apollon Delphinios wahrscheinlich machen,
der neben Olbie Polis noch in Prokonessos, Kios,
Apollonia
Pontike,
Odessos,
Nymphaion,
Pantikapaion, Kepoi, Hermonassa, Gorgippia und
Sinope direkt oder indirekt bezeugt ist (Abb. 8). Der
Kult des Apollon Didymeus ist dagegen außer in Olbie
Polis noch in Phasis und Amisos direkt bezeugt, in
Sinope und seiner Tochterkolonie Trapezos indirekt.
Es ergibt sich, dass Sinope wahrscheinlich die einzige
Kolonie neben Borysthenes–Olbie Polis ist, die das
milesische Kultpaar Apollon Didymeus – Apollon
Delphinios aufweist.
Einen Sonderfall stellt das ägyptische
Naukratis im Nildelta dar, das entgegen der antiken
Überlieferung, die in spätklassischer Zeit einsetzt,
nicht als typische milesische Kolonie bezeichnet
werden kann. Vielmehr handelt es sich anfänglich, wie
etwa im Falle der Siedlungen in Borysthenes-Berezan
und Olbie-Purotino, um ein milesisches Emporion. An
der Besiedlung von Naukratis waren zudem von
Anfang an weitere, vermutlich nordionische und
aiolische Poleis beteiligt, wie die Funde aus dem
Aphroditeheiligtum zeigen. Dort wie im Heiligtum des
Apollon Didymeus Milesios, dessen Benennung durch
zahlreiche archaische Weihgraffiti gesichert ist, von
denen ein einziges die Epiklese ‘Didymeus’ erhalten
hat, reichen die Funde ins späte 7. Jh. v. Chr. zurück
(Abb. 9–11). Um diese Zeit gelangten die ersten
Griechen in die ursprünglich wohl ägyptische
Siedlung, deren Name Nkrd gelautet haben dürfte.
Bereits vorher hatten griechische Händler und Söldner
den ersten Pharaonen der 26. Dynastie, Psammetich I.
(664–610 v. Chr.) und Necho II. (610–595 v. Chr.),
geholfen, ihre Macht in Unterägypten zu etablieren.
Letzterer stiftete gar seine Rüstung nach der
siegreichen Schlacht von Magdôlos 609 v. Chr. in das
Heiligtum des Apollon Didymeus nach Didyma selbst,
was als diplomatische Geste gegenüber dem Polisstaat
Milet zu werten ist, der wohl gezielte militärische
Hilfe geleistet hatte. In der Folge wird Necho auch die
Einrichtung des Kultes des Orakelgottes Apollon
____________________
359
Vgl. zu diesem methodischen Ansatz o. Anm. 147. 358.
Didymeus Milesios in der neuen Siedlung Naukratis
zugelassen haben, zumal das ägyptische Gegenstück
des orakelnden Apollon, der Horus von Buto, dem
Pharao zum Bündnis mit den Griechen geraten hatte.
Die Niederlassung der Milesier in Naukratis und die
Einrichtung eines Heiligtums für ihren ‘Staatsgott in
der Fremde’, Apollon Didymeus, setzt ein Orakel des
Didymeus aus diesem Anlass voraus.
Die griechische Siedlung in Naukratis erhielt,
wie Herodot (2, 178) berichtet, erst unter Amasis ca.
570/60 v. Chr. den Status einer (semiautonomen) Polis
mit einem angeschlossenen Emporion. Für eine Polis
zu diesem relativ frühen Zeitpunkt im 6. Jh. v. Chr.
sprechen weitere Indizien wie die Kulte des Apollon
Pythios Komaios und der Aphrodite Pandemos, der
Ortsname ‘Naukratis’ und das davon abgeleitete
Ethnikon ‘Naukratites’, sowie Weihungen von
Kouros-Statuetten in das Apollon Didymeus MilesiosHeiligtum. Der Kult des Apollon Pythios Komaios in
Naukratis kann weiterhin als Indiz dafür gelten, dass
die Gründung der Polis Naukratis durch ein Orakel des
Apollon Pythios in Delphi sanktioniert wurde. Delphi
verdrängte Didyma unter Amasis, weil Milet sich auf
die Seite der Feinde des Amasis gestellt hatte. So
erklärt sich auch, weshalb Amasis nach dem
Tempelbrand in Delphi 548 v. Chr. so großzügig den
dortigen
Wiederaufbau
finanzierte,
während
Weihungen nach Didyma von ihm nicht bekannt sind.
