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Apollon Delphinios – Apollon Didymeus: Zwei Gesichter eines milesischen Gottes und ihr Bezug zur Kolonisation Milets in archaischer Zeit

Abstract

>>>>>>>>>>> update of 29.10.2024: now I hope to have fixed the problem with the Greek font and it is readable in the pdf!!! This article is very important for the understanding of the genesis of the cult of Greek Apollo (there is more to come on this topic from my side), as well as it is fundamental for understanding the function of the oracle of Apollo Didymeus Milesios in the process of Milesian colonisation of the Archaic period. <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< Apollo, the most greek of all gods - even though he has his roots in western Asia Minor - can to a high degree be associated with the political, economic and cultural climax of the Ionian metropolis of Miletos in the 7th and 6th centuries BC. In two forms of his appearance the bi-polarity of the Milesian state religion is manifested. Apollo Delphinios, who displayed not only Greek, but also Cretan-Mycenaean as well as Hattic-Hittite traits, was the political god, the founder of the state and its future protector. Apollo Delphinios was worshipped in the heart of the city, in the Delphinion located in the agora. This was the place of citizen initiation, the location of the prytaneion, the original household with the sacred hearth and the seat of government of Miletos - all merged into one. The other Apollo, Apollo Didymeus, was the god of the oracle indigenous to Didyma and located 18 kilometers from Miletos. The spatial and imaginary fusion of both cults culminated in the ritual of the Milesian New Year festivities. Sacrificial offerings formed the beginning and end of the ritual in the Delphinion and Didyma and they were firmly connected to one another by a long state procession. As a result Didyma was part of the Milesian state and Apollo Didymeus became a 'Milesios', a "Milesian". From a functional viewpoint Delphinios and Didymeus Milesios formed a complementary cultic couple, which can be considered specifically Milesian. This cultic couple sanctioned the Milesian colonisation in the Propontis and in the Black Sea regions, both highly successful ventures and in direct competition with the colonisation efforts of the closely related pan-Hellenic Apollo Pythios oracle in Delphi. Evidence of this is apparent from literary, epigraphic and archaeological sources concerning, for example, Borythenes-Olbie Polis, Kyzikos, Apollonia at Rhyndakos and Phasis. Naukratis in the Nile delta constitutes a special and particularly complicated case as a colony. It cannot be described as a typical Milesian colony, even though ancient sources repeatedly attempted to do this, and even though the sanctuary of Apollo Didymeus Milesios in Naukratis actually dates back to the beginnings of the colony. It was here that both the oracle gods Apollo Didymeus from Miletos-Didyma and Apollo Pythios from Delphi encountered one another at the time when the pan-Hellenic polis of Naukratis, and the trading colony which belonged to it, were founded. This probably happened during the reign of the Pharaoh Amasis and with the approval of Delphi.

Internationale Archäologie-ASTK 11 e¹pei\ hÅ poluw//numoj e)/stai denn er wird Namen haben in Fülle (Homerischer Hymnos an Apollon, V. 82) Apollon Delphinios – Apollon Didymeus: Zwei Gesichter eines milesischen Gottes und ihr Bezug zur Kolonisation Milets in archaischer Zeit* Alexander Herda Apollon, der ‘griechischste’ aller Götter – wenn auch mit westkleinasiatischen Wurzeln –, lässt sich in besonderem Maße mit der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Akme der ionischen Metropole Milet im 7. und 6. Jh. v. Chr. verbinden. In zwei seiner Erscheinungsformen manifestierte sich eine Art Bipolarität der milesischen Staatsreligion: Apollon Delphinios, der nicht nur griechische, sondern auch kretisch-mykenische wie hattischhethitische Züge trug, war der politische Gott, der Gründer des Staates und sein Schützer für die Zukunft. Er wurde im Herzen der Stadt, im Delphinion an der Agora, verehrt. Hier war der Ort der Bürgerinitiation, hier lag das Prytaneion, der ‘Urhaushalt’ mit dem Heiligen Herd und der Regierungssitz Milets in einem. Der andere Apollon, der Didymeus, war der Gott des indigenen Orakels von Didyma, viele Kilometer von Milet entfernt. Die räumliche und ideelle Verbindung der beiden Kulte erfolgte im Ritual des milesischen Neujahrfestes. Opfer im Delphinion und in Didyma bildeten Anfang und Ende, sie wurden durch eine große Staatsprozession fest miteinander verknüpft. Didyma war so Teil des milesischen Staates, der Apollon Didymeus wurde zum ‘Milesios’. Auch funktional bildeten Delphinios und Didymeus ein komplementäres Kultpaar, das als spezifisch milesisch zu gelten hat: Dieses Paar sanktionierte die milesische Kolonisation in der Propontis und im Schwarzen Meer, die so überaus erfolgreich war und in Konkurrenz zur Kolonisationstätigkeit des eng verwandten panhellenischen Apollon-Pythios-Orakels in Delphi trat. Aufgezeigt wird dies anhand literarischer, epigraphischer und archäologischer Quellen am Beispiel von Borysthenes-Olbie Polis, Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos und Phasis. Einen komplizierten Sonderfall stellt Naukratis im Nildelta dar, das nicht als typische milesische Kolonie bezeichnet werden kann, auch wenn die antike Überlieferung dies immer wieder tat und das dortige Heiligtum des Apollon Didymeus Milesios tatsächlich bis in die Anfänge der Siedlung zurückreicht. Hier trafen sich schließlich die beiden Orakelgötter Apollon Didymeus aus Milet-Didyma und Apollon Pythios aus Delphi, als die panhellenische Polis Naukratis mit dem zugehörigen Emporion möglicherweise unter dem Pharao Amasis und mit Billigung Delphis gegründet wurde. 14 Einleitung Apollon, die Hauptgottheit Milets, wurde unter zahlreichen Epiklesen, oder Epitheta, »Beinamen«, verehrt, die die Vielgestaltigkeit seines vorgestellten Wirkens ausdrückten. Nicht von ungefähr nennt der an Apollon gerichtete sog. homerische Hymnos diesen auch poluw/numoj, »der viele Namen besitzt«. Dabei ist es wesenhaft für den griechischen Polytheismus, dass jede Epiklese, sieht man von den rein ‘poetischen’ ab, für einen eigenständigen Kult steht, dessen spezifische Funktionen und dessen Verortung an einem bestimmten Kultplatz sich aufgrund der fragmentarischen Quellenlage allerdings nicht immer klar herausarbeiten lassen. Zudem sind auch sog. Doppel- oder Mehrfachepiklesen zu beobachten, die nicht etwa eine Gleichsetzung der einzelnen Epiklesen bedeuten, sondern vielmehr ihre Kombination im Sinne einer funktionalen Erweiterung des vorgestellten Wirkens der Gottheit1. ____________________ * Zuvorderst sei Ursula Höckmann und Renate Bol für die Einladung nach Mainz herzlich gedankt. Die vorliegende überarbeitete Fassung meines Vortrags hat von den anregenden Diskussionen mit den Teilnehmern des Kolloquiums profitiert. Erwähnen möchte ich besonders Udo Schlotzhauer, mit dem ich Fragen zu den keramischen Weihungen aus Naukratis diskutieren konnte. Ursula Höckmann hat über die Jahre meine Beschäftigung mit dem Apollon-Kult in Naukratis besonders gefördert (s. u. Anm. 260). Ermöglicht wurden meine Untersuchungen zum ApollonDelphinios- und Apollon-Didymeus-Kult in Milet durch eine dreijährige Sachbeihilfe (GZ: HE 3499/2-1/2) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ihr möchte ich für das in mich gesetzte Vertrauen danken. 1 Zu Epiklesen/Epitheta/Eponymia vgl. die kurze Zusammenfassung von Graf 1997, 497 – 498; Brulé 1998, 13–34; Nick 2002, 108 – 109, 113 – 116 und jetzt methodisch grundlegend: Parker 2003. – Ältere Analysen und Materialsammlungen: Bruchmann 1893; Usener 1948; Carter 1902; Santoro 1974; vgl. außerdem die Epitheta-Zusammenstellungen unter den einzelnen Götternamen in der RE und die von P. Brulé u. a. initiierte interaktive »Banque de données des épiclèses grecques« der Universität Rennes: www.uhb.fr/sc_sociales/crescam; vgl. dazu: Brulé – Lebreton 2007, 217 – 228 (ich danke Joannis Mylonopoulos, Universität Erfurt, für diesen Hinweis). – Zu Apollon etwa: RE II 1 (1895) 1–111 s. v. Apollon (K. Wernicke). – Zu Apollon als poluw/numoj: Hymn. Hom. Ap. 82 und Kallim., Hymn. Art. 7; dort bittet Artemis ihren Vater Zeus, ihr eine Apollon vergleichbare »Vielnamigkeit« (poluwnumi/a) zu verleihen; dazu: Usener 1948, 334 mit Anm. 7, der noch auf Hesych s. v. Poluw/numon: (...) kai\ e¹pi/qeton 'A)po/llwnoj verweist. Liddell – Scott 1948 – 85, s. v. poluw/numoj II. übersetzen den Ausdruck stattdessen mit »‘of great name’, i. e. ‘famous’«. Richtig stünde das Zitat des Apollonhymnos s. v. poluw/numoj I. 2: »of divinities, ‘whorshipped under many names’«. Vgl. zu poluw/numoj bzw. zu poluwnumi/a: Onyshkevych 1998, 60 – 63. 220; hier Anm. 155. – Zur Bedeutung von Doppel- und Mehrfachepiklesen vgl. hier Kap. III mit Anm. 85; Anm. 155. Zu den verschiedenen Kulten des Apollon in Milet und Didyma vgl. Ehrhardt 1988, 130 – 147; Fontenrose 1988, 118 – 122; vgl. die Zusammenstellung der Epiklesen von N. Ehrhardt in: Milet VI 3, 145 – 146. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Ich möchte mich hier im besonderen auf zwei Epiklesen bzw. Kulte des Apollon konzentrieren, die für die Polis Milet eine Schlüsselfunktion besaßen: den ‘Delphinios’ und den ‘Didymeus’. Beide Kulte zeigen eine ganz individuelle Ausprägung und besitzen eine eigene Geschichte. Während der Kult des Apollon Delphinios eine weite Verbreitung erfahren hat, hat der Apollon Didymeus immer seinen engen lokalen Bezug zum namengebenden Kultort Didyma behalten. Im Folgenden ist aufzuzeigen, dass der Apollon Delphinios in Milet und der Apollon Didymeus in Didyma ein komplementäres Kultpaar bildeten, das als spezifisch milesisch zu gelten hat. Dazu sei der Kult des Apollon Delphinios in seinem politischen Charakter skizziert (Kap. I), bevor ich das Neujahrsfest der Milesier untersuche, anhand dessen sich paradigmatisch das enge Verhältnis des Delphinios zum Didymeus bzw. der Polis Milet zum Heiligtum von Didyma aufzeigen lässt (Kap. II–III). In den weiteren Abschnitten wird es um die Bedeutung des Orakelgottes Apollon Didymeus für die milesische Kolonisation gehen. Ausgangspunkt bildet ein erst kürzlich entdecktes, in die zweite Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. zu datierendes Orakel betreffs der Gründung von Olbie Polis am Schwarzen Meer. Weitere Beispiele aus anderen milesischen Kolonien (Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos, Phasis) machen deutlich, dass das Orakel in Didyma die Kolonisationsunternehmen Milets in archaischer Zeit religiös sanktionierte. Die Grundvoraussetzung hierfür bildete die enge Anbindung Didymas an Milet, weshalb der Didymeus auch die zusätzliche Epiklese ‘Milesios’, »der Milesische«, trug (Kap. IV–V). Damit geht zusammen, dass die Verbreitung der beiden Kulte des Didymeus Milesios und des Delphinios in direkter Beziehung zur Kolonisationstätigkeit der Metropole steht (Kap. VI). Besonders hervorzuheben ist zum einen Borysthenes–Olbie Polis, wo das Kultpaar Delphinios – Didymeus wie in der Mutterstadt nachweisbar ist, zum anderen Naukratis, wo ein Kult des Apollon Didymeus Milesios seit dem späten 7. Jh. v. Chr. bestand, auch wenn diese Siedlung nicht als eine typische milesische Kolonie bezeichnet werden kann (Kap. VII–VIII). Abschließend wird ausgehend vom sog. Homerischen Apollonhymnos ein funktionaler Vergleich der Orakel von Delphi und Didyma unternommen, der auffällige Parallelen, jedoch auch deutliche strukturelle Unterschiede erkennen lässt (Kap. IX). I. Apollon Delphinios Der Kult des Apollon Delphinios ist als der politischste aller Kulte in Milet zu bezeichnen und Internationale Archäologie-ASTK 11 verdeutlicht anschaulich die enge Verbindung von Religion und Politik in einer griechischen Polis2. Seine Anfänge reichen wahrscheinlich bis in die submykenisch-protogeometrische Zeit zurück, also das 12./11.–10. Jh. v. Chr., den Übergang zwischen später Bronze- und früher Eisenzeit. Diese Epoche ist gekennzeichnet durch den Beginn größerer Migrationsbewegungen, die nach den später bedeutensten griechischen Volksgruppen zumeist als ‘dorische’, ‘aiolische’ und ‘ionische Wanderung’ bezeichnet werden3. Die Verbreitung des ApollonDelphinios-Kultes reicht von der Peloponnes (Sparta) über die Phokis (Krisa) nach Attika (Athen, Demos Erchia, Oropos), Euböa (Chalkis), die Inseln Aigina, Kreta, Thera, Nisyros und Chios bis nach Kleinasien (Milet, Erythrai, möglicherweise Phokaia) und die phokäische Kolonie Massalia an der Rhonemündung4. In archaischer Zeit wird er weiterhin in die milesischen Kolonien Sinope, Borysthenes-Olbie Polis, Odessos, Hermonassa und vielleicht Kios, Prokonessos, Apollonia Pontike, Pantikapaion, Nymphaion, Kepoi und Gorgippia übertragen5. Der Apollon-Delphinios-Kult kann als Synkretismus, als interkulturelle religiöse Synthese, begriffen werden6. Er setzt sich zum einen zusammen aus dem wiederum selbst synkretistisch geformten Kult Apollons, des »griechischsten aller Götter«7. In diesem ‘griechischen’ Apollon ist allerdings wohl der spätbronzezeitliche, westkleinasiatisch-trojanische Gott Apaliunaš aufgegangen. Homer erinnert an diesen Vorgang in seiner ‘Ilias’, indem er Apollon als den Schutzgott der Trojaner gegen die achäischen Griechen charakterisiert und ihn als Lukhgenh/j, »der in Lykien Geborene«, bezeichnet8. ____________________ 2 Graf 1979, bes. 7 ff.; Herda 2006b; Herda 2005. – Zur griechischen Religion als einer ‘eingebetteten Religion’ (»embedded religion«), die sich nicht von den anderen antiken Lebensbereichen, etwa der Politik, trennen lässt: Bremmer 1994, 2 – 4; Bremmer 1996, 3 – 5; Graf 1997, 457. 3 Vgl. den Überblick in: DNP 1 (1996) 336–341 s. v. Aioleis 1) (E. Schwertheim); DNP 3 (1997) 787–791 s. v. Dorische Wanderung (B. Eder); DNP 6 (1999) 646–647 s. v. Kolonisation I. Allgemein (W. Eder); ebenda 648 – 651 s. v. Kolonisation II. Ionische Wanderung (S. Deger-Jalkotzy). Vgl. zur Ionischen Migration jetzt: Herda (im Druck). 4 Ältere Überblicke über die verschiedenen Kultorte des Apollon Delphinios bieten: Bourboulis 1949; Graf 1979, passim. – Zu Apollon Delphinios in Phokaia vgl. hier Kap. IX mit Anm. 329. 5 Für die milesischen Kolonien speziell: Ehrhardt 1988, 130 ff.; vgl. hier Kap. VI mit Verbreitungskarte Abb. 8. 6 Zum Terminus und seiner Bedeutung vgl. DNP XI (2000) 1152 s. v. Synkretismus (R. Gordon). 7 Vgl. z. B. Otto 1956, 78. 8 Hom., Il. 4, 101. 119. Zu Apollons Herkunft aus Kleinasien stellt Burkert 1985a, 144 fest: »But that the god as such, with name, cult, and myth, is imported [to Asia Minor, A.H.] is impossible to prove«. Vgl. jetzt Beekes 2003; Brown 2004; Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 329 ff.; s. u. Kap. IX mit Anm. 345 ff. – Als andere Herleitungen Apollons werden in der Forschung weiterhin diskutiert: 1) aus dem dorisch-nordwestgriechischen Raum (Namensgebung Apollons/Apellons nach den Apellai, den 15 Spätestens seit submykenisch-protogeometrischer Zeit entwickelte sich Apollon griechenlandweit zum Gott der männlichen Initiation und politischen Organisation und wurde mit dem Kult eines minoisch-mykenischen Delphin-Gottes verbunden, der ebenfalls der männlichen Initiation zugeordnet war, sowie außerdem dem Schutz der Seefahrt und der Kolonisation9. Auch der Delphinios ist eine synkretistische Gestalt: Er weist funktionale und namentliche Bezüge zum hattisch-hethitischen Gott Telipinu auf, dem nicht nur der Schutz der Vegetation sowie der hethitischen Staatsordnung und des Königshauses oblag, sondern der auch als Beherrscher des Meeres galt. Weiterhin war Telipinu der Schutzgott der Gründung von Tempel (Altar) und Königspalast (Herd und Thron), mithin der Gründung des hethitischen Staates selbst10. Auf den vergleichbaren Aspekt des Apollon Delphinios als Staatsgründer und Kolonisator soll hier in Kap. IX noch näher eingegangen werden. Der spätgeometrisch-früharchaische, d. h. wohl um 700 v. Chr. anzusetzende11 sog. homerische Apollonhymnos erinnert den wichtigen Vorgang der Verschmelzung von Apollon und Delphinios12: Apollon springt in Gestalt eines Delphins auf ein Boot mit kretischen Seefahrern, die eigentlich auf dem Weg zum peloponnesischen Pylos sind. Er führt sie stattdessen an den Strand nahe Delphi zu einem Ort namens Krisa, wo sie das Schiff anlanden. Hier mutiert er zuerst zu einem Stern, dann zu einem langhaarigen jungen Mann – einem Kouros –, der den Kretern gebietet, ihm am Strand einen Altar zu errichten, ihm zu opfern und zu ihm als Delphinios zu beten. Nach dem Opfermahl führt er sie in einer Prozession nach Delphi, während der er die Phorminx spielt und sie kretische Paiane singen. Anschließend macht er sie zu den Verwaltern seines Orakels (vgl. auch Kap. IX). Die enge Verbindung zwischen Apollon, Delphinios und Kreta wird durch seine vielen Kultorte auf der Stammesversammlungen der Dorier) 2) semitisch (zyprisch); vgl. Burkert 1985a, 144 – 145; Herda 2005, 287 mit Anm. 207. 9 Vgl. hierzu Herda 2005, 286 – 290. Demgegenüber vertritt Parker 2003, 179 die Meinung, dass der Name Delphinios adjektivisch gebildet sei und dass deshalb »there is little reason to think that, say, Delphinios and Lykeios (…) ever existed as independent gods«. Ebenda schließt sich Parker der Meinung von Graf an (Graf 1979, 5 – 7. 21), dass »Apollo Delphinios was not a god of the sea«. Diese These lässt jedoch den Befund des sog. homerischen Apollonhymnos außer Acht, der sowohl den Bezug des (Apollon) Delphinios zum Meer und zur Kolonisation, als auch den synkretistischen Charakter des Kultes (Wanderung aus Kreta und Wandel der zuerst theriomorphen Gottesgestalt) bezeugt: vgl. dazu hier Kap. IX. 10 Mazoyer 2003; vgl. Herda (im Druck) Kap. VIII mit Anm. 345 ff.; ablehnend noch: Herda 2005, 287 mit Anm. 208 unter Bezug auf Graf 1979, 21 – 22 mit Anm. 161. 11 Zur Datierung ins 8./7. Jh. v. Chr. vgl. Herda 2006b, 273 – 274 Anm. 1936; vgl. bereits RE IV 2 (1901) 2517 – 2583 bes. 2528 s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen). 12 Hymn. Hom. Ap. 388 ff.; dazu: Herda 2006b, 268 – 277; Herda 2005, 286 – 290. 16 Insel illustriert. Bisher nachgewiesen sind Knossos, Dreros, Olous, Hyrtakina und Oleros13. Es liegt daher nahe, Kreta als Ursprungsort der Verschmelzung von Apollon und Delphinios zu betrachten. Dies impliziert auch die Kultverbreitung des Apollon Delphinios, wie sie der Apollonhymnos bezeugt: Knossos auf Kreta ist seine Herkunft. Ist es Zufall, dass Apollon möglicherweise zuerst in einem Linear B-Text aus Knossos genannt wird?14. Zu erinnern ist auch an die kretische Herkunft des Paian, des hymnischen Gebetsgesanges für Apollon, der in einem mykenischen Linear B-Text aus Knossos und auch in der homerischen ‘Ilias’ als eigenständige Gottheit Paja-wo-ne bzw. Paiéon erscheint15. Wie noch gezeigt wird, spielt der Paian auch im Kult des Apollon Delphinios in Milet eine wichtige Rolle (hier Kap. II). Die Milesier selbst leiteten zumindest im späteren 3. Jh. v. Chr. den Kult des Apollon Delphinios aus Kreta her16. Nach dem zu Anfang des 3. Jhs. v. Chr. anzusetzenden fragmentarisch erhaltenem Gedicht ‘Branchos’ des Dichters Kallimachos, das einen wahrscheinlich milesischen Gründungsmythos zum Orakel von Didyma überlieferte, kam Apollon Delphinios allerdings nicht direkt aus Kreta nach Milet. In Anspielung auf die Epiklese Delphinios lässt der von Kallimachos erzählte Mythos Apollon stattdessen auf einem Delphin von der Insel Delos, seinem Geburtsort, nach Milet reiten17. Über die Organisation des Kultes sind wir durch zahlreiche Inschriften informiert, die im Heiligtum des Gottes gefunden wurden, wo sie ____________________ 13 Nachweise vgl. hier Anm. 4. Zu den kretischen Kulten vgl. jetzt: Sporn 2002; Prent 2005. 14 KN E 842, 3 a-]pe-ro2-[ne; vgl. Beekes 2003, 7. 12–14; Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 340. 15 Huxley 1975; Herda 2006b, 106 mit Anm. 705; 277 mit Anm. 1955 – 1958. 16 Vgl. die Einbürgerungsurkunde für Kreter, die u. a. aus Knossos und Dreros stammten: Milet I 3, 181 ff. Nr. 37a Z. 2. 4 –5. sugge/neia a)po\ tou= qeou= (»Verwandtschaft vom Gotte her«); vgl. dazu Didyma II, 196: »Die sugge/neia (Z. 2. 5) ist alte Tradition; vgl. Ephoros b. Strabon XIV p. 634. Paus. VII 2, 5; dass der Apollon Delphinios ihr Repräsentant ist, es sich also wirklich um eine sugge/neia a)po\ tou= qeou= handelt, ist jetzt, wo wir den Delphinios als den Stadtgott von Milet kennengelernt haben, völlig klar.« Vgl. dazu Herda 2005, 286 – 290. – Zur Datierung der Inschrift ins Jahr 229/8 v. Chr.: P. Herrmann in: Milet VI 3, 163 zu Nr. 38. Eine deutsche Übersetzung gibt er ebenda 162 – 163. Nr. 37. 17 Pfeiffer 1959, 224 fr. 229 Z. 12 – 13: Xai=re deì Delf]i/ni ) a)/[n]ac, ou)/n[o]ma ga\[r] toi to/d )e¹gw\ kata/rxw,| [ei(/neken Oi¹kou/s]ion ei¹j a)/[s]tu se delfi\j a)p )e)/bhse Dh/lou (»[Sei gegrüßt] Herrscher [Delph]inios. Ich beginne nämlich von Deinem Namen,| weil ein Delphin dich von Delos nach der Stadt [Oikous] brachte«); vgl. jetzt auch mit neuer deutscher Übersetzung: Asper 2004, 35 – 36. 268 – 271 fr. 182. – Ziel ist nicht Milet selbst, oder etwa Didyma (so zuletzt Fontenrose 1988, 107. 121; danach: Salviat 2000, 25 ff. bes. 28), sondern Oikous, der nach dem Mythos ältere, noch in die Zeit vor der minoischen Kolonisation zurückgeführte milesische Vorort; vgl. dazu: Herda 2006b, 274; Herda 2005, 288 – 289 mit Anm. 216 – 219; 291 mit Anm. 230; vgl. hier Kap. IX mit Anm. 315 – 320. 330. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus ursprünglich aufgestellt waren. Das Delphinion, südöstlich des Löwenhafens gelegen (Abb. 1), war nach Ausweis dieser Inschriften »der prominenteste Ort der Stadt« (o¸ e¹pifane/statoj to/poj th¤j po/lewj), in dem neben Apollon Delphinios zahlreiche andere Götter mitverehrt wurden, etwa Zeus Nousios, der ‘Heiler’, Zeus Soter, der ‘Retter’, der nabatäische Zeus Dusares, Herakles, Hestia, Hekate, Artemis (Delphinia) und die römischen Kaiser18. Das Delphinion war nicht nur das religiöse, sondern auch das politische Zentrum des Polisstaates: Der Kultverein des Apollon Delphinios, die ‘Molpoi’, kontrollierten den Zugang zum Bürgerrecht. Dies kann u. a. an den zahlreichen Kopien von Neubürgerlisten abgelesen werden, die in hellenistischer Zeit in die Heiligtumswände eingemeißelt wurden19. Zum Zweiten war der Vorsitzende der Molpoi, genannt ‘Aisymnetes-Stephanephoros’, höchster Beamter der Stadt und Eponymer. Im Delphinion wurde eine der vollständigsten inschriftlichen Eponymenlisten aus einem griechischen Polisstaat gefunden. Über 400 Namen sind auf mehreren großen Marmorstelen erhalten20. Zum Dritten wurden die Dokumente zur Außenpolitik im Delphinion publiziert, d. h. Staatsverträge, Proxenie-Dekrete und Ehrendekrete von fremden Staaten für milesische Richter. Ebenfalls standen hier Ehrenstatuen für die hellenistischen Könige Seleukos I. (312–280 v. Chr.) und Ptolemaios I. (305–283 v. Chr.)21. ____________________ 18 Herda 2005, 247 – 248 mit Anm. 32. – Zur Epiklese ‘Delphinia’, die Artemis im Delphinion von Milet getragen haben dürfte, vgl. Herda 2006b, 213 Anm. 1490. Die Zweifel von Dubois 1996, 162 an der Lesung eines Weihe-Graffitos an Artemis Delphinia aus dem Delphinion in Purotino/Olbie Polis (auf einer schwarzgefirnißten Schale, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr.; SEG 30, 1980, 272 Nr. 978: 'A)rt[e/midi] Dhlfi[ni/hi]), das als Nachweis für den Kult auch im Delphinion der Mutterstadt zu werten ist, können nicht überzeugen (er nimmt stattdessen eine Weihung an Artemis und [Apollon] Delphinios an und ergänzt A)rt[e/midi] Dhlfi[ni/wi]). Sein Argument, die Epiklese sei sonst für Artemis unbekannt, ist erstens eine argumentatio e silentio und zweitens falsch, da der Kult der Artemis Delphinia sich im Delphinion von Athen nachweisen lässt und für Aigina, Thera und Olous durch den Nachweis des Festes der Delphinia bzw. des Monats Delphinios wahrscheinlich gemacht werden kann: Herda 2006b, 248 – 249 mit Anm. 1770. Dazu, dass die Epiklese ‘Delphinia’ wahrscheinlich von Apollon auf Artemis übergegangen ist, vgl. Bourboulis 1949, 23 ff. bes. 25 Anm. 1. 19 Vgl. Milet I 3, 166 ff. Nr. 33 – 93; etwa Milet I 3, 181 ff. Nr. 36 – 38 (Kreterliste, 229/28 v. Chr.) mit Beilage zu S. 181 (= Herda 2005, 248 Abb. 3). 20 Zum Aisymnetes-Stephanephoros-Amt vgl. die Zusammenfassung bei Herda 2006b, 428 – 429. 435; die Eponymenlisten sind in Milet I 3 Nr. 122 – 128 publiziert; vgl. P. Herrmann in: Milet VI 3, 166 – 167, n. 122 – 128 vor allem zur Datierung; zu einem Neufund einer älteren Liste, die später kopiert wurde: Blümel 1995, 56 – 58 Nr. 26 Taf. 13, 3; SEG 45, 1995, Nr. 1620; Herda 2006b, 15 Anm. 41; Ehrhardt 2003a, 4 Taf. 1.; vgl. hier Anm. 34 zur Korrektur der Datierung der am weitesten zurückreichenden Liste Milet I 3, Nr. 122. 21 Herda 2005, 249 mit Anm. 36 – 37. Internationale Archäologie-ASTK 11 Eine Schlüsselrolle für die Bestimmung der zentralen religiös-politischen Stellung des Delphinions kommt schließlich der sog. Molpoi-Satzung zu. Es handelt sich um die ca. 200 v. Chr. entstandene Kopie eines spätarchaischen Kultgesetzes, welches das Neujahrsfest, das im Delphinion gefeiert wurde (vgl. hier Kap. II), regelt22. Eine der Bestimmungen für den dritten Tag des Festes sieht vor, dass der AisymnetesStephanephoros des vergangenen Jahres eine ‘Aparche’, eine Erstlingsgabe, im ‘Molpon’, dem Vereinshaus der Molpoi, an die Göttin Hestia zu opfern hatte, bevor das Opfermahl begann. Eine andere Bestimmung erlaubte dem Paar von altem und neuem Aisymnetes-Stephanephoros, das Neujahrsfest aus dem Besitz der Hestia zu finanzieren. Dadurch wird klar, dass die Hestia des Molpons nichts anderes als die Göttin des Heiligen Herdes der Stadt war, Hestia Prytaneia, und dass der Besitz der Hestia mit der Staatskasse Milets gleichgesetzt werden kann. Das bedeutet aber auch, dass das Molpon das Prytaneion von Milet war und dass der AisymnetesStephanephoros dem ‘Vater des Staates’ bzw. vorsitzenden Prytanis gleichzusetzen ist23. Der Kontext des Neujahrsfestes führt weiterhin zu der Annahme, dass das MolponPrytaneion im Delphinion lag. Hier fanden die Opfermähler der milesischen Offiziellen und ihrer auswärtigen Gäste statt. Aus diesem Grunde wurden auch die Staatsverträge, die eine Einladung in das milesische Prytaneion erwähnen, alle im Delphinion aufgestellt24. Die religiös-politische Ausrichtung des Apollon-Delphinios-Kultes lässt sich bis an den Beginn des 7. Jhs. v. Chr. zurückverfolgen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit der Einrichtung des AisymnetesAmtes und der Kontrolle des Bürgerwesens durch den Kultverein der Molpoi ein entscheidender Schritt auf dem Weg Milets zum Polisstaat unternommen. Zeugnis sind zum einen Fragmente milesischer Lokalhistorie zur Einrichtung des Aisymnetes-Amtes, die bei den um Christi Geburt schreibenden Autoren Nikolaos von Damaskus und Konon erhalten sind25. Zum anderen lässt sich der Apollon Delphinios-Kult als zentraler Poliskult mit den Institutionen der Molpoi und des Aisymnetes auch in den milesischen Schwarzmeer-Kolonien Sinope (wiedergegründet ca. ____________________ 22 Milet I 3, 277 – 284 Nr. 133; Milet VI 3, 168 – 169 n. 133; Herda 2006b, passim; Herda 2005, 247 – 250. Zur Datierungsfrage bzw. Textgeschichte: Herda 2006b, 15 – 20. 425 – 427. 23 Milet I 3, Nr. 133 Z. 8 – 13. 40 – 42. Vgl. dazu: Herda 2006b, 56 – 84. 404 – 414; Herda 2005, 246 – 247. 249 – 250. 24 Vgl. hierzu Herda 2005, 249. 25 Konon FGrHist 26 F 44; Nikolaos FGrHist 90 F 52 – 53.; vgl. Herda 2006b, 173 – 178; Herda 2005, 290. Gorman 2001, 88 ff. mit allerdings zu hohem Ansatz der Ereignisse im 10./9. Jh. v. Chr. Vgl. auch hier Kap. III mit Anm. 71 (um 700 v. Chr.). Gegen die Historizität dieser Erzählungen: Hölkeskamp 1999, 211 – 214. 17 630 v. Chr.) und Borysthenes-Olbie Polis (gegründet ca. 550/40 v. Chr.) nachweisen, wodurch sich für die vorbildhafte Metropolis ein Terminus ante quem ergibt26. Im Delphinion selbst reichen die archäologischen Befunde nur an den Anfang des 6. Jhs. v. Chr. zurück. Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Geschichte und Funktion des Heiligtums konnten 2002–2006 zusammen mit Prof. Dr. Helmut Brückner vom Institut für Geographie der Philipps-Universität Marburg geoarchäologische Tiefbohrungen durchgeführt werden. Diese haben gezeigt, dass das Areal des Heiligtums ursprünglich zu einer flachen, sumpfigen Meeresbucht gehörte, die einen Teil des späteren sog. Löwenhafens bildete (Abb. 1). Wenn es in der Nähe ein älteres Heiligtum gegeben haben sollte, ist es am Strand dieser Bucht zu suchen. Die Situation gliche dann derjenigen des Altares in Krisa, die der ‘homerische’ Apollonhymnos beschreibt27. Das Aussehen des Delphinions ist unter funktionalen Gesichtspunkten durch alle Jahrhunderte seiner nachgewiesenen Existenz, d. h. vom 6. Jh. v. bis um ca. 400 n. Chr. nahezu unverändert: Wesenhaft ist die Anlage als Hofheiligtum mit einem zentralen Altar und den Altarhof flankierenden Hallenbauten28. Ein Kultbild des Apollon Delphinios scheint es erst spät gegeben zu haben: Um 100 v. Chr. stiftete der milesische Bildhauer Demetrios während seiner Amtszeit als Aisymnetes-Stephanephoros eine Bronzestatue, die den Gott nackt auf einem Felsen sitzend darstellte (Abb. 2)29. Für den Kult unverzichtbar war dagegen von Beginn an der Altar. Er bildete tausend Jahre lang auch das räumliche Zentrum des Heiligtums. 494 v. Chr. durch die Perser zerstört, wurde der spätarchaische Altar kurz nach der Befreiung der Stadt ____________________ 26 Zur Verbreitung des Apollon Delphinios-Kultes vgl. Graf 1979, passim; Herda 2005, 286 – 291; vgl. hier Kap. V–VI; Abb. 8. – Zur Datierung der Gründung von Sinope, nach Eusebios im 2. Jahr der 37. Olympiade = 631 v. Chr., was ziemlich genau dem tatsächlichen Datum entsprechen dürfte, vgl. jetzt: Ivantchik 2005, 135 – 161, der sich gegen Ehrhardts Modell der ‘Doppelten Kolonisation’ des Südpontos (Kyzikos, Sinope und Trapezos zuerst um die Mitte des 8. Jhs. v. Chr. gegründet, zweite Gründung im 7. Jh. v. Chr.) wendet (ebenda 148 – 152). – Zur Datierung der Gründung von Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. vgl. hier Kap. IV mit Anm. 86; Kap. V mit Anm. 139. 141. 27 Zum Apollonhymnos vgl. oben; zur Frühgeschichte des Heiligtumsplatzes vgl. Herda 2005, 250 – 258. 278 – 280. 290 – 291 Abb. 6 – 10. 29; Brückner u.a. 2006, bes. 73 – 76; Müllenhoff (im Druck). 28 Zum folgenden vgl. Herda 2005, bes. 259 – 272. 29 Abbildungen haben sich auf dem wohl aus antoninischer Zeit (Mitte 2. Jh. n. Chr.) stammenden Fries des Bühnengebäudes des Theaters von Milet erhalten, sowie auf zahlreichen milesischen Bronzeprägungen aus der Zeit des Commodus (176 – 192 n. Chr.), Septimius Severus (193 – 211 n. Chr.) und Elagabal (218 – 222 n. Chr.): Th. Wiegand in: Milet I 3, 409 ff. Abb. 100 – 101; Thomas 1983. 18 479/78 v. Chr. mit nahezu identischem Aussehen wiedererrichtet30. Von besonderer Bedeutung ist außerdem die südliche Halle. Auch sie wurde wahrscheinlich schon kurz nach 479/78 v. Chr. wiedererrichtet. Dazu benutzte man die Fundamente der spätarchaischen Halle, sowie zahlreiche ihrer Wandblöcke aus Marmor. Einige dieser Wandblöcke tragen archaische Inschriften, die ostentativ in den Außenmauern der frühklassischen Südhalle verbaut wurden. Die Verwendung der archaischen Inschriften macht die frühklassische Südhalle zu einem Mahnmal der Perserzerstörung. Gleichzeitig wird jedoch an die Zeit vor 494 v. Chr., die Blütezeit Milets, angeknüpft, zumal, wenn man bedenkt, dass das gesamte Delphinion an selbiger Stelle in gleichem Grundriss und fast identischem Äußeren wiederaufgebaut wurde. Aufgrund dieser Beobachtungen liegt es m. E. nahe, in der Südhalle das Vereinshaus der Molpoi zu erkennen, das ‘Molpon’. Wie bereits ausgeführt, war das Molpon gleichzeitig das Prytaneion Milets. Für diese Funktion spricht weiterhin zum einen die Ausstattung mit an den Innenwänden umlaufenden Sitzbänken, die die Halle als Versammlungsstätte kennzeichnen, zum anderen die Lage direkt nördlich der politischen Agora, quasi im Herzen der Stadt (Abb. 1). Dem Wiederaufbau der Südhalle dürfte damit nach 479/78 v. Chr. besondere Priorität zugekommen sein31. II. Das milesische Neujahrsfest und die Neujahrsprozession nach Didyma Das Neujahrsfest in Milet wird in einem spätarchaischen Kultkalenderfragment lapidar das »Fest des Apollon Delphinios« genannt. Es fand im Delphinion vom 7. bis 10. Tag des Frühlingsmonats Taureon statt, der zwischen unseren Monaten April und Mai liegt32. Die Molpoi-Satzung gibt uns Auskunft über den Ablauf des Festes. Die Bestimmungen gehören zum Kerntext der Kultinschrift, der spätarchaisch datiert werden kann33. ____________________ 30 Das Fundament des Wiederaufbaus ist in situ erhalten. Die Fragmente der aufgehenden Architektur lassen sich zur für Milet typischen Form des sog. Volutenaltars rekonstruieren. Es sind zwei nahezu identische Bauornamentiksätze erhalten, die nach ihrem Stil einer spätarchaischen und einer frühklassischen Bauphase angehören: Herda 2005, 259 – 263, Abb. 11 – 16. 31 Vgl. Herda 2005, 259 – 278; vgl. demnächst ders., Agora und Stadtplanung in Milet vor und nach den Perserkriegen (erscheint in der Reihe Milesische Forschungen). 32 A. Rehm in: Milet I 3, 162 ff. Nr. 31 a Z. 12 – 13.; P. Herrmann, in: Milet VI 3, 160 n. 31 a mit deutscher Übersetzung; vgl. Herda 2006b, 247 – 249 zur Position des Kalenderfragmentes im milesischen Jahr (11. Artemision – 6. Taureon); vgl. Trümpy 1997, § 5. 79. 229 (der milesische Taureon entspricht dem attischen Monat Munichion). 33 Milet I 3, Nr. 133 Z. 6 – 40; hierzu jetzt umfassend: Herda 2006b, passim. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Ein unter dem Aisymnetes-Stephanephoros Charopinos hinzugefügter Zusatz bezeugt, dass das Neujahrsfest spätestens 476/75 v. Chr. wieder gefeiert wurde. Dies setzt den begonnenen Wiederaufbau des Delphinions voraus34. Während des viertägigen Festes wurden viele staatliche Opfer für Apollon Delphinios und die anderen Götter abgehalten, deren Altäre um den zentralen Altar im Hof des Heiligtums herum standen. Das Hauptziel dieser Opfer war es, das göttliche Wohlwollen für das Schicksal der Polis zu sichern. Ein anderes Motiv war auch, die göttliche Sanktionierung der neuen religiös-politischen Magistrate zu erwirken, die im Rahmen des Neujahrsfestes feierlich in ihre Ämter eingeführt wurden. Der wichtigste aller Magistrate war wie schon gesagt der eponyme Aisymnetes-Stephanephoros35. Als Vorsitzender des Delphinios-Kultvereins der Molpoi führte der Amtsinhaber des neuen Jahres zusammen mit seinem Vorgänger, dem »scheidenden« (e¹ciw/n), alle Handlungen an. Sie eröffneten sogar die staatlichen Opfer mit Voropfern in ihrer Funktion als ‘Opferherren’36. Das Neujahrsfest im Delphinion von Milet endete in einer Nachtfeier (pannuxi/j) mit dem Wettkampf der ‘Hamilleteria’, die ich als Agon der Phylenchöre der ‘Neoi’ im Paiansingen und -tanzen erkläre. Die Neoi sind die letzte Altersklasse im Zyklus der Initiation der männlichen Polisbürger und den Kouroi gleichzusetzen37. Ihre Aufnahme in den Bürgerverband geschah unter dem Schutz des Apollon Delphinios, der im homerischen Hymnos nicht zufällig am Strand von Krisa in Gestalt eines Kouros erscheint38. ____________________ 34 Milet I 3, Nr. 133 Z. 40 – 42; vgl. Herda 2006b, 17 mit Anm. 54. 404 – 414. 426; die Datierungen der Amtsjahre des AisymnetesStephanephoros Charopinos (479/78 v. Chr.) und etwa auch des Philtes (Z. 1, 450/40 v. Chr.) müssen allerdings um drei Jahre nach unten korrigiert werden (476/75 v. Chr. bzw. 447/46 v. Chr.): vgl. Cavaignac 1924; P. Herrmann, in: Milet VI 3, 166 zu n. 122; Herda 2005, 260–263 mit Anm. 87. 35 Vgl. zum Amt hier Anm. 20. 36 Herda 2006b, 38 – 84. 37 Herda 2006b, 84 – 118. 38 Man vergleiche dazu die in etwa zeitgleiche (ca. 700 v. Chr.) Statuette des Apollon aus dem Delphinion von Dreros, die ich als Darstellung des Apollon Delphinios deute: vgl. Herda 2005, 289 Abb. 31. Dort ist Apollon als Kouros mit langem Haar gezeigt. Vgl. dazu jetzt auch: D’Acunto 2005, 14 Abb. 11; S. 25 – 26 (ich erinnere mich gerne der Diskussionen mit Matteo zu Apollon Delphinios, die wir im August 2007 in Milet führten und danke ihm herzlich für den Hinweis auf seinen grundlegenden Artikel); anders (Apollon Pythios): RE Suppl. 7 (1940) 128 – 149 bes. 137 (E. Kirsten); danach: Prent 2005, 463, die im übrigen (ebenda 284 ff. 463 – 464) wie Sporn 2002, 81 – 83 und Bumke 2004, 53 m. E. zu Unrecht an der Identifizierung des Delphinions in Dreros mit dem unteren Herdtempel an der Agora durch Marinatos zweifelt (vgl. Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 160; D’Acunto 2005, 22 – 24). – Zur spätgeometrischen Datierung der Bronze vgl. Boardman 1981, 14 und Abb. 16 (Apollonstatuette von Dreros) im Vergleich mit Abb. 17 (Bronzestatuette aus Aphrati); zustimmend: Borell – Rittig 1998, 180 Anm. 368; Bumke 2004, 46 – 47. – Bezeichnend ist das Internationale Archäologie-ASTK 11 Nach dem Ende der Feiern im Delphinion fand die große Neujahrsprozession nach Didyma statt. Ihr Ziel war der Altar des Apollon Didymeus, auf dem die mitgeführten Opfer der Milesier dargebracht wurden. Das anschließende Opferfest in Didyma, die ‘Boiegia’, bildeten den Abschluss des milesischen Neujahrsfestes. Seit dem späten 3. Jh. v. Chr. wurde das Fest in jedem vierten Jahr, d. h. penteterisch, zu einem panhellenischen Kranzagon erhoben, der zur Unterscheidung von den dazwischen jährlich stattfindenden Boiegia die Bezeichnung ‘Didymeia’ erhielt39. Die spätarchaische Molpoi-Satzung, weitere hellenistische Inschriften sowie der archäologische Befund dokumentieren die ca. 18 km lange Prozession bzw. Prozessionstraße in einzigartiger Weise für eine griechische Polis (Abb. 3): Die Zeremonie begann mit der Aufstellung von zwei heiligen Steinen, sog. Gylloi. Sie schützten als magische Grenzsteine mit eigenem Kult den Weg zwischen Stadt und Heiligtum. Der eine stand »bei den Toren« von Milet, dem sog. Heiligen Tor, der andere »bei den Türen von Didyma«, womit der Eingang zum eigentlichen Orakel gemeint sein dürfte, in hellenistischer Zeit wahrscheinlich die sog. Erscheinungstür im Zwölfsäulensaal des Apollon‘tempels’40. Die Prozession formierte sich danach in Milet am Delphinion auf der Agora (Abb. 1). Viel Platz war nötig. Neben den wichtigsten Beamten und Kultfunktionären der Stadt zog das ganze Volk von Milet geordnet nach seiner politischen Struktur in Phylen (»Stämmen«) und Phratrien (»Bruderschaften«) mit41. An sieben Stationen machte die Prozession halt, denn die Sieben (e¸bdomh/) ist die Haaropfer des ‘Kouros’ Gorgos an (Apollon) Phoibos und (Apollon) Delphinios, das der Dichter Rhianos von Kreta (2. Hälfte 3. Jh. v. Chr.) in einem Epigramm verewigte: Anth. Pal. 6, 278; Bourboulis 1949, 9 Nr. 9. Zum Haaropfer, dem sog. Koureion, das das Ende der Ephebenzeit und den Übergang zur Statusgruppe der Kouroi/Neoi markierte, vgl. Herda 2006b, 94 – 95 mit Anm. 611 ff. 39 Vgl. zu den ‘Boiegia’ und ‘Didymeia’, die später, wahrscheinlich unter Trajan, in ‘Didymeia’ und ‘Megala Didymeia’ umbenannt wurden: Herda 2006b, 187 – 211. Zum Zeitpunkt der Inauguration des Kranzagons der Didymeia/Megala Didymeia zwischen 218/17 v. Chr. und 206 v. Chr. vgl. ebenda 179 – 186 mit Anm. 1280. 1319 ; 320 mit Anm. 2288. Ich verbinde die Neuedition der Molpoi-Satzung mit der Inauguration des Kranzagons und datiere die erhaltene Abschrift (Milet I 3, Nr. 133) in diese Zeit: Herda 2006b, 16. 427. – Vgl. auch Marcellesi 2004, 106 – 107, die die Inauguration der Didymeia mit der Emission von Silber-Tetrobolen und Bronze-Hemiobolen verbindet, die auf der Vorderseite einen Apollonkopf bzw. das von Kanachos von Sikyon geschaffene spätarchaische Kultbild zeigen: Marcellesi 2004, 108. 122 – 125. 179 Taf. 2 Nr. 37, 38a/b, 39. Dazu rechnet sie noch milesische Silbermünzen (Hemidrachmen) mit Apollonkopf und der Legende e¹g Didu/mwn i¸erh/: 224 Taf. 4 B; zustimmend: Hoover 2006, 511. 40 Zur Prozession bzw. Prozessionsstraße vgl. jetzt Herda 2006b, 167 – 220. 259 – 385. 435 – 442. 447 – 457. Zur Aufstellung der Gylloi vgl. Milet I 3, 277 – 284 Nr. 133 Z. 25 – 27; dazu: Herda 2006b, 249 – 259. 41 Zu den Teilnehmern der Prozession vgl. den Rekonstruktionsversuch bei: Herda 2006, 170 – 186. 435 – 436. 19 heilige Zahl des Apollon, der auch die Epiklese Hebdomaios in Milet trug42. Bei den Stationen wurden jeweils Paiane durch Chöre aufgeführt43 (Abb. 3). Die erste Station bildete ein Schrein der Hekate vor dem ‘Heiligen Tor’. Die alte, vielleicht keinasiatisch-karische Gottheit galt wohl als Schutzmacht des Tores und der Mauern44. Der zweite Paian folgte »bei Dynamis«, vermutlich der göttlichen Personifikation der »Amtsgewalt« der milesischen Beamten45. Nach dem Aufstieg auf den Höhenrücken des ãAkron (»Höhe«) zog man durch einen Eichenwald (drumo/j) bis zu einer Wiese mit einem Heiligtum der Nymphen, wo der dritte Paian zur Aufführung kam. Dieses Heiligtum ist die bisher einzige lokalisierte Station und wurde 1994 erstmals genauer untersucht46. Dort wurden die Nymphen als lokale Naturpersonifikationen (Quell-, Wiesen- und Bergnymphen) verehrt, zu deren Aufgaben auch der Schutz des menschlichen Nachwuchses gerechnet wurde47. Der vierte Paian galt dem Gott Hermes und dem Flussgott Kelados beim heutigen Badeort Mavi�ehir48. Der Götterbote Hermes dürfte als Schützer der Prozession sowie des Herdenviehs, etwa der berühmten milesischen Schafe, und schließlich der männlichen Jugend verehrt worden sein. Kelados ist wahrscheinlich mit Keladon identisch, einem Sohn des aus Kreta in minoischer Zeit eingewanderten Milatos. Keladon gründete Milet und benannte es nach seinem Vater ‘Milatos’49. Wie alle Flussgötter war er außerdem für den Schutz der Jugendlichen zuständig. Die fünfte Station bildete ‘Phylios’, in dem Apollon Phylios als Schutzgott der milesischen Phylen zu erkennen sein dürfte. Er erhielt nicht nur einen Paian, ihm zu Ehren wurde außerdem Opfergebäck verbrannt50. Ein sechstes Mal hielt man beim Keraiïtes, dem »Gehörnten«. Durch Kallimachos (fr. 217 Pfeiffer) wissen wir, dass Apollon hier als Kind versucht haben soll, einen Ziegenbock zu melken. Die Geschichte weist auf Apollon Keraiïtes als Hirtengott und Gott der sexuellen Initiation. Neben dem Paian wurden hier alle vier Jahre gehäutete Ziegenböcke geopfert51. Die siebte und letzte Station vor Erreichen des zweiten Gyllos in Didyma lag »bei den Standbildern des Chares«. Die gegen 550 v. Chr zu ____________________ 42 Herda 2006b, 279 – 280. Herda 2006b, 265 – 271. 278 – 279. 280 – 281. Herda 2006b, 282 – 289. 45 Herda 2006b, 289 – 293. 46 Bumke u.a. 2000 – Ein anderer, allerdings nicht überzeugender, Lokalisierungsvorschlag findet sich jetzt bei Lohmann 2006a, 201 – 204. 47 Herda 2006b, 293 – 302. 48 Herda 2006b, 302 – 310. 49 Scholion zu Dionysios Perihegetes 825; vgl. dazu Herda 2006b, 306 – 310; Herda 2005, 288 – 289. 50 Herda 2006b, 311 – 319. 51 Herda 2006b, 319 – 326. 43 44 20 datierende Sitzstatue des Chares hat sich erhalten52. Nach Ausweis der Weihinschrift war sie Apollon geweiht und stand ursprünglich wohl in dem kleinen Heiligtum eines Familienverbandes nahe der Prozessionsstraße. Chares war Kommandant (a)rxo/j) der milesischen Grenzfestung Teichiosa. Der Paian der milesischen Staatsprozession bei dieser Statue deutet auf seinen Heroenkult aufgrund besonderer Verdienste um Milet53. Zielpunkt der Prozession war schließlich der Altar des Apollon Didymeus (Abb. 4–5). Pausanias (5, 13, 11) verglich diesen Altar mit dem Aschenaltar des Zeus in Olympia und nannte als Erbauer und implizit ersten Opfernden Herakles. Reste des Altares haben sich im sog. Rundbau vor der Ostfront des hellenistischen Apollontempels erhalten. Dabei handelt es sich um die ca. 600 v. Chr. errichtete steinerne Einfassung des heute verlorenen Aschenkegelaltares54. Dieser ist häufiger zusammen mit dem von Kanachos geschaffenen spätarchaischen bronzenen Kultbild des Apollon Didymeus auf milesischen Bronzemünzen der römischen Kaiserzeit oder etwa auch auf dem antoninischen Fries des Bühnengebäudes des Theaters in Milet dargestellt (Abb. 5)55. Auf diesem Altar opferten die AisymnetaiStephanephoroi, anschließend nahm die versammelte Polisgemeinde an den Opfermählern teil56. III. Das Verhältnis zwischen Apollon Delphinios und Apollon Didymeus oder: Milet und sein wichtigstes außerstädtisches Heiligtum in Didyma Didyma, das Ziel der Neujahrsprozession der Milesier, trägt einen indigenen, wahrscheinlich luwisch-karischen Ortsnamen, der uns bereits für die archaische Zeit überliefert ist57. Gemäß Pausanias (7, ____________________ 52 Ältere Literatur bei Herda 1995. Die ebenda 125 in Anlehnung an die ältere Forschung vertretene Deutung der Statue als Darstellung eines karischen ‘Dynasten’ ist allerdings obsolet: vgl. nächste Anm. 53 Herda 2006b, 327 – 350. 54 Herda 2006b, 351 – 370. 55 Zu den Darstellungen des Kanachos-Apollon vgl. jetzt: Strocka 2002, 88 – 90 mit Abb. 4 – 5 (Relief aus dem Theater). – Zur Deutung der Reliefdarstellung mit flankierenden Fackelträgern, die in ähnlicher Weise auch auf milesischen Bronzemünzen aus der Zeit der römischen Kaiser Septimius Severus, Balbinus, Pupienus und Gordian wiedergegeben sind, vgl. zuerst Kekule von Stradonitz 1904; vgl. außerdem Herda 2006b, 206 – 211 (Fackellaufagon als Feuerritual und Teil des Opferfestes in Didyma dient der Entzündung des Altarfeuers zu Beginn des neuen Jahres). – Zum Kanachos-Apollon als Kultbild vgl. hier Kap. III mit Anm. 76. – Zum Attribut des Hirschen vgl. hier Kap. IV mit Anm. 115. 56 Zum Opferfest in Didyma vgl. Herda 2006b, 187 – 220. 351 – 356. 57 Didyma ist literarisch als Ortsname zuerst bei Herodot 1, 92, 2; 2, 159, 3 und 6, 19, 2 bezeugt. Letztere Erwähnung zitiert einen spätarchaischen delphischen Orakelspruch zu Argos und Milet/Didyma, der die Eroberung Milets und Didymas durch die Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus 2, 6) und anderer antiken Autoren bestand hier bereits vor der Ankunft der ionischen Griechen ein �Karisches’ Orakelheiligtum, das Neileos, der Anführer der ionischen Kolonisten, bei der Gründung Milets konsultiert haben soll58. Wann der auf kleinasiatische Wurzeln zurückzuführende ‘griechische’ Apollonkult59 dort eingerichtet wurde und ob Apollon einen älteren, kleinasiatisch-bronzezeitlichen Kult in sich aufnahm, etwa den des Hekatos, dem männlichen Pendant zu Hekate, mit der dieser in Didyma ein karisches Kultpaar gebildet haben könnte60, bleibt aber ebenso offen wie die Frage nach den Anfängen des Orakels, das möglicherweise ebenfalls kleinasiatischbronzezeitliche bzw. karische Wurzeln besitzt61. Das Perser 494 v. Chr. vorhersagt. Wertet man dieses Orakel als authentisch, so ist damit der Ortsname ‘Didyma’ auch literarisch für archaische Zeit belegt: vgl. Ehrhardt 1998, 11 – 20, bes. 15 mit Anm. 15. 17. Als Bestätigung hierfür treten zwei archaische Weihegraffiti aus Borysthenes-Olbie Polis (hier Kap. III–V mit Anm. 86 ff. Abb. 7) und Naukratis (hier Kap. VII mit Anm. 206 ff.) hinzu, die die vom Ortsnamen abgeleitete Epiklese ‘Didymeus’ bezeugen. Die jetzt von M. Piérat geäußerte Meinung, der Wortlaut des Orakels sei möglicherweise erst nach 494 entstanden (Piérat 2003, 296), ändert nichts an dieser Feststellung. – Zum möglichen (luwisch-)karischen Ursprung des Ortsnamens: WilamowitzMoellendorff 1937, 375; Günther 1971, 11 – 12; Zgusta 1984, 162 § 264, 2; Fontenrose 1988, 3 – 5; Ehrhardt 1998, 15 Anm. 17; Blümel 1998, 167 s. v. Diduma. Fontenrose 1988, 5 Anm. 3 wies weiterhin darauf hin: »It is possible that Didyma = Dindyma: Dindymon is the name of several mountains in western Asia Minor, whence the Great Mothers name is Dindymênê.«. – Zur bis in archaische Zeit zurückzuverfolgenden griechischen Etymologie des Ortsnamens Didyma als Neutrum Plural-Form von di/dumoj, Zwilling (vgl. z. B. Hdt. 6, 19, 2: nhou= (...) Didu/moij), die auf das Kultpaar Apollon – Zeus und die zwei Quellen in Didyma anspielt (Kallim., Branchos fr. 229 Z. 1) bzw. auf das Geschwisterpaar Apollon – Artemis, die in Didyma von Zeus und Leto gezeugt worden sein sollen (vgl. die Kultlegende von Didyma): Herda 2006b, 214 – 215 mit Anm. 1494 ff. (zu Kallimachos); 320 – 321 mit Anm. 2288 ff. (zur Kultlegende). 58 Günther 1971, 12; Parke 1985a, 2; Fontenrose 1988, 6 – 7 mit antiken Quellen in Anm. 4. Tuchelt 1970, 191 ff. bes. 193 vermutet, dass es in Didyma einen indigenen bronzezeitlichen Kult einer mit einer Quelle verbundenen Muttergottheit (Leto, Hekate) gegeben habe, zu dem später der ionisch-griechische Apollonkult hinzugetreten wäre. Vgl. bereits Wilamowitz-Moellendorff 1903 (Leto = Lada, eine lykische ‘Mutter’gottheit); danach Nilsson 1976, 559; dagegen: Burkert 1975, 3 – 4. Burkert 1985a, 145 weist aber selber auf die Analogie zwischen Didyma und dem lykischen Xanthos hin, wo sich die Kombination von Apollonorakel und Leto (= Lada)-Kult wiederfindet. – Zu Neileos, der die »karischen Orakel« (Karikoi¤j mantei/oij) befragt: Tzetzes, chil. 13, 110 – 112.; vgl. Fontenrose 1988, 229 – 230 zu R 59 (2). Das Orakel, das Neileos nach der Ankunft anweist, ein Kultbild seiner Schutzgöttin Artemis Kithone Hegemone anzufertigen (Schol. Kallim., Iov. 77; s. u. Kap. IV mit Anm. 118; Kap. IX mit Anm. 349), ist m. E. ebenfalls auf Didyma zu beziehen. 59 s. o. Kap. I mit Anm. 8 – 9. 60 Herda 2006b, 287 – 288 mit Anm. 2038 ff.; vgl. hier Kap. IV mit Anm. 133; Kap. IX mit Anm. 348. – Vgl. zum Hirschen als möglichem kleinasiatisch-bronzezeitlichen Substrat in der Ikonographie des Apollon Didymeus: hier Kap. IV mit Anm. 115. 61 Fontenrose 1988, 117 – 118 z. B. vermutete einen kleinasiatischen, lykisch-karischen Ursprung der griechischen Apollon-Orakel, die sich seit ca. dem 10. Jh. v. Chr. bis zur Internationale Archäologie-ASTK 11 ‘griechische’ Orakelheiligtum lässt sich archäologisch zumindest bis in spätgeometrische Zeit zurückverfolgen62. Älteste Funde in Didyma stammen sogar aus der mittleren und späten Bronzezeit. Sie belegen zumindest eine Besiedlung des Ortes in dieser Zeit63. Wahrscheinlich wird sich Apollon spätestens im Zeitraum zwischen der sog. Ionischen Wanderung und der spätgeometrischen Epoche am Ort etabliert haben, d. h. zwischen dem 11. und 8. Jh. v. Chr.64 Schon in dieser Zeit ist eine Übernahme der Epiklese ‘Didymeus’ vorstellbar, die auf den luwisch-karischen Ortsnamen zurückgeführt werden kann und eine lokale Gottheit impliziert, die in Apollon aufging65. Der andere Ortsname von Didyma, ‘Branchidai’ (Bragxi/dai), dürfte demgegenüber wie das seltenere ‘Branchiad�n’ (Bragxiadw½n) und die zugehörige Apollonepiklese ‘Branchiades’ /‘Branchiates’ (Bragxia/dhj/Bragxia/thj) auf die gleichnamige ‘Abstammungsgemeinschaft’ der ‘Branchi(a)dai’ zurückgehen66, die sich ihrerseits auf Gründung des delphischen Orakels ca. 750 v. Chr. entwickelt hätten; vgl. auch Parke 1985a, 2 – 3. Den besonderen Bezug der Karer zu Apollonorakeln soll wohl auch der von Herodot (8, 135 f.) erzählte Vorfall verdeutlichen, dass das Orakel des Apollon Ptoios in Boiotien dem persischen Feldherrn Mardonios bzw. seinem karischen Boten Mys direkt auf Karisch antwortete, worauf dieser die Antwort (in Karisch) auf eine Tafel schrieb und Mardonios brachte: vgl. Munson 2005, 79; s. u. Anm. 94. – Danach wäre das Orakel von Didyma älter als dasjenige in Delphi. Bei Homer (Od. 8, 79 – 81) ist jedoch für Delphi ein Alter noch vor dem Trojanischen Krieg überliefert, wie etwa auch für das Zeus geweihte Baumorakel von Dodona (Il. 16, 232 – 235 etc): vgl. hier Anm. 349. – Die Herleitung des Branchos von einem gewissen Smikros, Sohn des Demoklos aus Delphi bei Kallimachos, ‘Branchos’ fr. 229 (Pfeiffer 1959) ist erst hellenistische Konstruktion, die der Anbindung des 331 v. Chr. wiederbelebten Orakels von Didyma an dasjenige in Delphi diente: Parke 1985a, 3 ff.; Parke 1986, 125; Fontenrose 1988, 106 ff.; Herda 2006b, 277 mit Anm. 1960. 62 Die ältesten mit dem Apollonkult zweifelsfrei zu verbindenden Funde im Apollonheiligtum in Didyma sind spätgeometrisch zu datieren (sog. Sekos I ca. 700 v. Chr.): Tuchelt 1991, 12. 18 ff. Abb. 27. Zu den ältesten Artefakten gehört das erst 2004 entdeckte Beinfragment eines gegen 730 v. Chr. datierten Bronzedreifußes: Furtwängler 2005a, 12 – 13 bes. 13 mit Abb.; Furtwängler 2005b, 209 Abb. 12. 63 Vgl. dazu: Herda 2006b, Anm. 3183; hier Kap. IX mit Anm. 345; Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 396 ff. 64 Fontenrose 1988, 5 – 9 nimmt z. B. an, dass der Kult in Didyma erst von den Ionern »probably not before 900 at earliest« gegründet worden sei (vgl. Fontenrose 1988, 108: »no earlier than 900«; Fontenrose 1988, 116 ff.). 65 Didyma als kleinasiatischer, luwischer oder karischer Ortsname: hier Anm. 57; ‘Didymeus’ ist die davon abgeleitete Epiklese. ‘Didymaios’ ist erst in der römischen Kaiserzeit belegt und vielleicht nur die Graezisierung des lateinischen ‘Didymeus’ bei Plin., n. h. 6, 16, 49: Fontenrose 1988, 114 mit Anm. 14. 66 Für die Branchidai (maskuline Pluralform) vgl. etwa Hdt. 1, 158. Der Ortsname ‘Branchidai’ begegnet zuerst bei Herodot (1, 46, 2; 1, 99, 2; 1, 157, 1; 1, 159, 1; 2, 159, 3; 5, 36, 3), wo er eine feminine Plural-Form bildet. Vielleicht verbirgt sich hinter dieser Femininum Plural-Form ‘Branchidai’ ebenfalls ein alter Ortsname, von dem dann umgekehrt der Name des Branchos und der Familienname der Branchidai abgeleitet worden wäre; vgl. dazu Fontenrose 1988, 3 Anm. 2: »The feminine gender is anomalous for 21 den sagenhaften Gründer des Orakels namens ‘Branchos’ zurückführten67 und von denen Wilamowitz annahm, sie seien »zweifellos ursprünglich karisch«, womit impliziert ist, dass er ihren Namen für nichtgriechisch bzw. (luwisch)karisch hielt68. Die Branchidai besorgten in archaischer Zeit a locality namend after a family or tribe and leads one to wonder whether it was not a place name to begin with, later assumed by the priesthood with change of gender, who then claimed a common descent from Branchos.« Besser in das Bild der alten, autochthonen Ortsnamensformen paßt allerdings Didyma (vgl. hier Anm. 57). – Zur Nebenform des Ortsnamens Branchiad�n (Varro bei Lact. Plac. in Stat., Theb. 8, 189) vgl. Fontenrose 1988, 107. 165: »Branchiadon can only be the genitive plural of Branchiadai (it cannot be taken as neuter singular): it is the temple of the Branchiadai (i. e. the Branchidai)«; zur Apollonepiklese Branchiades vgl. Metrodoros von Skepsis bei Lact. Plac. in Stat., Theb. 3, 479 = FGrHist 184 F 16 (1. Jh. v. Chr.), der Branchos aus Thessalien herstammen lässt: Branchus Thessalus fuit, dilectus Apolloni, ut Hyacinthus, quem acriter interfectum dolens sepulcro et templo sacravit. illinc Branchiades Apollo dicitur. Die Form Branchiates hat Ende des 3. Jhs. n. Chr. Menander Rhetor, peri epid. 2, 17 (peri\ Sminqiakou=) p. 445 Z. 30 (Spengel); dazu: Russell 1981, 222 – 223. 360; zu Menander s. u. Anm. 99. Weiterhin ist noch die Epiklese Branchios überliefert (Orph. Hymn. 34, 7); vgl. dazu den Überblick bei: Fontenrose 1988, 114 – 115. 67 Branchos wird zuerst in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. bei Hipponax von Ephesos, fr. 105 Z. 6 (West) (= P. Oxy. XVIII 2175 fr. 5, 6) in der Form Ba/ragxoj erwähnt: West 1989, 145 – 146 mit kritischem Apparat. Zur griechischen Etymologie des Namens, der soviel wie ‘Heiserkeit’ bzw. ‘Halsschmerzen’ bedeutet: RE III 1 (1897) 813 – 814 s. v. Branchos 1) (J. Escher-Bürkli); Frisk 1960, 262 s. v. bra/gxoj; Frisk 1972, 56 s. v. bra/gxoj; Masson 1962, 157; Chantraine 1968, 192 s. v. bra/gxoj; Parke 1985a, 3; Parke 1985b, 59 – 60; Fontenrose 1988, 107 Anm. 1; vgl. Liddell – Scott 1948 – 85, s. v. bra/gxoj I. 1. (mask.): »‘hoarseness’ or ‘sore throat causing hoarseness’«. Eine andere Etymologie leitet den Namen von bro/gxoj, ‘Kehle’, ‘Luftröhre’, ab (vgl. das heute noch gebräuchliche medizinische Wort ‘Bronchien’): Bilabel 1920, 84. – Der hier verwendete Begriff ‘Abstammungsgemeinschaft’ lässt bewußt offen, ob es sich bei den Branchidai um eine familiäre oder fiktiv-familiäre (z. B. Kultvereine, Siedlergemeinschaften, etc.) Gruppe handelt (Fontenrose 1988, 3. 77 – 78. 117 – 118 denkt an eine fiktiv-familiäre Gruppe und vergleicht die Branchidai mit dem Geschlecht der Telmessoi in Lykien; vgl. Günther 1991, 605). Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie sich auf eine bestimmte historische oder mythisch-fiktive Person zurückführte, eben Branchos: Herda 2006b, 128 – 129 mit Anm. 899; 348 mit Anm. 2489. Zur patronymischen Namensendung -idai vgl. Graf 1985, 104; Parker 1996, 57. 61. – Der Branchos-Mythos ist m. E. keine Erfindung der hellenistischen Mythographie (so etwa Morgan 1989a, 27. 32; Ehrhardt 1998, 15), sondern ein genealogischer Mythos der in archaischer Zeit in Didyma installierten Branchidai: Herda 2006b, 129 Anm. 903; vgl. dazu auch die Bemerkung von Parke 1985a, 3: »Branchus himself, the ancestor of the family, is only known to us from Hellenistic sources, but this is just one of the accidents of tradition.« Zum Kult des Branchos in Didyma vgl. Fontenrose 1988, 164 – 165. Als Kronzeuge für die archaische Datierung des Mythos ist das Hipponax-Fragment 105 anzusehen (s. o.; vgl. jetzt: Kerkhecker 1999, 92 mit Anm. 43), auf das jetzt auch Ehrhardt 2003b, 289 mit Anm. 101 hinweist, ohne allerdings auf die Konsequenzen für seine Datierung des Branchos-Mythos in hellenistische Zeit (s. o.) einzugehen. 68 Wilamowitz-Moellendorff 1937, 375; vgl. Laumonier 1958, 570 – 571. – Für diese Annahme von Wilamowitz und Laumonier kann als Argument angeführt werden, dass neben der etymologischen Ableitung des Namens Branchos aus dem Griechischen (vgl. 22 als eine Art Verein den Kult des Apollon Didymeus und kontrollierten das Orakel, für das sie in der Nachfolge des Branchos den Seher (‘Mantis’) als Medium des göttlichen Willens stellten69, bis sie unter Dareios 494 v. Chr. oder wahrscheinlicher Xerxes 479 v. Chr. nach Sogdiana in Innerasien verschleppt wurden und das Orakel in Didyma für lange Zeit verstummte70. vorherige Anm.) auch ein nichtgriechischer Ursprung erwogen werden kann. So dachte etwa Burkert 1984, 64 an einen nichtgriechischen Namen, ohne dies näher auszuführen (Burkert 1984, 62 vermutet hinter dem bei Apollodoros von Kerkyra bei Clem. Str. 5, 48, 4 und Kallim. Iamb. IV fr. 194, 26 – 31 erhaltenen uns unverständlichen Heilungsspruch des Branchos für die Milesier eine »Fremdsprache«; dagegen vgl. aber Fontenrose 1988, 108 – 109; Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 412). Parke 1985a, 3 vermutete für den Namen Branchos eine Herkunft aus »some nongreek language of Asia Minor«. Vgl. bereits RE III 1 (1897) 813 s. v. Branchos 1) (J. Escher-Bürkli): »Nach anderer Ansicht gehört der Name zusammen mit skr. ‘brahmán’; Bra/gxoj wäre darnach ein ursprünglich allgemeiner Priestername, der dem mythischen Stifter des didymaeischen Orakels als Eigenname geblieben wäre« (er zitiert dazu: Kaegi 1881, Anm. 82). Frisk 1972 und Chantraine 1968 weisen auf die Verwandschaft mit dem altiranischen ‘brong(a)ide’, ‘heiser’. – Danach gehört das Wort auf jeden Fall der indoeuropäischen, kleinasiatisch-luwischen Sprachfamilie an, zu der etwa auch das Karische zu zählen ist: DNP 6 (1999) 279 – 280 s. v. Karisch (F. Starke); DNP 6 (1999) 555 – 559 s. v. Kleinasien (N. Oettinger); Blümel 2007; Melchert 2004; Adiego 2007, 345 – 347. Die karische Herkunft des Namens ist also durchaus möglich. 69 Fontenrose 1988, 77 – 78. 117 – 118. Zu den Branchidai als Kultverein des Apollon Didymeus, der auch das Orakel betreute: Herda 2006b, 298 Anm. 2123; 454 Anm. 3205. Zu den Branchidai als Manteis vgl. hier Kap. IX mit Anm. 345. Zu Sehern im griechischen Orakelwesen allgemein vgl. Flower 2008, 22 – 23 zum Terminus ma/ntij, der sich von indoeuropäischem *men ableitet und die Bedeutung »einer, der in einem besonderen mentalen Zustand (der Inspiration) ist« besitzt. – Nachfolger der Branchidai als Kultverein des Apollon Didymeus waren in hellenistischer Zeit wahrscheinlich die sog. Kosmoi (vgl. Herda a. O.) und nicht die Molpoi (so Parke 1985a, 33 – 34; Morgan 1989a, 28), die stattdessen den Kult des Apollon Delphinios in Milet betreuten. Mit den Branchidai zu vergleichen sind die Kreter im sog. homerischen Apollonhymnos. Sie besorgen als ‘Orgeones’, d. h. diejenigen, »die die heiligen Riten (o)/rgia) ausführen«, Kult und Orakel des Apollon in Delphi: hymn. hom. Ap. 388 ff.; dazu: Herda 2006b, 35 – 37 (Vergleich der Kreter mit den Molpoi). – Die Aufgabe des von den Branchidai gestellten Mantis übernahm nach der Neueinrichtung die sog. Prophetis: vgl. hier Kap. IX mit Anm. 343. 355. 70 Nach Fontenrose 1988, 12 – 13 ist die Geschichte von der Umsiedlung der Branchidai eine Erfindung der AlexanderHistoriker, die Branchidai seien stattdessen 494 alle umgekommen; vgl. Tarn 1968, 559 – 563. Demgegenüber zweifelt H. W. Parke lediglich an der Historizität des sog. Branchidenverrats: Parke 1985a, 37 – 41; Parke 1985b, 59 – 68; vgl. Gorman 2001, 195 – 196. Einen radikaleren Weg beschreitet Ehrhardt 1988, 94 – 95 (vgl. Ehrhardt 1998, 13 – 16). Er ist der Überzeugung, »dass es eine Familie, einen Clan oder einen sonstwie zu definierenden Verband der Branchidai in historischer Zeit nicht gab« (Ehrhardt 1998, 16), es sich bei den Branchidai und der Geschichte ihres Verrats an den Milesiern und ihrer Umsiedlung durch den Perserkönig Xerxes nach Sogdiana vielmehr als ganzes um eine milesische Erfindung der Alexanderzeit handele. Dagegen spricht jedoch, dass die Geschichte durch mehrere alexanderzeitliche Autoren, angefangen mit Kallisthenes (FGrHist 124 F 14), überliefert ist, demnach also weitverbreitet war: Hammond 1998, 341 – 342. Hammond weist außerdem darauf hin (Hammond 1998, 343), dass »no ancient Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Für die oft gestellte Frage nach dem Verhältnis zwischen Milet und Didyma in der Frühzeit kommt der Neujahrsprozession und dem Opfer der Milesier in Didyma eine Schlüsselrolle zu: m. E. signalisieren sie eine feste Anbindung der Polis an das außerstädtische Heiligtum. Die Lokalhistorie, erhalten wieder bei Nikolaos von Damaskus (FrGrHist 90 F 52), lässt bereits den letzten König aus dem Hause der Neleïdai, Leodamas, in einer Opferprozession nach Didyma ziehen. Es ist danach schon in spätgeometrischer Zeit mit einer milesischen Prozession dorthin zu rechnen71. In dieser Zeit, gegen 700 v. Chr., wurde der Delphinios-Kult in Milet als staatstragend institutionalisiert wie oben beschrieben. In dieser Zeit entstand auch die erste monumentale Anlage in Didyma, der sog. Sekos I, der die Orakelquelle einfasste (Abb. 4)72. In archaischer Zeit ist Didyma dann auf jeden Fall als das wichtigste außerstädtische Heiligtum der Metropole zu betrachten: Der erste größere Ausbau der Prozessionstraße und ihrer Stationen lässt sich archäologisch zwischen ca. 550 und 520 v. Chr. datieren73. Zu dieser Zeit wurden außer dem Delphinion weitere Sakralstätten Milets monumentalisiert, wie R. Senff gezeigt hat74. Auch in Didyma wurde der Apollontempel als Sitz der Orakelstätte umgestaltet, sowie der Platz um den Altar mit Treppenanlagen, Terrassenmauern und Hallen ausgebaut75. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der sog. Kanachos-Apollon (Abb. 5). Diese ihrem Stil nach Ende des 6. Jhs. v. Chr. von dem sikyonischen Bildhauer Kanachos gefertigte Bronzestatue stellt eine Weihung der Polis Milet an den Apollon Didymeus author whose work survives raised any doubt that the massacre took place«. Man vergleiche auch neue Inschriftenfunde aus der Region, die in die Periode des Kuschan-Reiches (1. Jh. v. – 3. Jh. n. Chr.) datieren (Fundort Dilbergin) und die die Historizität der Branchidai und ihrer Umsiedlung möglicherweise belegen können: Pischikian 1991 (russ. mit engl. Zusammenfassung); Hammond 1998; Panchenko 2002, 249 Anm. 9; Herda 2006b, 129 Anm. 903. – Als Argumente für die Historizität der Branchidai in archaischer Zeit lassen sich anführen 1) das Zeugnis des Herodot (1, 158) – 2) das Verstummen des Orakels in Didyma (vgl. hier Anm. 182). Argumente für ihre Umsiedlung nach Sogdiana sind 1) die Aussage der antiken literarischen Quellen angefangen mit Kallisthenes – 2) die Graffitifunde aus Dilbergin (s. o.) – 3) die (Wieder-) Errichtung der von Alexander zerstörten Altäre für Apollon Didymeus durch den milesischen General Demodamas im Namen des Seleukos I. und seines Sohnes Antiochos in Sogdiana (vgl. hier Kap. VI mit Anm. 188 – 194). 71 Herda 2006b, 173 – 178. Zum Königtum in Ostionien und seiner Abschaffung noch vor der Mitte des 7. Jhs. v. Chr.: Smarczyk 2000, 57 mit Anm. 28; Herda (im Druck), Anm. 83. 168. 222. 72 Zum sog. Sekos I vgl. Tuchelt 1991, 18 ff. mit Abb. 27; Schneider 1996. 73 Herda 2006b, 175. 178. 371 – 372 mit Anm. 2627 – 2628. 447 – 453. 74 Vgl. Senff 2006, passim; außerdem: Niemeier 1999. 75 Herda 2006b, 351 – 385. 447 – 453. Internationale Archäologie-ASTK 11 dar. Sie visualisiert den vormals kultbildlosen Apollon Didymeus und wird während der Opferfeiern, die auf die Prozession nach Didyma folgten, e(/doj, temporär vorgestellter »Sitz«, Ort der göttlichen Epiphanie und damit Kultbild Apollons gewesen sein, des Adressaten der Gebete der Milesier76. Apollon Didymeus erscheint, wie schon Apollon Delphinios in Krisa oder Dreros, als Ebenbild eines Kouros77. Den Ausbau der milesischen Sakralstätten möglich gemacht hat eine Zeit höchster wirtschaftlicher Blüte, als die Stadt gemäß Herodot (5, 28) »die Zierde Ioniens« darstellte. Eine der Voraussetzungen für diese Blüte bildete neben der geschickten Außenpolitik gegenüber den Großmächten Lydien und Persien, sowie dem Handel mit den Kolonien, das Territorium der Polis, die sog. Milesia. Geographisch gesehen handelt es sich dabei im Kern um die ca. 20 km im Quadrat messende Halbinsel, auf deren Nordwestspitze die Stadt lag78 (Abb. 3). Die Prozessionsstraße bildete das ‘kultische Rückgrat’, die ‘Achse’ dieses Territoriums. Ihre Stationen wiederum markierten ‘Erinnerungsorte’, ‘Denkmäler’, in einer von Mythen besetzten, ‘rituell strukturierten’ Landschaft. Sie symbolisieren die Verwurzelung der Milesier in einem ursprünglich fremden Territorium, symbolisieren die göttliche Sanktionierung der Landnahme, etwa im Falle der Stationen des Kelados oder des Apollon Keraiïtes. Die Station bei der Statue des Chares dagegen erinnerte wohl tatsächliche Geschichte, etwa, indem man hier eine besondere militärischen Tat ehrte, die Chares im Interesse Milets vollbracht hatte. Zu denken ist hierbei 23 an die Abwehr eines Angriffes auf das milesische Territorium79. In diesem Sinne sicherte die periodische Abhaltung der Prozession zu Anfang jeden Jahres von neuem die Identität der Polisgesellschaft und ihren Zusammenhalt, zumal, wenn man bedenkt, dass die gesamte Polis, d. h. die wichtigsten kultischen und politischen Funktionäre und Vereine sowie der Demos geordnet nach Phylen und Phratrien am Ritus teilnahm80. Genauso wichtig wie die ‘Achse’ der Prozession waren die beiden Punkte oder ‘Pole’, die durch sie verbunden wurden81. In Milet ist es das Heiligtum des Apollon Delphinios als religiöses und politisches Zentrum in einem, in Didyma das Orakelheiligtum des Apollon Didymeus. Beide Kulte standen als Ausformungen desselben Polisgottes Apollon in unterschiedlicher Funktion nebeneinander, waren komplementär zueinander, keinesfalls jedoch identisch82. Dies wird nicht zuletzt durch die räumliche Trennung der beiden Kultorte deutlich83. Das komplementäre Nebeneinander der beiden Kulte blieb seit ca. 700 v. Chr. bis zum Ende der heidnischen Antike nahezu unveränderter wesenhafter Bestandteil der milesischen Staatsreligion. Nicht von ungefähr opferten die Milesier zu besonderen Anlässen wie Staatsverträgen in hellenistischer Zeit sowohl dem Didymeus als auch dem Delphinios als den beiden obersten Gottheiten84. Die Zugehörigkeit Didymas zu Milet in archaischer Zeit wird nicht zuletzt in einer Erweiterung der Epiklese des Apollon Didymeus ____________________ ____________________ Scheer 2000, 21 ff. 120 ff. (zu e(/doj) 252 ff. (zum KanachosApollon); Herda 2006b, 213 – 214 Anm. 1493; 451 – 452 mit Anm. 3187 ff. Abb. 11 a. Für das Kultbild als temporäre ‘Wohnung’ der Gottheit während der Kultfeste ist etwa Heraklit fr. 5 DK (= Aristokritos, Theosophia 68) zu vergleichen: » (...) Auch beten sie [die Menschen] zu diesen Götterbildern hier (toi=j a)ga/lmasi de\ toute/oisin eu)/xontai), so wie wenn einer eine Unterhaltung mit Häusern führen würde (o¸koi=on ei)/ tij do/moisi lesxhneu/oito), ohne von Göttern und Heroen auch nur im mindesten zu wissen, wer sie sind.