Nach der Zerstörung Milets und Didymas in den
Perserkriegen (499–479/78 v. Chr.) schwieg das
Orakel des Apollon Didymeus für fast 150 Jahre. Erst
mit der entgültigen Befreiung von den Persern durch
Alexander den Großen setzte es ca. 331 v. Chr. wieder
ein. In dieser Zeit kam vermutlich auch die von Milet
wie von Naukratis vertretene Gründungsgeschichte
auf, die Naukratis zu einer milesischen Kolonie
erklärte. So übernahm Naukratis spätestens jetzt den
milesischen Kalender und fand sich im frühen 3. Jh. v.
Chr. in Didyma in Gesellschaft zahlreicher milesischer
Kolonien, die Theoriai zu den jährlichen Feiern der
Boiegia bzw. Didymeia für Apollon Didymeus als Teil
des milesischen Neujahrsfestes entsandten.
Das neu erstandene Orakel in Didyma
bescherte Milet weitere Verbündete: Vor allem
Seleukos I. suchte die enge Anbindung an Didyma und
propagierte die Deszendenz seines Hauses vom
‘Archegetes’ Apollon Didymeus, der prompt mit an
ihn persönlich gerichtete Orakel antwortete. Seleukos
revanchierte sich seinerseits durch die Rückgabe des
von Dareios oder Xerxes aus Didyma geraubten und
nach Ekbatana gebrachten Kultbildes des Kanachos
(Abb. 5). In diesen Kontext gehört auch die
Neuaufstellung von Altären des Didymeus durch den
milesischen General Seleukos’ I., Demodamos, im
hintersten Baktrien noch jenseits des Jaxartes-Flusses,
am nordöstlichsten Grenzpunkt, den die griechische
Kultur je für sich vereinnahmte (Abb. 8). Die
Internationale Archäologie-ASTK 11
Einrichtung des Apollon Didymeus-Kultes kurz vor
306 v. Chr sollte an die von Alexander 329 v. Chr.
getöteten Branchidai erinnern. Das alte Orakelpersonal
von Didyma war von den Persern nach Baktrien
verschleppt worden und dürfte dort den Kult des
Didymeus bis zur Ankunft Alexanders weitergepflegt
haben. Dieser ließ sie angeblich wegen ihres Verrats
der griechischen Sache niedermetzeln und alle ihre
Heiligtümer zerstören. Seleukos wird es also nicht
zuletzt um die Wiederbelebung des Kultes seines
‘Stammgottes’ in Baktrien gegangen sein.
Bemerkenswert ist weiterhin die bisher wenig
zitierte Kultstatue, die die Milesier dem Didymeus
Helios Apollon im hellenistischen Medinet Habu bei
Theben
am
Nil
weihten.
Ihr
genauer
Aufstellungskontext ist unbekannt, doch könnte hier
eine interpretatio Graeca vorliegen, die den Apollon
Didymeus neben die in Medinet Habu in der
Ptolemäerzeit verehrten ägyptischen Orakelgötter
Theut/Thot (= Hermes) und Amun-Re (= Zeus) stellte.
Vorstellbar ist, dass die Milesier mit dieser Weihung
die ptolemäischen Könige an die Rolle erinnern
wollten, die der Apollon Didymeus Milesios bei der
ersten Ansiedlung von Milesiern in Ägypten während
der 26. Dynastie gespielt hatte, vor allem in Naukratis.
Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang aber auch an
die engen Beziehungen zwischen den Ptolemäern und
Didyma seit der kurzen Periode unter Ptolemaios I.
Soter 279/78–261/60 v. Chr., als Westkleinasien zu
ihrem Herrschaftsbereich gehörte und Kallimachos mit
königlichem Auftrag seinen Iambos auf Branchos, den
Gründerheros des Orakels, dichtete. Ptolemäischer
Herscherkult ist in Milet und Didyma bezeugt
(Ptolemaios I., Arsinoë und Philotera) und noch
Ptolemaios IX., XII., XIII. und Kleopatra VII. stifteten
nach Didyma.
Das mit der milesischen Kolonisation des
7./6. Jhs. v. Chr. unauflöslich verbundene Kultpaar
Apollon Didymeus – Apollon Delphinios findet eine
enge zeitliche und strukturelle Parallele: die Situation,
die der sog. pythische Teil des ins frühe 7. Jh. v. Chr.
zu datierende homerische Apollonhymnos vom
delphischen Orakel und der ihm ursprünglich
zugeordneten Polis Krisa zeichnet. Hier wie dort ist
Apollon in Gestalt des vom Meer her kommenden
Delphinios der mythische Gründer des Heiligen
Herdes (= Prytaneion) der neuen Siedlung, die er
anschließend durch eine Prozession(-sstraße) mit
seinem Orakel verbindet. In beiden Fällen »erwählt«
(daher die Epiklese ‘Epopsios’ bzw. ‘Ephopsios’!)
Apollon zudem eigenhändig seine Orakelpriester: in
Delphi die Kreter, in Didyma Branchos bzw. die
Branchidai. Beide Orakel bildeten in der Folge den
Ausgangspunkt für rege Kolonisationstätigkeit, in
deren Rahmen auch die Kulte des Apollon Pythios und
Apollon Didymeus verbreitet wurden. In keinem Fall
entwickelten sich diese Filialkulte jedoch zu
63
eigenständigen Orakelstätten: die Autorität der Orakel
blieb in Delphi und Didyma.
Die Unterschiede, die zwischen Milet–
Didyma und Krisa–Delphi bestehen, sind durch ihre
spezifische historische und geographische Lage
erklärbar: Didyma blieb aufgrund der festen
Anbindung an Milet und seiner exponierten Randlage
zu den östlichen Großreichen der Lyder und dann der
Perser eine panhellenische Wirkung versagt. Seine
Bedeutung entwickelte sich vielmehr parallel zu
derjenigen Milets, das in archaischer Zeit blühte und
sich nie wieder von der persischen Eroberung 494 v.
Chr. erholen sollte. Ganz anders Delphi: seine
geschützte zentrale Lage im griechischen Mutterland
und die frühe Zerstörung der beherrschenden Polis
Krisa durch eine panhellenische Amphyktionie ca. 600
v. Chr. garantierten eine nahezu ungebrochene
Entwicklung, die bereits im 8. Jh. v. Chr. etwa mit der
Kolonisation von Naxos auf Sizilien einen ersten
Höhepunkt erreichte und den Kult des Apollon Pythios
schnell zum weitestverbreiteten aller Apollon-Kulte
machte. Die Verbreitung des Apollon DidymeusKultes war demgegenüber sehr eingeschränkt, wie hier
gezeigt wurde. Auch dürfte die Kolonisationstätigkeit
Didymas später als diejenige Delphis eingesetzt haben,
nämlich erst im 7. Jh. v. Chr. Sie konzentrierte sich auf
die Propontis und das Schwarze Meer, sowie auf
Ägypten. Lediglich bei der Gründung der phokäischen
Kolonie Massalia und der Etablierung des dortigen
Apollon Delphinios und Artemis Epheseie-Kultes ca.
600 v. Chr. ist es Didyma möglicherweise einmal
gelungen,
in
die
Interessensphäre
Delphis
einzudringen. Umgekehrt dürfte Delphi schon zur Zeit
des Amasis in Naukratis aktiv geworden sein, wie hier
vermutet wurde. Auch im Schwarzen Meer mag die
zweite Gründung von Sinope mit delphischer, nicht
didymäischer Unterstützung abgelaufen sein, ebenso
wie die Gründungen der megarischen Kolonie
Kalchedon und ihrer Tochterstädte Kallatis und
Chersones. Athen, das in der Propontis und im
Schwarzen Meer den milesischen Einfluss immer mehr
einschränkte, um schließlich nach der Zerstörung
Milets sowie Didymas und der Einrichtung des ersten
Seebundes 478 v. Chr. selbst die führende Rolle zu
übernehmen, war dem Orakel in Delphi angeschlossen.
Es unterhielt sogar eine eigene, wenn auch
unregelmäßig stattfindende Prozession als Teil eines
»Athenian festival celebrated at Delphi«, der sog.
Pythaïs360, um die Machtverhältnisse klarzustellen. Die
____________________
360
Boethius 1918; Daux 1936, 708 – 729; Parker 2005, 83 – 87.
Ein Grenzstein der Prozessionsstraße nach Delphi aus dem
mittleren 4. Jh. v. Chr. wurde bei den Agora-Grabungen in der
Nähe des Panathenaia-Prozessionsweges unter einer Mauer vor dem
Nordende der Attalos-Stoa gefunden (Agora, Inschriften-Inv. I
5476): o(/roj i¸era=j… o¸do= di' hÒj po…reu/etai h( P…uqai\j e¹j
De…lfo/j; vgl. Travlos 1971, 91. 93 Abb. 117; Lalonde 1991, 29
Nr. H34; Herda 2006b, 253 – 254. mit Anm. 1802; Parker 2005, 86
mit Anm. 28 (verbindet den Horos mit der Pythaïs von 355 v. Chr.).