«. – Zum Kanachos-Apollon vgl. hier Kap. II mit Anm. 39. 55; Kap. IV mit Anm. 115; Kap. VI mit Anm. 194; Kap. VII mit Anm. 201. 77 Zum Apollon Delphinios in Krisa (Hymn. Hom. Ap. 388 ff.): hier Kap. I mit Anm. 12; Kap. II mit Anm. 38; Kap. IX mit Anm. 294 ff.; zum Kultbild des Apollon Delphinios im Delphinion von Dreros vgl. hier Kap. II Anm. 38; Kap. IX mit Anm. 326 ff. 78 Zur Milesia vgl. jetzt die Ergebnisse der Survey-Forschungen von H. Lohmann: Lohmann 1995; Lohmann 1997; Lohmann 1999; DNP 8 (2000) 166 – 167 s. v. Milesia (H. Lohmann); Lohmann 2004, 325 – 360; Lohmann 2006b, 163 – 271; Lohmann 2007, 363 – 392. – Nicht berücksichtigt sind hier für die archaische Zeit und später die sog. milesischen Inseln, Leros, Patmos und Lepsia (dazu: Rehm 1929; Piérat 1985; Ehrhardt 1988, 16 – 17 Abb. b) S. 582) und das Territorium an der Südwestspitze der Mykale, um die kleine Polis Thebai herum: Ehrhardt 1988, 14 – 15; Lohmann 2003, 247 – 260; Herda 2006b, 132 mit Anm. 923; Herda (im Druck), VII mit Anm. 195. 76 79 Hierzu Herda 2006b, 343 mit Anm. 2441. Vgl. Herda 2006b, 435 – 436. Zu den Teilnehmern vgl. hier Kap. II mit Anm. 41. 81 Vgl. hierzu die methodische Einleitung bei Herda 2006b, 25. 448 – 449 mit weiterer Literatur. 82 Die Kombination beider Kulte zu einer Gottheit ‘Apollon Didymeus Delphinios’ anzunehmen, erscheint schon deswegen abwegig (so aber Salviat 2000, 29; vgl. dagegen Herda 2006b, 450 – 451 Anm. 3186 mit weiteren Gegenargumenten). 83 Vgl. Herda 2006b, 453 – 454 Anm. 3202 ff. 84 Herda 2006b, 298 Anm. 2123; 454 Anm. 3207. Es ist bezeichnend, dass die Eponymität in dem Falle, wo sich kein milesischer Bürger für das Amt des Aisymnetes-Stephanephoros fand, an den Apollon Delphinios ging. Nur einmal ist der Apollon Didymeus, nicht der Delphinios, als eponymer Stephanephoros erwiesen: Didyma II 194 f. Nr. 281 Z. 27 – 28. (Prophetes-Inschrift, 1. Jh. n. Chr.); vgl. dazu Herda 2006b, 39 – 40 Anm. 175. 409 Anm. 2904. – Demgegenüber leitet N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 147 zu n. 1227 (kaiserzeitliche Weihung von Rat und Volk an Apollon Didymeus) aus dem Kultgesetz Milet I 3, Nr. 134 (= Milet VI 3, 169 n. 134) ab, dass der Apollon Didymeus in der römischen Kaiserzeit als Hauptgott von Milet zu gelten habe und den Apollon Delphinios aus dieser Position verdrängte. Er verweist dazu auf A. Rehm, in: Milet VI 1, 111 Anm. 2: »Der Delfi/nioj tritt ganz zurück. Ihm gelten nur die paar Stücke aus seinem Heiligtum, Milet I 3, n. 157 – 160. 163.« Dies erscheint mir aufgrund der eben angestellten Überlegungen zur Komplementär-Funktion von Didymeus und Delphinios nicht zuzutreffen. 80 24 sinnfällig85. Ein Beintäfelchen von der zur milesischen Kolonie Olbie Polis am Schwarzen Meer gehörenden Insel Berezan (Borysthenes?)86 ist explizit als eine Weihung an Apollon Didymeus Milesios ( ¡Apo/llwni 87 Didum(ei=) Milhsi/wi) bezeichnet , wobei die nicht vollständig ausgeschriebene Epiklese Didymeus durch doppelt gestrichelte Buchstaben hervorgehoben wurde (Abb. 7a-c). Das Täfelchen wird aufgrund der Buchstabenformen in die zweite Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. datiert88. Das »sensationelle«89 Grafitto aus Berezan/Olbie Polis ist nicht nur ein eindeutiger Nachweis dafür, dass der Apollon von Didyma die vom vorgriechischen Ortsnamen Didyma90 abgeleitete Epiklese Didymeus bereits in archaischer Zeit trug91, ____________________ 85 Zum Phänomen von Doppel- und Mehrfachepiklesen, die funktionale Erweiterungen eines bestehenden Hauptkultes bilden, vgl. die kurzen Bemerkungen von Parker 2003, 181; hier Anm. 155. 86 Die Diskussionen über das politische Verhältnis und den Status von Berezan/Borysthenes und Purotino/Olbia ist nicht abgeschlossen. Ich folge Burkert 1994, 52 – 53 u. a., die annehmen, die skythisch-griechische Siedlung auf der Insel Berezan (Borysthenes?; s. u. Anm. 262) und die Siedlung an der Hypanis/Bug-Mündung beim heutigen Dorf Purotino (das Emporion Borysthenes?) seien gegen Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu einer Polis ‘Borysthenes/Olbie Polis’ vereinigt worden (vgl. hier Kap. V mit Anm. 139. 141). Dafür spricht m. E. gerade auch der Fund des sich auf die Gründung von Olbie Polis beziehenden Orakels auf Berezan. 87 SEG 36, 1986 (1989) 202 f. Nr. 694 Frontseite Z. B 1 – 3. Die nicht ausgeschriebene Epiklese Didum(ei=?) erscheint ein zweites Mal auf der Frontseite in Z. E; auf der Rückseite ist in Z. A lediglich Did((umei=?) geschrieben (vgl. dazu Onyshkevych 129 – 130.). Beide Male sind die Buchstaben einfach gestrichelt. 88 550 – 525 v. Chr.: Rusjaeva 1986, 28; Burkert 1990a, 155; vgl. Burkert 1994, 52 mit Anm. 21; Vinogradov 1994, 63 ff. bes. 63; Dubois 1996, 146 – 154 bes. 146 zu Nr. 93. – 525 – 500 B.C.: SEG 36, 1986 (1989) 202 – 203. Nr. 694; vgl. jetzt auch Burkert 2005, 32 – 33. Nr. 279. – Ende 6./ Anfang 5. Jh. v. Chr.: Onyshkevych 1998, 75 – 77. 212 mit Tabelle der Buchstabenformen S. 345 Abb. 2, 5 – Erste Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.: M. H. Jameson (mündlich zu Burkert; vgl. Burkert 1994, 146 Anm. 21); Ehrhardt 1987, 116 – 117. Doch Ehrhardt 1989, 115 ff. bes. 118 plädiert zuletzt auch für eine Datierung ins 6. Jh. v. Chr.! – Entsprechend der Datierung in spätarchaische Zeit und dem kleinasiatisch-ionischen Dialekt ist die Psilosis, der Wegfall der Aspirata, vorauszusetzen. Die Aspirierung setzt sich erst unter dem EinFluss der Koine in Ionien im späteren 4. Jh. v. Chr. durch; vgl. Schwyzer 1939, 216 ff. bes. 218 ff.; Garbrah 1978, § 35; Schmitt 1977, 96 ff. bes. 102 – 103 M 11; Dubois 1996, 181 – 182 (Psilosis ist in Olbia noch bis in hellenistische Zeit belegt). Auch die frühhellenistische Kopie der spätarchaischen sog. Molpoi-Satzung im Delphinion von Milet etwa bewahrt noch die Psilosis der älteren Textvorlage: Herda 2006b, 83 mit Anm. 501. 89 Burkert 1994, 54: »If it is an authentic document, it is truly sensational.« 90 Vgl. hier Anm. 57. 91 Ehrhardt 1988, 144 – 147 vermutete anfänglich noch ‘Pythios’ als Epiklese des Orakelgottes Apollon im Didyma archaischer Zeit. Das seit 1886 bekannte archaische Grafitto aus dem Apollonheiligtum von Naukratis mit Weihung an den Apollon Didymeus (Milesios) (s. u. Kap. VII) übersah Ehrhardt in diesem Zusammenhang allerdings (es ist jedoch zitiert bei Ehrhardt 1988, 439 Anm. 525). Aufgrund des 1986 veröffentlichten Beintäfelchens aus Berezan korrigierte er sich später (Ehrhardt 1989, 118): »der Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus es weist uns außerdem auf eine besondere Funktion, die das Orakel des Apollon Didymeus Milesios in archaischer Zeit – unter der Leitung der Familie der Branchidai – besessen hat. Das Orakel entschied zum einen religiöse Fragen in der Metropolis selbst92, oder formulierte auch in politischen Angelegenheiten – z. B. im Zusammenhang mit der Unterwerfung Ioniens durch die Perser seit der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. – seine Sprüche im Sinne der (außen)politischen Interessen Milets93, zum anderen aber sanktionierte es die milesische Kolonisation: IV. Apollon Didymeus Milesios in Olbie Polis, Apollonia am Rhyndakos, Phasis und Kyzikos: das Orakel und die milesische Kolonisation A. S. Rusjaeva und W. Burkert haben den in Prosa verfassten Text, der auf derselben Seite des Täfelchens auf dem Kopf stehend eingeritzt ist, überzeugend als – vermutlich private – Kopie eines Orakels des Apollon Didymeus Milesios die Gründung von Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. betreffend gedeutet94. Der Text lautet folgendermaßen: Apollon [trug] in Didyma bereits im 6. Jh. den Beinamen Didymeus«. Im Kommentar Milet VI 3, 146 – 147. zu n. 1227 schreibt er jetzt aber stattdessen (ebenda 147): »Apollon Didymeus war ursprünglich, wie das lokale Epitheton anzeigt, der Inhaber des Orakelheiligtums (auch wenn es bis heute keinen archaischen Beleg für die Epiklese gibt).« 92 Man vergleiche das auf ein Orakel zurückgehende archaische Kultgesetz für Herakles aus dem Delphinion in Milet: Milet I 3, 276 – 277. Nr. 132; Milet VI 1, 167 n. 132; dazu: Fontenrose 1988, 8. 93. 156. 181 – 182. ‘R 3’; Gorman 2001, 191 – 192. 93 Zur propersischen ‘Politik’ des Orakels, die mit der Position Milets übereinstimmte (am deutlichsten wird dies in der Geschichte des Lyders Paktyes [Hdt. 1, 157 – 161]): Parke 1985a, 15 – 18; Burkert 1988, 51; Graf 1996b, 61; Ehrhardt 1998, 16. 94 Rusjaeva 1986, 25 – 64; Burkert 1990a, 2, 155 – 160; ausführlicher: Burkert 1994, 54 zu »private copies of oracles in antiquity« unter Verweis auf Aristoph., Vögel 981 – 982. Dort ist von einem Orakel des Apollon die Rede, das in einem Orakelbuch aufgeschrieben wurde. Zu solchen schriftlichen Orakelsammlungen, sog. Orakelbüchern, die wahrscheinlich seit Homer angelegt wurden, vgl. Burkert 2005, 39 – 42. Zustimmend Vinogradov 2000, 329 – 330. Dubois 1996, 153 zu Nr. 93, geht davon aus, eine orphische Sekte habe das Orakel von Didyma betreffs der Gründung von Olbie Polis befragt. Man vergleiche etwa auch das Vorgehen des Persers Mardonios 479 v. Chr., der die Orakel in Griechenland durch den Karer Mys aus Europos (= Euromos?) befragen ließ (s. o. Anm. 61). Dieser zeichnete die Antworten jeweils auf einer Schrifttafel (h¸ de/ltoj) auf und brachte sie zu Mardonios, der in Thessalien wartete: Hdt. 8, 135 – 136. – Andere Deutungen: Ehrhardt 1987, 116 – 117 (kein Orakel, sondern Zeugnis für Orphischen Kult oder Hebdomadischen Apollon-Kult); vgl. Ehrhardt 1988, im Vorwort zur 2. Auflage, S. IV; Onyshkevych 1998, 70 – 152. 222 – 224; Onyshkevych 2002, 161 ff. bes. 169 ff. (kein Orakel sondern ein Hymnos eines Orphisch-Hebdomadischen Kultes des Apollon); ähnlich: Gorman 2001, 194. Internationale Archäologie-ASTK 11 5 5 ¡Epta/: lu/koj a)sqenh/j, e¹bdomh/konta: le/wn deino/j, e¹pt(a)ko/sioi: tocofo/roj fi/li(o)j dwreh\ duna/m¡ i¹hth=(r)oj, e¹ptaki(s)xi/li(oi): delfi\j fro/nimoj, ei¹rh/nh 'Olbi/h po/li, makari/zw e¹kei=, me/mnhmai Lh[t]o/. »Sieben: ein Wolf ohne Kraft, siebzig: ein furchtbarer Löwe, siebenhundert: ein Bogenträger, freundlich mit seinem Geschenk, mit der Kraft eines Heilers, siebentausend: ein weiser Delphin, Friede der Glücklichen Stadt (Olbie Polis), ich erkläre, dass (sie) dort?95 glücklich sein wird, ich erinnere an Leto96.« 25 Damit wäre eine schon häufiger vertretene, jedoch nie eindeutig belegte Forschungsmeinung, derzufolge die milesische Kolonisation in archaischer Zeit durch das Orakel des Apollon Didymeus sanktioniert wurde98, zum ersten Mal durch eine zeitgenössische epigraphische Quelle bestätigt. Der in diesem Zusammenhang vom Rhetor Menander aus Laodikeia (Ende 3. Jh. n. Chr.) hergestellte Vergleich zwischen den Orakeln des Apollon Smintheus bei Chryse in der Troas, des Apollon in Didyma und des Apollon Pythios in Delphi, die die Kolonisationsunternehmen der griechischen Mutterstädte »nach Lybien, dem Hellespont und ganz Asien« ausgesandt hätten, erhält hierdurch einen neuen Stellenwert (Menander Rhetor 3, 17 p. 442 Z. 14–21 Spengel = 2, 17 [peri\ Sminqiakou=] p. 442 Z. 14–21 Russell – Wilson)99: Kai\ o(/ti e¹pi\ tw=n tripo/dwn qespi/zwn %)/kise th\n h)/peiron, %)/kise de\ th\n qa/lassan, nu=n me\n ei=j Libu/hn e¹kpe/mpwn, nu=n de\ oi¹ki/zwn to\n (Ellh/sponton, th\n 'Asi/an, th\n e¸%/an pa=san. (...) oàti e¹kindu/neuse mh\n a)oi/khtoj ei¹nai gh= pa=sa, ei¹ mh ta\ mantei=a tou= qeou= pantaxou= dh gh=j e¹pefoi/thse par ) h¸mw=n, e¹k Delfw=n, e¹k Milh/tou (...) Die Formulierung des Orakels auf dem Beinplättchen lässt sogar daran denken, dass der Didymeus den Namen der Kolonie bestimmte. So wünscht der Gott »Frieden der ‘Glücklichen Stadt’« (ei¹rh/nh 'Olbi/h po/li) in Anspielung auf ihren Namen ‘Olbie Polis’97. »Weisagend auf dem Dreifuß, besiedelte er das Festland wie auch das Meer, jetzt schickt er nach Libyen aus, jetzt besiedelt er den Hellespont, Asien, den ganzen Osten. (...) Die ganze Erde wäre unbesiedelt geblieben, wenn nicht das Orakel des Gottes überallhin auf ____________________ Die Inschrift hat e¹kei. Burkert 1994, 54 ergänzt zu e)kei/(nhn) in Bezug auf das voranstehende Olbie und übersetzt: »I pronounce her to be happy«. Dies übernimmt Onyshkevych 1998, 109 – 110. 114. 96 Die Inschrift hat LH- … [T]O. Das Tau zu Beginn von Zeile A 8 ist nicht erhalten, wie Burkert 1994, 53 – 54 aufgrund der Zeichnung von Rusjaeva angenommen hat: vgl. Onyshkevych 1998, 110 nach persönlicher Autopsie. Es liegt hier m. E. die Akkusativform Lhto/ vor, die von me/mnhmai abhängt: vgl. hier Anm. 158; übereinstimmend: Onyshkevych 1998, 111. 114. 146 – 150. Die Emendationen zu Lh|to=(j) (so: Dubois 1996, 146 – 154 bes. 147 Nr. 93; vgl. ablehnend: Onyshkevych 1998, 110 – 111) oder zur Dativform Lh| [t]o[i=] (vgl. Rusjaeva 1986, 26; SEG 36, 1986 [1989], 202 – 203 Nr. 694 Z. A 7 – 8; danach auch: Burkert 1994, 54. 59 – 60) ist daher nicht nötig. Noch unwahrscheinlicher erscheint die von E. Krummen vorgeschlagene Emendation zu MEMNHMAI <MI>LHTO, »I remember Miletus«: dies. mündlich zu W. Burkert; vgl. Burkert 1994, 60; danach jetzt Burkert 2005, 32 – 33.Nr. 279 (»ich gedenke an <Mi>let«). Dazu ebenfalls ablehnend: Onyshkevych 1998, 113 – 114. 97 SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203 Nr. 694 Z. A 6 – 7. Vgl. dazu Burkert 1994, 53; Onyshkevych 1998, 112. Noch vor der Publikation des Orakeltäfelchens 1986 wies M. V. Skrichinskaja 1981 als erste darauf hin, dass der Name ‘Olbie Polis’ durch das ebendort verzeichnete Orakel des Apollon Didymeus vergeben worden ist: Skrichinskaja 1981, 142 – 147; vgl. Hind 2005, 29. – Die ungewöhnliche Satzkonstruktion erst mit Nominativ (ei¹rh/nh), dann mit Dativ ('Olbi/h po/li), deutet Burkert 1994, 60 als Hinweis auf einen semitischen EinFluss im didymäischen Orakel im Sinne einer »international oracle technique«; dazu ablehnend: Onyshkevych 1998, 116 – 117. 95 ____________________ 98 Vgl. z. B. Fontenrose 1978, 143 Anm. 18: »It may be that the Milesians who colonized the Black Sea coasts sought approaval of their projects from Apollo of Didyma«. Zu Didyma und der milesischen Kolonisation vgl. außerdem: Hammond 1967, 113; Rohrbach 1960, 124 – 125. (non vidi; zitiert nach Ehrhardt 1988, 441 Anm. 553); Parke 1985a, 10 – 11; Fontenrose 1988, 93. 112. 208 – 209; Ehrhardt 1988, 45 – 46. 145 – 146. 185. 250; Morgan 1989b, 65; Morgan 1989a, 26; Gorman 2001, 192 – 193; Herda 2006b, 449 – 450. Anm. 3185 – 3186. – Die einzige Ausnahme, dass Delphi das Gründungsorakel für eine milesische Kolonie geliefert hat, scheint Sinope zu bilden: Plutarch, de Pythiae oraculis (ed. R. Paton p. 54 § 27); dazu: Bilabel 1920, 31 – 32; Parke – Wormell 1956, 81 Nr. 85. Greaves 2002, 128 erklärt dies ansprechend damit, dass die Gründer von Sinope, Kretines und Koos, aus Milet exiliert worden waren und daher »could not have consulted the Oracle at Didyma which was closely associated with Miletos«. 99 Russell 1981, 216 – 217. Vgl. den Kommentar zu 442, 21: »Branchidae (Miletus) and the Smintheum, though important oracular sites, do not seem to be credited elsewhere with any influence on colonization.« Fontenrose 1978, 137 – 144 bes. 143 geht auf das Apollon Smintheus-Orakel von Chryse, das schon Homer (Il. 1, 37 ff. etc.) nennt, nicht ein: »According to Menander (...) Apollo sent forth colonies from Delphi and Miletos (Didyma) to Lybia, the Hellespont, and all Asia«. – Zum Smintheion und Apollon Smintheus vgl. Özgünel 2003, 261 – 291. – Zu Menander vgl. DNP 7 (1999) 1221 – 1222. s. v. Menander Rhetor (M. Weißenberger); Heath 2004. 26 Erden vorangegangen wäre, von uns aus [gemeint ist das Apollon Smintheus-Orakel, A. H.], aus Delphi, aus Milet (...)«. Die grundsätzlichen Zweifel an der Rolle Delphis bei der Kolonisation archaischer Zeit, und zwar nicht nur im westlichen Mittelmeer und in Nordafrika, sondern auch in der Propontis und im Schwarzen Meer100, erweisen sich in diesem Zusammenhang als unbegründet101. Der Orakeltext aus Berezan/Olbie Polis lässt sogar die Aussage zu, dass der Apollon Didymeus auf einzelne Kolonien zugeschnittene Gründungsorakel erteilte102. Anlass zu der Vermutung, das Apollon-Orakel von Didyma wäre in die milesische Kolonisation archaischer Zeit involviert gewesen, gab bisher, neben der kaum beachteten Erwähnung bei Menander Rhetor, vor allem ein Dekret der Stadt Apollonia am Rhyndakos aus der Mitte des 2. Jhs. v. Chr., gefunden im Delphinion in Milet103. Hierin erklärt sich Apollonia zur milesischen Kolonie. Die Milesier bestätigen dies, nachdem sie einer Gesandtschaft der Apolloniaten »mit allem Wohlwollen zugehört und die diesbezüglichen Geschichtsdarstellungen und die Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus anderen Schriftzeugnisse einer Prüfung unterzogen haben«104. Die im Folgenden von den Apolloniaten wiedergegebene milesische Stellungnahme ist besonders aussagekräftig: 10 15 »Dann haben sie die Antwort erteilt, dass unsere Stadt in Wahrheit als eine Kolonie ihrer eigenen Stadt entstanden ist, durch die Initiative und den Erfolg der Vorfahren zu den Zeiten, wo sie ein Heer aussandten in die Gegenden am Hellespont und an der Propontis und, nachdem sie mit dem Speer (= mit kriegerischer Gewalt) die dort wohnenden Barbaren überwunden hatten, neben den anderen griechischen Städten auch unsere als Kolonie gründeten, indem der Apollon von Didyma die Leitung des Kriegszuges übernommen hatte.« (Übersetzung P. Herrmann) ____________________ 100 Für die megarische Kolonie Kalchedon und die Tochterstädte Kallatis und Chersones der megarischen Kolonie Herakleia Pontike sind delphische Orakel indirekt zu erschließen über den Kult des Apollon Pythios (Kalchedon) bzw. direkt nachweisbar (Kallatis, Chersones Taurike): Antonetti 1999, 18 – 19 mit Anm. 17 – 18.(Kalchedon, Kallatis); S. 21 – 22 (Kalchedon), 23 mit Anm. 65 (Chersones Taurike). – Im Falle von Chersones ist einschränkend zu bemerken, dass es sich möglicherweise um eine Nachgründung klassischer Zeit in einer ehemals milesischen Kolonie handelt: Vinogradov 2007, 465–473. 101 Die Zweifel an der entscheidenden Rolle Delphis für die archaische Kolonisation der Griechen gründen auf dem Fehlen authentischer, zeitgenössischer Texte. So wird vielfach angenommen, die Orakelsprüche seien spätere Erfindungen des 6. und 5. Jhs. v. Chr.: Fontenrose 1978, 137 – 144; Fontenrose 1988, 93 (für das Orakel von Didyma akzeptiert er diese Funktion, nicht aber für Delphi!); vgl. auch Caldas 2003, 66 – 69 mit weiterer älterer Literatur; zustimmend: Rosenberger 2006, 65; Rosenberger 2001, 69–74 bes. 69 mit Anm. 5 (dort wird Malkin als Referenz zitiert!). Ebenda S. 73 geht Rosenberger von nachträglichen Konstruktionen von Orakelsprüchen im Kontext von Koloniegründungen aus, die dazu gedient haben sollen, »das Ansehen einer Stadt zu erhöhen«. Der Fund des Orakeltäfelchens aus Berezan/Olbie Polis (von Rosenberger 2001, 70 nur kurz erwähnt und sonst nicht weiter berücksichtigt) macht allerdings die Problematik deutlich, spätere antike Überlieferung mangels zeitgenössischer Quellenzeugnisse ex silentio grundsätzlich in Frage zu stellen. Vgl. dagegen schon Malkin 1987, 7. 17 – 91; Morgan 1990, 159. 177 – 178, die beide m. E. zutreffend eine Tätigkeit des delphischen Orakels im Rahmen der Kolonisation bereits seit dem 8. Jh. v. Chr. annehmen. 102 Anders noch Ehrhardt 1988, 145 ohne Kenntnis des Beintäfelchens aus Berezan: »Das Orakel von Didyma hat vielleicht keine individuellen Orakelsprüche für die Gründung einzelner Orte erteilt, sondern gleichsam kollektiv den Kult des Ietros für die Pontoskolonien propagiert.« 103 Milet I 3, 379 ff. Nr. 155; Milet VI 1, 193 – 194. n. 155 (mit deutscher Übersetzung). a)pekri/qhsan th\n po/lin h(mw=n e)pi\ th=j a)lhqei/aj gegenh=sqai a)/poikon th=j e¸autw=n po/lewj diapracame/nwn tw=n progo/nwn, kaq' ou(\j kairou\j e¹kpe/myantej stra/teuma kai\ e)j tou\j [k]ata\ to\n ¸Ellh/sponton kai\ th\n Proponti/da to/pouj krath/santej do/rat(i) tw=n e¹noikou/ntwn barba/rwn katw/(i)kisan ta\j te a)/llaj ¸Ellhni/daj po/leij kai\ th\n h¸mete/ran kaqhghsame/nou th=j stratei/aj 'Apo/llwnoj Didume/wj: Zwar ist daran zu zweifeln, dass Apollonia tatsächlich eine Kolonie Milets gewesen ist. Wahrscheinlicher handelt es sich bei Apollonia vielmehr um eine sog. sekundäre Gründung durch die milesische Kolonie Kyzikos. Dies hatte bereits N. Ehrhardt vermutet und der erst 1990 gelungene Nachweis des kyzikenischen Kalenders in Apollonia bestätigt dies jetzt105. ____________________ Übersetzung nach Milet VI 1; vgl. Z. 8 ff. Milh/sioi diakou/santej | tw=n presbeutw=n meta\ pa/shj eu¹noi/aj kai\ e)piskeya/menoi | ta\j peri\ tou/twn i¸stori/aj kai\ taÕlla e)/ggrafa. 105 Zu Apollonia am Rhyndakos vgl. Ehrhardt 1988, 44 – 47, der keine milesische Primärgründung, sondern eine Sekundärgründung von Kyzikos aus vermutet. Diese Annahme kann durch eine erst 1978 entdeckte und 1990 publizierte und daher Ehrhardt 1988 noch unbekannte Grabinschrift des 2. Jhs. n. Chr. aus Apollonia weiter erhärtet werden: Sie bezeugt, dass in Apollonia der kyzikenische Kalender gültig war, denn es wird der kyzikenische Monat Boudion genannt, der dem milesischen Metageitnion entspricht: Abmeier 1990, 1 Z. 7 mhno\j Boudiw=noj; vgl. den Kommentar dazu 104 Internationale Archäologie-ASTK 11 Durch den neugefundenen archaischen Orakeltext aus Berezan steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Orakel von Didyma tatsächlich auch bei der Gründung von Apollonia am Rhyndakos durch Kyzikos in archaischer Zeit eine gewichtige Rolle spielte, mindestens aber, dass man die in dem hellenistischen Dekret vertretene Version von der Rolle des Gottes bei der Kolonisation in archaischer Zeit für zeitgemäß halten konnte106. Das in dem Dekret für Apollon Didymeus zusätzlich gebrauchte Epitheton Kaqhgemw/n oder Prokaqhgemw/n, »Anführer«, wie Apollon Didymeus ein anderes mal in einer Inschrift neronischer Zeit aus dem Delphinion genannt wird107, kennzeichnet den Orakelgott in seiner Funktion als Schützer der milesischen Kolonisten bzw. als Schutzmacht und göttlicher Wegweiser des milesischen Staates. Für die ebenda S. 5 – 6. 7 Anm. 39. Zum Boudion in Kyzikos vgl. Trümpy 1997, 91 – 92 § 78. Robert 1950, 5 Anm. 1 vermutete samischen EinFluss: »on introduisait Kronion, d’après le calendrier de Samos«. Doch in Samos entspricht dem Boudion der Metageitnion, wie in Milet und anderen ionischen Städten: Trümpy 1997, 78 ff. § 69. 76. – Abmeier 1990, 10 – 11 glaubt mit E. Schwertheim (DNP 1 (1996) 872 s. v. Apollonia 6) [E. Schwertheim]), dass Apollonia erst eine Gründung der Attaliden gewesen sei, die auf eine ältere Vorgängersiedlung namens Miletou Teichos zurückgehe (vgl. dazu auch Milet VI 1, 193; Avram 2004, 975: »an attractive solution«). Das kann aber nicht sein, da Miletou Teichos eine eigenständige Siedlung war, die möglicherweise mit der späteren Miletopolis identisch ist, die ca. 18 Kilometer westlich von Apollonia lag: Ehrhardt 1988, 42 – 44. 575 – 576, vgl. die Karte ebenda 583. Vgl. jetzt auch Avram 2004, 989 s. v. Miletouteichos (Nr. 751), der allerdings keine Identität, sondern ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Miletoupolis (ebenda 988 – 989 Nr. 750) und Miletou Teichos seit dem 4. Jh. v. Chr. postuliert. – Zur Lage Apollonias in der Nordostecke des ‘Apolloniatis-Sees’ (heute Ulubat Gölü) auf der Halbinsel Gölyazı und zu den Resten der antiken Stadt vgl. die Ergebnisse eines neuen Surveys: Aybek – Öz 2004, 1 – 25. 106 Ehrhardt 1988, 44 – 47 geht von einer erst im 2. Jh. v. Chr. konstruierten Geschichte aus, die im Zusammenhang der pergamenisch-milesischen Beziehungen zu sehen sei. Vgl. Ehrhardt 1987, 103 – 105; vgl. den Kommentar von P. Herrmann, in: Milet VI 1, 193 mit weiterer Literatur dazu und Greaves 2002, 127 – 128, bes. 128: »Didyma was probably involved in colonisation, but we have no record of these consultations (…)«. Nach DNP 1 (1996) 872 s. v. Apollonia 6) (E. Schwertheim) »dürfte A. eine pergamenische Gründung sein, benannt nach Apollonis, der Mutter Attalos’ II. «. Vgl. auch Abmeier 1990, 9 – 10. Schwertheim und Abmeier folgend hat Avram 2004, 975 Apollonia nicht in die Liste der archaischen und klassischen Poleis aufgenommen. – Dagegen scheint Vinogradov 1997, 337 – 338 eine Historizität der Geschichte und damit die Existenz einer Polis Apollonia in archaischer Zeit zu erwägen, ebenso etwa Pippidi 1971, 201; Robert 1974, 292 – 294; Robert 1980, 89 – 98; Robert 1983, 501 Anm. 18; Fontenrose 1988, 93. 209. 107 Milet I 3, 284 ff. Nr. 134 (= Sokolowski 1955, 138 ff. Nr. 53; Milet VI 3, 169 n. 134) Z. 6 ff. to\n prokaqh|gemo/na th=j po/lewj h¸mw=n 'Apo/l|lwna Didume/a (Gesetz über die Bewirtung der Kosmoi und Molpoi, neronisch). Zum Epitheton, das etwa auch die Artemis von Ephesos trug, vgl. Robert 1937, 26 – 27; zuletzt Robert – Robert 1973, 164 Nr. 426 (Artemis Astias von Iasos). – Vgl. zum ‘Kathegemon’ als Titel des Apollon Didymeus: Günther 1971, 42 Anm. 105; Fontenrose 1988, 112. 115 und N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 147 zu Nr. 1227 (kaiserzeitliche Weihung von Rat und Volk an Apollon Didymeus). 27 Teilnahme des Apollon Didymeus an der Kolonisation Apollonias spricht nicht zuletzt der Ortsname, der vom Gottesnamen abgeleitet ist108 und die Zustimmung Apollons erforderte. Die Zustimmung wird eine Befragung des Orakels in Didyma gebracht haben109. Dieser Vorgang ist für eine weitere milesische Kolonie, Apollonia Pontike an der Westküste des Schwarzen Meeres, zu erwarten, deren Oikistes der Philosoph Anaximandros gewesen sein soll110. In diesem Zusammenhang ist auf eine ca. 450 v. Chr. zu datierenden silberne Omphalosschale ____________________ 108 Die These von Schwertheim (DNP 1 (1996) 872 s. v. Apollonia 6) [E. Schwertheim]) und Abmeier (Abmeier 1990, 10 – 11), der Ortsname sei von der Mutter des Attalos II., Apollonis, hergeleitet, kann nicht überzeugen. Die zitierte späte Quelle, eine Notiz in der Suda (A 3416 Ausg. Adler) s. v. 'Apollwni/aj li/mnh bezieht sich nicht auf die Stadt, sondern den benachbarten See. Zu diesem vgl. Ehrhardt 1988, 45 mit Literatur in Anm. 300. 109 Malkin 1987, 86 ff. zeigt am Beispiel von Apollonia Illyria, einer korinthischen Kolonie, dass der Orakelgott von Delphi neben einem Sterblichen namens Gylax als Oikistes galt und folgert für Städte mit dem Namen Apollonia, »that in some of these cities, too, he [Apollon Pythios, A. H.] was considered founder«. In ebenda Anmerkung 412 verweist er dazu auch auf Apollonia am Rhyndakos! Weiterhin folgert er ebenda 87 – 88: »It seems reasonable to assume that Apollo had to be consulted before his own name was given to a city«. Nach H. S. Versnel deutet der Name Apollonia, den viele Kolonien tragen (vgl. die Übersicht RE II 1 [1895] 111 ff. s. v. Apollonia), darauf, dass die Kolonie und die Kolonisten dem Orakel-Gotte geheiligt waren. Er weist dazu auf die Weihung der chalkidischen Kolonisten von Rhegion als ‘Zehnten’ an Apollon Pythios in Delphi, eine sog. ‘Dekateusis’ (Strab. 6, 1, 6) und vermutet hier einen verbreiteten Brauch im Rahmen der von Delphi sanktionierten Kolonisation: Versnel 1985 – 1986, 140 – 141; danach auch: Bierl 1994, 87 – 88. Dagegen meint Malkin 1987, 31 – 41, vgl. Malkin 1994, 3 – 4, der für Rhegion bezeugte Ritus der ‘Dekateusis’ sei eher eine Ausnahme und keine generelle Praxis. 110 Zu Apollonia Pontike: Ehrhardt 1988, 61 – 62; Nedev – Panayotova 2003, 95 – 155; Oppermann 2005, 5 – 6; Oppermann 2007, 15 – 17. Zum Oikistes Anaximandros, vielleicht der milesische Philosoph: Ael., var. hist. 3, 17 = Diels – Kranz 12 A 3; dazu: Ehrhardt 1988, 61. 533 Anm. 30. Boshnakov 2004, 46 – 47. 125 – 128 vertritt jetzt demgegenüber die Meinung, dass die Angabe bei Ailianos dahingehend zu korrigieren ist, dass Anaximandros nicht der Oikistes von Apollonia war, vielmehr die ursprüngliche Überlieferung betreffs der Gründung der Kolonie den Zeitpunkt mit dem Geburtsjahr des berühmten Philosophen (Hippol. Ref. 1, 6, 7: Ol. 42, 3 – 4 = 610/09 v. Chr.) synchronisiert hatte (so bereits Jacoby 1902, 192). Dies würde auch mit dem archäologischen Befund zusammengehen, der eine Datierung der Gründung in das späte 7. Jh. v. Chr. nahelegt. – Auch für Apollonia Pontike ist die besondere Rolle des Apollon Didymeus-Orakels bei der Gründung zu erwarten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in Apollonia Pontike wie auch in Kyzikos und Olbie Polis, Artemis die Epiklese Pytheie trug, wie in Didyma: Ehrhardt 1988, 61. 148. 151 – 152. 153. 154. 189. 242. 248. Der Kult wurde demnach direkt aus Didyma übertragen. – Eine weitere milesische Kolonie trug evtl. den Namen Apollonia: Aus dem Vorkommen von ca. 475 – 430 v. Chr. datierten Münzen mit der Legende AP bzw. APOL, die Pantikapaion zugewiesen werden, hat man abgeleitet, die Stadt habe eine Zeit lang ‘Apollonia’ geheißen: Ehrhardt 1988, 80. 141 mit Anm. 515. Allerdings zeigen die ältesten Münzen (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr.) die Legende PAN oder PANT (vgl. Ehrhardt 1988, 438 Anm. 515), so dass der Name ‘Apollonia’, wäre er wirklich auf Pantikapaion zu beziehen, erst sekundär sein dürfte. 28 lydischer oder griechisch-westkleinasiatischer Herkunft hinzuweisen, die in einem Kurgangrab des 1. Jhs. v. Chr. im Tal des Kuban gefunden wurde (Abb. 6). Nach ihrer griechischen Weihinschrift ist sie ursprünglich »dem Apollon (H)Egemon in Phasis« geweiht worden111. Dieses Phasis war eine milesische Kolonie der zweiten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr., ganz im Osten des Pontos Euxeinos in der Kolchis, im Delta des namengebenden Flusses Phasis gelegen112. Hinter dem in der Weihinschrift genannten Apollon Hegemon dürfte sich nicht etwa der Orakelgott von Delphi113, sondern niemand anderes als der Orakelgott Apollon Didymeus verbergen. Er träte hier wieder als besonderer Schützer der milesischen Kolonisten, deren Anführer (Oikistes) namens Themistagoras zudem überliefert ist, auf114. Für diese Deutung kann auch die Ikonographie der getriebenen Verzierungen der Schale ____________________ 111 Silberne Omphalosschale mit auf der Außenseite des Randes eingeritzter Weihinschrift (datiert ca. 450 v. Chr.): 'Apo/llwnoj )Hgemo/noj ei¹mi\ toÕm Fa=si; SEG 44, 1994 (1997) 453 Nr. 1298; vgl. Farnell 1907, 162; Tsetskhladze 1994b, 199 – 215 Abb. 2 – 4; Lordkipadnidze 1999, 129 – 153 Abb. 1 – 2 (ebenda 143 allerdings mit falscher Lesung 'Apo/llwnoj 'Hgemo/noj ei)mi\ tou= Fa=si). – Zur Datierung gegen Mitte des 5. Jhs. v. Chr., zum Schalentyp und seiner Herstellungstechnik, die nicht nach Kolchis, sondern nach Lydien bzw. das griechische Westkleinasien weisen: Treister 2007, 67 – 107 bes. 92 – 97 Abb. 18 – 19. Zum Fundort der Schale in einem Kurgan des 1. Jhs. v. Chr. im Tal des Kuban und ihrer ursprünglichen Herkunft aus Phasis: Tsetskhladze 1994b, 199. 212; Lordkipadnidze 1999, 129 – 130. – Die Phiale und die Inschrift wurden von N. Ehrhardt anfänglich als authentisches Zeugnis angesehen (Ehrhardt 1988, 85. 142), später jedoch v. a. aufgrund des Gebrauchs der Epiklese ‘Hegemon’ und weil ihm Photos bzw. Faksimiles der Inschrift fehlten, unzutreffend als Fälschung bezeichnet: Ehrhardt 1984, 156 – 157; ihm folgend: SEG 34, 1984 (1987), 213 Nr. 777. – Zur vorauszusetzenden Psilosos s. hier Anm. 88. 112 Zu Phasis, das wahrscheinlich im späteren 6. Jh. v. Chr. gegründet wurde, allerdings bisher noch nicht genau innerhalb des Mündungsdeltas des Flusses Rioni (der antike Phasis) lokalisiert werden konnte: vgl. Ehrhardt 1988, 85 – 86; Gorman 2001, 249 – 250; Avram u. a. 2004, 953 s. v. Phasis (Nr. 711); Lordkipadnidse 2007, 598 mit Lokalisierung beim heutigen Simagre (ebenda Abb. 4 Nr. 20). 113 Burkert 1977, 226 mit Anm. 9; Burkert 1985a, 144. 405 Anm. 9 meinte, der Apollon Hegemon in Phasis sei mit dem Apollon Pythios von Delphi gleichzusetzen. 114 Vgl. bereits Farnell 1907, 162; Tsetskhladze 1994b, 205; Tsetskhladze 1994a, 82; Lordkipadnidze 1999, 148. – Zu Themistagoras: Pomp. Mela, De chorograph. 1, 108; vgl. Ehrhardt 1988, 85 mit Anm. 691; Tsetskhladze 1994b, 205 – 206; Lordkipadnidze 1999, 144. Themistagoras wird mit dem milesischen Eponymen von 523/22 oder 518/17 v. Chr. gleichgesetzt (Milet I 3, 255 ff. Nr. 122 Z. I 6 Qemistago/rhj Dhmhtri/o; zur Datierung vgl. P. Herrmann, in: Milet VI 1, 166 zu Nr. 122), die Kolonisation von Phasis daraufhin datiert: Ehrhardt 1988, 85; Gorman 2001, 249; Tsetskhladze 1994b, 205 – 206. – Namentlich überlieferte Ktistai milesischer Kolonien, die historisch sein können und nicht etwa durchsichtige eponyme Ktistai sind wie Tios, der Gründer von Tios, Kyzikos von Kyzikos, oder mythische Gestalten wie die Argonauten Iason in Kyzikos, Autolykos in Sinope, Hylas in Kios etc., sind selten. Genannt werden können Habron, Koos und Kretines für Sinope, Anaximandros (der Philosoph?) für Apollonia Pontica, Hermochares für Kardia: Ehrhardt 1988, 226 – 227 mit Anm. 30. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus herangezogen werden: Während sich um den von einem Zungenornament eingefassten Omphalos eine Schlange ringelt – eine Anspielung auf Delphi? –, sind entlang des Innenrandes dreizehn Hirschköpfe radial angeordnet. Der Hirsch ist aber seit alters her das Begleittier des Apollon Didymeus. So trug das berühmte, von Kanachos geschaffene Kultbild des Apollon in Didyma in seiner Rechten einen Hirschen, der mit einem Mechanismus bewegt werden konnte (Abb. 5). Auch ist auf die Form des Bildträgers hinzuweisen, die Omphalosschale. Schalenweihungen an den Apollon Didymeus wurden in hellenistischer Zeit regelhaft von ehemaligen milesischen Kolonien zu den Feiern der penteterischen Didymeia nach Didyma geleistet, etwa auch, wenn das Orakel konsultiert wurde. Die Schale aus Phasis weist darauf hin, dass die Stiftung von (Omphalos-)Schalen an den Apollon Didymeus auf eine alte, archaische Tradition zurückgehen könnte115. Der Apollon in der Weihinschrift verliehene Titel ‘Hegemon’ steht sonst synonym für ‘Oikistes’ oder ‘Archegetes’ als Bezeichnung eines »Anführers« von Kolonisten116, scheint aber als Kultepitheton nur Göttern verliehen worden zu sein117. Das Epitheton ‘Hegemone’ führte etwa die Artemis Kithone von Milet als zusätzliche Epiklese, um sie als Schützerin der ionischen Kolonisten unter dem Gründerheros Neileos zu kennzeichnen118. ____________________ 115 Zum Kanachos-Apollon vgl. hier Kap. II mit Anm. 39. 55; Kap. III mit Anm. 76; Kap. VI mit Anm. 194; Kap. VII mit Anm. 201. – Zum Hirsch als möglichem uralten, kleinasiatisch-bronzezeitlichen Attribut des Apollon Didymeus, das ihn mit dem hethitischen Gott der Fluren und der Jagd, dLama, verbindet: Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 398. – Zu den Schalenweihungen in Didyma vgl. hier Anm. 200; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit Anm. 357. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Weihung einer »Omphalosschale« (fia/lh o¹mfalwth/) an Apollon Didymeus durch die Kyzikener 271/70 v. Chr.: vgl. hier Anm. 357. 116 Hdt. 4, 153 (Battos von Kyrene); dazu Farnell 1907, 161 162; Malkin 1987, 61 – 62. 71. 246 – 247. 249; Tsetskhladze 1994b, 205 – 206; Lordkipadnidze 1999, 144. 117 ‘Hegemon’ scheint nicht als Kultepitheton sterblicher Oikistai, die heroisiert wurden, zu begegnen. Diese wurden vielmehr als ‘Archegetai’ (so z. B. Battos) oder ‘Oikistai’ bezeichnet: Malkin 1987, 248. 249. Grund hierfür könnte sein, dass der Titel Hegemon/Hegemone (z. B. für Apollon in Phasis [s. o.], Aphrodite in Attika [Pirenne-Delforge 1994, 39 – 40. 405; Mikalson 1998, 176 – 177 mit Anm. 22; Parker 2005, 408] oder aber Artemis Kithone in Milet: s. u.) bzw. Prokathegemon (Artemis von Ephesos; Artemis Astias von Iasos: vgl. hier Anm. 107; Lordkipadnidze 1999, 146) als göttliches Epitheton reserviert war. 118 Kallim., Artem. 225 ff.; dazu: Herda 1998, 26 – 27; Lordkipadnidze 1999, 144 – 145. mit Anm. 130. Ein Kult der Artemis Kithone Hegemone in Milet ist vorauszusetzen. Vgl. dazu U. v. Wilamowitz-Moellendorff 1962, 59 – 60 mit Anm. 3: »Neleus macht die Chitone zu seiner Hegemone; damit ist der zweite Name gedeutet; vielleicht hat Libanius V 34 einen alten Zug darin erhalten, dass Artemis dia\ kuno\j pare/pemye th\n a)poiki/an ei¹j I)wni/an [»durch einen Hund die Kolonisation nach Ionien geleitete«, A. H.; vgl. zu dieser theriomorphen Epiphanie der Artemis hier Kap. IX mit Anm. 295]. Was es mit Chitone in dieser Verbindung auf sich hat, entgeht uns leider. Die Scholien fabeln von einem attischen Demos, aber vielleicht sollte es doch die Göttin Internationale Archäologie-ASTK 11 Die Weihung der Schale an »Apollon (Didymeus?) (H)Egemon in Phasis« bezeugt zumindest für das späte 5. Jh. v. Chr. ein Heiligtum des Gottes in Phasis. Zu erwarten ist jedoch, dass der Kult in Phasis in Zusammenhang mit der Gründung der Kolonie im späteren 6. Jh. v. Chr. eingerichtet wurde119. Wie im Falle von Olbie Polis oder Apollonias ist davon auszugehen, dass der von Themistagoras geleitete Kolonisationszug nach Phasis durch das Orakel von Didyma sanktioniert worden ist120. Für die Rolle des Apollon Didymeus Milesios bei der milesischen Kolonisation ist schließlich noch auf den Befund in Kyzikos, der ältesten, noch in der ersten Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. gegründeten milesischen Kolonie in der Propontis, einzugehen121. Joseph Fontenrose hat – noch ohne Wissen des Orakeltextes aus Berezan – ein bei Ailios Aristeides zitiertes Orakel, das nach der Überlieferung die Gründung von Kyzikos anwies und die glückliche Zukunft der Stadt vorhersagte, als dasjenige des Apollon Didymeus erkannt, wobei er sich m. E. überzeugend gegen die in der Forschung dominierende Meinung wandte, es handele sich stattdessen um einen Oralkelspruch aus Delphi122: eines einheimischen Ortes gewesen sein, die Neleus zur Führerin nahm.« Mit dem Kulttitel Hegemone wird Artemis beim Fest der sog. Neleïs verehrt worden sein. Zu diesem bei Plut., mul. virt. p. 253f – 254b erwähnten Fest vgl. Herda 1998, 25 – 28. Zum Kultbild, das aufgrund eines Orakels, wahrscheinlich aus Didyma (s. o. Anm. 58), gefertigt wurde: Herda 1998, 35 – 40. 119 Lazzarini 1976, 77 zu Nr. 555; Ehrhardt 1988, 142; Tsetskhladze 1994b, 204 – 206; Lordkipadnidze 1999, 131. 148. Wenn die Datierung der Schale, die gleichzeitig mit der Weihinschrift angesetzt wird, zutrifft, wäre sie ein wichtiger Beleg für den Kult des Apollon (Didymeus?) Hegemon und damit die Tradition von der Bedeutung des Orakels von Didyma für die Schwarzmeerkolonisation Milets noch im 5. Jh. v. Chr. – Der Fundkontext der Schale deutet darauf, dass das Apollon (Didymeus?) Hegemon-Heiligtum spätestens im 1. Jh. v. Chr. geplündert und vielleicht sogar zerstört wurde: Tsetskhladze 1994b, 211 – 213. 120 Tsetskhladze 1994b, 205 weist in diesem Zusammenhang auf eine ins 6. Jh. v. Chr. datierte Schale mit Weihgraffito aus Didyma, die angeblich die Weihung eines Griechen namens KOLX sein soll, in dem Tsetskhladze einen Kolonisten aus der Kolchis erkennen will: Naumann – Tuchelt 1963/64, 57 Nr. 64 Taf. 25, 1; vgl. dazu auch Tsetskhladze – Braund 1989, 497 – 499; Tsetskhladze 1990, 153; Tsetskhladze 1994b, 81 – 82; danach: SEG 44, 1994 (1997), 453 Nr. 1298. – In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Graffito aber um eine karische Inschrift, die nach der neuen Lautwertbestimmung (vgl. Adiego 2007, 20. 508 Taf. 1) als x-l(?)-o-w oder u-l(?)-o-w gelesen weren kann. Die Inschrift wurde bereits 1964 von F. Steinherr als karisch erkannt, ohne die genaue Kenntnis der Lautwerte des karischen Alphabets allerdings als ‘Hydrieus’ gelesen: Tuchelt 1970, 120 – 121; Tuchelt 2007, 411 mit Anm. 70 (Diskussionsbeitrag K. Tuchelt); vgl. Blümel 2007, 429 mit Anm. 8 (Bestätigung, dass es sich um eine karische Inschrift handelt); vgl. Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 413 ff. 121 Ehrhardt 1988, 40 ff. Gorman 2001, 246; Avram 2004, 983–986 s. v. Kyzikos (Nr. 747). 122 Ail. Arist., or. 16, 237; 1, 383 Dind.; dazu: Fontenrose 1988, 93. 112. bes. 208 – 209 zu ‘R 34’: »But Milesians never consulted Delphi, much less concerning their own colonies in the colonization 29 pepu/sqai de/ tina h)/dh kai\ tw=n e¹n (Uperbore/oij oiÕmai to\n peri\ Kuzi/kou xrhsmo\n kai\ to\n ma/rtura th=j eu¹daimoni/aj t$= po/lei, o(\j tai=j me\n a)/llaij po/lesin e¹chghth/j e¹sti, t$= de\ po/lei tau/t$ kai\ a)rxhge/thj. ta\j me\n ga\r a)/llaj po/leij dia\ tw=n oi¹kistw=n %)/kisen ou(\j a)pe/steilen e¸kasto/se, tau/thj de\ e¹k tou= eu)qe/oj au¹to\j ge/gonen oi¹kisth\j, w(/ste pw=j ou¹k eu¹dai/mwn Ku/zikoj a)po\ toiau/thj te a)rxh=j a)rcame/nh ei¹j tosou=to/n te a(/ma to\n oi¹kisth\n kai\ ma/rtura a)nafe/rousa; »Ich glaube, dass sogar diejenigen, die bei den Hyperboreern wohnen, von dem Orakel über Kyzikos erfahren haben, und von dem Zeugen für das Glück der Stadt, der für die anderen Städte ‘Exegetes’ ist, für diese Stadt jedoch auch ‘Archegetes’. Denn er gründete die anderen Städte durch (menschliche) ‘Oikistai’ (Gründer), die er jedesmal losschickte, aber von dieser Stadt war er selbst ‘Oikistes’. Wie also kann Kyzikos nicht glücklich sein, nachdem es einen solchen Ursprung hat und zugleich solch einen Oikistes und Zeugen besitzt?« Apollon Didymeus, der hier wie in seinem Orakeltext auf dem Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis das Glück (eu¹daimoni/a) der Kolonie Kyzikos vorhersagt123, trägt selbst das zusätzliche Epitheton ‘Archegetes’. Statt einen Anführer der Kolonisten (Oikistes) zu delegieren wie es sonst bei der Anlage einer der anderen milesischen Kolonien üblich gewesen zu sein scheint, – denn darauf weist die Formulierung »denn er gründete die anderen Städte durch (menschliche) ‘Oikistai’ (Gründer), die er jedesmal losschickte« sowie die Situation in Apollonia Pontike und Phasis, für die die Oikistai überliefert sind (s. o.)124 –, leitet er persönlich die Kolonisationsunternehmung und wird damit zum Gründer (‘Oikistes’) von Kyzikos125. era. (...) It appears certain, however, that the Didymean Oracle sanctioned Milesian colonies.« Vgl. auch Ail. Arist. (ed. Keil) II or. 27; dazu: Bilabel 1920, 103 und hier Anm. 125. 123 Vgl. oben mit Anm. 97 (‘Olbie Polis’ als sprechender Name, in dem sich das zukünftige Glück der Kolonie manifestiert). Die Vorhersage des Glücks der Kolonie dürfte fester Bestandteil der Orakel zur Koloniegründung gewesen sein. 124 Es gab also nicht nur individuelle Orakel des Apollon Didymeus für einzelne milesische Kolonien (anders Ehrhardt 1988 vgl. hier Anm. 102), der Orakelgott bestimmte zudem individuelle Oikistai (vgl. auch oben mit Anm. 114); anders: Ehrhardt 1988, 226 – 227. 125 Zu Kyzikos vgl. Fontenrose 1988, 209: »How Aristeides or the Kyzikenes thought this was done is unclear; but in some manner Apollo was supposed to have been himself the oikistês, and apparently no man was given this title.« Vgl. Gorman 2001, 193: 30 Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Mit der Vorstellung von der Gründung Kyzikos’ unter Apollon Didymeus Archegetes’ Führung hängt der für Kyzikos überlieferte Kult des Apollon 'Ekba/sioj zusammen, des Apollon »der (glücklichen) Landung«. Apollonios Rhodios erwähnt ihn in seinen ‘Argonautika’127. Nach einem Scholion zu den ‘Argonautika’ erinnerte die Epiklese an die unter Apollons Schutz erfolgte glückliche Landung der Argonauten im Gebiet des thrakischen Stammes der Doliones an der Stelle des späteren Kyzikos128. Das Scholion zitiert hierzu weiterhin das mindestens 12bändige Werk ‘Epiklesen’ (e¹piklh/seij) des Kultschriftstellers Sokrates von Kos (1. Jh. v. Chr.), der seinerseits den Kultschriftsteller Deiochos von Kyzikos (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.) benutzte. Danach sei der Apollon Ekbasios in Kyzikos stattdessen ‘Iasonios’ ('Iasoni/oj) genannt worden129. Offensichtlich versuchten die Kyzikener durch die Verbindung des Apollon Ekbasios mit dem Argonautenführer Iason ihren Kult in möglichst frühe, vor dem trojanischen Krieg liegende mythische Zeit zurückzuführen, wobei ihnen die Argonautensage als Vehikel diente130. Der weitere Titel ‘Exegetes’ wiederum, den Apollon Didymeus nach dem von Ailios Aristeides zitierten Orakel in Kyzikos trägt, spielt auf die Einrichtung der Kulte in der Kolonie an. In der quellenmäßig besser bezeugten Westkolonisation der »Here Apollo is not just the god who inspired the foundation but the actual founder (oikist) of Kyzikos and the driving force behind the resulting Milesian colonization (‘advisor to the other cities’).« – Zu vergleichen ist m. E. der Apollon (Delphnios?) Oikistes in Aigina, dessen Kult im dortigen Delphinion praktiziert wurde (Schol. Pind., Nem. 5, 81; vgl. hier Kap. IX mit Anm. 325), sowie die Artemis Leukphryene als ‘Archegetis’ von Magnesia am Mäander: Sokolowski 1955, 92 ff. Nr. 33 Z. 18 – 19 (ca. 200 v. Chr.). – Ablehnend dagegen Ehrhardt 1988, 429 – 430 Anm. 424: »Wenn Ail. Arist. (ed. Keil) II Or. 27 (...) Apollon in Kyzikos als Archegetes bezeichnet, so kann das nicht unbedingt mit Oikistes gleichgesetzt werden, da das Epitheton auch in Orten vorkommt, die mit Kolonisation nichts zu tun haben«. Ehrhardt verweist dazu auf einen Vertrag zwischen Milet und Seleukeia-Tralleis, in dem die Trallier über den Gott ein Verwandtschaftsverhältnis zu den Milesiern konstruieren: Milet I 3, 330 ff. Nr. 143 Z. 65 (= Milet VI 1, 176 – 177 Nr. 143, datiert 218/17 v. Chr.); dazu Leschhorn 1984, 180 Anm. 2; Ehrhardt 1987, 103 – 104; Curty 1995, 136 ff. Nr. 55. In vergleichbarer Funktion begegnet Apollon Didymeus Archegetes als göttlicher ‘Vorfahre’ des Seleukidenhauses: Fontenrose 1988, 112. 184 – 185, ‘R 9’ (Dekret von Iasos für Antiochos III., Ende 3. Jh. v. Chr.). Zur Apollon-Deszendenz der Seleukiden vgl. Günther 1971, 71 – 74; vgl. hier Kap. VI mit Anm. 189; Kap. VII mit Anm. 254. 126 Vgl. zum Apollon Archegetes allgemein: Leschhorn 1984, 109 ff. 180 – 185 und den Epiklesen-Katalog ebenda 360 – 363; Malkin 1987, 243; Detienne 1990, 301 – 311. – Zum Apollon Archegetes in Naxos vgl. Thuk. 6, 3, 1; dazu: Malkin 1987, 249; Leschhorn 1984, 111. Die Identifizierung mit dem Apollon Pythios bei: Malkin 1986, 959 – 972; Malkin 2000, 72 gegen die ältere Forschungsmeinung, der Apollon Archegetes in Naxos sei mit dem ionischen Apollon von Delos identisch. Vgl. hier Kap. IX mit Anm. 334 f. 127 Apoll. Rhod. 1, 966 eÃnq’ oiàg’ 'Ekbasi/% bwmo\n qe/san 'Apo/llwnoj; vgl. ebenda 1, 1186. – Dem Apollon Ekbasios von Kyzikos als Schutzgott der glücklichen Landung entspricht der Apollon Apobaterios ('Apobath/rioj), dessen Name auf die »Rückkehr aus dem Draussen des Meeres zur gewohnten Sicherheit des Festlandes« verweist: Graf 1985, 249 (in Bezug auf Artemis Apobateria in Erythrai, s. u.). Die Epiklese trägt Apollon in Kyrene und Side: Graf 1985, 191 mit Nachweisen in Anm. 218; vgl. Nick 2006, 90. – In Erythrai erhielt Artemis Apobateria zusammen mit Apollon und Leto (die apollinische Trias!) an jedem 15. Monatstag Opfer: Graf 1985, 190 – 191. Die Epiklese ist neben Apollon und Artemis auch für Zeus belegt: vgl. RE I (1894) 2814 s. v. 'Apobath/rioj, 'Apobathri/a [1] (O. Jessen): Troas und Methana; RE X A (1972) 253 – 376 bes. 274 – 275 s. v. Zeus Teil I. Epiklesen (H. Schwabl): Troas, Methana, Olympia; RE Suppl. 15 (1978) 993 – 1481 bes. 1084 s. v. Zeus Teil II (H. Schwabl): Methana. Auch Asklepios trägt den Beinamen in Iasos: RE X A (1972) 274 – 275. s. v. Zeus (H. Schwabl). – Wie für Apollon die funktionsgleichen Epiklesen Ekbasios und Apobaterios bezeugt sind, begegnet nicht nur eine Artemis Apobateria (in Erythrai s. o.), sondern auch eine Artemis Ekbateria in Siphnos: Hesych s. v. 'Ekbathri/a; vgl. Graf 1985, 191. 128 Schol. Apoll. Rhod. 1, 966 a)po\ th=j e¹kba/sewj th=j new\j e¹pi\ th\n Doloni/an; vgl. dazu Farnell 1907, 368 Anm. 35; Bilabel 1920, 104; skeptisch Ehrhardt 1988, 135. 429 – 430 Anm. 424. 129 Schol. Apoll. Rhod. 1, 966 = Dei(l)ochos FGrHist 471 F 5; zum Fragment des Sokrates v. Kos vgl. Tresp 1914, 18 – 19. 23. 29. 31. 211 ff. fr. 176; zur Epiklesis vgl. RE IX 1 (1914) 782 s. v. Iasonios, Iasonia [1] (O. Jessen). 130 Ivantchik 2005, 143. 149 – 151. – Dass hier eine milesische Version der Argonautensage vorliegt, die die milesische Kolonisation des 7. Jhs. v. Chr. widerspiegelt, ist schon des öfteren vermutet worden: RE X 2 (1919) 1460 ff. bes. 1464 s. v. Kadmos 4) (K. Latte); Wilamowitz-Moellendorff 1962, 232 – 254 bes. 236. 238– 240. 244 – 245. 247; Der Kleine Pauly 1 (1979) 537 ff. bes. 539 s. v. Argonautai (H. v. Geisau); Herda 1998, 1 ff. bes. 24 mit Anm. 174 (‘imperialistischer’ Mythos). Zur für den kyrenischen König Arkesilaos I. geschriebenen Fassung der Argonautensage in Pindars’ vierter pythischer Ode (Mythos als politische Auftragsdichtung) vgl. DNP I (1996) 1066–1069 bes. 1067 s. v. Argonautai (P. Dräger). – Zu Iason als möglichem alten Heilgott, der mit Apollon Iasonios und Athena Iasonia in Kyzikos in funktionalem Zusammenhang steht vgl. unten Anm. 136. – Zu den Argonauten in Kyzikos vgl. den Kommentar von Jacoby 1955, 371: »Von kyzikenischen denkmälern an den Argonautenbesuch stand bei D. [Deiochos, A. H.] gewiss mehr als der altar des Apollon Iasonios, das grab des Kyzikos, und die quelle Kleite. Aber die zahl der fabeln und reliquien wird im laufe der zeit gewachsen sein, sodass man besser auf rückführungen verzichtet.« Vgl. weiterhin RE II 1 (1895) 743 – 787 bes. 757 – 758 (O. Jessen); RE IX 1 (1914) 759 – 771 bes. 768 s. v. Iason 1) (O. Jessen). Diese Situation ist direkt mit derjenigen in der Apoikia von Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos, zu vergleichen, die nach dem oben bereits zitierten milesischen Dekret unter persönlicher Führung des Apollon Didymeus ‘Kathegemon’ gegründet worden sein soll. Weiterhin zu vergleichen ist die Rolle des Apollon-Orakels von Delphi bei der Gründung von Naxos auf Sizilien durch Chalkis und das kykladische Naxos ca. 730 v. Chr. Hinter dem in Naxos von allen sizilischen Griechen verehrten Apollon ‘Archegetes’ steht, wie I. Malkin zeigen konnte, der Apollon Pythios von Delphi, der bekanntlich die Kolonisation der Griechen im westlichen Mittelmeer sanktionierte126. Internationale Archäologie-ASTK 11 Griechen ist es der Orakelgott Apollon Pythios in Delphi, der als ‘Exegetes’ die jeweiligen Kulte und religiösen Vorschriften für Städtegründungen bestimmte und die Aufgabe der Einrichtung des religiösen Lebens insgesamt dem jeweiligen Gründer übertrug, der selbst den Titel ‘Exegetes’ erhalten konnte131. Im Falle der Gründung von Kyzikos übernahm Apollon Didymeus Milesios offenbar diese Aufgabe, da ein menschlicher Oikistes fehlte. Diese Annahme wird gestützt durch ein weiteres Orakel Kyzikos betreffend, das ebenfalls dem Apollon Didymeus zuzuweisen ist und das in den ‘Argonautika’ des Apollonios Rhodios erwähnt wird132: [...] a)ta\r kei=no/n ge qeopropi/aij ¸Eka/toio Nhlei/dai meto/pisqen 'Ia/onej i¸dru/santo i¸ero\n, h(\ qe/mij håen, 'Ihsoni/hj e¹n 'Aqh/nhj. »[...] Doch nach dem Spruche des Hekatos weihten die Neleïden, die Iaones, diesen (Ankerstein) dann später in das Heiligtum der Athena Iasonia, wie es recht war.« ‘Hekatos’ ist eine der alten Kultepiklesen des Apollon Didymeus133. Die ionischen Neleïden (die aus Milet herstammenden Kyzikener)134 weihten einen angeblichen Ankerstein des Argonautenschiffes ‘Argo’ auf Geheiß eines Orakels des Hekatos in das Heiligtum der Athena Iasonia. Die Anweisung zur Weihung des Ankersteins kann als Teil eines Gründungsorakels für den Kult der Athena Iasonia in Kyzikos verstanden werden135, deren Epiklese ganz offensichtlich vom Namen des Argonautenführers Iason hergeleitet wurde136, um den Kult wie etwa auch ____________________ 131 Vgl. Leschhorn 1984, 131 ff.; Malkin 1987, 5. 27. 84. 97 – 101 am Beispiel der athenischen Kolonie Thourioi in Unteritalien (443/2 v. Chr.). Ihr Gründer Lampon wird in den Quellen als Mantis (Seher), Chresmologos (Orakeldeuter) und ‘Exegetes’ bezeichnet. Zu Apollon als Exegetes vgl. etwa Plat., rep. 4, 427C. 132 Apoll. Rhod., Argon. 1, 958 – 960; Zuweisung an Apollon Didymeus: Fontenrose 1988, 93 – 94. 209 Nr. ‘R35’; Gorman 2001, 193; Herda 2006b, 288 Anm. 2041. 133 Herda 2006b, 287 – 288; vgl. hier Kap. III mit Anm. 60; Kap. IX mit Anm. 348. 134 Zu Neileos als ionischem Gründer Milets: Herda 1998, 1 – 48; Sourvinou-Inwood 2005, 268 – 271. 135 Vgl. Fontenrose 1988, 209, der das Orakel in die Kolonisationszeit von Kyzikos datiert (»675 – 650 B.C. «); ihm folgend: Gorman 2001, 193; Herda 2006b, 288 Anm. 2041. Fontenrose ebenda vermutet weiterhin, der Ankerstein könne als »aniconic image of Athena Iasonia« gedient haben. – Zur Weihung eines Ankersteins für den aiginetischen Apollon in das griechische Heiligtum im Emporion des etruskischen Gravisca im 6. Jh. v. Chr. s. u. Anm. 325. 136 Fontenrose 1988, 209 vermutet, die Epiklese bzw. der Kult sei erst sekundär mit dem Argonautenführer aufgrund der Homonymie in Zusammenhang gebracht worden. Die Epiklese bedeute wahrscheinlich ursprünglich »Heilerin«: »No doubt her epithet, which probably means ‘healer’, caused the Kyzikenes or Apollonios’ source to associate this cult with Jason and the 31 denjenigen des Apollon Ekbasios Iasonios in mythische Zeit zurückverfolgen zu können (s. o.). Apollon (Didymeus) Hekatos tritt hier klar erkennbar als Exegetes auf, dem die Kontrolle über die neu zu gründenden Kulte in der Kolonie obliegt. V. Apollon Didymeus Milesios und die Übertragung anderer Apollonkulte nach Olbie Polis Das Täfelchen aus Berezan/Olbie Polis belegt nicht nur den Zusammenhang von Orakel und Kolonisation. Die Weihung des Täfelchens an den Apollon Didymeus Milesios ist vielmehr auch als Beweis für den Kult des Gottes in Berezan/Borysthenes-Olbie Polis in archaischer Zeit zu werten137. Der genaue Fundort des Beintäfelchens auf Berezan, der einen Hinweis auf die Lage des Heiligtums des Didymeus Milesios geben könnte, ist leider unbekannt138. Argonauts«. Ohne dies genauer auszuführen, dachte Fontenrose wohl an die Heilgöttin 'Iasw/, das weibliche Äquivalent zu (Apollon) Ietros; vgl. RE IX 1 (1914) 758 f. s. v. Iaso 1) (H. Meyer); Der Kleine Pauly 2 (1975) 1327 f. bes. 1328 s. v. Iatros (W. Fauth). Iaso ist bisher allerdings erst seit dem 5. Jh. v. Chr. bezeugt, der Kult scheint mit demjenigen des Asklepios, als dessen Tochter Iaso galt (vgl. Aristoph., plut. 701 u. ö.), aufgekommen zu sein. – Für Iason selbst wurde bereits in der Antike ebenfalls eine etymologische Ableitung von i¹a/omai, »heilen«, vertreten (Schol. Pind., Pyth. 4, 211a; Schol. Apoll. Rhod. 1, 554 [Wendel]), Pindar nannte ihn auch i¹atro/j, »Arzt« (Pyth. 4, 119); vgl. dazu: RE IX 1 (1914) 759 – 771 bes. 759. 763 s. v. Iason [1] (O. Jessen). Die Vorstellung von Iason als ‘Heiler’ geht mindestens in archaische Zeit zurück, wie der Befund eines bisher einzigartigen Bildes auf einem korinthischen Kolonettenkrater (ca. 575 v. Chr.) erweist, das die (durch Beischriften gesicherte) Heilung des blinden thrakischen Königs Phineus durch Iason zeigt: Vojatzi 1982, 71 – 84. 114 B 39 Taf. 6 – 8; LIMC V (1990) 629 – 638 bes. 630 Nr. 7 s. v. Iason (J. Neils). Hinter Iason könnte sich ein alter Heilgott verbergen, wie schon Usener 1929, 156 – 158 vermutete; danach: RE IX 1 (1914) 759 – 771 bes. 759. 763 s. v. Iason [1] (O. Jessen ); RE IX 1 (1914) 782 – 783. bes. 783 s. v. Iasonios, Iasonia [2] (O. Jessen); vorsichtiger: Voyatzi 1982, 81: »Ursprünglicher Heilgott war Iason wohl nicht, aber wie alle Schüler des Cheiron konnte er heilen«. Die Ablehnung des Heil-Aspektes des Heros durch Wilamowitz (Wilamowitz-Moellendorff 1962, 244) und P. Dräger (DNP 5 [1998] 865–868 bes. 868 s. v. Iason 1): »weder gesichert noch berechtigt«, ist daher nicht haltbar. 137 Deutung des Täfelchens als Votiv, was einen Kult in Berezan/Olbie Polis impliziert: Rusjaeva 1986, 58; vgl. Onyshkevych 1998, 123 – 124: »The only interpretation which can be safely applied here, however, is that the text is dedicatory in nature, since it conforms to known dedicatory formulae«. – Dagegen ablehnend: Ehrhardt 1989, 115 ff. bes. 118 Anm. 35: »Der Text stellt m. W. die erste Erwähnung des Didymeus in einer milesischen Kolonie dar, ohne dass man in Olbia einen Kult des Didymeus vermuten muss. Ich komme darauf an anderer Stelle zurück«. 138 Vgl. Burkert 1994, 52: »No records of how or where the bone plaque was found survive. The excavator, V.V. Lapin, has died, and the piece was unearthed from his archive.« Dazu auch: Onyshkevych 1998, 72. 32 Die Motivation für die Einrichtung des Kultes dürfte die Rolle des Orakels bei der Umstrukturierung zweier Handelsplätze zu einer Kolonie gespielt haben: Gegen Mitte des 6. Jhs. v. Chr. schlossen sich zwei milesische Handelsniederlassungen auf der Insel Berezan (Borysthenes?) und an der Hypanis/BugMündung beim heutigen Ort Purotino/Nikolajev (Emporion Borysthenes?) zur ‘Glücklichen Stadt’ (Olbie Polis) zusammen139. Denkbar erscheint mir, dass im Rahmen dieses ‘Synoikismos’ die wichtigsten gemeinsamen Staatskulte parallel in beiden ca. 37 km voneinander entfernten Siedlungen jeweils in Filialheiligtümern eingerichtet wurden. Danach wäre der Kult des Apollon Didymeus Milesios nicht nur auf Berezan, sondern auch in Purotino/Nikolajev zu erwarten140. Dazu vergleiche man den Befund zum Apollon Delphinios: Das im dritten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. eingerichtete Hauptheiligtum der olbischen Polis, das Delphinion, lag in Purotino direkt nördlich der Agora141. ____________________ 139 Ältere Lit. bei Herda 2006b, 272 Anm. 1923; vgl. Solovyov 2001, 113 – 125; Avram u. a. 2004, 936 – 940 s. v. Olbia (Nr. 690) und hier Anm. 26. 86. 141. 262. Der ältere Name der Siedlung an der Bugmündung (heute Purotino bei Nikolajev) vor der angenommenen Vereinigung mit Berezan/Borysthenes zu Borysthenes–Olbie Polis könnte Borysthenes Emporion bzw. Borystheneïton Emporion (vgl. Hdt. 4, 17 f. 24) gelautet haben: Hind 2005. – Dann wäre es wahrscheinlich, dass diese Siedlung in ihrer Anfangsphase im späten 7. und der ersten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. (zu den frühesten Funden vgl. Bujskich 2005, 15 – 35; Bujskich 2007, 499 – 510; Kerschner 2006, 234 – 235. 244) keine wirkliche Apoikia bzw. Kolonie von Milet war, sondern ein Handelsstützpunkt, ein ‘Emporion’. – Den Status eines Emporions kann man bis zur Mitte des 6. Jhs. v. Chr. auch für die Siedlung auf Berezan annehmen, die möglicherweise Borysthenes hieß: Hind 2005, 29. Nach den Untersuchungen von S. Solovyov und R. Posamentir war sie ebenfalls ein Handelsstützpunkt, der zu Anfang, im späteren 7. Jh. v. Chr., zudem wohl nur saisonal betrieben wurde: vgl. Kerschner 2006, 242 mit Anm. 113 – 114. Mithin kann sich das Gründungsdatum, das Eusebios für Borysthenes gibt (Euseb., chron. 95 b [Helm]: 33, 2 Olympiade = 647/46 v. Chr.; vgl. dazu: Hind 2005, 28; Kerschner 2006, 229. 243) nicht auf die Gründung einer Kolonie, sondern nur auf die Anfänge des Emporions (auf Berezan?) beziehen, wobei vom archäologischen Standpunkt her das Datum noch ca. 20 – 30 Jahre zu hoch angesetzt ist. – Ungefähr in diese Zeit kommt man mit der chronologischen Angabe des Pseudo-Skymnos 808 – 813 (2. Jh. v. Chr.), der die Gründung von Borysthenes, das laut ihm vormals Olbia geheißen habe, »zur Zeit der medischen Herrschaft« (kata\ th\n Mhdikh\n e¹parxi/an) ansetzt: Hind 2005, 28; Boshnakov 2004, 106. 111 – 112. 225 Fig. 4 Nr. 6. Zu den Medern vgl. DNP 7 (1999) 1094 f. s. v. Meder (J. Wiesehöfer). – Auch nach der Gründung der Olbie Polis hat ein Teil der Siedlung (auf Berezan und in Puratino) den Status eines Emporions beibehalten, wodurch Olbie Polis mit Naukratis verglichen werden kann: vgl. hier Kap. VIII mit Anm. 262. 140 Belege für den Kult des Apollon Didymeus Milesios in Purotino/Olbie fehlen bisher allerdings. 141 Zur Lage vgl. Herda 2005, 275 – 276 mit Abb. 27. Zur Datierung des Delphinions wie der Anfänge der Agora von Olbie Polis vgl. jetzt Bujskich 2005, 16 mit Anm. 13 – 14. Sie setzt beides allerdings erst im letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. an, nicht schon im dritten Viertel (ca. 550 – 525 v. Chr.). Sollte sich letzterer zeitlicher Ansatz bewahrheiten, stimmt die Situation in Olbie Polis in auffälliger Weise mit ihrer Mutterstadt überein, in der ebenfalls Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Es scheint jedoch auch ein Filialheiligtum des Delphinios in Berezan gegeben zu haben. Darauf deutet der dortige Fund einer ins letzte Drittel des 6. Jhs. v. Chr. datierten Kylix, deren Inschrift einen Delphinios im Genitiv nennt142. Entweder handelt es sich um eine Weihung an den (Apollon) Delphinios, dann läge ein direkter Beleg für seinen Kult in Berezan vor143, oder die Inschrift kennzeichnet den Besitzer der Kylix, einen gewissen Delphinios. In diesem Fall wäre durch den theophoren Personennamen immerhin ein indirekter Beleg für den Kult des Gottes in Berezan gegeben144. Auch der Apollon Ietros wurde gleichermaßen in Berezan wie in Purotino--verehrt145. im dritten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. der Apollon-Delphinios-Kult reorganisiert und das Delphinion an der Agora aufwendig neugestaltet wurde: Herda 2006b, 291. Auf die in der russischen und ukrainischen Forschung (s. u. Anm. 155) vertretene These, nach der der Kult des Apollon Ietros in Purotino/Olbie (wie auch für Istros/Istrie angenommen) durch ein Orakel des Apollon von Didyma sanktioniert und seit der Gründung Purotino/Olbies (angenommen wird das Ende des 7. bzw. der Anfang des 6. Jhs. v. Chr.) bis zum Synoikismos mit der Siedlung in Berezan (= Borysthenes?) um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. der wichtigste Staatskult gewesen sei, sein Heiligtum, das sog. Westtemenos, das Hauptheiligtum der Stadt darstellte, kann hier nicht eingegangen werden. Ich halte dies jedoch für wenig wahrscheinlich, zumal sich der Polisstatus für die Siedlung in Purotino vor dem dritten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. nicht nachweisen lässt, es sich wohl vielmehr bis zur Gründung der Olbie Polis lediglich um ein Emporion handelte (vgl. auch hier Anm. 139. 155). Damit wäre hier eine Entwicklung von einem Emporion zu einer Polis mit Emporion gegeben, wie ich sie auch in Naukratis postuliere: s. u. Kap. VII–VIII. Vgl. aber: Vinogradov 1994, 63 ff. bes. 63 – 66; Rusyaeva 1994, 80 – 102; Rusyaeva 1999, 79 – 80; Rusjaeva – Vinogradov 2000, 229 – 234; Bujskich 2005, 17. 19; etc. 142 SEG 32, 1982 (1985) 213 Nr. 739 Delfini/o. Ein genauer Fundort ist leider nicht angegeben. Vgl. dazu Dubois 1996, 113 Nr. 60 : »Il vaut mieux considérer qu’il y avait à Bérézan même un sanctuaire de ce dieu dont le culte fut apporté par les nouveaux colons.« – Zur regelhaften Kontraktion des Digraphs -ou zu oV, die in ostionischen, etwa auch milesischen Inschriften bis in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. begegnet: Herda 2006b, 59 Anm. 318 mit Literatur. 143 Zu Weihinschriften, in denen die adressierte Gottheit im Genitiv genannt ist: Lazzarini 1976, 121 – 122. 241 ff. ‘Dediche del tipo: tou= qeou=’. Ebenda 121. 248 Nr. 523 ist eine Weihung auf einem Kylixfragment aus dem Delphinion von Purotino/Olbie angeführt, das eine direkte Parallele zu dem Stück aus Berezan bildet: Delfini/o (6./5. Jh. v. Chr.); vgl. weitere spätarchaische Beispiele bei: Levi 1964, 131 ff. bes. 142 Abb. 9, 1 (= Dubois 1996, 113 Nr. 61); S. 164 Abb. 35, 1; Levi 1985, 68 Abb. 49, 4; Dubois 1996, 115 – 116. Nr. 65. 144 Delphinios ist als Personenname bisher meines Wissens noch nicht in Milet, wohl aber in zwei milesischen Kolonien bezeugt, in Sinope (vgl. hier Anm. 175) und Gorgippia (vgl. hier Anm. 174). Außerdem begegnen die Personennamen Delphinios und Delphinas im nordionischen Erythrai, wo der Apollon Delphinios ebenfalls einen Kult hatte: Engelmann – Merkelbach 1973, 440 Nr. 379 (Delphinios, »wohl kaiserzeitlich«); S. 425 Nr. 349 (Delphinas, hellenistisch); dazu: Graf 1985, 219; Jones 1988, 194 mit Anm. 11. 145 Berezan: 1) Dubois 1996, 107 – 108 Nr. 54 (Weihung einer Schale an den Ietros, 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.). – 2) SEG 30, 1980 (1983), 255 Nr. 880 = Dubois 1996, 108 Nr. 55 (Weihung einer Schale an den Ietros, 3. Viertel des 6. Jhs. v. Chr.). – 3) SEG 36, Internationale Archäologie-ASTK 11 Der Orakeltext aus Berezan verdeutlicht noch einen weiteren Aspekt der von Didyma sanktionierten Kolonisation, der bereits im Zusammenhang mit dem Titel ‘Exegetes’ für Apollon Didymeus in Kyzikos angesprochen wurde: die Sanktionierung der Übertragung von Kulten aus der Metropolis in ihre Kolonien146. Wie diese Kultübertragungen, sog. a)fidru/mata (»Versetzungen an eine andere Stelle«), vor sich gingen, kann durch Vergleiche erschlossen werden. In der Regel erfolgten sie dadurch, dass eine eigens dazu ausgewählte Person, etwa der Oikistes, ein heiliges Objekt, z. B. die Nachbildung eines altehrwürdigen Kultbildes im Ursprungsheiligtum, im Rahmen eines Gründungsopfers in das Filialheiligtum ‘versetzte’147. Die Auswahl der Kulte und der kultübertragenden Personen wurde durch Orakel vorgenommen bzw. bestätigt. Ein solches Orakel ist beispielsweise für die Übertragung des ArtemisEpheseie-Kultes in die phokäische Kolonie Massalia ca. 600 v. Chr. überliefert. Aus diesem Anlass wurde eigens eine Nachbildung des Kultbildes in Ephesos geschaffen, die Kultübertragung nahm eine durch Traumgesicht ausgewählte Frau aus Ephesos vor, die in Massalia zur ersten Priesterin der Artemis Epheseie wurde148. Hinter dem Orakel könnte, wie kürzlich von F. Salviat vertreten, der Apollon Didymeus stehen, der dann nicht nur die milesische Kolonisation, sondern auch die Kolonisation weiterer ionischer Städte sanktioniert hätte149. Hierfür kann bestätigend ____________________ 1986 (1989), 202 Nr. 693 (Beintäfelchen mit Weihung an den Flussgott Borysthenes, Ietros wird auch genannt, ca. 550 – 525 v. Chr. = SEG 44, 1994, 183 – 194. Nr. 651 (dort von Vinogradov auf ca. 600 – 550 v. Chr. hochdatiert). – 4) SEG 36, 1986 (1989) 202 – 203 Nr. 694 Z. 3 – 4 (Beintäfelchen mit Orakel des Apollon Didymeus, das den Ietros nennt, ca. 525 – 500 v. Chr.); vgl. hier mit Anm. 155. Für Purotino/Olbie vgl. hier Anm. 141. 155. 160. 146 Vgl. dazu allgemein: Nilsson 1976, 637 – 640; Malkin 1987, 88 ff.; Malkin 1991. Zu Milet vgl. Ehrhardt, dessen Untersuchung auf der überzeugenden Grundannahme fußt, dass im Zuge der Kolonisation die politischen und religiösen Einrichtungen von der Mutterstadt in die Kolonien übertragen wurden, wenn auch mit »gewisse(n) Modifikationen [...], die sich aus den besonderen Bedingungen der jeweiligen Gründungen ergaben« (Ehrhardt 1988, 243). 147 Vgl. grundlegend Malkin 1987, 9. 69 – 72. 119 – 122; Malkin 1991, 77-96; vgl. jetzt auch: Scheer 2000, 245 – 246; Nick 2002, 24 – 25. 100 – 112. – Zu möglichen Resten eines Gründungsopfers im Rahmen eines Aphidrymas im Hera-Heiligtum von Naukratis vgl. hier Kap. VII mit Anm. 213. 148 Strab. 4, 1, 4 p. 179c; dazu Malkin 1991, 77 – 78, 94 – 96; Rolley 1997, 35 – 43 (non vidi). 149 Salviat 2000, 25 – 31 gegen Malkin 1987, 69 – 72, der stattdessen ein Orakel des Apollon Pythios in Delphi annimmt. – Zur möglicherweise ebenfalls von Didyma sanktionierten Übertragung des Apollon-Delphinios-Kultes aus der Mutterstadt Phokaia nach Massalia vgl. hier Kap. IX mit Anm. 329. – Der Kult der Artemis Ephesia bzw. ionisch Epheseie ist nicht nur in der phokäischen Massalia, sondern auch in den milesischen Kolonien Olbie Polis und Pantikapaion im Schwarzen Meer in archaischer Zeit verbreitet: vgl. etwa Ehrhardt 1988, 153 – 154. Hier möchte ich ebenfalls eine durch das Apollonorakel in Didyma sanktionierte Kultübertragung annehmen. 33 angeführt werden, dass die Praxis, ein Aphidryma durch ein Traumorakel anzuweisen, für Didyma in der späten Kaiserzeit überliefert ist150. Weiter zurück (3./2. Jh. v. Chr.) führt noch ein Altar des Zeus Labraundos und des Zeus Lepsynos aus Milet, der als Aphidryma bezeichnet ist151. Dass auch dieses Aphidryma auf ein Orakel des Apollon Didymeus zurückging, legt die Weihinschrift eines weiteren ungefähr zeitgleichen Altars für (Zeus) Ktesios, Meilichios, Kronion und Labrendos (= Labraundos) nahe, die den Altar als kata\ xrhsmo\n, »(errichtet) aufgrund eines Orakelsspruchs«, ausweist152. Explizit werden fünf Apollon-Kulte genannt, die nach Olbie Polis übertragen worden waren, wodurch schon deutlich wird, dass Apollon der Hauptgott von Olbie Polis war. Genannt sind die Kulte des ‘Wolfsgottes’ Apollon Lykeios153, des 154 ‘Löwengottes’ Apollon (Helios?) , des ‘Heilergottes’ ____________________ 150 Vgl. die leider stark verstümmelte Inschrift, die in der Nähe von Milet gefunden wurde und sich explizit auf ein Orakel des didymäischen Apollon bezieht: Didyma II 300 Nr. 500 Z. A 11 a)]fei/druma euÂron (frühes 3. Jh. n. Chr.); dazu: Fontenrose 1988, 233 ‘A 3’; Nick 2002, 25. 234 ‘Test. 111’. Dass der Konsultant des Orakels von seinem Aufwachen aus einem Schlaf und dem Auffinden eines Aphidrymas (Kultstatue?) berichtet, weist auf ein Traumgesicht, wie im Falle des Artemis-EpheseieAphidrymas in Massalia. – Traumorakel zählen zu den schon bei Homer überlieferten Orakeltechniken (vgl. hier Anm. 349), es läge also eine alte Tradition vor, die in Didyma nach der Wiederbelebung des Orakels in hellenistischer Zeit (vgl. hier Kap. VI mit Anm. 185 ff.) wieder aufgegriffen worden wäre. 151 Meines Wissens der bisher früheste Beleg für den Terminus überhaupt: Milet VI 3, 167 n. 1270 Z. 1 – 4 Dio\j Labrau/ndou, Dio\j Leyu/nou a)fi/druma Menoi/tou 'Ariste/ou. Vgl. N. Ehrhardt im Kommentar ebenda: »'Afi/druma in der Bedeutung ‘Kopie einer Götterstatue’ [...] kann hier nicht gemeint sein, da der Altar weder als Weihgeschenkträger fungierte noch Spuren von Reliefs erkennbar sind. Der Ausdruck dürfte sich deshalb auf den Altar selbst beziehen, der dann die Kopie eines monumentalen Altars in Miniaturformat wäre (Hinweis M. Wörrle).« 152 Milet VI 3, 166 – 167 n. 1268 Z. 1 – 2. Vgl. zur Übertragung des karischen Zeus-Kultes nach Milet auch: Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 363. 153 SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203 Nr. 694 Z. A 1 ¡Epta\ lu/koj a)sqenh/j ist als Anspielung auf den Apollon Lykeios-Kult in Olbie Polis zu verstehen. Dies wurde von Onyshkevych 1998, 34. 85 – 86. 220 – 221 nicht erkannt, die als ältesten Beleg für den Kult des Apollon Lykeios in Olbie Polis stattdessen das berühmte Kalendergraffito (Mitte 5. Jh. v. Chr.) anführt: vgl. hier Anm. 155. Zum Lykeios in Milet: Ehrhardt 1988, 130. 143 – 144; Graf 1985, 220 ff. bes. 225. Aus Didyma stammt ein Altar für Artemis Lykeie (3. Jh. v. Chr.): Didyma II 123 Nr. 120; dazu: Fontenrose 1988, 132. 154 SEG 36, 1986 (1989), 202 f. Nr. 694 Z. A 1 – 2. e¹bdo|mh/konta: le/wn deino/j; vgl. Herda 2006b, 272 – 273 Anm. 1929. Zum Bezug zwischen Apollon (Helios) und Löwen vgl. schon Cahn 1950, 185 ff. bes. 187. 191. 195 ff. Zur Gleichsetzung von Helios und Apollon (Didymeus) bereits in archaischer Zeit: Herda 2006b, 283 Anm. 2005. Vgl. auch die ca. 300 v. Chr. datierte Inschrift eines Thiasos der Boreikoi in Olbia mit Nennung von Apollon und Helios (Dubois 1996, 155 – 157 Nr. 95) und die Weihung einer Statue des Apollon Didymeus Helios durch Milet in 34 Apollon Ietros155 und des ‘Delphingottes’ Apollon Delphinios156. Als weitere Apollon-Epiklese, diesmal spezifisch olbiotisch, ist Nikhfo/roj Bore/w, »Sieger Medinet Habu in Ägypten im 2. Jh. v. Chr.: s. u. Kap. VI mit Anm. 195 – 199. 155 SEG 36, 1986 (1989), 202 f. Nr. 694 Z. A 2–4 e¹pt(a)|ko/sioi: tocofo/roj fi/li(o)j dwre|h\ duna/m’ i¹hth=(r)oj. Ehrhardt 1989, 117 stellte m. E. zutreffend fest, »dass der Ietros ein stadtmilesischer Kult war und von dort in die Kolonien übertragen wurde.« Zudem vermuten Ju. G. Vinogradov und N. Ehrhardt, dass das Orakel des Apollon in Didyma den Kult des Apollon Ietros speziell für die Kolonisation im Schwarzmeerraum kollektiv propagiert habe: vgl. etwa Rusjaeva – Vinogradov 2000, 233; Vinogradov 1994, 64; Ehrhardt 1988, 144 – 146. 248. 250. – Zu der fragwürdigen, vor allem von Rusjaeva und Vinogradov unter Verweis auf das Orakeltäfelchen vertretenen Auffassung, der Ietros sei zuerst (1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr.) der Hauptgott von Purotino/Olbie gewesen und erst nach der Beilegung einer Stasis, die durch eine zweite Kolonisationswelle gegen Mitte des 6. Jhs. v. Chr. ausgelöst worden war, im Rahmen des Synoikismos mit Berezan zur Olbie Polis um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. durch den Delphinios ersetzt worden (knappe Zusammenfassung dieser Position in: SEG 36, 1986, 203; vgl. danach z. B. auch Solovyov 2000, 117 – 118) vgl. ablehnend Burkert 1994, 56; Onyshkevych 1998, 220. 222; außerdem hier Anm. 141. 160. – Ebenso unzutreffend ist es, von einem »Zusammengehen der beiden Kulte« des Apollon Ietros und des Apollon Delphinios in Olbie Polis zu reden: So Rusjaeva – Vinogradov 2001, 234 mit Anm. 27 unter Verweis auf eine Weihung auf einer frührotfigurigen Schale aus Kurgan 400 von Jurovka, die ursprünglich aus Purotino/Olbie herstammen soll: Delfini/o cunh/ I)htro=; danach auch: Burkert 1994, 56; Dubois 1996, 115 – 116 Nr. 65. Denn weder ist die Herkunft der Schale aus Purotino/Olbie gesichert (vgl. kritisch: Graf 1974, 214 Anm. 21; Graf 1979, 3 Anm. 11; Ehrhardt 1988, 436 Anm. 489), noch impliziert die gemeinsame Nennung der beiden Epiklesen in der Weihinschrift die Gleichsetzung der beiden Kulte. Es handelt sich vielmehr um eine Kombination der Kulte im Sinne einer funktionalen Erweiterung: vgl. hier Einleitung und Anm. 85. Beide Kulte bilden in Olbie Polis zwar ein komplementäres Kultpaar, sind aber als in sich abgeschlossene, eigenständige Kulte zu betrachten, was sich nicht zuletzt dadurch ausdrückt, dass sie eigene Heiligtümer in der Stadt besitzen; vgl. auch Onyshkevych 1998, 59 – 60. 108. 220. Zum Heiligtum des Apollon Ietros in Purotino/Olbie (sog. Westliches Temenos) vgl. hier Anm. 141. – Dass eine ‘Epiklesenhäufung’ keine Gleichsetzung bedeutet, zeigt das berühmte Kalendergraffito aus Purotino/Olbie (SEG 30, 1980, 271 Nr. 977; dazu: Ehrhardt 1988; Ehrhardt 1989, 121 mit Anm. 63; Dubois 1996, 160 – 164 Nr. 99; Onyshkevych 1998, 11 – 69. 212 – 221 Abb. 1, 1 – 7; Mitte 5. Jh. v. Chr.): die Weihung eines gewissen Andokidos richtet sich an Apollon in vier Erscheinungsformen, die vier Epiklesen entsprechen (Delphinios, Iatros, Thargelios, Lykeios); vgl. Herda 2006b, 222 mit Anm. 1555; Dubois 1996, 162: »Apollon, le dédicataire, apparaît avec quatre épiclèses qui représentent les différentes facettes de la personnalité divine d’Apollon à Olbia.« Nach Onyshkevych 1998, 60 – 64. 220 ist die Epithetahäufung in dem Kalendergraffito den Epitheta-Listen zu Beginn von Hymnen vergleichbar und deutet eventuell auf ein Gebet hin. Ebenda 64 resümiert sie jedoch: »more likely, the listing of epithets is simply a way of aggrandizing the god Apollo«. Man vergleiche schließlich zu diesem Befund den attischen Demos Erchia. Hier wurde Apollon mit sechs Epiklesen verehrt (Pythios, Delphinios, Lykeios, Apotropaios, Paion, Nymphagetes). Dazu Parker 2003, 181: »It seems to follow that different Apollos were functionally distinct, and that more than one was desirable for a community’s welfare.« 156 SEG 36, 1986 (1989), 202 – 203. Nr. 694 Z. A 4 – 6 e¹ptaki(s)xi/…li(oi): delfi/j fro/nimoj ei)rh/|nh 'Olbi/h po/li. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus des Nordens«, anzusprechen157. Auch die Verehrung der Leto ist durch die Gebetsformel am Ende des Textes für Olbie Polis impliziert (Z. 7 f. me/mnhmai Lh|[t]o/, »ich erinnere an Leto«). Leto wurde in Olbie Polis wie etwa auch in Istros/Istria zusammen mit ihren Zwillingskindern Apollon und Artemis in der sog. apollonischen Trias verehrt, wobei der auf kleinasiatische Wurzeln führende Kult der Trias in Didyma als Vorbild gedient haben wird158. ____________________ 157 Vorderseite Z. D 1; Rückseite Z. B 1. Zur Epiklese vgl. Dubois 1996, 153 zu Nr. 93 (Beintäfelchen aus Berezan): »L’expression nikhfo/roj Bore/w doit être une désignation d’Apollon archégète, «vainqueur du Nord», celui qui a permis l’installation des Grecs à Bérézan et Olbia«. Er setzt den nikhfo/roj Bore/w mit dem durch archaische Weihinschriften in Purotino/Olbie bezeugten Apollon Borh=j gleich: vgl. den Kommentar ebenda 132 zu Nr. 83 (6. Jh. v. Chr.); dazu auch Onyshkevych 1998, 127 – 128. Der Kultverein des Apollon Bores sind wahrscheinlich die wiederum inschriftlich in Purotino/Olbie belegten Boreikoi/ qiasi=tai: Dubois 1996, 132. 155 – 157 Nr. 95 (um 300 v. Chr.). – Der Kult des (Apollon) Bores ist jetzt auch für das hellenistische Istros/Istria durch eine Weihung bezeugt: Alexandrescu 2005, 126. 214 (Votivbasis »s« an der ‘via sacra’): Bore/w; vgl. Bîrzescu 2006, 170 Abb. 6. 158 Am Ende des Orakeltextes »erinnert« Apollon selbst durch sein Medium (den Mantis der Branchidai, vgl. hier Anm. 345) »an Leto« (Z. 7 f. me/mnhmai Lh|[t]o/, »ich erinnere an Leto«); vgl. hier Anm. 96. Vgl. dazu Burkert 1994, 54. 59 – 60. Burkert übersetzt »I bear rememberence to Leto« und ergänzt wie die Erstherausgeberin der Inschrift, A. S. Rusjaeva (Rusjaeva 1986, 25 – 64), den Namen der Leto im Dativ: Lh[t]oi= Der Ausdruck weise auf den Vortrag eines Gebetes an Leto: Burkert 1994, 60 mit Hinweis auf die häufigere Formel mnh=sai, mit der bei Homer Gebete von Personen eingeleitet werden. Vgl. dazu allgemein jetzt auch: Bakker 2005, 136 – 153 (Kap. ‘Remembering the Gods Arrival’). – Wahrscheinlicher erscheint mir jedoch, Lhto als Akkusativform Lhto/ aufzufassen, eine Emendation der Inschrift wäre dann überflüsssig: mimnh/skomai mit dem Akussativ in der Bedeutung »(sich) an jemanden erinnern« ist homerisches Griechisch (vgl. die Nachweise etwa bei Liddell – Scott 1948 – 85 s.v. mimnh/skomai I.1.), während die Konstruktion mit dem Dativ erst seit dem 3. Jh. v. Chr. bezeugt ist, worauf Burkert 1994, 59 selbst hinweist. – Der Schlusssatz des Orakels wäre demnach als Überleitung zu einem Gebet an Leto zu verstehen, das in der feierlichen Form eines Hymnos gehalten war (diese Deutung jetzt auch bei Onyshkevych 1998, 111. 146 – 149; Onyshkevych 2002, 172 ff.). Der Hymnos könnte z. B. die Heilige Hochzeit Letos mit Zeus in Didyma zum Thema gehabt haben. Unabhängig vom Inhalt des Gebetes wird jedenfalls deutlich, dass der Orakelgott Apollon in Berezan/Olbie Polis wie in Didyma in archaischer Zeit ein enges Verhältnis zu seiner Mutter besaß. Auch hier wäre somit, wie in Delos oder etwa Klaros, die ‘apollinische’ Trias von Apollon, Artemis und Leto bezeugt: vgl. Herda 2006b, 320 – 321 Anm. 2290. – Auf Leto deutet m. E. außerdem die ebenfalls auf dem Beintäfelchen aus Berezan angeführte Epiklese Z. C 1 Mhtro\<j> 'Olbofo/roj, »Bringer des Glücks von der Mutter«; gemeint sein dürften Apollon und Leto. Demgegenüber möchte Dubois 1996, 153 Mhtro\<j> auf Milet, die mhtro/polij beziehen. – Ein Unterschied etwa zur milesischen Kolonie Istros/Istrie, wo die ‘apollinische’ Trias Leto – Apollon – Artemis für das 5./4. Jh. v. Chr. nachgewiesen wurde und in die Gründungsphase zurückreichen dürfte (vgl. dazu z. B. Oppermann 2004, 102 mit Anm. 996; sowie den Beitrag von A. Avram – I. Bîrzescu – K. Zimmermann in diesem Band), ist somit in Olbie Polis nicht festzustellen (so aber Ehrhardt 1988, 160 – 161). Internationale Archäologie-ASTK 11 In dem Orakel blickt der Didymeus in die Zukunft und sieht voraus, dass Olbie Polis 7000 Jahre vom »weisen Delphin« (Z. A 4 f. e¹ptaki(s)xi/li(oi) delfi\\j fro/nimoj) regiert werden wird, was nichts anderes heißen soll, als dass Apollon Delphinios ‘bis in alle Ewigkeit’ der Hauptgott von Olbie Polis sein werde159. Die Stadt gab seit dem späteren 6. Jh. v. Chr. Bronzemünzen in Gestalt von Delphinen aus160. Diese ‘vormonetäre’ Münzform ist als Illustration der theriomorphen Epiphanie des Stadtgottes zu verstehen, der etwa auch im zu Anfang bereits zitierten sog. homerischen Apollonhymnos in gleicher Gestalt das Schiff der Kreter in seinen Besitz nimmt und es nach Krisa führt161. ____________________ 159 Zur Zahlensymbolik in dem Orakel (7+70+700+7000), die auf das ‘Große Jahr’ (7777) führt: Burkert 1994, 54 – 57. Dubois 1996, 148 – 149. vermutet stattdessen eine mystische Zahlensymbolik pythagoreischen oder – seiner Meinung nach wahrscheinlicher – orphischen Ursprungs. 160 Charko 1964, 321 – 378 mit englischer Zusammenfassung S. 379; Karyškovskij 1988, 27 – 40; Burkert 1994, 55; Stingl 2005, 121 – 122. Taf. 63, 1 – 5. – Die Annahme, in Olbie Polis sei seit dem späteren 6. Jh. v. Chr. erst Münzgeld in Form von Pfeilspitzen ausgegeben worden, die für den Apollon Ietros als Hauptgott Purotino/Olbies stünden, wogegen die Delphin-Münzen als Symbol des Stadtgottes Apollon Delphinios erst ab 500 v. Chr. emitiert worden wären (vgl. Stingel 2005, 121 mit weiterer Literatur), ist problematisch: Zum einen steht die Annahme einer Sukzession der beiden Typen in Zusammenhang mit der fragwürdigen Theorie, der Stadtgott von Purotino/Olbie sei zuerst der Ietros gewesen, und erst nach der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. der Delphinios (vgl. dazu ablehnend hier Anm. 141. 155). Zum anderen scheinen datierende Befunde, die eine chronologische Scheidung des Aufkommens beider Typen ermöglichen, weitgehend zu fehlen (Stingl 2005, 122 mit Anm. 40; Stingl 2006, 99 mit Anm. 38). Vielmehr ist bereits erkennbar, dass beide Münztypen ungefähr gleichzeitig gegen Ende des 6. Jhs. v. Chr. aufkamen. So bemerkt z. B. Bujskich 2005, 20 – 21, dass die Pfeilspitzen und Delphine in den Verfüllungen »nahezu jeder frühen Anlage« (= Grubenhäuser, sog. Dugouts des 6. Jhs. v. Chr.) in Purotino/Olbie zusammen begegnen. Schließlich ist zu überlegen, ob nicht die Pfeilspitzen die frühe bronzene Geldform in Istros/Istrie und vielleicht auch in Apollonia Pontike darstellten (vgl. Stingl 2005, 120 zur möglichen Herkunft aus diesen beiden Orten; Stingl 2006). In Istros wie in Apollonia war der Apollon Ietros Hauptgottheit, die Pfeilspitzen wären dann in der Tat als Symbol dieses Gottes aufzufassen. Dann wäre das Pfeilspitzengeld, neben den eigenen Delphinen, auch in Olbie Polis in Umlauf gewesen. Für diese Annahme spricht im übrigen auch die Fundverbreitung der Münztypen: Die Pfeilspitzen konzentrieren sich um Istros/Istrie, die Delphine um Purotino/Olbie. Insgesamt betrachtet waren die Pfeilspitzen jedoch weiter verbreitet und zahlreicher. Zur Fundverbreitung vgl. jetzt Banari 2003, 289 – 299 Karte 30 – 31 (diese wichtige Arbeit ist bisher lediglich als ausdruckbare PDF-Datei im Internet zugänglich unter: http://bibserv7.bib.uni-mannheim.de/madoc/volltexte/2004/853/pd f/dissertation.pdf; ich danke Angelika Lorenz, Berlin, für diesen Hinweis). Banari 2003, 298 – 299. mit Anm. 1323. 1325 folgt allerdings wie Stingl der vorherrschenden Forschungsmeinung, in Purotino/Olbie wären erst Pfeilspitzen, dann Delphine emittiert worden (vgl. jetzt auch: Solovyov 2006, 63 – 75). 161 Herda 2006b, 273 – 274. mit Anm. 1932 ff. Den Bezug zwischen den Delphin-Münzen und Apollon Delphinios in Olbie Polis erkannte bereits 1914 Golubtsov 1914, 75; vgl. Onyshkevych 1998, 46 mit weiterer älterer russischer Literatur. – Die Delphingestalt des Delphingottes dürfte zum ältesten (bronzezeitlichen?) Stratum des Kultes gehören: Herda 2005, 287 35 In der Einrichtung des Apollon Didymeus Kultes wie auch des Apollon Delphinios Kultes und der damit zusammenhängenden Institutionen der Molpoi und des eponymen Aisymnetes-Stephanephoros, sowie des Delphinions als Prytaneion und damit religiöspolitisches Zentrum der Polis, erweist sich Olbie Polis als genaue Kopie der Verhältnisse in der Metropolis162. VI. Zur Verbreitung des Kultpaares Apollon Didymeus – Apollon Delphinios Olbie Polis ist bisher die einzige Kolonie, in der das für Milet so spezifische Kultpaar des Apollon Didymeus und des Apollon Delphinios nachweisbar ist163. Die anderen Kolonien zeigen stattdessen entweder den einen, oder den anderen Kult164 (Abb. 8). So sind der Kult des Apollon Delphinios und sein Kultverein, die Molpoi, direkt über Weihungen bzw. Nennung in Inschriften – oder indirekt über theophore Personennamen oder etwa auch Münzemissionen in Delphinform, vergleichbar denen von Olbie Polis165 – in den Kolonien Prokonessos166, Kios167, Apollonia Pontike168, Odessos169, Anm. 209. 212; vgl. hier Kap. IX mit Anm. 296. Vgl. zu Göttern in Tiergestalt als altem Glaubensgut immer noch grundlegend: RE VI 1 (1936) 862 – 921 s. v. Tierdämonen (S. Eitrem); WilamowitzMoellendorff 1955, 140 – 151. 274 – 275. Burkert 1985a, 64 – 66 bes. 64 sieht die tiergestaltigen Götter bei den Griechen demgegenüber als Konstrukt einer evolutionistischen Religionswissenschaft an und spricht lediglich von einem »Spiel« des griechischen Mythos mit der Tiergestalt der Götter (»Myth, of course, toys with animal metamorphoses.«). Die tiergestaltigen Epiphanien der Götter seien »little more than heraldic animals« (Burkert 1985a, 65). – Zum delphingestaltigen Apollon im Apollonhymnos vgl. hier Kap. I; IX mit Anm. 293 ff. 326. 162 Vgl. Graf 1974; Graf 1979; Ehrhardt 1988, 139 – 140. 142 – 143. 160 – 161. 198 – 199; Herda 2005, 275 – 276 mit Anm. 152 ff. Abb. 27. 163 In der milesischen Kleruchie Amorgos ist nur der Kult des Apollon Delphinios in hellenistischer Zeit nachweisbar (vgl. hier Anm. 176), die indirekten Zeugnisse für den Kult des Apollon Didymeus sind nicht eindeutig. Sie können sich auch auf den Kult in Didyma beziehen: vgl. hier Anm. 201. 164 Vgl. die Zusammenstellung des Befundes zum Apollonkult in Milet und den Kolonien bei Ehrhardt 1988, 130 ff. Es fehlt dort die Weihung an Apollon Delphinios aus Berezan: vgl. hier Kap. V mit Anm. 142; sowie die Weihung an den Delphinios aus Odessos: hier Anm. 169. 165 Vgl. hier Text mit Anm. 160. 166 Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personennamen Molpothemis: IG II2 Nr. 10114 – 5 (Grabstein eines Molpothemis aus Prokonessos in Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.); dazu: Ehrhardt 1988, 134 mit Anm. 412. 167 Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personenname Molpagoras: Polyb. 15, 21 (Tyrann in Kios zur Zeit Philipps V.); dazu Ehrhardt 1988, 135 mit Anm. 434. 168 Münzen in Delphinform: Oppermann 2004, 71 mit Anm. 672, S. 102. 169 Weihinschrift an Apollon Delphinios, 5. Jh. v. Chr.: erwähnt bei Hind 1983/84, 74; Oppermann 2004, 102; Minchev 2003, 243 – 36 Nymphaion170, Pantikapaion171, Kepoi172, 173 174 175 Hermonassa Gorgippia und Sinope bezeugt. In allen Fällen dürfte die Einrichtung des Kultes auf die Zeit der Kolonisation zurückgehen176. Dadurch wird der enge Bezug des Apollon Delphinios zu Seefahrt und Kolonisation sinnfällig. Er lässt sich im Übrigen auch am Beispiel des sog. homerischen Apollonhymnos aufzeigen, wie weiter unten noch auszuführen bleibt (Kap. IX). Kulte des Apollon Didymeus, die wahrscheinlich noch in die Kolonisationszeit zurückreichen, finden sich außer in Olbie Polis und im ägyptischen Naukratis, auf das gleich noch einzugehen ist (Kap. VII–VIII), an der südlichen Schwarzmeerküste direkt durch eine allerdings erst kaiserzeitliche Weihung in Amisos nachgewiesen177. 244. 254 Taf. 2, 4 (die unpublizierte Inschrift ist auf dem Foto leider nur schlecht lesbar: ]ORA[-] Apo/llwni Delfini/wi … --]RAQRA). Zum Heiligtum des Apollon, das in einer Inschrift des 1. Jhs. v. Chr. genannt ist und zu dem ein dorischer Prostylos gerechnet wird: Minchev 2003, 243 – 244, Taf. 1, 3. Mögliche odessische Münzemission in Delphinform: Oppermann 2004, 71 Anm. 672 unter Bezug auf Topalov 1999, 79 – 80; vgl. Minchev 2003, 262. 170 Indirekter Nachweis der Molpoi über den Personennamen Molpothemis: SEG 49, 1999, 293 Nr. 1038 (Grabstele, ca. 500 – 450 v. Chr.). 171 Indirekter Nachweis der Molpoi durch die Personennamen Molpas und Molpagoras: Ehrhardt 1988, 141 mit Anm. 513. 172 Indirekter Nachweis der Molpoi durch den Personennamen Molpagoras: Ehrhardt 1988, 141. 464 Anm. 796 (Weihung als Priester an Aphrodite, 6. Jh. v. Chr.). 173 Weihung an Apollon Delphinios (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.): Struve 1965, 1038 Z. 2; dazu: Graf 1979, 3 mit Anm. 11; Ehrhardt 1988, 83 mit Anm. 672; S. 141 mit Anm. 520; Onyshkevych 1998, 45 – 46. 174 Indirekter Nachweis des Apollon Delphinios durch den theophoren Personennamen Delphinios (3. Jh. v. Chr.): Ehrhardt 1988, 141 mit Anm. 52. Gorgippia ist die einzige Kolonie im nördlichen Schwarzmeerraum, in der der Name bisher nachweisbar ist: Fraser – Matthews 2005, 89 s. v. Delfi/nioj. Sonst ist er noch für Sinope an der Südküste bezeugt: vgl. die nächste Anm. 175 Indirekte Nachweise des Apollon Delphinios und der Molpoi durch die Personennamen Delphinios (Name auf sinopischen Amphorenstempeln: Ehrhardt 1988, 136 mit Nachweisen in Anm. 442; vgl. außerdem den Grabaltar eines Delphinios aus dem 4. Jh. v. Chr.: Jones 1988, 193 – 194. Taf. 6 a; ebenda 194 Anm. 9 wird auf einen weiteren sinopischen Amphorenstempel mit Nennung eines Delphinios verwiesen, der in Pantikapaion gefunden wurde) und Molpagoras (Ehrhardt 1988, 136 mit Anm. 443; Jones 1988, 194). Die Eponymität des Aisymnetes-Stephanephoros ist durch Amphorenstempel belegt: Ehrhardt 1988, 57. 196 mit Anm. 1140; S. 200; Herda 2006b, 19 Anm. 65. 176 Eine Sonderstellung nimmt Aigiale auf Amorgos ein, das nach Ausweis der Inschriften erst ca. im 3. oder 2. Jh. v. Chr. die Einrichtung des Apollon Delphinios-Kultes und seines Kultvereins, der Molpoi, sowie des Amtes des Stephanephoros von Milet übernahm: Bilabel 1920, 101 – 102; Ehrhardt 1988, 27 mit Nachweisen in Anm. 145 (der Stephanephoros war allerdings nach Ehrhardt 1988, 194 nicht eponym wie in Milet). Die Siedlung hatte wohl nicht den Status einer unabhängigen milesischen Kolonie, sondern eher einer Kleruchie: Ehrhardt 1988, 27 – 28. 177 Weihung eines Römers domitianischer Zeit: Ehrhardt 1988, 136. 431 Anm. 450 mit Nachweis. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Indirekte Zeugnisse für seinen Kult liefert das Vorkommen des Personen- bzw. Herosnames ‘Philesios’ in Trapezos, einer Tochterkolonie Sinopes178. Philesios ist eine Epiklese des Apollon in Didyma und als ‘Phili(o)s’ ist Apollon auf dem spätarchaischen Beintäfelchen mit Orakel aus Berezan/Olbie Polis bezeichnet179, der Kult könnte daher bereits im 7./6. Jh. v. Chr. aus Milet/Didyma nach Sinope und von dort nach Trapezos übertragen worden sein180. Auf den Kult des Apollon Hegemon, der mit dem Apollon Didymeus identisch sein dürfte, in Phasis ganz im Osten des Schwarzen Meeres, wurde schon hingewiesen. Insgesamt gesehen hat die Annahme einige Wahrscheinlichkeit für sich, dass Apollon Didymeus in allen milesischen Kolonien und Tochterkolonien, zu deren Gründung ein Orakel seinerseits erfolgte, ein Kult eingerichtet bekam181. Nach dem Verschwinden der Branchidai aus Didyma und dem anschließenden Verstummen des Orakels182 büßte der Kult des Apollon Didymeus seine überregionale Bedeutung, die er in archaischer Zeit noch besessen hatte, ein. Zwar nahmen die Milesier das Heiligtum gleich nach der Befreiung von der persischen Herrschaft 479/78 v. Chr. wieder in Betrieb, so ist etwa die große Neujahrsprozession vom Delphinion nach Didyma schon für 476/75 v. Chr. ____________________ 178 Grabstein mit Liste von (mindestens) fünf Namen (eines Bestattungsvereins?) im Dativ, nach Buchstabenform ca. 3./2. Jh. v. Chr.: Robinson 1905, 319 Nr. 54 Z. 9 Filhs[i/w (mit Faksimile der Inschrift). In Trapezos ist außerdem der Kult eines Heros Philesios überliefert, der ein Enkel des Hermes gewesen sein soll: Arrian, peripl. m. Eux. 2; vgl. dazu Bilabel 1920, 112; Fontenrose 1988, 120 Anm. 23; Herda 2006b, 304 Anm. 2164; ablehnend: Ehrhardt 1988, 136. 144, der nur einen Bezug zum gleichnamigen Heros erkennen will. 179 Zu Philesios vgl. mit Quellennachweisen: Fontenrose 1988, 118 – 120. Zum Phili(o)s im Orakeltext des Beintäfelchens aus Berezan Z. A. 2 – 4 e¹pt(a)|ko/sioi: tocofo/roj fi/li(o)j dwre|h\ duna/m' i)hth=(r)oj: Onyshkevych 1998, 92 – 95. – Nach Ehrhardt 1988, 130 – 131. 144 dagegen ist Philesios als Epiklese nicht archaisch, »und auch für Milet [...] wird man den Beinamen überhaupt ablehnen können«; vgl. Günther 1991, 607. 180 Vgl. Farnell 1907, 172; Bilabel 1920, 112; Herda 2006b, 304 Anm. 2164; ablehnend: Ehrhardt 1988, 136. 144; Günther 1991, 607. 181 Zu denken ist etwa an Kyzikos und seine Kolonie Apollonia am Rhyndakos, oder auch Apollonia Pontike (vgl. vorheriges Kap.). Für einen Kult des Apollon Didymeus in Istros/Istria fehlen bisher Belege. Weder ist ein Gründungsorakel überliefert, noch ist sicher, dass die Weihungen an Apollon im Apollon-Ietros-Heiligtum von Istros/Istria, die keine besondere Epiklese nennen, an Apollon Didymeus Milesios gerichtet sind, wie jetzt Bîrzescu 2006, 170 annimmt. 182 Vgl. Günther 1971, 13. 19 – 22; Parke 1985a, 20 – 22. 33 – 34; Fontenrose 1988, 14 ff.; Tuchelt 1988, 433 ff. Gerade das Verstummen des didymäischen Orakels nach 499 bzw. 479 v. Chr. steht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verschwinden der Branchidai. Es kann als ein weiteres Indiz für die Historizität der Branchidai angesehen werden. Internationale Archäologie-ASTK 11 inschriftlich belegt183, doch Didyma spielte für die nächsten ca. 150 Jahre eine rein lokale Rolle als wichtigstes außerstädtisches Heiligtum der Polis Milet184. Erst wieder im Zusammenhang mit der Wiedereinrichtung des Orakels in der Alexanderzeit (331 v. Chr.)185 erweiterte sich die Klientel des Gottes. Neben milesischen Kolonien sind es vor allem griechische Poleis des Ostens, die zum Fest der Didymeia Gesandschaften (Theoriai) nach Didyma schickten und das Orakel konsultierten186. Die Zeugnisse für den Kult des Apollon Didymeus außerhalb Didymas und der Stadt Milet selbst, wo nach Aussage des epigraphischen Befundes zumindest im Hellenismus und in der Kaiserzeit ein Filialkult bestanden hat187, sind selten und zudem meist nicht eindeutig. Am verlässlichsten ist noch die bei Plinius erhaltene Nachricht, der milesische General Demodamas habe, in Diensten von Seleukos I. und seinem Sohn Antiochos (der spätere Antiochos I.) stehend, vor 306 v. Chr. in Baktrien-Sogdiana noch jenseits des Flusses Iaxartes – dem weitest entfernten von den Griechen je erreichten Punkt in Zentralasien ____________________ 183 Kronzeuge ist die sog. Molpoi-Satzung (Milet I 3, Nr. 133), die die Abhaltung des Neujahrsfestes und der Prozession nach Didyma für das Jahr 476/75 v. Chr. sichert: Hahland 1964, 143 ff.; Günther 1971, 20 – 21; Fontenrose 1988, 14 – 15; Gorman 2001, 195; Ehrhardt 2003, 12 – 13; Herda 2006b, 17. 404 – 414. 425 – 426; Herda 2005, 260 – 263 mit Anm. 87. Zur Datierung der in der Molpoi-Satzung genannten Eponymen vgl. hier Anm. 34. 184 Wilamowitz-Moellendorff 1937, 375. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass Milet 345 v. Chr. Ehrenstatuen für die in Milet und ganz Ionien als Satrapen herrschenden Hekatomniden Ada und Idrieus nicht nach Didyma, sondern nach Delphi weihte: IG V 2 Nr. 89; vgl. Hornblower 1982, 111. 375; Tuchelt 1988, 436 mit Anm. 75. Hinter dieser Weihung nach Delphi mögen jedoch auch politische Motive stehen: Schipporeit 1998, 235 (Milesier stellen Hekatomniden im panhellenischen Delphi als Euergetai und Philhellenen dar); Marcellesi 2004, 45 – 46 (vermutet eine Symmachie zwischen Milet und den Hekatomniden). 185 Zur Wiedereinrichtung vgl. Günther 1971, 21 ff.; Parke 1985a, 33 – 43; Fontenrose 1988, 15 ff.; hier Anm. 61. 300; Kap. IX mit Anm. 343 – 344. 353 ff. – Frühester Beleg für das Wiederfunktionieren des Orakels ist eine Kallisthenes-Notiz (FGrHist 124 F 14; bei Strabon 17, 1, 43), die vom Wiederaufleben der Heiligen Quelle und von einem daraufhin 331 v. Chr. für Alexander ausgestellten Orakel berichtet. Die von A. Rehm (Didyma II, 322 B) erwogenen Tätigkeit des Orakels im 5. und früheren 4. Jh. v. Chr. lässt sich dagegen weder durch literarische oder epigraphische Quellen stützen (dazu Habicht 1960, 149), noch durch archäologische Befunde (so aber Hahland 1964, 232 – 233; Voigtländer 1972, 96. 111 – 112; vgl. dagegen Parke 1985a, 230 – 231. Anm. 4; Voigtländer 1985, 61 – 62. mit Anm. 12; Voigtländer 1986, 123 – 124 mit Anm. 5). 186 Dazu: Günther 1971, 22. 124 – 127; Günther 2001, 198; zu den Theoriai vgl. Herda 2006b, 180 f. mit Anm. 1284 ff.; hier Anm. 200; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit Anm. 357. 187 Mehrere hellenistische und kaiserzeitliche transportable Marmoraltäre des Apollon Didymeus wurden in Milet gefunden (N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 146–150 n. 1227–1236). Sie befanden sich allerdings nicht in situ, so dass die Lage des Filialheiligtums des Apollon Didymeus in Milet bisher unbekannt ist. Vgl. Herda 2006b, 454 Anm. 3208. 37 (vgl. Abb. 8) – für den Apollon Didymeus Altäre errichtet, um die Grenze der griechischen Welt zu markieren188. Den Hintergrund hierfür wird die erklärte Deszendenz der Seleukiden von Apollon Didymeus bilden, den sie als ihren a)rxhge/thj tou= 189 ge/nouj, als ihren »Stammvater«, verehrten . Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang aber auch an die Ermordung der in Sogdiana lebenden Nachfahren der Branchidai durch Alexander den Großen wenige Jahre vorher (329 v. Chr.). Die Umsiedlung der Branchidai durch die Perser an den äußersten Nordwestrand ihres Imperiums, zwischen dem Oxus-Fluss und nahe dem nördlichen GrenzFluss Iaxartes in BaktrienSogdiana190, ist als historisch anzusehen wie etwa auch die Umsiedlung von Teilen der milesischen Bevölkerung in die Stadt Ampe an der Tigrismündung, ca. 500 Stadien von Susa entfernt191. Die Branchidai werden den Kult des Apollon Didymeus, mit dem sie im archaischen Didyma als Kultverein und Orakelpersonal so eng verbunden waren, auch in der Fremde weiterpraktiziert haben, um ihre Identität zu bewahren192 (vgl. Kap. IX). Mit ihrer Auslöschung hätte folglich der Kult des Apollon Didymeus in Sogdiana durch Alexander ein gewaltsames Ende gefunden193. Die Weihung der Altäre, die Demodamas ____________________ 188 Plin., n. h. 6, 49 (= Demodamas FGrHist 428 F 2). Die Nachricht wird von F. Jacoby in seinem Kommentar wie auch von Tarn 1968, 232 als historisch eingestuft. Vgl. zu den Altären des Demodamas: Didyma II, 282 A; Parke 1985b, 67; vgl. Günther 1971, 35 zu Demodamas, Sohn des Aristeides, der in Milet/Didyma epigraphisch bezeugt ist: Didyma II, 284 Nr. 480 (Ehrendekret für Apame, die aus Baktrien-Sogdiana stammende Frau von Seleukos I. und Mutter des Antiochos II., von 299/98 v. Chr.; vgl. Günther 1971, 23 ff.); ebenda 282 ff. Nr. 479 (Ehrendekret für Antiochos II. von 299/98 v. Chr; vgl. Günther 1971, 29 ff.). Zu Demodamas vgl. auch Robert 1984, 467 – 472 (»XXXI: Pline VI 49, Démodamas de Milet et la reine Apamè«). – K. Wernicke, RE II 1 (1895) 1–111 bes. 50 s. v. Apollon irrt, wenn er die von Plin, n. h. 6, 49 ausdrücklich als Gründung des Demodamas bezeichneten Altäre des Apollon Didymeus Alexander dem Großen zuschreibt. 189 Leschhorn 1984, 181 – 182. Zur Didymeus-Deszendenz der Seleukiden vgl. hier Anm. 125; Kap. VII mit Anm. 254. 190 Zur ungefähren Lage der Stadt der Branchidai vgl. Strab. 11, 11, 4; dazu: Parke 1985b, 64 Anm. 18; Hammond 1998, 341. 191 Zu den Branchidai in Sogdiana vgl. hier Anm. 70. 182; s. außerdem: Altheim – Stiehl 1970; 158 – 161; Holt 1988, 74 – 75; Holt 2005, 40; O’Brien 1992, 129 – 130; Flower 2000, 117 – 118; Fredricksmeyer 2003, 266. – Zur Ansiedlung der Milesier in Ampe (Hdt. 6, 20): RE I (1894) 1877 – 1880 s. v. Ampe (F. C. Andreas); Altheim – Stiehl 1970, 159 – 160; zu Ampe vgl. auch: DNP 1 (1996) 607 s. v. Ampe (J. Oelsner). 192 Curtius Rufus 7, 5, 28 ff. überliefert, dass die Branchidai zur Zeit der Ankunft Alexanders weiterhin die Sitten und Gebräuche ihrer Vorfahren pflegten (»mores patrii nondum exoleverant«); dazu Parke 1985a, 40. 193 Strabon 11, 11, 4 spricht davon, dass Alexander die ganze Stadt der Branchidai zerstörte: to\ tw=n Bragxidw=n a)/stu a)nelei=n. Curtius Rufus 7, 5, 28 – 35 berichtet, dass Alexander alle Einwohner töten, die Gebäude der Stadt abreißen und alle Pflanzungen eingeschlossen die heiligen Haine (»luci sacri«) entwurzeln ließ, bis am Ende nur noch ein wüster, steriler Boden übrigblieb (»ut vasta solitudo et sterilis humus … linqueretur«). Im besonderen die Vernichtung der heiligen Haine macht deutlich, dass auch die Heiligtümer der Branchidai vollständig zerstört 38 im Namen des Seleukos I. und des Antiochos errichtete, sind also als Wiederbelebung des ApollonDidymeus-Kultes in Sogdiana zu verstehen, als pietätvolle Sühnehandlung, die ihre besondere Motivation in der erklärten Abstammung des Seleukidenhauses von Apollon Didymeus fände. In den gleichen Kontext gehört auch die Rückgabe der von Kanachos geschaffenen spätarchaischen Kultstatue des Apollon Didymeus (Abb. 5), die die Perser einst geraubt hatten, aus Ekbatana nach Didyma durch Seleukos I. ca. 300 v. Chr.194 Mit der Rolle des Apollon Didymeus als Orakelgott dürfte auch die Weihung einer Statue des Gottes im ägyptischen Medinet Habu westlich von Theben am Nil durch die Polis Milet selbst wahrscheinlich im mittleren 2. Jh. v. Chr. zusammengehen. Die Inschrift bezeichnet den Gott als ‘Didymeus Helios Apollon’195. Ptolemaios VIII. hatte in Medinet Habu ca. 140 v. Chr. ein Orakelheiligtum des Gottes Thot oder Theuth eingerichtet, der mit dem griechischen Gott Hermes gleichgesetzt wurde196. Die Milesier nutzten wohl ihre Chance, die guten Beziehungen zum ptolemäischen Königshaus zu pflegen, die seit dem 3. Jh. v. Chr. bestanden, als Milet und Didyma kurzzeitig ptolemäisch waren. Gleichzeitig wird es ihnen darum gegangen sein, den Ptolemäern den Kult ihres Hauptgottes wieder ins Gedächtnis zu rufen, dessen Orakelheiligtum schon Kallimachos, der Hofdichter Ptolemaios’ II., wohl in königlichem Auftrag, besungen hatte und der seit archaischer Zeit ein Heiligtum in der griechischen wurden. Ein heiliger Hain des Apollon spielt in der Gründungsgeschichte um Branchos und das Orakel in Didyma eine zentrale Rolle: Herda 2006b, 264 – 265 mit Anm. 1875 – 1877; vgl. jetzt auch: Günther 2006, 108. 