64
Prozessionsstraße sollte angeblich dem Weg folgen,
den Apollon selbst von Delos über Athen kommend
nach Delphi genommen hatte361. Es verwundert
keinesfalls, dass sich Milet bei der Neueinrichtung des
verstummten Orakels in Didyma 331 v. Chr. dann so
nahe an Delphi orientierte. So wurde eine Deszendenz
des Branchos aus Delphi konstruiert, der männliche
Mantis der Branchidai wurde durch eine weibliche
Prophetis nach dem Vorbild der delphischen Pythia
ersetzt. Die von Milesiern angestiftete Ermordung der
Branchidai im fernen Sogdiana-Baktrien durch
Alexander 329 v. Chr. kann in diesem Zusammenhang
als historisch angesehen werden. Sie zerstörte zwar
einen wichtigen Traditionsstrang des didymeischen
Orakels, ermöglichte aber gleichzeitig die ungestörte
Kontrolle über den wieder aufblühenden Orakelkult
des Apollon Didymeus, der bis zum Ende der
heidnischen Antike durch die Prozessionsstraße mit
dem kultischen Zentrum Milets, dem Apollon
Delphinios-Heiligtum, verbunden blieb. Zwar sandte
Didyma keine neuen Kolonien mehr aus, aber die alten
Kolonien gedachten seiner Bedeutung und schickten
jedes Jahr ihre Theoriai zum Fest der Boiegia und
Didymeia aus.
Abbildungsnachweis
Abb. 1: nach Herda 2005 Abb. 279 Abb. 29
Abb. 2: nach Thomas1983 Taf. 27, 1–2
Abb. 3: nach Herda 2006b Abb. 17
Abb. 4: nach Herda 2006b Abb. 21
Abb. 5: Foto J. Laurentius, Antikensammlung Berlin,
Neg.-Nr. SK 1592 N1-2; nach Herda 2006b Abb. 11 a
Abb. 6: Foto nach Tsetskhladze 1994b Abb. 2;
Schnittzeichnung der Schale und Umzeichnung der
Inschrift nach Lordkipadnidze 1999 Abb. 1
Abb. 7: a) (Foto) nach Rusjaeva 1986 Taf. zu S. 32;
b–c) (Umzeichnungen) nach ebenda 27 Abb. 1
Abb. 8: Zeichnung Verfasser (graphische
Bearbeitung: Stefan Gräbener, Berlin und Verf.)
Abb. 9: a) Fotos nach Venit 1988 Taf. 1 Nr. 2 a–b,
Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Nr. 878
Abb. 10: a) Foto nach Venit 1988Taf. 2 Nr. 3, b)
Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Taf. 881
Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus
Abb. 11: a) Foto nach Venit 1988 Taf. 2 Nr. 5, b)
Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Nr. 879
Abbkürzungsverzeichnis
Abmeier 1990
A. Abmeier, Zur Geschichte von Apollonia am Rhyndakos, in:
Asia Minor Studien 1, 1990, 1–16.
Alexandrescu 2005
P. Alexandrescu (Hrsg.), Histria VII: La zone sacrée d’époque
grecque (Fouilles 1915–1989) (2005).
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Kolonisation dagegen: Parker 2000, 85 – 86.
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Herda 2006b, 281 mit Anm. 1988. Bereits im ‘homerischen’
Apollonhymnos V. 30 ist Athen gleich nach Kreta als zweites Ziel
des von Delos nach Delphi aufbrechenden Gottes genannt, der
Mythos des von Athen nach Delphi wandernden Gottes wird
archaisch sein.
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Abb. 1
Milet, Stadtplan in spätarchaischer Zeit mit Lage des Delphinions nördlich der
Agora; grau unterlegt: ungefähre Ausdehnung des versumpften südlichen
Ausläufers der Löwenbucht, der im 6. Jh. v. Chr. angeschüttet wurde (Stand 2004)
Abb. 2
milesische Bronzemünzen mit Darstellung des von Demetrios ca. 100 v. Chr.
gestifteten Kultbildes des Apollon Delphinios, das ihn auf einem Felsen sitzend
zeigt, mit der Rechten auf einen Köcher gestützt, mit der Linken den Bogen
haltend, rechts unten ist der Omphalos zu sehen (Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Münzkabinett)
a) aus der Regierungszeit des Commodus (176–192 n. Chr.)
b) aus der Regierungszeit des Septimius Severus (193–211 n. Chr.)