194 Paus. 1, 16, 3; 8, 46, 3; dazu: Tuchelt 1986, 75 – 84; Tuchelt 1988, 427 – 438; Günther 1971, 39 – 43; Scheer 2000 (s. o. Anm. 76) 252 – 257; Strocka 2002, 94 ff. 195 Statuenbasis in Form einer Säule mit 10-zeiliger Weihinschrift: Carter 1905, 121 Nr. IX; Preisigke 1915, 130 – 131 Nr. 1530; Visser 1938, 72 – 73 Nr. 5; Robert 1965, 209 Anm. 1; Robert 1969, 583 Nr. 5; Robert 1984, 468 mit Anm. 8: --]… qeoj Qeofra/stou … Milh/sioi to\n … pa/trion qeo\n … Didume/a (/Hlion … )Apo/llwna … eu¹ca/menoi a)neqh…/kamen e¹p’ a)gaqoi=j. … Farmou=qi l¡ … Q (» [Im Jahr des ...]thes, Sohn des Theophrastos: wir Milesier, die gebetet haben [zum Gott], haben den von den Vätern ererbten Gott Didymeus Helios Apollon aufgestellt. Zum Guten ! Am 30. Pharmouti. [in der zehnten Zeile steht mittig alleine der Buchstabe:] Theta [für Thot?] «). – Zur Gleichsetzung des Apollon mit Helios s. o. Kap. V mit Anm. 154. 196 Hölbl 1994, 243; vgl. 343 ff. (Appendix »Übersicht über die behandelten Ereignisse der Geschichte des Ptolemäerreiches«). Das Orakel des Thot in Medinet Habu gab möglicherweise das gegen 130 v. Chr. datierte sog. Töpferorakel aus. Zu diesem vgl. etwa: Hoffmann 2000, 186 – 187; Potter 2003, 427. Theut/Thot galt den Ägyptern auch als Erfinder der Hieroglyphenschrift und Begründer der Wissenschaft, wie Platon im Phaedros 274c – 275b (vgl. ders., Philebos 18b – d) überliefert: vgl. Vazunia 2001, 141 – 142. 146 ff. 224. Auf ägypto-karischen Grabstelen des 6. Jhs. v. Chr. erscheint der ibisköpfige Thot zudem wie Hermes als Seelenbegleiter, der manchmal eine Schriftrolle hält, vgl. z. B. auf einer Stele aus Saqqara: Kammerzell 2001, 239. 254 Abb. 13 oben rechts. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Siedlung Naukratis im Nildelta besaß, von wo Theut herstammen sollte197. Die milesische Weihung in Medinet Habu hat ihre Wirkung wohl nicht verfehlt: Noch im mittleren 1. Jh. v. Chr. sandten Ptolemaios XII. und XIII. beträchtliche Mengen von Elfenbein als Schenkung für den Tempel nach Didyma und Kleopatra VII. (51 – 30 v. Chr.), die letzte Pharaonin aus dem Lagidenhaus, stiftete ebenfalls198. Eine Weihung an Apollon Didymeus aus dem nicht weit südlich von Milet gelegenen Iasos in Karien, das angeblich eine Nachbesiedlung aus Milet erfahren hat199, ist dagegen vielleicht aus Didyma verschleppt200. Fraglich ist auch, ob ein Filialheiligtum des Didymeus in der milesischen Kleruchie Aigiale auf Amorgos angenommen werden kann201. Ebenso unsicher ist es, einen Kult des Didymeus in der karischen Metropole Mylasa zu vermuten, wie ein Vertrag zwischen Milet und Mylasa aus dem Jahre 215/14 v. Chr. suggerieren mag202. Eine kaiserzeitliche ____________________ 197 Zu Apollon Didymeus in Naukratis s. das nächste Kapitel; zu den Ptolemäern und Didyma s. ebenda mit Anm. 253 ff. Gemäß Sokrates in: Platon, Phaedros 274c – 275b stammte Theut/Thot aus Naukratis und soll sein Wissen zu König Thamus nach Theben gebracht haben, den die Griechen mit Amun gleichgesetzt hätten. An diese Geschichte konnte Ptolemaios VIII. bei der Gründung des Thot-Heiligtums in Medinet Habu bei Theben anknüpfen, wo zudem seit der 18. Dynastie im sog. kleinen Tempel Amun verehrt wurde. Dieser Tempel wurde unter PtolemaiosVIII., IX. und X. weiter ausgebaut: Hölbl 1994, 243. 250 – 251 Abb. 22. In Naukratis selbst gab es vermutlich ebenfalls ein Amunheiligtum, das in die Anfänge der ursprünglich ägyptischen Siedlung zurückreichte: s. u. Anm. 240. 198 s. u. Anm. 256. 199 Zu Iasos, das nach Polybios 16, 12 von Milesiern unter dem Sohn des ionischen Milet-Gründers Neileos nachbesiedelt worden ist: Ehrhardt 1988, 26 – 27 (der Name des Neileos-Sohnes hieß allerdings nicht Miletos, wie Ehrhardt 1988, 26 versehentlich angibt, vielmehr ist er von Polybios nicht namentlich genannt: vgl. Walbank 1967, 514 zu 16, 12, 2). 200 REG 6, 1893, 186 f. n. 31 ('Apo/llwnoj Didume/wj). Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 leitet aus der Inschrift den Kult des Didymeus in Iasos ab. Nach Ehrhardt 1988, 427 Anm. 398 ist sie aber »aus Didyma verschleppt worden«. Die Iasier weihten seit dem frühen 3. Jh. v. Chr. zahlreiche Phialen dem Apollon Didymeus nach Didyma: Günther 1971, 127; Ehrhardt 1988, 27. 133. Den Hintergrund bilden Festgesandtschaften (Theoriai) zum von Milet ausgerichteten großen Opferfest des Apollon Didymeus in Didyma: vgl. hier Kap. IV mit Anm. 115; Anm. 186; Kap. VII mit Anm. 252; Kap. IX mit Anm. 357. Dies ist zwar ein Beleg dafür, dass die Iasier ihre Herkunft aus Milet im frühen 3. Jh. v. Chr. selbst propagierten, die Weihung der Phialen an den Apollon Didymeus in Didyma beweist allerdings noch keinen Kult des Gottes in Iasos selbst. 201 Es liegen nur indirekte Zeugnisse für den Kult des Apollon Didymeus in Aigiale vor (zur Kleruchie vgl. Ehrhardt 1988, 27 – 28): So zeigen amorgische Münzen das Bild des Apollon Kanachos: Ehrhardt 1988, 134 mit Anm. 401. Eine Weihung der Amorgier nach Didyma: Didyma II, 268 – 269, Nr. 446, Z. 8 – 9 (225/24 v. Chr.); vgl. Ehrhardt 1988, 294 Anm. 144; S. 134. Beide Zeugnisse können sich jedoch ausschließlich auf den Kult des Apollon Didymeus in Didyma beziehen, ein Kult in Amorgos muss nicht zwingend angenommen werden. 202 Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 beruft sich auf Milet I 3, 330 ff. Nr. 146 B; vgl. Milet VI 1, 178 ff. n. 146 (Isopolitievertrag Internationale Archäologie-ASTK 11 Weihung im phrygischen Nakoleia, die den Namen der Gottheit nur in Teilen erhalten hat, wurde versuchsweise auf den Didymaios bezogen, doch sind auch andere Ergänzungsmöglichkeiten der Inschrift gegeben203. Auf den Kult des Apollon Didymeus im ägyptischen Naukratis in archaischer Zeit sei anschließend ein Blick geworfen. VII. Apollon Didymeus Milesios in Naukratis Das Apollonheiligtum in Naukratis wurde, so lässt die vielzitierte Beschreibung bei Herodot (2, 178) vermuten, von den Milesiern unter Amasis’ Regierung errichtet (ca. 570–60 v. Chr.). Die Grabungen von Flinders Petrie legten das Areal bereits in den ersten Kampagnen 1884–5 frei204. Die Identifizierung ermöglichten zahlreiche Graffiti, die im Heiligtum gefunden wurden. Sie waren auf Trinkgefäßen als Weihinschriften an Apollon ‘Milesios’ angebracht205. Milets mit Mylasa, 215/14 v. Chr.). Die in der Inschrift Z. B 75 genannten Opfer und den Priester des Apollon Didymeus verortet er in Mylasa. Dagegen hat aber schon A. Rehm, in: Milet I 3, 333 – 334 m. E. überzeugend argumentiert, Priester und Opfer des Apollon Didymeus bezögen sich auf Milet; vgl. Herda 2006b, 75 Anm. 438. Ein kleiner Marmoraltar für Apollon Didymeus Soter und Zeus Labraundos Soter aus dem späten 3./frühen 2. Jh. v. Chr. wurde im übrigen in Milet gefunden: Milet VI 3, 167 n. 1269. Diesen Altar und weitere Marmoraltäre für Zeus Labraundos in Milet verbindet N. Ehrhardt überzeugend mit Neubürgern aus Mylasa, die den Kult ihres karischen Heimatgottes nach Milet brachten: N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 164 – 165 (Kommentar zu Nr. 1265–1270); Ehrhardt 2006, 85; Herda (im Druck) Kap. VIII mit Anm. 363. 203 Fontenrose 1988, 118 mit Anm. 20 zitiert eine von Ramsay 1882, 125 noch ohne Ergänzungen publizierte kaiserzeitliche Weihung eines Aelius oder Aurelius Antonius. In Z. 3 – 4. ]UM[.]IW … eu¹xh/n erkennt Fontenrose unter Bezug auf die Ergänzung der Inschrift durch To�ilescu 1882, 52: [Did]um[a]i/w eu¹xh/n eine Weihung an den Apollon Didymeus (vgl. Fontenrose 1988, 118: »partly restoration, but fairly certain«; To�ilescu folgend auch RE II 1 (1895) 1 – 111 bes. 50 s. v. Apollon [K. Wernicke]). Gesetztenfalls die Ergänzung der Inschrift aus Nakoleia ist zutreffend, würde die Form ‘Didymaios’, die von der älteren Epiklese Didymeus abgeleitet ist, gut zur kaiserzeitlichen Datierung der Inschrift passen, da sie typisch für die Kaiserzeit ist: Fontenrose 1988, 114 mit Anm. 14; vgl. hier Anm. 65. – Die Inschrift aus Nakoleia kann jedoch z. B. auch zu einer Weihung an (Zeus) Olympios ergänzt werden: Dii\ / Zhni\ 'Olum[p]i/w(i) … eu¹xh/n. Aus diesem Grunde fällt die Inschrift m. E. als sicherer Beleg für den Didymeus-Kult in Nakoleia aus. 204 Flinders Petrie u.a. 1886, 11 – 16. Zur Lage vgl. ebenda Taf. 40 – 41. Vgl. Möller 2000, 94 – 99 Abb. 1 – 2. Zu den erhaltenen Architekturteilen, deren Zuweisung z. T. unsicher bleibt, vgl. auch Höckmann – Kreikenbom 2001, VII; Koenigs 2007, 311 – 344. 205 Die Weihungen an den ‘Milesios’ im Apollonheiligtum von Naukratis: Flinders Petrie u.a. 1886, 60 Nr. 2 (= Bernand 1970, 642 Nr. 4); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 99 (= Bernand 1970, 648 Nr. 61); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 110 (= Bernand 1970, 649 Nr. 72); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 218 (= Bernand 1970, 661 39 Welcher Apollon sich hinter diesem ‘Milesios’ verbirgt, lässt jetzt der Befund in Berezan/Olbie Polis deutlich werden: Zu erwarten ist Apollon Didymeus Milesios. Als Bestätigung kann ein singuläres Graffito aus dem Apollonheiligtum von Naukratis herangezogen werden, das Gardner bereits 1886 in der ersten Naukratis-Publikation vorlegte206 und das U. Schlotzhauer jetzt im British Museum genauer untersuchen konnte (vgl. Beitrag Ehrhardt – Höckmann – Schlotzhauer Abb. 1 – 2)207. Das bisher kaum beachtete Graffito stellt eine Weihung an Apollon Didymeus dar und ist neben dem Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis der zweite sicher archaisch zu datierende Beleg für diese Epiklese. Der Inschriftenträger, eine sog. Knickrandschale milesischer Produktion, datiert die Weihung in das zweite Drittel des 6. Jhs. v. Chr.208. Dass dieser wichtige Befund an zwei so weit von Milet und Didyma entfernten Orten begegnet, bisher aber nicht in der Metropolis und ihrem außerstädtischen Heiligtum selbst209, illustriert anschaulich den Zufall der Erhaltung, auf dem unsere Forschungen oft aufbauen. Die Einrichtung eines Heiligtums des Apollon Didymeus Milesios in Naukratis weist auf die besondere Stellung der Milesier innerhalb der griechischen Siedlung, deren politischer Status – Polis Nr. 179); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 219 (= Bernand 1970, 661 Nr. 180); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 233 (= Bernand 1970, 662 Nr. 194); Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 234 (= Bernand 1970, 662 Nr. 195); Flinders Petrie u.a. 1886, 62 Nr. 237 (= Bernand 1970, 662 Nr. 198); Flinders Petrie u.a. 1886, 62 Nr. 341 (= Bernand 1970, 671 Nr. 302); Bernand 1970, 708 Nr. 661 (Fundort unsicher). Vgl. jetzt Möller 2000, 166 ff. mit neuer Zusammenstellung; Höckmann 2003, 68 mit Anm. 66. 206 Inv. Nr. BM 1886.4–1.262; dazu: Flinders Petrie u.a. 1886, 61 Nr. 164 Taf. 32 (Faksimile mit Beschreibung des Graffititrägers: »black and buff bowls, hard; incised on the buff rims«); vgl. Bernand 1970, 655 Nr. 125; Möller 2000, 176 Nr. 1; S. 258 Appendix 1. k. Nr. 11. 207 Das wiedergefundene Stück wird von U. Schlotzhauer und N. Ehrhardt hier neu vorgelegt. 208 'Apo/llw]ni Didu[mei=; s. a. Bernand 1970, 655 Nr. 125; dazu: Prinz 1908, 118; Bresson 2000, 49 mit Anm. 142; Herda 2006b, 449 – 450. mit Anm. 3185; Höckmann – Kreikenbom 2001, VII. 228 Anm. 103; vgl. Höckmann 2003, 68 – 69. 70 mit Anm. 78 unter Bezug auf J. Vinogradov und eine briefliche Mitteilung des Verfassers vom 17.10.2000 (s. u. Anm. 260). Vgl. jetzt auch: Nick 2006, 87. 88. – Die Datierung wird U. Schlotzhauer verdankt. 209 Die Epiklese Didymeus ist in Milet und Didyma bisher für archaische Zeit noch nicht epigraphisch bezeugt. – Die Korrektur der bisherigen Lesung einer Weihinschrift auf einem archaischen Kourosbein aus Didyma (sog. Latmier-Weihung, ca. 575 – 550 v. Chr.: Didyma II, 8 – 9. Nr. 12 Abb. 17) durch Jeffery 1955, 70 Abb. 3; S. 84 Nr. 4 Z. 1 – 2. zu [to)po/l|wni tw=i Did]u?mi/wi; vgl. danach auch SEG 16, 1959, 192 Nr. 711, ist nicht angenommen worden: Robert 1959, 661 (»ne semble pas tenir«); vgl. Tuchelt 1970, 55 – 56. ‘K 9’; Günther 1971, 11 Anm. 7. Jeffery hat ihre Korrektur später selbst zurückgenommen: Jeffery 1961/1990, 332. 333 – 334. 342 Nr. 25. – Zum möglichen Nachweis des Ortsnamens ‘Didyma’ in einem spätarchaischen Orakel des Apollon von Delphi (Hdt. 6, 19, 2) vgl. hier Anm. 57. 40 und/oder Emporion – ein offenes Problem darstellt (vgl. nächstes Kap.). Nur die Aigineten und die Samier hatten laut Herodot eine vergleichbare Stellung inne, so dass sie vom Pharao autorisiert worden waren, ein Heiligtum ihrer Polisgottheit in Naukratis zu errichten210. Erstere besaßen ein Heiligtum des Zeus, der wahrscheinlich die Epiklese Hellanios bzw. Hellenios trug, wie jetzt Dipinti auf chiotischer Importkeramik des mittleren 6. Jhs. v. Chr. zeigen211, letztere eines der Hera212, in dessen Keramikinventar Udo Schlotzhauer vielleicht sogar Überreste eines Gründungsopfers (Aphidryma) aus dem ersten Drittel des 6. Jhs. v. Chr. ausgemacht hat213. Die übrigen Griechen, nach Herodot aus Mytilene, Chios, Teos, Phokaia, Klazomenai, Rhodos, Knidos, Halikarnassos und Phaselis stammend, opferten in einem gemeinsamen Heiligtum, dem ‘Hellenion’, den Göttern214. Nach Ausweis der Graffiti waren sie aber auch berechtigt, im Heraion der Samier und im Apollonheiligtum der Milesier zu opfern215. So stiftete ____________________ 210 Vgl. Bresson 2000, 48 – 49. Hdt. 2, 178; Lage und Aussehen dieses Heiligtums sind unbekannt: Möller 2000, 104. 183. 194. 201 – 202. Die einzigen mir bekannten Weihungen an Zeus aus Naukratis sind diejenigen eines Mik(k)is an den Zeus Hellenios, die R. Wachter aus zahlreichen Fragmenten von chiotischen Dipinti-Gefäßen des 6. Jhs. v. Chr. rekonstruiert hat: s. u. Anm. 286. Dieser Zeus Hellenios (chiotisch-ionisch) bzw. Hellanios (aiginetisch-dorisch) dürfte mit dem Zeus der Aigineten identisch sein, den Herodot 2, 178 ohne Epiklese nennt. Der Zeus Hellanios wurde in Aigina auf dem Berg Panhellenios als Schutzgott der Wasserversorgung bzw. als Wettergott verehrt. Nach Pausanias (2, 30, 4) soll sein Heiligtum von Aiakos gegründet worden sein. Vgl. zuletzt: Fearn 2007, 104 – 105 mit weiterer Lit. in Anm. 66. – Die Gefäße, die Mikkis für den Kult des Zeus Hellenios von Naukratis in Chios anfertigen ließ, finden eine direkte Parallele in den chiotischen Dipintigefäßen, die die Aigineten(?) Aristophantos und Damonidas im Heiligtum der Aphaia auf Aigina weihten: hier Anm. 220. 212 Hdt. 2, 178; dazu: Möller 2000, 101. 213 Vgl. Schlotzhauer – Weber 2005, 81. 93. 106 Abb. 10; Schlotzhauer 2006, 311 – 313 Nr. 4A – C Abb. 11 – 13 (ich danke U. Schlotzhauer, der mir freundlicherweise sein Manuskript und die frisch gedruckte Publikation zur Verfügung stellte). – Falls sich die relativ späte Datierung der Gründung des Heraheiligtums in Naukratis »im ersten Drittel [des 6. Jhs. v. Chr. ] spätestens um 570 v. Chr.« durchsetzen sollte (Schlotzhauer 2006, 313), hat Shipley 1987, 86 vielleicht mit seiner Vermutung Recht, dass die Samier sich erst unter Amasis in Naukratis niederließen, vorher aber einen eigenen Handelsstützpunkt im Nildelta unterhielten wie einige andere griechische Poleis auch (vgl. Hdt. 2, 154: Psammetich I. siedelt Karer und Ioner unterhalb von Bubastis am Pelusischen Nilarm in sog. strato/peda an). Dieser Stützpunkt ist vielleicht mit der schon von Hekataios erwähnten sog. Insel von ‘Samos im Nil’ gleichzusetzen: Steph. Byz. s. v. )/Efesoj (= Hekataios FGrHist 1 F 310). Die ägyptischen Funde aus dem Hauptheiligtum der Samier auf Samos, dem Heraion, zeigen jedenfalls, dass spätestens um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr., der Zeit Psammetichs’ I., engere Kontakte mit Ägypten bestanden: Ebbinghaus 2006, 191 – 192. – Zu Aphidrymata vgl. hier Kap. V mit Anm. 147 – 152. 214 Hdt. 2, 178. Zum Hellenion: Möller 2000, 105 – 108 Abb. 1. 5; S. 190 – 196; vgl. Höckmann – Möller 2006, 11 – 22. 215 Die archaischen Weihinschriften aus dem Heiligtum des milesischen Apollon und der samischen Hera nennen vor allem Chioten und einige wenige Teier, Phokäer, Mytilenier, evtl. auch Klazomenier. Diese Liste stimmt auffallend gut mit der des Herodot 211 Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus etwa der Knidier Xaroph(a)nes ca. 550 v. Chr. eine Schale für den »Milesischen Apollon«216. (2, 178) überein, die er für die Zeit des Amasis (570 – 525 v. Chr.) gibt: Austin 1970, 24 – 25 Anm. 2. Alle (publizierten) Inschriften im Überblick: Bernand 1970, 641 ff.; Möller 2000, 166 – 181. Ebenda 179 weist Möller auf die Möglichkeit, der Phanes, der laut Weihinschrift einen sog. East Greek black-glaze Dinos dem Apollon der Milesier stiftete (Möller 2000, 179 Nr. 6: Fa/nhj me a)ne/qhke tw)po/llwn[i tw=i Mi]lhsi/wi o¸ Glau/³o), könne mit dem Söldnerführer aus Halikarnassos gleichgesetzt werden, der laut Herodot (3, 4. 7. 11) 525 v. Chr. von Amasis zu Kambyses überwechselte. Dies hatte bereits E. Gardner (Flinders Petrie u.a. 1886, 55 zu Nr. 65) erwogen, der den Dinos ca. 530 v. Chr. datierte. Diese Datierung von Gardner wird jetzt von Schlotzhauer 2006, 294 – 301 Abb. 1 – 4 bestätigt (er datiert das Gefäß in das dritte Viertel des 6. Jhs. v. Chr.). Schlotzhauer kann zudem durch eine Keramikanalyse die Herkunft des Dinos aus der Athener Akropolis-Werkstatt nachweisen. Den nunmehr wahrscheinlichen Fall vorausgesetzt, der Stifter ist mit dem Söldnerführer identisch (vgl. dazu auch Schlotzhauer 2006, 301 mit Anm. 60), hätten auch Griechen aus Halikarnassos, das ebenfalls am Emporion beteiligt war, in das Apollonheiligtum der Milesier gestiftet. Zur Herkunft des Phanes aus Halikarnassos würde im Übrigen auch passen, dass die Inschrift wie der Name im ionischen Dialekt gehalten sind, denn im ‘dorischen’ Halikarnassos wurde ionisch gesprochen und geschrieben. Fraser – Matthews 1987, 453 s. v. haben stattdessen noch eine chiotische Herkunft des Phanes erwogen. Dies dürfte aber von der älteren, unzutreffenden Zuschreibung des Gefäßträgers an eine ostgriechische Werkstatt abhängen sowie der Beobachtung, dass der Name Phanes in chiotischen Inschriften des 3. Jhs. v. Chr häufiger begegnet. – Resümierend stellt Möller 2000, 215 die These auf, dass »All the sanctuaries were used by all of the Greeks, as evidenced by the vase inscriptions and the pottery, albeit that certain poleis focused more on some sanctuaries than others.« 216 Bernand 1970, 662 Nr. 198; Jeffery 1961/1990, 352. 357 Nr. 32a Taf. 68; Blümel 1992, 128 Nr. 214; Möller 2000, 171 Nr. 1; S. 257 Appendix 1. k Nr. 1; Johnston 2006, 23 Abb. 2a): Xarof<a/>nhj : me a)ne/[qhke tw=]i 'Apo/l[lwni M]ilasi/wi (das benutzte Alphabet ist das knidische). – Bei der von U. Schlotzhauer und W. Röllig aufgrund ihrer Inschrift als phönikische ‘Fremdweihung’ interpretierte, gegen 600 v. Chr. zu datierende, ostdorisch-rhodische Knickrandschale aus dem Apollon DidymeusHeiligtum (London, BM GR 1886.4–1.96 = Schlotzhauer 2006, 301 – 307 Nr. 2 Abb. 4 – 6) handelt es sich m. E. ebenfalls um die Weihung eines Knidiers. Darauf weist nicht nur der dorische Dialekt der Inschrift (s. u.), sondern auch die kürzlich vorgenommene Analyse des Keramikmaterials. Sie ergab, dass das Stück in (‘Alt’-)Knidos (Datça/Emecik) hergestellt wurde: freundliche Mitteilung U. Schlotzhauer; vgl. Schlotzhauer – Villing 2006, 7; Schlotzhauer – Villing 2006, 55. 60 mit Abb. 24 (‘Nauk 51’, NAA-Group ‘EMEb’). Die sehr flüchtig eingeritzte Weihinschrift lese ich als eu¹xa/(n). Es handelte sich dann um eine typische Weihung aufgrund eines Gelübdes (lat. votum; dorisch eu¹xa/; ionisch: eu¹xh/ bzw. eu¹xwla//eu¹xwlh/; die GelübdeFormel lautet kat’ eu¹xa/n/eu¹xh/n. Zu solchen Weihungen vgl. Lazzarini 1976, 98 – 101. 128. 280 – 282 Nr. 732 – 744 etc. Ebenda 98. 128. 282 Nr. 742 mit Beispielen aus dem AphroditeHeiligtum von Naukratis: Bernand 1970, 684 Nr. 427 – 428; Möller 2000, 178 – 179 Nr. 5a–c Xarmh=j me a)ne/qhke th¹frodi/thi eu)xwlh/n (nordionisch?, der Name ist für Chios bezeugt; vgl. Fraser – Matthews 1987, 483 s. v. Xarmh=j [1] [5./4. Jh. v. Chr.]). – Vgl. für Fremd-Weihungen im Heiligtum des ‘Milesischen’ Apollon weiterhin einen Mytilenier: Möller 2000, 173 – 174 Nr. 4; einen Teier: Möller 2000, 169 Nr. 2; evtl. aiginetische Weihungen: Möller 2000, 175 Nr. (a)–(d). – Die Weihung eines Chioten an Apollon stammt aus den ältesten Schichten im sog. Hellenion: Bernand 1970, 700 Nr. 574; Möller 2000, 106 mit Anm. 122; S. 168 Nr. 2 c); S. 244 Appendix 1. d. Nr. Internationale Archäologie-ASTK 11 Der archäologische bzw. epigraphische Befund erweist weiterhin, dass es mehr als die von Herodot angegebenen griechischen Heiligtümer in Naukratis gab. Zu nennen ist eines der Aphrodite, dessen Funde noch ins 7. Jh. v. Chr. zurückreichen und das nach naukratitischer Tradition das älteste Heiligtum der Siedlung darstellte217, sowie ein weiteres für die Dioskuren, das zumindest schon im 6. Jh. v. Chr. Bestand hatte218. Diese beiden Heiligtümer sind bisher keiner bestimmten Siedlergruppe zuweisbar, die Keramik und die Weihinschriften zeigen jedoch starke Verbindungen nach Nordionien (Chios, Phokaia, Teos) und Aiolien (Mytilene auf Lesbos) auf219. 21 (Datierung des Inschriftenträgers noch vor ca. 570 v. Chr.). Da das Hellenion direkt östlich des Apollon-Didymeus-Heiligtums lag (vgl. den Plan bei Möller 2000, Abb. 1), wäre zu überlegen, ob diese Weihung nicht sogar ursprünglich aus dem DidymeusHeiligtum stammte und beim Bau des Hellenions oder zu einem späteren Zeitpunkt dorthin umgelagert wurde. Zum Hellenion vgl. hier Anm. 214. – Es ist zu überlegen, inwieweit nicht alle Weihungen, die den Apollon ausdrücklich als »milesisch« ansprechen, von Nichtmilesiern stammen (vgl. Herda 2006b, Anm. 1014). Umgekehrt kann jedoch beim Fehlen eines Ethnikons nicht davon ausgegangen werden, dass der Dedikant dann immer ein Milesier gewesen ist: vgl. Austin 1970, 25. 217 Das Heiligtum der Aphrodite bestand angeblich schon in der 23. Olympiade (688 – 685 v. Chr.): Athen. 15, 675f – 676c zitiert Polycharmos von Naukratis (FGrHist 640 F 1); dazu: Flinders Petrie u.a. 1886, 4. 11.; Möller 2001, 8. 17; vgl. Möller 2000, 185 – 186. (»sounds like a story from the Hellenistic period«). Zum archäologischen Befund: Gardner 1888, 33 – 58 Taf. 1 – 4; Möller 2000, 102 – 104. 118 Abb. 1. 3a. 4. 218 Zum Dioskuren-Heiligtum: Möller 2000, 99 – 100 Abb. 1 – 2. 3 b. 219 Mehrere Dipinti-Gefäße (meist Kantharoi), darunter ein Kantharos aus der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. mit Weihung eines gewissen Zoilos an Aphrodite dürften in Chios auf Bestellung produziert worden sein, wie die chiotische Keramik überhaupt einen großen Anteil an der Fundkeramik aus dem Aphroditeheiligtum hat: Boardman 1988, 119 – 120. 123 – 124 Abb. 139. 141; Möller 2000, 195. Vgl. Boardman 1988, 122 Abb. 139 (chiotische Protomenschale ca. 600 v. Chr. mit Weihgraffito eines Sostratos an Aphrodite; vgl. Möller 2000, 56 – 57. 178 Nr. 2); vgl. jetzt zusammenfassend: Williams 2006, 127 – 132 (ich danke Alexandra Villing, London, herzlich für den Hinweis auf diese wichtige Studie). Zahlreiche chiotische Dipinti-Gefäße wurden auch im Aphaia-Heiligtum auf Aigina gefunden: vgl. Williams 1983, 165 – 168 Nr. 23 Abb. 8; Nr. 41 Abb. 9 (Kelche); S. 169 – 177 Nr. 62 – 63. 76 – 146 Abb. 12 – 17 (Kantharoi). Sie sind allesamt Weihungen eines Aristophantos und eines Damonidas. Aufgrund der dorischen Namen vermutete Williams 1983, 184 – 186, es habe sich um zwei aiginetische Händler gehandelt, die die chiotischen Dipinti-Gefäße bei Töpfern im ionischen Chios bestellt hatten. Die chiotischen Dipinti-Gefäße in Naukratis wurden nach Ausweis ihrer Weihinschriften dagegen sowohl von Chiern als auch von Nichtchiern (darunter vielleicht auch Aigineten) bestellt und geweiht: Williams 1983, 184 – 185. Vgl. etwa auch die Bemerkungen hier Anm. 221. 286 zu den Weihungen chiotischer Dipintigefäße an den aiginetischen Zeus Hellanios in Naukratis durch einen gewissen Mik(k)is. – Dass die chiotischen DipintiGefäße von einem in Naukratis arbeitenden chiotischen Töpfer produziert wurden, wie Boardman 1988, 123 und zuletzt Piekarski 2001, 100 – 101 annehmen (vgl. auch Möller 2000, 178: »The fact that a LWG-style vase was dedicated to Aphrodite at Naukratis before firing raises the question whether vases were specially produced at home or whether pieces of this style were produced at Naukratis, too.«), oder gar von mehreren, die die Gefäße als Dank 41 Betreffs des Alters des Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtums in Naukratis ist eine klare Feststellung zu treffen: Wie M. Kerschner und U. Schlotzhauer 1999 auf der Table Ronde zu Naukratis in Mainz dargelegt haben, stammen einige der ältesten griechischen Funde in Naukratis, die in das letzte Viertel des 7. Jhs. v. Chr. datiert werden können, aus dem milesischen Apollonheiligtum220. Darunter befinden sich auch drei nordionische Vogelschalen mit Weihinschriften an Apollon221 (Abb. 9–11). Ihre Datierung passt bestens zu den Funden aus den tiefsten Schichten des Heiligtums, die bereits Flinders Petrie zu einer Datierung des Beginns des Heiligtums in die zweite Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. bewogen222. Nach Ausweis dieser Funde wäre das Heiligtum also älter als Herodot uns überliefert und für ihre in Naukratis erfolgreich laufende Produktion selbst als »humble routine gifts« gestiftet hätten (so Wachter 2001, 219), ist unwahrscheinlich, wie mir A. Villing brieflich mitteilt (7.3.2006). Die Gefäße in Naukratis sind aus chiotischem und nicht lokalem Nil-Ton produziert. Um die These von der lokalen Produktion in Naukratis aufrechterhalten zu können, müßte man dann einen Import des Tons postulieren (so beispielsweise Boardman 1988, 123. 274 Anm. 43; dagegen kritisch: Williams 2006, 131; Mommsen – Kerschner 2006, 108 Anm. 7). – Sicher durch Ethnika identifizierbare Weihungen von Chiern an Aphrodite gibt es: Williams 1983, 185 Anm. 56; Möller 2000, 167 – 168. Nr. 2d – e. Vgl. auch archaische Weihungen von Stiftern aus Teos in Nordionien an Aphrodite in Naukratis: Möller 2000, 168 – 169. Nr. 1. 3. 5; sowie Weihungen von äolischen Lesbiern, u. a. aus Mytilene: Gardner 1888, 65 – 66. Nr. 786 – 793. Daneben zeigen die Weihinschriften (vgl. die Zusammenstellung in: Gardner 1888, 62 – 67) aber auch einen Samier (ebenda 65 Nr. 778: Rhoikos; vgl. Möller 2000, 175 – 176. Nr. 2), einen Lesbier aus Maloeis(?) (ebenda 65 Nr. 786) und Ägypto-griechische Namen (Gardner 1888, 64 Nr. 754 Yende[; ebenda Nr. 766 Nego/mandroj). Zumindest der letzte Name, Nr. 766, ist allerdings zu Nelo/mandroj zu korrigieren, es liegt ein griechischer Personenname vor, der sehr wahrscheinlich aus den Namen der Flüsse Nil (Nei=loj) und Maiander (Mai/androj) als ‘Potamonym’ gebildet ist: Thonemann 2006, 11 – 43. Zu Yende[ schreibt mir A. W. Johnston (28.04.2008): » Yende could be read erga]yen de[«. – Eine Weihinschrift im Dioskuren-Heiligtum weist nach Mytilene/Lesbos: Möller 2000, 173 Nr. 2, eine andere nach Phokaia: Möller 2000, 169 Nr. 1. 220 Kerschner 2001, 22 (Diskussion zum Beitrag Möller); ebenda 79; vgl. Schlotzhauer 2001, 117 – 118. 221 Die Gefäße mit Inschriften sind bei Gardner 1888, 741 nur kurz erwähnt: 1) Kairo Mus. 26153: Gardner 1888, 68 Nr. 878 Taf. 20; Venit 1988, 2 Nr. 2 Taf. 1; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr. 12; Inschrift: tw)po/llwnoj e¹[mi/ (= hier Abb. 9) – 2) Museum Kairo 26155: Gardner 1888, 68 Nr. 881 Taf. 20; Venit 1988, 2 – 3. Nr. 3 Taf. 2; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr. 13; Inschrift: 'Apo/llwnoj emi/ (= hier Abb. 10) – 3) Kairo Mus. Inv.-Nr. 26154: Gardner 1888, 68 Nr. 879 Taf. 20; Venit 1988, 3 Nr. 5 Taf. 2; Möller 2000, 255 Appendix 1. h. Nr. 15; vgl. Kerschner 2001, 79 mit Anm. 90; Taf. 7, 1 (Typ Kerschner IV–V); Inschrift: 'Apo/llwnoj emi/ (= hier Abb. 11). 222 Flinders Petrie u.a. 1886, 19; vgl. zum stratigraphischen Befund im Apollonheiligtum das Diagramm ebenda Taf. 44; dazu auch: Möller 2000, 90 – 91, die neben der Keramik auch einen zyprischen Terrakottakopf zu den ältesten Funden zählt, der gegen Mitte des 7. Jhs. v. Chr. zu datieren sei. 42 mindestens genauso alt wie das Aphroditeheiligtum223. Wie die eben durch W. Koenigs abgeschlossene Bearbeitung der Architekturreste des Heiligtums zeigt, erfuhr das Apollon-Heiligtum allerdings in der Zeit des Amasis (Mitte 6. Jh. v. Chr.) eine repräsentative Monumentalisierung durch den Bau des ersten griechischen (Kalkstein-) Tempels in Naukratis überhaupt224. Die Gründung des milesischen ApollonHeiligtums gehört aber nicht in die Anfangszeit der Regierung des Amasis (570/60 v. Chr.), sondern entweder in die letzten Regierungsjahre von Psammetich I. (664–610 v. Chr.) oder in den Beginn der Herrschaft Nechos II. (610–595 v. Chr.)225. Gerade diese letzten beiden Pharaonen, die am Anfang der 26. Dynastie stehen, haben besondere Kontakte zu Milet unterhalten, die im Kontext ihrer militärischen Unternehmungen zur Sicherung ihrer Herrschaft standen. So hat P. Haider die Bedeutung milesischer Söldner für die Aufrüstung des pharaonischen Heeres und der Flotte seit Beginn der Regierung Psammetichs’ I. (660/50 v. Chr.) aufgezeigt226. Strabon, der vielleicht Artemidoros von Ephesos benutzte227, berichtet in diesem Zusammenhang, dass der Gründung von Naukratis durch die Milesier die Anlage einer befestigten Siedlung (Milhsi/wn tei=xoj) in der Regierungszeit des Psammetich (I.) voranging, sowie ein siegreich abgeschlossenes Flottenunternehmen mit 30 Schiffen gegen einen ____________________ 223 Kerschner 2001, 79 gegen die Annahme von Möller (Möller 2000, 104; Möller 2001, 8), das Aphroditeheiligtum sei das älteste griechische Heiligtum in Naukratis. Möller 20, vgl. auch Möller 2000, 91 bemerkt selbst, dass die Funde im Apollonheiligtum »bis in die Zeit der ersten Besiedlungsspuren zurückreichen«, relativiert diese Aussage aber wieder, indem sie meint, dass die Funde »nicht besonders durch milesisches Material geprägt« seien. Damit impliziert sie aber, dass das Heiligtum in seiner ersten Phase nicht dem Apollon Milesios im besonderen geweiht war, also evtl. gar keine Gründung der Milesier darstellte. 224 Koenigs 2007, 312 (Zusammenfassung); zur älteren Kalksteinbauphase (sog. first temple of Apollo: Flinders Petrie u.a. 1886, 12 – 13.): ebenda 313 – 327; vgl. Höckmann 2007, 162. Die Marmorbauteile des sog. second temple of Apollo (ca. 525 v. Chr.) könnten auch zum Neubau eines Altars gehören: Koenigs 2007, 328. 340. 225 Vgl. schon Flinders Petrie u.a. 1886, 11 zu Hdt. 1, 178: »But the passage does not exclude an earlier age for these foundations (die Heiligtümer des Zeus, der Hera und des Apollon in Naukratis, A. H.), before 570 B. C.« Ebenda 19 resümiert er den stratigraphischen Befund: »The data for such an estimate are that the town and temple was probably founded in the reign of Psamtik I., judging by the history of the site in general and the earliness of some of the dedicated pottery; (...)«. Ähnlich Möller 2000, 214, während Gorman 2001, 56 – 58 das Apollonheiligtum wie auch das Aphroditeheiligtum als die beiden ältesten Heiligtümer am Ort (das Hellenion setzt sie 570 v. Chr. an) ohne Angabe von Referenzen erst in das frühe 6. Jh. v. Chr. datiert. 226 Zuletzt: Haider 2001, 197 – 209; Haider 2004, 447 – 491. Allgemein zum griechischen Söldnerwesen im Nahen Osten, das spätestens im dritten Viertel des 8. Jhs. v. Chr. einsetzt: Luraghi 2006, 23. 25. 35 f. (Söldner im Ägypten der 26. Dynastie). 227 Strabon 17, 1, 18, 801c; dazu: Möller 2001, 14 mit Anm. 79. Zu Artemidoros: F. Jacoby, FGrHist 438 (ca. 100 v. Chr.). Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus gewissen Inaros228. Reflexe dieser Aktivitäten strahlen bis in die milesischen Heiligtümer zurück: Im Apollon Didymeus-Heiligtum von Didyma fand sich in einer Anschüttung, die vor die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu datieren ist, eine bronzene Bes-Statuette (vgl. Beitrag Bumke Abb. 3)229. Im Aphrodite-Heiligtum auf dem Zeytıntepe bei Milet stammt ein Skarabäus mit einer Königskartusche des Psammetich I. aus einer Abfallschicht des frühen 6. Jhs. v. Chr.230, die übrigen Funde von Aegyptiaca und ägyptischen Importen, die z. T. in Naukratis selbst produziert worden sind, gehören nahezu ausschließlich in die zweite Hälfte des 7. Jhs. v. Chr.231 Psammetichs’ Nachfolger Necho II. schließlich weihte, wie wieder Herodot überliefert232, nach seinem Sieg über den judäischen König Joschija bei Magdôlos 609 v. Chr., der die – wenn auch nur kurzzeitige – ägyptische Kontrolle über Palästina und die phönikischen Küstenstädte brachte233, seinen Leinenpanzer dem Apollon Didymeus in Didyma. Den Hintergrund für diese Dankesgeste dürfte vor allem der Anteil milesischer Söldner an dem strategischen Sieg bei Magdôlos gebildet haben234. Der Aufwand des Pharaos, die Weihung in das ferne Didyma zu schicken, weist aber noch auf eine andere Qualität: Die Weihung hat den Rang einer diplomatischen Kontaktaufnahme auf staatlicher Ebene zwischen Necho und der Polis Milet. So hat kürzlich W. Günther die Weihung des Panzers nach Didyma denn auch treffend als »gezielt politische Geste [des Pharaos] gegenüber Milet« bezeichnet235. Demnach ____________________ 228 Haider 2001, 198 – 199. Im Sinne Haiders jetzt auch: Hölbl 2007, 448 mit Anm. 3; vgl. schon Lloyd 1975, 24 – 26. Möller 2001, 16 vermutet stattdessen, dass Inaros »durch eine Verwechslung in die Tradition über Naukratis hineingeraten« sei. Vgl. Möller 2000, 186 – 187, die insgesamt an der Darstellung des Strabon zweifelt. Möller 2000, 188 – 189. 196 geht aber auch davon aus, dass die griechische Siedlung in Naukratis bereits unter Psammetich I. angelegt wurde. 229 Bumke 2002, 209 – 219; vgl. den Beitrag von H. Bumke in diesem Band. – Nicht erhalten, jedoch in den Grabungstagebüchern erwähnt sind Funde weiterer Aegyptiaca im Bereich des Apollonheiligtums von Didyma, etwa Fragmente von Alabastra aus Alabaster und Fayencegefäßen: Bumke 2002, 216 mit Anm. 29 – 31; S. 218 Anm. 50. Westlich des hellenistischen Tempels fand sich ein vollständiges (rhodisches?) Fayencegefäß in Gestalt einer hockenden Frau mit Steinbock und Kröte auf dem Schoß und Kind oder Affe auf dem Rücken: Tuchelt 1971, 85 Nr. 281 Taf. 21; Hölbl 1999, 367 ff. (mit Vergleichsstück aus Milet ebenda Abb. 37); Bumke 2002, 216 Anm. 28. 230 Hölbl 1999, 351 – 352. Abb. 8; Hölbl 2007, 456 – 457. mit Anm. 72 – 74 Taf. 58, 1 a–c. 231 Hölbl 1999, 371; Hölbl 2005, 116. 119 Abb. 10; 120 Abb. 14; 122 Abb. 19. 232 Hdt. 2, 159. 233 Vgl. Wenning 2001, 260. Weitere Lit. bei Günther 2001, 187 Anm. 13. Vgl. auch: Lloyd 1988, 158 – 164. 234 Haider 2001, 202. 235 Günther 2001, 188; vgl. schon Bresson 2000, 48 – 49. (»relation d’État à État«) mit Parallelen; Lloyd 1988, 159 – 160; Bowden 1996, 34–36 und zuletzt: Ebbinghaus 2006 (Anm. 213) 189 – 202. – Ein Parallelfall zur Weihung des Necho II. nach Didyma könnten Internationale Archäologie-ASTK 11 steht zu vermuten, dass die milesischen Söldner zumindest mit Billigung der Polis Milet in ägyptischen Diensten standen, wenn es sich nicht sogar um eine gezielte Militärhilfe der Milesier handelte236, hinter der sicher auch handfeste Handelsinteressen standen. Dass Necho für die Aufstellung seines Weihgeschenks in der ionischen Fremde nicht das stadtmilesische Hauptheiligtum des Apollon Delphinios, sondern das zu Milet gehörige außerstädtische Heiligtum des Apollon Didymeus wählte, dürfte kein Zufall sein. Wie oben an den Beispielen von Olbie Polis, Apollonia, Kyzikos und Phasis dargelegt, galt der Orakelgott von Didyma den Milesiern als göttlicher Führer und Schützer (Hegemon, Oikistes, Exegetes, Archegetes) bei ihren Kolonisations- und Handelsfahrten. Diese Funktion hat der Didymeus Milesios ganz offensichtlich auch bei den frühen milesischen Aktivitäten in Ägypten eingenommen237. So wird schließlich verständlich, ägyptische Funde im Heiligtum der Athena von Ialysos auf Rhodos bilden, darunter eine Holzstatuette mit Namenskartusche des Necho II: Di Vita 1991, 89 mit Anm. 3; vgl. Höckmann – Kreikenbom 2001, 228 Anm. 103. Ob es sich allerdings bei den relativ kleinen Votiven in Ialysos um diplomatische Geschenke des Pharaos handelt, ist eher fraglich. Immerhin überliefert Hdt. 2, 182 die Weihung von zwei Holzstatuen des Amasis in das Heraion von Samos in Zusammenhang mit dessen engen Kontakten zum samischen Tyrannen Polykrates. Amasis weihte außerdem einen Panzer aus Leinen (vgl. den Panzer des Necho!) zusammen mit zwei Statuen aus Stein in das Heiligtum der Athena in Lindos auf Rhodos (Hdt. 2, 182; 3, 47) sowie einen weiteren Leinen-Panzer mit eingewobenen Bildern als diplomatisches Geschenk nach Sparta (Hdt. 3, 47). – Dass Milet nicht von Amasis mit Geschenken bedacht wurde, erklärt jetzt Bresson 2005, 150 – 151 (vgl. die referierende Besprechung von Möller 2005, 187 – 188) damit, dass es zur Koalition der mit Amasis' Vorgänger und Rivalen Apries verbündeten Griechenstädte gehörte und zudem nach 545 v. Chr. von Persien, dem Feind Ägyptens, kontrolliert worden sei. Die Verbindung Milets zu Apries ist nach Bresson auch der Grund, warum die Stadt von Amasis nicht als (privilegiertes) Mitglied des Hellenions in Naukratis zugelassen worden sei. 236 Haider 2001, 197 – 198 weist auf den vergleichbaren Fall, dass der Lyderkönig Gyges nach 663/62 v. Chr. mit Psammetich I. ein Abkommen über lydische Militärhilfe gegen Assyrien schloss, wie die assyrischen Quellen berichten. Diese bestand wahrscheinlich zu Teilen aus ionischen und karischen Söldnern, die gerade zu dieser Zeit laut Herodot 2, 153, 3 ff. im Nildelta landeten: vgl. Lloyd 1975, 14 – 16; Luraghi 2006, 35. 237 Ein indirekter Hinweis auf die Bedeutung, die die Milesier in Naukratis dem Apollon Didymeus Milesios zumaßen, könnte in der Weihung zweier ägyptisierender Löwen an den Apollon in Didyma durch die Söhne eines Python vorliegen: Didyma II, 3 Nr. 1; Tuchelt 1970, 93 ff. K 66 – 67 Taf. 63. 65 – 68 (ca. 570/60 v. Chr.). Dieser Python ist vielleicht identisch mit dem griechischen Offizier Python, Sohn des Amoibichos, der sich in einem Graffito in Abu Simbel als Teilnehmer des Feldzuges Psammetichs II. 591 v. Chr. gegen Nubien identifizierte: Haider 1987b, 8 – 12; Haider 2001, 204. 213 Abb. 3; dazu Höckmann – Kreikenbom 2001, 228 Anm. 103; Höckmann 2005 (hier Anm. 231) 84 Abb. 1 – 2; S. 86 – 87. – Die Inschrift des Python wie diejenige für seinen Bruder Archon brachte womöglich der Karer Pldaq/Pe/le³oj in Abu Simbel an: Kammerzell 1993, 17. – Eine zusätzliche Funktion des Didymeus als »Soter-Gottheit« für die Kolonisten bzw. Söldner, wie sie Ju. G. Vinogradov erst für den Apollon Ietros (Vinogradov 43 weshalb die Milesier in Naukratis gerade ein Apollon Didymeus-Heiligtum errichteten. Zu erwarten ist, dass die Einrichtung des Heiligtums in Zusammenhang mit einem erteilten Orakel des Didymeus für die Niederlassung in Naukratis stand, vielleicht hat der Gott die Milesier sogar ausdrücklich aufgefordert, ihm dort ein Heiligtum zu bauen. Dieser Befund ist mit der oben rekonstruierten Situation in den milesischen Schwarzmeerkolonien Olbie Polis und Phasis vergleichbar. Die Besonderheit von Naukratis ist jedoch, dass hier – zumindest nach dem archäologischen Befund – das älteste Apollon Didymeus-Heiligtum nach demjenigen in Didyma lokalisiert werden kann238. Der Beginn des Apollon Didymeus-Kultes in Naukratis fällt bezeichnenderweise – unter dem Vorbehalt, dass die Keramikchronologie gewisse Datierungsspielräume offenlässt239 – just in die Zeit des Sieges von Magdôlos. Die Verlockung ist groß, hier einen kausalen Zusammenhang zu sehen: Wäre es nicht denkbar, dass nicht erst Amasis, sondern bereits Necho II. aus Dankbarkeit für die milesische Hilfe bei Magdôlos, den Milesiern als ersten erlaubte, sich in Naukratis in Nachbarschaft zu einer älteren ägyptischen Siedlung240 niederzulassen und dort ein Filialheiligtum ihres göttlichen Führers und Schützers Apollon Didymeus Milesios zu errichten241, dessen 1997, 80. 337 – 338; vgl. dazu Ehrhardt 1988, 146 mit Anm. 560) und zuletzt für den Apollon Didymeus vorgeschlagen hat (vgl. Höckmann – Kreikenbom 2001, 228 Anm. 103; Höckmann 2003, 69. 70; Höckmann 2005, 86; Höckmann 2007, 126 – 127), ist denkbar, jedoch m. E. hier nicht von vorrangiger Bedeutung. 238 Zum Alter des Heiligtums in Didyma vgl. hier Kap. III mit Anm. 57 ff.; Kap. IX Anm. 345; Herda (im Druck) Kap. VIII mit Anm. 394 ff. 239 Vgl. etwa die Laufzeit für die nordionischen Vogelschalen des Typs Kerschner IV–V (ca. 620–590 v. Chr.): Kerschner 2001, 79. 240 Der griechische Ortsname Naukratis geht in einer durchsichtigen Etymologie (nau=j krate/w) auf das ägyptische Toponym Nkrd zurück. Zur älteren ägyptischen Ansiedlung gehörte ein Amuntempel: Yoyotte 1991–2, 634 – 644; Vittmann 2003, 217 – 218; Hölbl 2007, 448 mit Anm. 5; ablehnend: Möller 2000, 117 – 119; Möller 2001, 9 mit Anm. 48. 241 Die milesische Anwesenheit in Naukratis im späteren 7. Jh. v. Chr. würde auch die zahlreichen ägyptischen und v. a. naukratitischen Importe (Skarabäen, Siegelamulette und Fayencestatuetten) im Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe bei Milet erklären, die »noch im 7. Jh. in den endgültigen Kontext in Milet kamen« (Hölbl 1999, 361; vgl. Günther 2001, 187 mit Anm. 11). – Haider, Löwen 1987, (hier Anm. 237) 8; Haider 1987a, 173 ff. erwägt, dass die Milesier bereits in den letzten Regierungsjahren Psammetichs’ I., also noch vor dem Amtsantritt Nechos’ II. (610 v. Chr.) das Recht bekamen, Naukratis nahe bei der älteren ägyptischen Siedlung Pr-mrj.t unter ihrer »koordinierten Leitung« zu gründen. Der schon angesprochene Datierungsspielraum für die früheste Keramik in Naukratis erlaubt zumindest vom archäologischen Standpunkt her keine entgültige Entscheidung, ob die griechische Ansiedlung in Naukratis kurz vor oder kurz nach 610 v. Chr. gegründet wurde. 44 Anlage durch sein Orakel in Didyma sanktioniert wurde? Necho II. besaß zudem – wenn wir Herodot Glauben schenken wollen – wie schon sein Vater Psammetichos I. einen besonderen Bezug zu Orakeln. So hatte das nahe Naukratis aber auch nahe seiner Residenzstadt Saïs gelegene Orakel von Buto Psammetich zu einem Bündnis mit ionischen, d. h. vor allem milesischen sowie karischen Piraten bzw. Söldnern geraten, mit deren Hilfe er erst an die Macht kam und die 26. Dynastie begründen konnte242. Necho wiederum führte dasselbe Orakel zu seinem schon erwähnten Sieg bei Magdôlos243. Nach der von Herodot gegebenen interpretatio Graeca wurde die lokale Orakelgottheit Buto bzw. Eto von Buto, die in Gestalt der Uräusschlange auch die unterägyptische Krongöttin der Pharaonen war, mit Leto gleichgesetzt und als Ziehmutter des Geschwisterpaares Horus und Bubastis verehrt, die wiederum mit Apollon und Artemis verglichen wurden. Der Ort, an dem Buto/Leto die beiden vor ihrem Verfolger Seth/Typhon versteckt haben sollte, war auch der Ort des Orakels244. Hier befanden sich neben dem Tempel der Buto/Leto solche für Horus/Apollon und Bubastis/Artemis245. Es fällt nicht schwer sich ____________________ 242 Hdt. 2, 152 – 154; vgl. oben mit Anm. 226. Zu Saïs, das nur ca. 10 km östlich von Naukratis entfernt lag: DNP 10 (2001) 1234 s. v. Saïs (K. Jansen-Winkeln). – In Buto/Tell el-Fara ‘în wurden erst vor kurzem Reste eines Tempels aus der Zeit des Amasis (vgl. Faltings 1998, 560) und Bebauungsspuren des 7. Jhs. v. Chr., also der Zeit Psammetichos’ I. und Necho II., festgestellt (Faltings 1999, 607). Der Ort wurde nach fast 2000-jähriger Unterbrechung seit der 3. Zwischenzeit (8. Jh. v. Chr.) wiederbesiedelt: Hartung 2005. 2, 197 – 199. 243 Hdt. 2, 158 – 159. 244 Das Orakel von Buto wird in den ägyptischen Quellen nicht genannt (vgl. z. B. DNP 2 [1997] 860 – 861 bes. 861 s. v. Buto [K. Jansen-Winkeln]), woraus man sogar geschlossen hat, dass Herodot ein solches samt seiner Orakelsprüche in Anlehnung an Delphi für Buto konstruiert habe: Crahay 1956, 65 – 67. 217. 227 – 228. Allgemein sind jedoch Orakelbefragungen durch Pharaonen seit dem Neuen Reich (Ramses II.) bezeugt und nehmen immer mehr an Bedeutung zu: Lloyd 1976, 346 – 349 zu Hdt. 2, 83. Lloyd 1975, 15 folgert daraus für die Befragung des Buto-Orakels durch Psammetich I.: »First, the form of the oracular response mentioned in II, 152 is impossible in an Egyptian context, though a natural reply for the mantic oracle at Delphi. We need not deny the basic tradition that Psammetichus consulted an oracle at this crucial point but the content of the response has, over centuries, been modified by Greeks to suit a Greek context«. 245 Hdt. 2, 155 – 156; auf den Mythos anspielend: Aischyl., supp. 560; Pind. fr. 91; zu Herodot und seiner Sicht auf fremde Kulturen und Religionen, speziell die ägyptische: Burkert 1985b, 121 – 132; Burkert 1990b, 1 – 39; Lloyd 1990, 218 ff.; Harrison 2000, 208 – 222. – Buto lag am Westrand des Nildeltas, östlich des bolbitinischen Nilarms, ca. 30 km nördlich von Saïs und ca. 40 km nordöstlich von Naukratis. In dieser Gegend hatte Psammetichos I. griechische und karische Söldner angesiedelt: Lloyd 1975, 14 – 23; Lloyd 1976, 325. Herodot besuchte es, um sich nach den »geflügelten Schlangen Arabiens« zu erkundigen (Hdt. 2, 75): Dihle 1990, 46. Mit den geflügelten Schlangen kann nur Buto/Eto, die mit Leto gleichgesetzte Landes- und Krongöttin Unterägyptens, gemeint sein: Lloyd 1976, 326 – 327. Sie wurde in Gestalt der Kobra/Uräusschlange verehrt: vgl. auch Kolta 1968, 145 – 148; Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus vorzustellen, dass Necho in einer interpretatio Aegyptia den Orakelgott Apollon Didymeus mit dem Horos von Buto identifizieren konnte, zumal Apollon in Didyma zusammen mit Leto und seiner Schwester Artemis in der sog. apollinischen Trias verehrt wurde, wodurch sich eine weitere Parallele zu Buto ergab246. Für die Weihung Nechos nach Didyma und die Autorisierung des Heiligtumbaus in Naukratis fände sich somit ein weiteres Motiv. Die hierdurch begründete Vorrangstellung der Milesier und ihres Apollon Didymeus-Heiligtums bei der Anlage der griechischen Siedlung in Naukratis kann durch zwei weitere Beobachtungen gestützt werden: Zum einen fällt auf, dass das ApollonDidymeus-Milesios-Heiligtum auch von den anderen Griechen frequentiert wurde, wobei bezeichnenderweise die Griechen, die im Emporion wohnten, ihre Herkunft z. T. durch Ethnika in den Weihinschriften dokumentierten247. Die Weihungen aus dem Apollonheiligtum sind zahlenmäßig die bedeutensten und überwiegen etwa auch diejenigen aus dem ungefähr gleichalten Aphroditeheiligtum248. Zum anderen wies M. A. Dicker bereits 1930 darauf hin, dass in Naukratis der milesische Kalender galt249. Möglicherweise haben die in Naukratis ansässigen Milesier den milesischen Kalender, der ihren Jahresablauf rituell fasste250, schon im späten 7. Jh. v. Chr. mit nach Naukratis gebracht und er wurde dann bei der Einrichtung der Polis Naukratis unter Amasis ca. 570/60 v. Chr. (vgl. nächstes Kapitel) oder aber Lexikon der Ägyptologie 1 (1975) 887 – 888 s. v. Buto (H. Altenmüller); DNP 2 (1997) 860 f. s. v. Buto (K. Jansen-Winkeln). 246 Zur apollinischen Trias in Didyma vgl. hier Anm. 158. Der interpretatio Aegyptia des Necho in Buto entsprechend wäre die von den Milesiern in das Orakelheiligtum des Thot nach Medinet Habu geweihte Apollon-Didymeus-Statue (s. o. Kap. VI mit Anm. 195 ff.) als interpretatio Graeca zu verstehen. 247 Vgl. hier Anm. 215 – 216. Demgegenüber scheinen die Griechen, die nicht nur zeitweise im Emporion, sondern andauernd in Naukratis wohnten (Samier, Aigineten, Milesier), keine Ethnika in ihren Weihinschriften verwandt zu haben. So sind beispielsweise die Weihungen von Aigineten an Apollon (Didymeus Milesios) nur durch das verwendete Alphabet zu identifizieren: Möller 2000, 174 f. a–d. 248 Zur Dominanz der Weihungen an Apollon: Bernand 1970, 772; Austin 2004, 1238 – 1240 bes. 1240 s. v. Naukratis (Nr. 1023). Höckmann 2003, 68 gibt an, dass von den »ca. 1500 erhaltenen Weihinschriften (...) mindestens 410 an Apollon gerichtet« sind. 249 Der milesische Kalender ist in Naukratis indirekt nachgewiesen über sein Vorkommen in griechischen Urkunden der Zeit 133 – 212 n. Chr. in dem nach naukratischem Vorbild angelegten Antinoopolis: Dickens 1930, 226 – 227; Ehrhardt 1988, 119. 124 – 125; Trümpy 1997, 90 – 91 § 78. – Zu möglichen milesischen Elementen in der Verfassung von Naukratis, die ihrerseits Vorbild für diejenige von Antinoopolis wurde: Ehrhardt 1988, 89 – 90. 199 – 200. 207. 250 Zur Bedeutung des griechischen Kalenders vgl. etwa Nilsson 1962; Burkert 1985a, 225 – 246. Internationale Archäologie-ASTK 11 erst im späten 4. Jh. v. Chr. für alle in Naukratis lebenden Griechen verbindlich251. Der hier geschilderte Sachverhalt bildete zusammen mit der Neueinrichtung des Orakels in Didyma unter Alexander dem Großen ca. 331 v. Chr. m. E. die Grundlage für die seit dem späten 4. Jh. v. Chr. sowohl von Milet als auch von Naukratis propagierte Gründungsgeschichte, gemäß der Naukratis eine Apoikie von Milet war252. Die führende Rolle, die die unter dem Schutz des Apollon Didymeus stehenden Milesier bei der Gründung der griechischen Siedlung in Naukratis einnahmen und die lange Tradition der Verbindungen zwischen dem pharaonischen Ägypten und dem Apollon Didymeus Milesios erklären schließlich auch das Interesse, das die Ptolemäer, vor allem Ptolemaios I. Soter (305–283 v. Chr.) und Ptolemaios II. Philadelphos (285–246 v. Chr.), für Milet und Didyma 45 entwickelten253. In Konkurrenz zu den Seleukiden stehend, die die Deszendenz vom Apollon Didymeus, ihrem a)rxhge/thj tou= ge/nouj, als Legitimation ihrer herrscherlichen Machtposition bereits kurz nach der Wiederbelebung des Orakels von Didyma für sich okkupiert hatten254, konnten die Ptolemäer vor allem auf die lange Tradition ägyptisch-milesischer Kontakte abheben. Wenn der ptolemäische Hofgelehrte Kallimachos unter Ptolemaios II., der 279/78 bis 261/60 v. Chr. das südwestliche Kleinasien und damit auch Milet beherrschte, einen Iambos zur Gründungsgeschichte des Orakels von Didyma mit dem Titel ‘Branchos’ verfasste255, geschah dies also auch aus Interesse an den Kulten im ptolemäischen Herrschaftsbereich256. Eine erst kürzlich bekanntgemachte umfangreiche Stiftung der Polis Naukratis für den Tempelbau in Didyma fällt bezeichnenderweise gerade in diesen Zeitraum257. ____________________ ____________________ 251 253 Das schließt gewisse Modifikationen, die keine Parallelen in Milet fanden, nicht aus. Sie erklären sich durch die unterschiedliche Herkunft der Siedler in Naukratis. So ist beispielsweise das bei Hermeias (Athen. 4, 149d–150a) bezeugte Fest des Apollon (Pythios) Komaios nicht in Milet nachweisbar, jedoch in vielen nordionischen Poleis (vgl. Kap. VIII). – Bowden 1996, 26. 30 datiert die Einführung des milesischen Kalenders in Naukratis im Kontext seiner Ansetzung einer Polis Naukratis erst zur Zeit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen; vgl. danach z. B. auch Gorman 2001, 56 Anm. 26. 252 Frühester Rest einer Gründungsgeschichte (4. Jh. v. Chr.): Aristagoras (von Milet?), FGrHist 608 F 8 bei Steph. Byz. s. v. Gynaikospolis; dazu Möller 2001, 19 mit Anm. 105 ff. v. a. zu Aristagoras: C. W. Fornara, FGrHist III C fasc. 1 (1994) 18 – 20; griech. Text vgl. Möller 2001, 19 Anm. 107. – Vgl. außerdem die Inschrift eines Polyandrions in Milet (2. H. 3. Jh. v. Chr.), die die Gründung von Naukratis durch Milet erwähnt: Milet VI 2, 65 – 66. Nr. 732 Z. 12, dazu: Herda 2006b, 144 – 145. Anm. 1015; Günther 2001, 186 – 187. mit Anm. 10. Dazuzustellen sind Stiftungen von Phialai (Opferschalen) durch Naukratis in das Apollon DidymeusHeiligtum nach Didyma seit Ende des 3. Jhs. v. Chr., die Festgesandtschaften (Theoriai) implizieren. Phialen-Stiftungen waren in diesem Zusammenhang als a)parxh/ üblich: Didyma II, 270 – 271 Nr. 452 Z. 9 ff.; S. 271 – 272 Nr. 457 Z. 10 – 11; dazu: Herda 2006b, 144 – 145. Anm. 1015. Vgl. außerdem eine neu entdeckte naukratitische Stiftungsurkunde aus Didyma von ca. 270 v. Chr.: Günther 2001, 188 ff. – Auf eine im 4. Jh. v. Chr. kreierte Gründungsgeschichte von Naukratis könnten auch zwei Scholien zu Theokrit, Idyll. 7 (Thalysia), 98 und 7, 114 c zurückgehen. Dort wird der ionisch-milesische Gründerheros Neileus (andere überlieferte Namensformen sind Neleus und Neileos) als Gründer von Naukratis bezeichnet, nach ihm sei sogar der Fluss Neilos benannt worden (vgl. auch Diod. 1, 19, 4): vgl. dazu Bresson 2005, 144 – 148; vgl. Möller 2005, 186 – 187. 188. Zu Schol. Theokrit 7, 114 c vgl. auch Wilamowitz-Moellendorff 1962, II 140 Anm. 1 – Auf die Gründung von Naukratis beziehen sich schließlich eine Reihe von Ehreninschriften aus dem 2. Jh. n. Chr., die die Polis Milet auf Statuenbasen für die Kaiser Antoninus Pius, Marc Aurel und Septimius Severus anbringen, und vermutlich auf dem Südmarkt aufstellen ließ: Milet VI 1, 46 ff. Nr. 233 – 236. 240. 260; dazu: Günther 2001, 185 – 186 mit Anm. 3. Völlig haltlos ist die Behauptung von Bowden 26: »There is no reference to a Milesian foundation of Naukratis earlier than Strabo [17, 1, 18 = C801–802, A. H.]«; danach noch: Gorman 2001, 56 Anm. 26. Vgl. die Zusammenstellung der Zeugnisse aus Milet und Didyma bei: Ehrhardt 2003b, 286 – 288. 254 Vgl. hier Anm. 125; Kap. VI mit Anm. 189. Der Orakelgott erteilte seinem ‘Familienmitglied’ Seleukos I., dem Begründer der Dynastie, seit 312 v. Chr. mehrere Orakel, das letzte noch kurz vor dessen Ermordung 281 v. Chr. (Appian, Syr. 63); dazu: Günther 1971, 70; Bringmann 2000, 81 – 84. 255 Kallimachos, Branchos fr. 229 (Pfeiffer). Vgl. außerdem weitere Stellen, an denen sich Kallimachos auf Didyma oder Milet bezieht: Kallim., Iamb. IV fr. 194, 28 – 31 (Branchos heilt die Milesier von einer Seuche); Aetia III fr. 80 – 83 (Liebesgeschichte zw. Phrygius und Pieria beim Fest der Artemis Kithone in Milet); Hymn. Artem. 225 – 228 (der ionische Gründerheros Neileos bringt den Kult der Artemis Kithone nach Milet); Iamb. I fr. 191 (Thales weiht den Siegpreis aus dem Wettstreit der Sieben Weisen dem Apollon Didymeus). 256 Vgl. dazu Parke 1986, 129 – 130 und jetzt: Ehrhardt 2003b, 283 ff. unter Bezug auf ältere Überlegungen von WilamowitzMoellendorff 1914, 85 und Wilamowitz-Moellendorff 1962, 58 – 59. – Parke 1986, 130 – 131 vermutete, dass die Ptolemäer in Milet den Dionysoskult besonders förderten, er sah außerdem Bezüge zwischen dem ptolemäischen Herrscherhaus und Didyma. Dazu verwies er auf die Elfenbein-Stiftungen von Ptolemaios XII. (Didyma II, Nr. 394, von 54/3 v. Chr.) und Ptolemaios XIII. (Didyma II, Nr. 218, von 51 – 48 v. Chr.) für die »großen Türen« des Tempels in Didyma. Vgl. dazu auch Günther 1971, 93 Anm. 170; Huß 2001, 698. Zu nennen ist außerdem die Phialenstiftung von Ptolemaios IX.: Didyma II, 277 – 278 Nr. 475 Z. 33 – 35 (ca. 100 – 90 v. Chr.); Günther 1971, 93 Anm. 170; Huß 2001, 664 (irrtümlich Ptolemaios VIII. zugewiesen), sowie die Stiftung unbekannten Umfangs einer Kleopatra, wahrscheinlich der VII. (51 – 30 v. Chr.): Didyma II, 279 Nr. 477; Marcellesi 2004, 18 mit Anm. 147. – Zu Zeugnissen für den Herrscherkult der Ptolemäer in Milet und Didyma vgl. Ehrhardt 2003b, 286 – 287 (Arsinoë und Philotera); N. Ehrhardt, in: Milet VI 3, 199 zu n. 1323 (Altar für Arsinoë Philadelphos). Zum posthumen Kultbild für Ptolemaios I. Theos Soter im Delphinion vgl. vorerst Herda 2006b, 25 Anm. 100. 257 Günther 2001, passim; bes. 196: »Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass die von der naukratitischen Delegation als Stiftung an ihre Heimatpolis überbrachte Gabe für Didyma nicht nur mit dem wohlwollenden Einverständnis des Königshauses erfolgte, sondern in eine Zeit fiel, in der Milet sich im ptolemäischen EinFlussbereich befand.« Vgl. zustimmend Ehrhardt 2003b, 288 – 289. 46 VIII. Bemerkungen zum politischen Status von Naukratis Es seien noch einige abschließende Bemerkungen zum politischen Status von Naukratis angefügt: In einem Fragment des spätklassischen Kultschriftstellers Hermeias werden die Opfermahle im Prytaneion von Naukratis beschrieben258. Einen Anlass bildete unter anderem das Fest des Apollon Pythios Komaios259. Dieser Gott ist m. E. als der Gott der politischen Einheit der Polis Naukratis anzusprechen. Die Polis wurde, wie aus Herodot (2, 178) abgeleitet werden kann, vielleicht schon unter Amasis (ca. 570 v. Chr.) an der Stelle einer älteren Handelsniederlassung, eines Emporions, um das Aphroditeheiligtum der Nordioner(?) und das Apollonheiligtum der Milesier herum eingerichtet260. Auch nach der Einrichtung der Polis hatte ein Teil der Siedlung den Status eines ‘Emporions’, eines ‘Freihafens’261, wodurch für Naukratis eine Olbie Polis ____________________ 258 Hermeias bei Athen. 4, 149d–150a; Tresp 1914, 159 – 161 fr. 112; dazu: Robert 1934, 26 – 30 (= Robert 1969a, 973 – 976; Bresson 2000, 78 – 79; Herda 2006b, 143 – 150. 259 Die Doppelepiklese Pythios Komaios ist aus Hermeias erschlossen: einmal ist vom Fest des Komaios, ein anderes mal vom Priester des Pythios die Rede. Eine Parallele bietet der Apollon Pythios Epikomios im nordionischen Erythrai: vgl. hier Anm. 265. 260 Dieser Gedanke wurde von mir in einem Brief an Ursula Höckmann vom 17.10.2000, sowie im für den Druck im August 2001 abgeschlossenen Manuskript meiner Dissertation formuliert (Herda 2006b, 147 mit Anm. 1036 ff.) und erstmals am 04.06.2002 in einem Vortrag mit dem Titel »Das Prytaneion und die politische Agora von Milet« öffentlich geäußert, den ich auf Einladung des Sonderforschungsbereichs 295 »Kulturelle und Sprachliche Kontakte: Prozesse des Wandels in historischen Spannungsfeldern Nordostafrikas/Westasiens« an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hielt. Ich möchte an dieser Stelle nochmals herzlich Ursula Höckmann, Renate Bol und Detlev Kreikenbom für die Einladung danken, sowie ihnen und den Zuhörern für anregende Diskussionen. Zum Apollon Pythios Komaios als Stadtgott von Naukratis vgl. jetzt auch Nick 2006, 87. – Ehrhardt 1988, 88 – 90 kombiniert (unter Bezug auf H. Kees, RE XVI 2 [1935] 1954 ff. bes. 1959 s. v. Naukratis; Boardman 1988, 117) aus Herodot 2, 178 und dem Hermeiasfragment zum Prytaneion von Naukratis, dass die Reorganisation der älteren griechischen Siedlung in Naukratis (mit den drei Heiligtümern der Milesier, Samier und Aigineten) unter Amasis die Einrichtung einer Polis (neben dem Emporion) zum Ziel gehabt haben könnte. – Ablehnend Möller 2000, 191, die von einer autonomen Polis Naukratis erst nach der Eroberung Ägyptens unter Alexander dem Großen ausgeht (Möller 2001, 20 mit Anm. 113; DNP 8 [2000] 747 – 749 s. v. Naukratis [A. Möller]). Amasis habe stattdessen lediglich die Struktur des älteren ‘Emporions’ Naukratis reorganisiert, das am besten mit dem aus der modernen Wirtschaftsforschung (Polanyi 1968) übernommenen Begriff des ‘port of trade’ zu charakterisieren sei: Möller 2000, 188 – 189. 192 ff. zum ‘port of trade’-Begriff ebenda 1 – 25; vgl. schon Austin – Vidal-Naquet 1977, 66; Bresson 2000, 57 mit Anm. 170; vgl. dazu: Bowden 1996, 29. Das Hermeias-Fragment zum Prytaneion von Naukratis behandelt Möller 2000 nicht, sieht es also als nicht relevant für die archaische Zeit an. Vielmehr bezieht sie es auf die hellenistische Zeit, als nach ihrer Meinung die Polis gegründet wurde: Möller 2005, 186; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 18 – 19; vgl. Bresson 2000, 78 – 79. 261 Von einer zweigeteilten Struktur Naukratis’ (Polis und Emporion) gehen z. B. auch Austin 1970, 29 – 30; Thompson Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus vergleichbare zweigeteilte Struktur erschlossen werden kann262. Das naukratische Emporion wurde seit Amasis von den prosta/tai tou= e¹mpori/ou geführt und besaß als zentrales Heiligtum das sog. Hellenion263. Die vor allem in Nordionien (Kolophon, Ephesos, Erythrai) verbreitete Apollon-Epiklese Kwmai=oj bzw. 'Epikw/mioj/'Epikwmai=oj ist von dem Wort kw/mh abgeleitet, das beispielsweise in Athen die Stadtquartiere bezeichnete264. Sie weist auf die 1988, 97 und Hansen 1997, 94. 96. 103 aus; vgl. dagegen: Möller 2001, 2 – 4; Möller 2000, 189 mit Anm. 60. Sie spricht Naukratis bis in spätklassische Zeit als Emporion im Sinne eines ‘port of trade’ an; vgl. vorherige Anm. 262 Zu Olbie Polis, die vermutlich durch den Zusammenschluss zweier Emporia, Borysthenes auf Berezan und dem Emporion Borysthenes (Hdt. 4, 17. 18. 24: Borusqenei+te/wn e¹mpo/rion bzw. Borusqe/nhj e¹mpo/rion) in Purotino an der Hypanis/BugMündung entstand, wobei das Emporion als Teil der Polis weiterexistierte (eine Lokalisierung im östlichen, tiefer liegenden Hafenviertel der Stadt wurde vorgeschlagen), vgl. Hansen 1997, 86. 102 – 103; Bujskich 2005, 29 – 30 mit Literatur; vgl. hier Anm. 86. 139. 141. – Auch die nachträgliche Einrichtung von Emporia innerhalb schon bestehender älterer Poleis ist keine Seltenheit: Im Piraeus von Athen gab es beispielsweise einen ‘Bezirk für Fremdhandel’ mit Hafenmarkt und Lagerhallen, der als ‘Emporion’ bezeichnet wurde: Schol. Aristoph., Pax 145; Xen., Hell. 5, 1, 21; dazu: Der Kleine Pauly 4 (1975) 584 s. v. Peiraieus (E. Meyer). Auch in Milet hat es ein Emporion gegeben. Inschriftlich sind e¹pimelhtai\ tou= e¹mpori/ou für ca. 260/50 v. Chr. bezeugt: Milet I 3, 307 ff. Nr. 140 Z. 31 – 32. 63; P. Herrmann, in: Milet VI 1, 174 – 175. n. 140 mit deutscher Übersetzung und Kommentar. Zum Emporion in Kos vgl. u. Anm. 287. – Zu den zwei Bedeutungen des Begriffs ‘Emporion’, nämlich a) Hafen oder Teil des Hafens einer Polis b) isolierte Siedlung, die durch ‘emporia’ geprägt war, aber keinen Polis-Status besaß: Möller 2001, 1 – 2. 263 Möller 2000, 192 ff. Möller vertritt die Meinung, dass Herodot (2, 178) irrte, wenn er die Gründung des Emporions in die Zeit des Amasis datierte. Sie verbindet stattdessen die ältesten archäologischen Befunde des letzten Drittels des 7. Jhs. v. Chr. aus dem Aphrodite- und dem Apollonheiligtum (vgl. vorheriges Kapitel) mit der Einrichtung des Emporions, das somit schon unter Psammetich I. gegründet worden sei. Gleichzeitig bemerkt sie aber auch, dass die Funde im Hellenion, dessen Einrichtung gemäß Herodot engstens mit der des Emporions zusammenhängt, erst nach 570 v. Chr. einsetzen, »the date of Amasis’ accession« (Möller 2000, 193. 196; vgl. ebenda 105 – 106. 107 – 108.). Zu den Prostatai, die wahrscheinlich von jeder der neun im Hellenion vertretenen Poleis gestellt wurden und daher neun an der Zahl gewesen sein dürften: Bresson 2000, 46; Bowden 1996, 33; Möller 2000, 192 – 196. Roussel 1976, 30 vermutete, die neun Städte hätten je eine Phyle gebildet, deren Vorsteher die Prostatai gewesen wären: vgl. Bresson 2000, 33. Mittlerweile sind durch eine aus Naukratis stammende Bouleutenliste des 3. Jhs. v. Chr. zwei (von vier?) Phylennamen nachgewiesen, die Heraïs und die Neilias, benannt nach der Göttin Hera und dem Flussgott Neilos: Scholl 1997, 213 – 228; Bresson 2005, 142 – 148. Bresson geht davon aus, die Phylennamen seien bei der Gründung der Polis Naukratis im 4. Jh. v. Chr. eingeführt worden (vgl. auch Möller 2005, 186 – 187). 264 Graf 1985, 185 – 188 (gegen die These von Robert 1934, 30, die Epiklese leite sich von kw=moj, dem Wort für rauschhafte Umzüge, ab; vgl. außerdem Vine 1998, 688 – 689, der kw/mh von indogermanischem *kem, »zusammendrücken«, »zusammenpressen«, ableitet): Apollon (Epi-)Komaios/Epikomios Internationale Archäologie-ASTK 11 mögliche territoriale Einteilung und politische Struktur von Naukratis. Denkbar ist, dass die Bürger der einzelnen griechischen Städte, die sich zur Polis Naukratis zusammenschlossen – in archaischer Zeit waren dies wahrscheinlich Milet, Samos, Aigina und mindestens zwei weitere evtl. nordionische Städte –, je eine Kome bildeten265. Als zentrale Heiligtümer der Komai in Naukratis wären das Apollon Didymeus Heiligtum der Milesier, das Heraion der Samier, das Zeusheiligtum der Aigineten sowie das Aphrodite- und das Dioskuren-Heiligtum zweier weiterer nordionischer oder aiolischer Poleis anzusprechen (mögliche Kandidaten: Smyrna, Erythrai, Kolophon oder Ephesos)266. Die Bürger der Polis Naukratis hätten demnach über die Teilnahme an einem dieser aus der jeweiligen Heimatstadt übertragenen Kulte267 ihre ist direkt in Erythrai (Pythios Epikomios), in der makedonischen Stadt Philippi (Komaios) und der makedonischen Gründung Seleukeia am Tigris (Komaios) nachweisbar, sowie im thrakischen Ainos (Epikomaios), einer äolischen Gründung (Nachbesiedlung durch Lesbos und Kyme). Der Kult des Komaios ist im ionischen Kolophon und im von Paros kolonisierten Thasos durch das Fest der Komaia und den theophoren Personennamen Komaios belegt. Indirekte Nachweise des Kultes durch den theophoren Personennamen Komaios liegen für Athen, Ephesos, Keramos (Karien) und Abdera (Gründung des nordionischen Klazomenai, Nachbesiedlung durch das ionische Teos) vor. Graf 1985, 187 sieht den Kult als »primär (nord-)ionisch (Ephesos, Kolophon)« an, »die Kolonisation brachte ihn nach Naukratis einerseits, Thasos, die thrakische Küste (Abdera), das makedonische Hinterland (Philippi) und die makedonischen Kolonien (Seleukeia) andererseits«. 265 Zu dem hier Ausgeführten vgl. Herda 2006b, 143 – 150. Die für Naukratis erschlossene doppelte Epiklese Pythios Komaios ist im nordionischen Erythrai für das 2. Jh. v. Chr. bezeugt, der dortige Pythios Epikomios wird von Graf in Analogie zu Ainos (Theophr. ap. Stob. 4, 2, 20 [Hense]; zum Bezug auf Ainos, nicht Thurioi vgl. Graf 1985, 186 Anm. 190) als eine Art ‘Quartiergottheit’ angesehen: Graf 1985; Herda 2006b, 147 Anm. 1038. Graf 1985, 187 (vgl. vorherige Anm.) führt im übrigen übereinstimmend mit der hier vorgetragenen These den Kult des Apollon Komaios in Naukratis in die Kolonisationszeit, d. h. das 7./6. Jh. v. Chr., zurück. Vgl. jetzt auch: Nick 2006, 87. 266 Entgegen Bowden 1996, 28 – 29 rechne ich nicht nur das von Herodot 2, 178 unerwähnte Heiligtum der Aphrodite zur möglichen Polis Naukratis, sondern auch das von Herodot ebenfalls nicht genannte Dioskurenheiligtum, sowie die drei explizit von ihm genannten: das Heraheiligtum der Samier, das Zeusheiligtum der Aigineten und das Apollonheiligtum der Milesier. Demgegenüber lässt Austin 1970, 30. 