Abb. 3
Kulttopographie der
Prozessionsverlaufes
Prozessionsstationen;
sowie der wichtigsten
Höhenlinien alle 50 m
Milesia Ende des 6. Jhs. v. Chr. mit Angabe des
zwischen Milet und Didyma (eingekreiste Zahlen:
nicht ausgefüllte Zeichen: Lokalisierung hypothetisch)
weiteren Wegeverbindungen (punktiert = rekonstruiert);
Abb. 4
Didyma, Umgebung des Apollonorakels mit zentralem Altarplatz im Osten
Abb. 5
Milet, Fries vom Bühnengebäude des Theaters, Mitte des 2. Jhs. n. Chr. (Berlin,
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, SK 1592)
Frontseite mit Darstellung der spätarchaischen Statue des sog. Kanachos-Apollon
(der Nimbus ist kaiserzeitliche Zutat), des brennenden Aschenaltars des Apollon
Didymeus und zweier hellenistischer Fackelträgerstatuen, Stiftungen des
milesischen Bildhauers Demetrios (Ende 2. Jh. v. Chr.).
Abb. 6
Beintäfelchen aus Berezan-Olbie Polis mit Graffiti (2. Hälfte 6. v. Chr.):
a) Foto der Vorderseite
b) UmzeichnungVorderseite: private Kopie(?) eines Orakels des Apollon
Didymeus bezüglich der Gründung von Olbie Polis
c) Umzeichnung Vorderseite (um 180° gedreht): Weihung an Apollon Didym(eus)
Milesios
Abb. 7
silberne Omphalosschale mit eingeritzter Weihung an Apollon Hegemon in Phasis,
ca. 420/00 v. Chr.
Abb. 8
Verbreitung des aus Milet stammenden Apollon-Delphinios-Kultes, des aus
Didyma stammenden Apollon-Didymeus-Kultes sowie der didymäischen
Gründungsorakel (volle Symbole: Kult direkt bezeugt; leere Symbole: Kult
indirekt bezeugt)
Abb. 9
Nordionische Vogelschale Kairo 26153 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis
mit Weihung an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 625-600 v. Chr.
oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift
Abb. 10
Nordionische Vogelschale Kairo 26155 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis
mit Weihinschrift an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 625-600 v. Chr.:
oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift
Abb. 11
Nordionische Vogelschale Kairo 26154 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis
mit Weihinschrift an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 620/10 v. Chr.:
oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift
Abbildungsnachweise:
Abb. 1
nach Herda, Prytaneion Abb. 279 Abb. 29
Abb. 2
nach E. Thomas, DHMHTRIOS GLAUKOU MILHSIOS. Bemerkungen zur Person
und zum Werk eines späthellenistischen Bildhauers, IstMitt 33, 1983, 124–133
Taf. 27, 1–2
Abb. 3
nach Herda, Delphinios Abb. 17
Abb. 4
nach Herda, Delphinios Abb. 21
Abb. 5
Foto J. Laurentius, Antikensammlung Berlin, Neg.-Nr. SK 1592 N1-2; nach
Herda, Delphinios Abb. 11 a
Abb. 6
a) (Foto) nach A.S. Rusjaeva, Milet – Didym – Borisfen – Olbija: Problemy
kolonizatsii nizhnevo Pobuzh’ja (Milet – Didyma – Borysthenes – Olbia: Die
Kolonisation der Unteren Bug-Region), VDI 177, 1986, 25 ff. Taf. zu S. 32);
b–c) (Umzeichnungen) nach ebenda 27 Abb. 1
Abb. 7
Foto nach G. R. Tsetskhladze, The Silver Phiale Mesomphalos from the Kuban
(Northern Caucasus), OxfJA 13, 1994, 199–215 Abb. 2; Schnittzeichnung der
Schale und Umzeichnung der Inschrift nach O.D. Lordkipadnidze, Les divinités de
la ville de Phasis. Apollon ou la triade apollonienne?, in: O. Lordkipadnidze – P.
Lévêque (Hrsg.), Religions du Pont-Euxin, Actes du VIIIe Symposium de Vani
(Colchide) 1997 (1999) 129–153 bes. 142 Abb. 1
Abb. 8
Zeichnung Verfasser (graphische Bearbeitung: Stefan Gräbener, Berlin und Verf.)
Abb. 9
a) Fotos nach Venit Taf. 1 Nr. 2 a–b
Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Nr. 878
Abb. 10
a) Foto nach Venit Taf. 2 Nr. 3
b) Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Taf. 881
Abb. 11
a) Foto nach Venit Taf. 2 Nr. 5
b) Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Nr. 879