32 offen, ob die Milesier, Samier und Aigineten zur Polis Naukratis zu zählen sind. – Die griechischen Poleis, die das Aphrodite- und das Dioskurenheiligtum gegründet haben könnten, sind unbekannt. Die verortbaren Weihungen weisen nach Nordionien bzw. Äolien: vgl. hier Anm. 219. In der Liste der Städte, die laut Herodot 2, 178 das Emporion bildeten und das Hellenion errichteten, fehlen z. B. Smyrna, Erythrai, Kolophon und Ephesos. Auffällig ist, dass unter diesen vieren drei Städte sind (Erythrai, Kolophon und Ephesos), in denen wie in Naukratis der Apollon Komaios (Kolophon, Ephesos) bzw. Pythios Epikomios (Erythrai) verehrt wurde! Weiterhin ist bemerkenswert, dass der im Aphroditeheiligtum für das 6./5. Jh. v. Chr. nachgewiesene Kult der Pandemos auch in Erythrai begegnet, wenn auch erst im 4. Jh. v. Chr.: s. u. mit Anm. 283 ff. 267 Vgl. dazu auch Bowden 1996, 32. Die Übertragung der Kulte war zumindest im Falle der griechischen Kolonisation archaischer 47 ursprüngliche signalisiert268. Herkunft bzw. Abstammung Das gemeinsame Polisheiligtum der Naukratitai dürfte demgegenüber Apollon Pythios Komaios geweiht worden sein. Die oben schon genannten Kultmähler zu Ehren des Apollon Pythios Komaios, die Hermeias für das Prytaneion von Naukratis überliefert, lassen daran denken, dass das Heiligtum des Gottes im oder direkt beim Prytaneion lag. Eine Parallele hierfür, nämlich dass das Prytaneion im Apollon geweihten Hauptheiligtum einer Polis integriert war, bieten Milet und seine Kolonie Olbie Polis mit ihren Apollon DelphiniosHeiligtümern269. Eindeutige Belege für den Kult des Apollon (Pythios) Komaios im Naukratis archaischer Zeit, die die These von der archaischen Polis Naukratis – und damit etwa auch die Existenz eines Prytaneions, wie von Hermeias beschrieben – stützen können, fehlen bisher. Anzuführen ist hier aber zum einen ein Graffito auf einem Trinkgefäß aus dem Hellenion. Die Aufschrift Kwmai=o oder Kwmai=oj ist nach dem Schriftduktus ins spätere 5. Jh. v. Chr. zu datieren. Der Name ist entweder im Genitiv oder im Nominativ geschrieben. Es kann sich entweder um eine Weihung an den (Apollon) Komaios handeln, dann läge ein direkter Beleg für den Kult in klassischer Zeit in Naukratis vor. Oder aber es handelt sich um eine Besitzerinschrift und damit um einen theophoren Personennamen. Dann Zeit durch Orakel des Apollon von Delphi oder Didyma sanktioniert (vgl. hier Kap. IV–V). Im besonderen Fall von Naukratis ist etwa für die Einrichtung des Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtums ein Orakelspruch des Apollon Didymeus vorauszusetzen (vgl. hier Kap. VII). Gleiches darf für die Gründung des Heraheiligtums der Samier vermutete werden, dessen Gründungsopfer vielleicht sogar in Teilen erhalten ist (vgl. hier Kap. VII mit Anm. 213). Als Parallele ist auf die phokäische Gründung von Massalia zu verweisen: Die Übertragung des Artemis-Epheseie-Kultes von Ephesos nach Massalia geschah wahrscheinlich auf Veranlassung des Apollon-Orakels in Didyma: hier Kap. V mit Anm. 148 – 150. – Die Niederlassung der Milesier und der anderen Griechen sowie die Einrichtung ihrer Heiligtümer setzte jedoch ebenso das Einverständnis des Pharaos voraus: Bresson 2000, 24. 268 Dass beispielweise im Heiligtum des Apollon Didymeus Milesios neben den Milesiern auch Griechen, die im Emporion lebten, also nicht zu den Naukratitai zu zählen waren, Weihgaben stifteten (vgl. hier Anm. 215 – 216.), steht hierzu nicht im Widerspruch. Der milesische Apollon war ganz offensichtlich für alle in Naukratis lebenden Griechen, auch diejenigen aus dem Emporion, von herausragender Bedeutung. 269 Vgl. oben Kap. I. Eine weitere Parallele bildet das Delphinion von Dreros: Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 158 – 159. A. Möller vertritt jetzt die These, dass das Hellenion in hellenistischer Zeit als Prytaneion der neugegründeten Polis Naukratis umgewidmet wurde und lokalisiert die von Hermeias (bei Athen. 4, 149d–150a) überlieferten Kultmahle im Prytaneion ebendort: Möller 2005, 186; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 19. 48 läge zumindest ein indirekter Beleg für den Kult vor270. Hinzuweisen ist andererseits auf ein weiteres, spätklassisch oder frühhellenistisch zu datierendes Grafitto aus Naukratis, das den theophoren Personennamen Pu/qwn nennt und auf den Kult des Apollon Pythios weist271. Der Apollon Pythios Komaios wäre in seiner Funktion als Stadtgott der Polis Naukratis dem Apollon Delphinios in Milet oder Olbie Polis vergleichbar. Bezeichnenderweise ist der Kult des Delphinios in Naukratis nicht nachgewiesen272. Dies ____________________ 270 Oxford, Ashmolean Museum G141.27: Hogarth 1905, 116 – 117. Abb. 2 Nr. 32 (Faksimile des Grafitto); Prinz 1908, 12 – 13; Bernand 1970, 705 Nr. 675 (ich danke U. Höckmann für den Hinweis auf diesen Fund). Nach brieflicher Mitteilung von Alexandra Villing, London (08.05.2007), die das Stück zusammen mit Alan Johnston im British Museum in London studieren konnte, handelt es sich beim Inschriftenträger um einen schwarzgefirnisten steilwandigen Skyphos oder eine Pyxis. Gefäßform und Inschriftenduktus weisen auf eine Datierung ins späte 5. Jh. v. Chr., »wohl kaum früher« (Villing a. O.). Die Lesung Kwmai=oj durch Hogarth ist nicht sicher, was das endständige Sigma angeht. A. Villing teilt mir dazu mit: »Die Lesung der Inschrift ist allerdings nicht 100%ig korrekt dort (...), da das S[igma] am Ende nämlich nicht wirklich existiert: KWMAIO ist ganz klar und deutlich, aber dann kommen lediglich ein paar kaum zu interpretierende Striche (auch Alan weiß nicht, was er davon halten soll)«. Man vergleiche dazu das Faksimile bei Hogarth 1905: die wellenförmigen beiden Zeichen am Ende gleichen eher zwei Omegata, denn zwei Sigmata. – Einen indirekten Beleg für den Kult in archaischer Zeit könnten die von Hermeias für das Prytaneion von Naukratis überlieferten Kultmähler zu Ehren des Apollon Komaios und des Dionysos liefern. Graf 1985, 188 Anm. 202 charakterisiert sie als in einem »altertümlichen, männerbundartigen Zusammenhang stehend«. Er führt den Kult des Apollon Komaios in die Kolonisationszeit zurück: vgl. hier Anm. 265. Zum kontrahierten ionischen Genitiv auf -oV vgl. s. o. Anm. 142. Für archaische Weihinschriften, die die verehrte Gottheit im Genitiv nennen: s. o. Anm. 143; Gottheit im Nominativ: Lazzarini 1976, 59. 121 ff. 238 ff. Nr. 7) ‘Dediche del tipo: o¸ qeo/j’. – Das Graffito aus Naukratis wurde als Personenname gedeutet von: Robert 1934, 28 – 29. (= Robert 1969a, 974 – 975); vgl. Bernand 1970, 709 Nr. 675 (SB 210), der eine Herkunft des Schreibers aus Chios vermutet; vgl. ihm folgend: Fraser – Matthews 1987, 280 s. v. Kwmai=oj [1]. – Zu Weihinschriften, die den Dedikanten im Genitiv nennen: Lazzarini 1976, 119 – 120. Nr. 5) �Dediche del tipo: tou¤ dei¤no/j (ei¹mi)’; ebenda 235 Nr. 419 a/b führt Lazzarini zwei spätarchaische Beispiele aus Naukratis an; Dedikant im Nominativ: Lazzarini 1976, 59. 118 – 119. 231 ff. Nr. 4) ‘Dediche del tipo: o¸ dei=noj’. 271 Hogarth 1905, 116 Abb. 2 Nr. 33 (Faksimile); S. 117; Bernand 1970, 707 Nr. 676 (Fundort unbekannt, aber nicht aus dem Hellenion). – Ein weiterer Python, Sohn des Amoibichos, nahm am Feldzug des Psammetich II. 591 v. Chr. gegen Nubien Teil, seine Söhne weihten möglicherweise ca. 570 v. Chr. in Didyma zwei Löwenstatuen: s. o. Anm. 237. Hierdurch ist der theophore Name schon für das frühe 6. Jh. v. Chr. in Ägypten und in Milet bezeugt. – Durch ein rhodisches Proxeniedekret klassischer Zeit aus Lindos ist weiterhin der Sohn eines Pytheas in Naukratis bezeugt: Prinz 1908, 119; C. Blinkenberg – Kinch 1941, I 210 – 214 Nr. 16 Z. 3 (ca. 440 – 420 v. Chr.); vgl. zum Dekret: Bresson 2000, 26 – 36; Bresson 2002, 501; Bresson 2005, 135 – 136; Möller 2000, 190 – 191. 272 Die Annahme von Höckmann 2007, 126 Anm. 1082, die Weihungen an den Apollon Milesios in Naukratis »können den Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus ist als Hinweis darauf zu werten, dass die Gründung der Polis Naukratis, die schon unter Amasis erfolgte, nicht durch Milet alleine vorgenommen wurde, sondern unter Beteiligung weiterer griechischer Poleis, wobei der panhellenische Orakelgott Apollon Pythios von Delphi und nicht der milesische Apollon Didymeus die Gründung sanktioniert haben dürfte, vorausgesetzt, der Stadtgott von Naukratis, Apollon, trug tatsächlich die Epiklesen Pythios Komaios. Mit der besonderen Rolle Delphis bei der Gründung zur Zeit des Amasis erklärt sich jedenfalls bestens, weshalb der Pharao so großzügig für den Wiederaufbau des Tempels in Delphi nach dem Brand von 548 v. Chr. spendete, während Spenden nach Didyma von ihm nicht bekannt sind. Ein Grund für die Neuorientierung des Pharaos nach Delphi dürfte gewesen sein, dass die Milesier in der Frühphase seiner Herrschaft nicht ihn, sondern seinen Feind Apries und späterhin die Perser unterstützt hatten, wie kürzlich A. Bresson vermutet hat273. Apollon Delphinios oder den Apollon Didymeus oder beide meinen«, ist unwahrscheinlich. Der Apollon Milesios ist wie hier gezeigt der Gott von Didyma. 273 Der Kult des Apollon Pythios dürfte v. a. vom Orakel von Delphi seit dem 8. Jh. v. Chr. propagiert worden sein: vgl. hier Anm. 341. Vorstellbar ist daher, dass die Einrichtung des Kultes des Apollon Pythios in Naukratis von Delphi sanktioniert wurde, indem etwa Delphi ein Orakel zur Gründung der Polis Naukratis ausgab und ein Aphidryma auf den Weg nach Ägypten schickte. Dass Delphi und nicht Didyma die Gründung der Polis Naukratis zur Zeit des Amasis durch ein Orakel sanktioniert haben könnte, läge einerseits in seinem, der Ansiedlung in Naukratis vergleichbaren panhellenischen Charakter begründet, den das Orakel in Didyma in dieser Weise nie besessen hat. Für die Rolle Delphis bei der Gründung der Polis Naukratis unter Amasis spricht andererseits auch, dass derselbe Pharao das Orakelheiligtum von Delphi nach dessen Brand im Jahre 548 v. Chr. mit großzügigen Spenden besonders unterstützte (Hdt. 2, 180; vgl. dazu: Haider 1987b, 9), wie er etwa auch in das Athena-Heiligtum nach Lindos, das Heraion von Samos und nach Sparta stiftete. Demgegenüber erhielt das Heiligtum in Didyma scheinbar keine Weihgeschenke von ihm, zumindest erwähnt Herodot in diesem Zusammenhang keine Weihungen des Amasis nach Didyma. A. Bresson erklärt dies jetzt damit, dass Milet mit Amasis’ Vorgänger und Rivalen Apries bis zu dessen entgültiger Niederlage 567 v. Chr. verbündet war, danach mit den Persern, den Feinden der Ägypter: hier Anm. 235. In diesem Zusammenhang von Interesse ist, dass im polykratischen Samos, das mit Amasis wie auch mit Naukratis aufs engste verbunden war, der Vater des Philosophen Pythagoras, Mnesarchos bzw. Mnemarchos, aus Dank für die vom delphischen Apollon angekündigte Geburt seines Sohnes ein Heiligtum des Apollon Pythios einrichtete, sowie seine Frau (Pythais, vorher: Parthenis) wie auch den Sohn nach dem Gott benannte: Iambl., vita Pyth. 4–6. 9; vgl. Paus. 2, 31, 6 (Heiligtum); Diod. Sic. 1, 98; Athenag., leg. pro Christianis 17, 4 (Kultbild); dazu: Nick 2006, 88 – 89. – Bemerkenswert ist weiterhin die Weihung eines Zehnten in Gestalt von Bratspießen an den Apollon Pythios in Delphi durch die aus Samos nach Naukratis gebrachte Hetäre Rhodopis, die möglicherweise vom Bruder der Sappho, Charaxos, während der Regierung des Amasis freigekauft worden war: Hdt. 2, 134 – 135; dazu: Prinz 1908, 3; DNP 10 (2001) 996 s. v. Rhodopis (L.-M. Günther); Möller 2000, 199 – 200. Die Angabe Herodots, Charaxos habe die Rhodopis freigekauft, beruht allerdings wohl auf einer Verwechslung. Charaxos kaufte eine Doricha frei und dies schon im späten 7. oder frühen 6. Jh. v. Chr., nicht erst in der Internationale Archäologie-ASTK 11 Bei der Einrichtung der neuen Polis standen nicht nur milesische Institutionen als mögliche Vorbilder zur Verfügung, ebenso konnte auch auf die religiös-politische Strukturen der anderen beteiligten griechischen Poleis zurückgegriffen werden. Naukratis war demnach keine typische milesische Kolonie, wie es die seit dem 4. Jh. v. Chr. überlieferten milesischen und naukratitischen Versionen des Gründungsmythos vertreten. Sie kann auch nicht als typische griechische Polis – im Sinne eines unabhängigen Polisstaates – bezeichnet werden, da ihre Existenz zumindest in archaischer Zeit und wohl noch im 4. Jh. v. Chr. vom ‘good will’ der im nahen Sais residierenden Pharaonen abhing274. Als weiteres – wenn auch umstrittenes – Indiz für die Existenz einer Polis Naukratis zur Zeit des Amasis kann schließlich das Vorkommen des Ortsnamens ‘Naukratis’ und des davon abgeleiteten Ethnikons ‘Naukratites’/‘Naukratitai’ angeführt werden275. Die früheste griechische Erwähnung des Ortsnamens bietet ein Dipinto auf der Innenseite einer im späten Tierfriesstil bemalten Schale aus dem Aphroditeheiligtum, die der Göttin als 'Afrodi/]thi th=i e¹(n) Naukra/ti (»der Aphrodite in Naukratis«) geweiht ist276. Das Gefäß ist in das erste Viertel des 6. Jhs. v. Chr. zu datieren und wahrscheinlich auf Bestellung produziert und nach Naukratis transportiert worden277. Das Dipinto bezeugt den Ortsnamen spätestens für die Zeit des Amasis, er begegnet zudem auf einer weiteren Weihung in das Aphroditeheiligtum Regierungszeit des Amasis. Ob er Jahrzehnte später auch noch Rhodopis freikaufte, ist fraglich: Sappho fr. 7 Lobel – Page; Strab. 17, 1, 33; Athen. 13, p. 596b–d; dazu: Prinz 1908. Dankte Rhodopis mit ihrer Weihung in Delphi dem Hauptgott ihrer neuen Heimatstadt Naukratis, Apollon Pythios (Komaios)? – In Milet ist der Kult des Apollon Pythios seit dem späteren 6. Jh. v. Chr. indirekt durch die theophoren Namen Pythomandros (s. u. Anm. 344) und Python (s. o. Anm. 237. 271) nachgewiesen. Gelangte der Kult etwa über Naukratis nach Milet? 274 Austin 2004, 1239 s. v. Naukratis (Nr. 1023): »Naukratis was an unusual community in a special position. (…) it was dependent for its existence and prosperity on the continued good will of the rulers of Egypt, from the pharaohs to the Romans.« – Diese Abhängigkeit drückt sich etwa in der Abgabe von Steuern (10%) an den Pharao aus, wie sie die sog. Stele des Nektanebis I. aus Naukratis (ca. 380 v. Chr.) und Aristoteles (Oikonomika 2, 2, 25 = 1351a 3 – 6) für die Zeit des Pharaos Tachos (363/2–362/1 v. Chr.) belegen: Möller 2000, 207 – 208; Scholtz 2002/3, 233. 275 Inwieweit Ethnika auf einen Polisstatus der betreffenden Siedlungen schließen lassen, ist umstritten. Ehrhardt 1988, 86 meint etwa: »Gerade Ethnika aber gelten im allgemeinen als sichere Zeugnisse für die Existenz autonomer Poleis«; vgl. dazu jetzt die umfassende und differenzierende Analyse von: Hansen 2004, 64 zu Naukratis; s. u. Anm. 279. 276 Gardner 1888, 64 – 65 Nr. 768 Taf. 21 (Faksimile des Dipinto, das im ionischen Dialekt gehalten ist); Möller 2000, 178 Nr. 4; S. 243 Appendix 1. d. Teos/Klazomenai Nr. 5. Für weitere Beispiele vgl. Austin 2004, 1238 s. v. Naukratis (Nr. 1023). 277 Vgl. die Bemerkungen zu den chiotischen Dipinti-Gefäßen, die (auf Bestellung?) mit Weihinschriften versehen nach Naukratis und etwa auch nach Aigina geliefert wurden: hier Anm. 219. 49 sowie auf zwei ägyptischen Weihgeschenkstelen aus der Gegend von Saïs278. Das von diesem Ortsnamen abgeleitete Ethnikon erscheint zuerst im 5. Jh. v. Chr. in Inschriften in Athen und Delphi279. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die in den archaischen Weihinschriften aus Naukratis genannten Ethnika nie Samier, Milesier oder Aigineten nennen280, wohl aber Chioten, Teier, Phokaier, Klazomenier und Mytilenier281. M. Austin hat betreffs der Ethnika aus Naukratis auf die Übereinstimmung mit der Liste ____________________ 278 Archaische Inschrift (nicht genauer datiert) auf einem Kalksteinobjekt aus dem Aphrodite-Heiligtum: Gardner 1888, 66 Nr. 795 Taf. 21 (Gardner ebenda: »This is of great importance, from the scarcity of inscriptions that mention the name of the town.«); Bernand 1970, 744 – 745 Nr. 5; Lazzarini 1976, 203 Nr. 177c; Scholtz 2002/3, 239 mit Anm. 37; Nick 2006, 81 – 82 mit Anm. 871: [--]hn … [ei¹]j Na<u/>kratin … [a)fiko/me]noj … [th=i 'Afrodi/th]i Ka/i³o[j a)ne/qhken]. In der Zeit des Amasis begegnet der Ortsname außerdem auf zwei Weihgeschenkstelen, die ägyptische Inschriften tragen: Möller 2001, 9 – 10 zu den Stelen Berlin 7780 und Petersburg, Ermitage 8499. Die letztere von ihnen bezieht sich auf die Weihung einer Lampe durch einen gewissen Neferibre-sa-Neith »aus Naukratis«, der sie im 16. Regierungsjahr des Amasis (554 v. Chr.) in ein Heiligtum des Osiris im saïtischen Nomos weihte: Möller 2001, 9 – 10 mit Anm. 55. Dieser Neferibre-sa-Neith hatte wahrscheinlich einen griechischen Vater mit Namen Korax, der ägyptische Name des Sohnes deutet auf die Assimilation der Griechen in Naukratis: Möller 2001 unter Bezug auf Masson 1962, 10 mit Anm. 58; vgl. auch Vittmann 2003, 220; vgl. evtl. den ägypto-griechischen Namen Yende[ hier Anm. 219. Gesetze gegen ‘Epigamia’, Heirat von Griechen mit Nichtgriechen, vermutet Bresson 200, 21 mit Anm. 36 in Naukratis erst nach der Gründung der Polis, die er wie Möller 2005, 186 in der Alexanderzeit ansetzt; vgl. auch Lloyd 1975, 17 – 20. Zu weiteren Belegen für eine griechisch-ägyptischen ‘Mischkultur’ vgl. Crielaard 2005, 34; Vittmann 2003, 194 – 235. 279 Belege bei Möller 2001, 4 Anm. 12; S. 19 – 20 und Austin 2004, 1238 f. s. v. Naukratis (Nr. 1023). Möller 2000, 189 lehnt es ab, vom Ethnikon auf den Polisstatus von Naukratis zu schließen. Sie erachtet das Ethnikon Naukratites stattdessen als »not sufficient to allow us to draw conclusions as to the legal status of a settlement«; vgl. auch Bresson 2000, 53. Demgegenüber stellt jetzt Hansen 2004, 64 fest: »The context as well as other evidence indicates that Naukratis was a polis in 5th – 4th century B. C. and that Naukrati/thj is used as a city-ethnic.« Austin 2004, 1239: »It has been denied that these ethnics indicate political status as opposed merely to place of origin (...), but this is not consistent with the evidence for ethnics on Attic tombestones or for the institution of proxeny.« 280 Einzige Ausnahme ist der allerdings erst spätklassische Grabstein eines Milesiers: Collitz – Bechtel 1905, 641 Nr. 5513 (4. Jh. v. Chr.); Bernand 1970, 762 – 763 Nr. 33; dazu: Austin 1970, 25. 62. 281 Vgl. hier Anm. 215 – 216. Singulär ist eine attische Schwarzfirnis-Schale mit Stempelzier, die die Weihung eines Syrakusiers darstellt und ins 5. Jh. v. Chr. datiert werden kann: Gardner 1888, 68 Nr. 874 Taf. 22: ...]I Surako/sioj; vgl. Bresson 2000, 50 Anm. 144. (mit Korrektur der zu späten Datierung durch Gardner). Auf die Anwesenheit von Syrakusiern könnte auch der Fund einer syrakusischen Münze frühklassischer Zeit in Naukratis weisen: Bresson 2000, 50 – 51 mit Anm. 144 – 145. Allerdings stammt die Münze aus einem 15 Münzen gemischter Herkunft (Lykien, Chios, Samos, Aegina, Athen, Kyrene) umfassenden Hortfund, der laut Gardner nicht vor 439 v. Chr. unter die Erde gekommen sein kann (sog. Silversmith’s Hoard): B. V. Head, in: Flinders Petrie u.a. 1886, 65. 50 derjenigen neun Poleis verwiesen, die nach Herodot 2, 178 nur temporär im Emporion von Naukratis wohnten und das Hellenion frequentierten. Er hat hieraus überzeugend geschlossen, dass die Griechen des Emporions nicht das Bürgerrecht der Polis Naukratis besaßen, was den Gebrauch der Ethnika erklären würde282. Schließlich ist im Zusammenhang mit dem politischen Status von Naukratis als Polis noch auf den Kult der Aphrodite Pandemos hinzuweisen, der durch zwei spätarchaische und ein frühklassisches Grafitto aus dem Aphroditeheiligtum im Süden der Siedlung bezeugt ist283. Entgegen der immer wieder unter Berufung auf Platon (Symp. 180d–181c) vertretenen Auffassung, bei Aphrodite Pandemos handele es sich um eine reine ‘Hetärengöttin’284, ist die »Aphrodite ____________________ 282 Austin 1970, 30 – 31. Ebenda 25 warnt er allerdings bezüglich der Aussagekraft der Graffiti: »But the number of useful inscriptions is obviously too slight to permit statistical comparisons or argument from silence.« – Ethnika der von Herodot genannten Städte, die das Hellenion unterhielten, finden sich auch in Weihinschriften aus dem Hellenion: Möller 2000, 174 Nr. 6 (Weihung eines Mytileniers an Aphrodite, vorhellenistisch); Hogarth 1905, 116 – 117 Nr. 16 (Weihung eines Rhodiers an Aphrodite; nach Austin 1970, 62 Anm. 2; Bresson 2000, 26, am ehesten nach dem Synoikismos von Rhodos 408/7 v. Chr. zu datieren; doch muss dann auch Hdt. 2, 178 [Polis Rhodos zur Zeit des Amasis] als spätere Redaktion des Herodot erklärt werden: Bresson 2000, 37, wenn man nicht annehmen will, dass jeweils nur eine der drei rhodischen Poleis im Hellenion vertreten war, diese also rotierten: Bresson 2000, 47). – Daneben erscheint noch die archaische Weihung eines Chalkid[eus] an Aphrodite aus dem Hellenion: Edgar 1898/99, 55 Nr. 48; dazu: Bresson 2000, 49. 283 Die drei Inschriften sind jetzt abgebildet bei Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 16 Abb. 13 – 18. Zwei der Inschriften stammen aus dem Aphroditeheiligtum: 1) Randfragment einer attischen Schale, ca. 500–480 v. Chr.: [Afrodi/thi] Pandh/mwi (London BM GR 1888.6-1.211.; vgl. Gardner 1888, 66 Nr. 818; Bernand 1970, 688 Nr. 467; Höckmann – Möller 2006, Abb. 15 – 16); 2) Wandfragment einer attischen C-Schale, 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.: [Afrodi/thi P]andh/m[wi (London BM GR 1888.6-1.212; vgl. Gardner 1888, 66 Nr. 821; Bernand 1970, 689 Nr. 470; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, Abb. 17 – 18). Die dritte Inschrift, in monumentalen, 1 cm großen Buchstaben auf den Rand eines attisch-rotfigurigen Volutenkraters geschrieben, ca. 500 v. Chr.: [Afrod]i/thi : Pandh/m[wi (London BM GR 1900.2-14.6; vgl. Edgar 1898/9, 56 Nr. 107; Faksimile Taf. 5; Bernand 1970, 704 Nr. 630; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, Abb. 13 links. Ein zugehöriges Fragment befindet sich heute in Bonn, Akademisches Kunstmuseum Inv.-Nr. 697.90: Möller, in: Höckmann – Möller 2006, Abb. 13 rechts). Das Londoner Stück stammt aus dem Hellenion, allerdings aus den obersten Schichten »just above or just below a concrete pavement« (Hogarth 1898/9, 30 zu Nr. 107; vgl. den Lageplan ebenda Taf. 3 bei Nr. 17/18), dürfte daher wohl umgelagert sein und könnte ursprünglich ebenfalls aus dem Aphroditeheiligtum stammen. Eine Umlagerung ins Hellenion vermute ich auch für eine der Apollonweihungen: s. o. Anm. 216. Es ist nicht klar, ob die Buchstaben der Weihinschrift für Aphrodite Pandemos auf dem attischen Krater vor oder nach dem Brand eingeritzt wurden: Höckmann – Möller 2006, 16. Wenn ja, handelt es sich um die älteste Weihung an die Pandemos in Athen, alternativ ist aber auch an eine Auftragsarbeit für Naukratis zu denken, wie im Falle der chiotischen Dipinti-Gefäße, die im Aphroditeheiligtum gefunden wurden: s. o. Anm. 219. 284 Vgl. zuletzt: Scholtz 2002/3, 231 – 242; danach: Corsten 2006, 620 – 621 Nr. 1793; Möller, in: Höckmann – Möller 2006, 16 – 17. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus des gesamten Volkes« stattdessen vor allem als eine »eminent politische Gottheit« aufzufassen, »in deren Obhut der friedliche Zusammenhang der Polisgemeinschaft liegt«285. Diese allgemeine und zentrale Bedeutung der Aphrodite für Naukratis erklärt dann auch die bereits zitierte Ansprache der Göttin als »Aphrodite in Naukratis«. Ihre Klientel wird sich vor allem aus der Gemeinschaft der oben erschlossenen Komai zusammengesetzt haben, die die Polis Naukratis gebildet haben dürften. Miteingeschlossen werden auch die griechischen Händler des Emporions gewesen sein, die sich im Hellenion versammelten286. Als Schutzgöttin der Polisgemeinschaft begegnet Aphrodite auch anderswo, etwa in Athen, wo sie zusammen mit Peitho, der göttlichen Überzeugungskraft verehrt wurde287, aber auch im nordionischen Erythrai, wo ihr die Polis in der ersten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. auf Geheiß eines Orakels zum Dank für »die Rettung des Demos« einen Tempel mit Kultbild einrichtete288. Sollte sich die Existenz ____________________ 285 Graf 1985, 260 – 261; vgl. Burkert 1985a, 155 mit Anm. 36; Pirenne-Delforge 1994, 446 – 450; Parker 1996, 49; Parker 2002, 152 – 156; Parker 2005, 407 – 408; van Bremen 2003, 325 – 326. 286 Vgl. ein koisches Gesetz über den Verkauf von Priestertümern von kurz nach 198 v. Chr.: alle Bürgerinnen, Bastarde (Z. 17 no/[q]wn) und in Kos wohnende Fremde (Z. 17 paroi/kwn), die heiraten wollen, müssen innerhalb eines Jahres nach ihrer Hochzeit der Aphrodite Pandamos opfern, ebenso haben Händler (Z. 23 eÃmporoi{j}) und Reeder (Z. 23 nau/klaroi{j}), die Kos verlassen, der Aphrodite Pandamos zu opfern: Segre 1993, 120 – 123 ED 178 A15–25; vgl. dazu: Parker 2002, 156 – 157 (mit engl. Übersetzung); van Bremen 2003, 324 – 325. – Die Gelder des Heiligtums der Aphrodite Pandamos und Aphrodite Pontia, das nach Aussage der Inschrift nahe bei der Schiffswerft von Kos lag (vgl. Z. B 5 naupagi/wn), wurden von den ‘Prostatai’ verwaltet. Es war demnach Teil des Emporions von Kos. Als Prostatai bezeichnet Herodot (2, 178) auch die Verwalter des Emporions in Naukratis: s. o. Anm. 263. Ob das Aphroditeheiligtum von Naukratis ebenfalls im Bereich des Emporions lag und zu diesem gezählt wurde, ist unklar. Immerhin spricht Herodot noch von anderen Plätzen in Naukratis, wo die Händler des Emporions mit Erlaubnis des Amasis Altäre und Temene errichten konnten. Das Hellenion war ihm zufolge nur ihr größtes und berühmtestes Heiligtum. Nach Aussage der archäologischen Befunde wurden dort neben den anonymen »Göttern der Hellenen« weitere Götter verehrt, etwa Artemis, Apollon, Herakles, die Dioskuren und Aphrodite: Höckmann – Möller 2006. Vgl. außerdem die Weihung eines Mikis an den Zeus Hellenios von Aigina(?) (vgl. hier Anm. 212. 220), die R. Wachter mithilfe zahlreicher Fragmente chiotischer Dipinti-Gefäße rekonstruiert hat: Mi/k(k)ij (m’) a)ne/qhken [...?] tw=i Zhni\ tw=i 'El(l)hni/wi [...?]; vgl. Wachter 2001, 214 – 215 mit Anm. 660 zur Rekonstruktion des Textes von Nr. (E)(a); S. 218 zum Männernamen Mikis. 287 Pirenne-Delforge 1994, 26 – 34. 446 – 449. 456; Parker 1996, 49. 234; Parker 2005, 407 – 408. 461; Rosenzweig 2004, 13–28. 68–77. 102–104. – Der Kult der Pandemos wurde in Athen auf Solon oder gar auf die Zeit des Synoikismos unter Theseus zurückgeführt. 288 Der Stiftungsbeschluss: Merkelbach 1986, 15–18 (datiert gegen 400 v. Chr.); SEG 36, 1986 (1989), 308 – 309 Nr. 1039; SEG 39, 1989 (1992), 404 Nr. 1238 (datiert ca. 350 v. Chr.); Gauthier 1988, 355 Nr. 396; Pirenne-Delforge 1994, 449; Parker 1996, 49 Anm. 25. – Vgl. für die politische Funktion weiterhin den Kult der Aphrodite Pandamos in Kos, der wahrscheinlich zur Zeit des Internationale Archäologie-ASTK 11 einer archaischen griechischen Polis Naukratis bewahrheiten, kann meines Erachtens auch für die zahlreichen archaischen Kourosstatuetten aus Naukratis, die jetzt in so vorbildlicher Weise vorgelegt wurden289, zumindest zu Teilen angenommen werden, dass sie Weihungen junger Griechen waren, die den Status des wehrhaften Vollbürgers der Polis erreicht hatten. Dieser Status wird in den antiken Quellen mit den Termini ‘Kouros’ bzw. ‘Neos’ bezeichnet und stand häufig unter dem besonderen Schutz Apollons, der selbst als ‘Ur-Kouros’ galt290. Dass er diese Funktion auch in Naukratis besessen haben wird, darauf weist die Tatsache, dass die meisten der Kourosstatuetten aus dem Apollon-DidymeusMilesios-Heiligtum in Naukratis stammen und die Palästra, der ‘Trainingsplatz’ für die jungen Männer, die Kleainetos, Sohn des Aristothemis und Maiandrios, Sohn des Stratonides im 4. Jh. v. Chr. in Naukratis errichteten, dem Apollon geweiht war291. IX. Milet – Didyma und Krisa – Delphi im Vergleich: Der Zusammenhang von Apollon Delphinios, Apollon-Orakel und Kolonisation Im antiken Polisstaat Milet standen sich Apollon Delphinios, der Gott der politischen Einheit, und Apollon Didymeus, der Gott des außerstädtischen Orakels von Didyma als komplementäres Kultpaar Synoikismos von 366/5 v. Chr. eingeführt wurde: Parker 2002, (ebenda 152 Anm. 39 mit weiteren Belegen des Kultes für Paros und Amantia in Epirus); zu Kos vgl. auch Parker 2005, 407 Anm. 84; s. o. Anm. 286. 289 Höckmann 2007, 162. 290 Vgl. hierzu Herda 2006b, 45 – 46 mit Anm. 222; 94 ff. mit Anm. 611 ff.; Herda 2005, 289 mit Anm. 223 – 224; hier Kap. II mit Anm. 38; Kap. VIII mit Anm. 326. Zu Kouroi als Weihungen von Jungbürgern: Herda 2006b, 96 mit Anm. 624; vgl. auch Herda 2006a, 95 – 96 mit Anm. 274 – 275 zu den Kouros-Weihungen im Apollon-Karneios-Heiligtum in Emecik bei Alt-Knidos (Datça/Burgaz). 291 Zu den Fundorten der Kouroi: Höckmann 2006, 17 – 18. 115. Neben dem Apollonheiligtum sind weiterhin das Heraheiligtum der Samier und möglicherweise das Aphroditeheiligtum angeführt: ebenda. – Höckmann dagegen wertet die Kouros-Statuetten in Naukratis in erster Linie als Weihungen von Söldnern (daneben auch von Händlern und Seefahrern), die sich an Apollon und andere Gottheiten wandten, um ihren Schutz zu erflehen: Höckmann 2006, 117. 125 – 126. 143 – 149; s. o. Anm. 237 zur Soter-Funktion des Apollon Milesios Didymeus. Die Möglichkeit, dass die Kourosstatuetten Weihungen von Neubürgern an Apollon sein könnten, lehnt sie (Höckmann 2006, 126) mit dem Hinweis ab, dass »Naukratis vor dem späten 5. Jh. v. Chr. als griechische Siedlung in Ägypten keine Autonomie besaß, wenngleich sie vielleicht einer Polis ähnlich funktionierte«. – Zur Weihung der Palästra: Bernand 1970, 755 – 756. Nr. 20 Taf. 39, 1 – 2: Kleai/netoj 'Aristoqe/mioj, | Maia/ndrioj Stratoni/dew | th\m palai/strhn a)ne/qhkan | 'Apo/llwni; vgl. Bresson 2000, 54 mit Anm. 161. 51 gegenüber. Aufgrund der Kultverbreitung in den Kolonien (Abb. 8) und durch die allerdings nur in kläglichen Fragmenten erhaltene milesische Lokalhistorie lässt sich zeigen, dass die Institutionen beider Kulte als konstitutive Elemente des milesischen Polisstaates spätestens in der ersten Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. eingerichtet worden sind und eine der wesentlichen Grundlagen für die so erfolgreichen Kolonisationsunternehmen Milets bildeten. Den Höhepunkt der rituellen Praxis in der Metropolis stellte das Neujahrsfest im Frühlingsmonat Taureon dar (vgl. Kap. III–III)292. Es begann in Milet mit Opferfeiern für Apollon Delphinios in seinem Heiligtum, dem Delphinion, das zumindest seit dem 6. Jh. v. Chr. im Zentrum der Stadt an der Agora lag (Abb. 1). Anschließend zog die gesamte Polisgemeinschaft in einer feierlichen Prozession nach Didyma, um dort das Neujahrsfest mit Opfern für den Apollon Didymeus zu beschließen (Abb. 3–4). Ziel der Feiern war die Versicherung des göttlichen Beistandes zum Schutz von Polis und Territorium. Die Prozession markierte dabei symbolhaft die beiden Pole des milesischen Staates, das Delphinion und Didyma. Gleichzeitig verband sie aber auch diese Pole als physisches Band, als ‘Achse’ und diente der Repräsentation der milesischen Identität, wie etwa die Stationen oder die Teilnahme des gesamten Demos und der politischen und religiösen Vertreter des Polisstaates deutlich werden lassen. Die Funktion des Apollon Delphinios kann als primär politisch-religiös definiert werden. Er ist der politische Gott des Polisstaates Milet. Alle wichtigen, in diesem Kontext stehenden Funktionsbereiche sind auch während des Neujahrsfestes präsent: Initiiert wird dort der neue Aisymnetes-Stephanephoros als eponymer Beamter, der mit dem Vorstand des Apollon-DelphiniosKultvereins, den Molpoi, zusammen das Prytanenkollegium und damit die Regierung der Stadt bildet. Initiiert werden im Rahmen des Wettkampfs der ‘Hamilleteria’ schließlich auch die Neoi bzw. Kouroi, die »neuen« Bürger, deren Aufnahme in den Bürgerstand das Fortleben der Polis als Institution garantierte. Nicht von ungefähr ist das Bild des Apollon dem eines Kouros gleichgesetzt (Abb. 5). Einen zweiten wesenhaften Funktionsbereich des Apollon Delphinios verdeutlicht das Zeugnis des sog. homerischen Apollonhymnos (ca. 700 v. Chr.) (vgl. Kap. I). Es ist dies der Schutz der Seefahrt und der Kolonisation. Beide komplementären Funktionen verbinden ihn mit dem bronzezeitlichen, hattischhethitischen Gott Telipinu, der irgendwie mit dem minoisch-mykenischen Gott Delphinios zusammen____________________ 292 Vgl. jetzt Herda 2006b, passim. 52 gehört293: Der Gott führt in einer theriomorphen Epiphanie als allmächtiger Delphin294 das Schiff der kretischen Seefahrer aus Knossos sicher nach Krisa, wie etwa Artemis Kithone ‘Hegemone’ später die ionischen Siedler um Neileos in Gestalt eines Hundes nach Ionien geführt haben soll295. Die Knossier sind eigentlich auf Fahrt nach dem peloponnesischen Pylos, die Zuhörer des Hymnos wussten also, dass die Ereignisse in mythischer Vorzeit spielten, dem heroischen Zeitalter, der minoisch-mykenischen Zeit296. Der delphingestaltige Apollon gibt die Richtung vor und sorgt für den nötigen Wind297, damit das Schiff schnellstmöglich an sein Ziel gelange298. In Krisa schließlich bestimmt er in Kourosgestalt, dass ihm als ‘Delphinios’ am Landungsplatz auf dem Strand ein Opferaltar zu errichten sei, auf dem sie weiße Gerstengrütze bzw. weißes Gerstenmehl darbringen sollen299. ____________________ 293 Zum Bezug zwischen Apollon Delphinios und Telipinu vgl. hier Kap. I mit Anm. 10. 294 Die Macht des Tieres wird als unmittelbar erfahrbar beschrieben, wodurch der epiphanische Charakter betont ist; vgl. V. 401: kai\ kei=to pe/lwr me/ga te deino/n te (»Da lag er, ein Untier, ungeheuerlich groß und schrecklich«, Übersetzung A. Weiher). Man vergleiche die plötzliche Epiphanie Pans in einem Geißbock, die U. v. Wilamowitz-Moellendorff erlebte: WilamowitzMoellendorff 1955, 151. 295 Libanius 5, 34; vgl. hier Anm. 118. Götter geleiten in Gestalt theriomorpher Epiphanien regelhaft Kolonisationsunternehmen; vgl. allgemein: RE VI 1 (1936) 862 – 921 bes. 913–916 s. v. Tierdämonen (S. Eitrem); Bourboulis 1949, 57 – 61. 296 Knossos und Pylos zählen im Mythos zu den Zentren des heroischen Zeitalters, ihr tatsächliches bronzezeitliches Alter ist archäologisch hinlänglich nachgewiesen. Zur bronzezeitlichen Verortung der Ereignisse des ‘Homerischen’ Hymnos vgl. unten mit Anm. 322. 349. 297 Vgl. Hymn. Hom. Ap. 419 – 420.: eÃxousa … h)/i'+ o¸do/n, pnoi$= de\ a)/nac e¸ka/ergoj 'A)po/llwn (»Fahrtwind gab ja und Richtung der Herrscher Apollon, der Fernwirkende«, Übersetzung A. Weiher). 298 V. 433 – 437. 299 V. 490 – 498. 508 – 512. Der Altar in Krisa heißt der ‘Delphinische’, da er die Stelle der Anlandung des delphingestaltigen Apollon am Strand markiert und dem Delphinios geweiht ist. Die singuläre Überlieferung der Handschrift ‘M’ (Codex Leidensis 22) für V. 495 – 496. au¹taÜr o¸ bwmo\j | au¹to\j Delfi/nioj kai\ 'Epo/yioj e)/ssetai ai¹ei/ ist also zumindest inhaltlich korrekt und derjenigen der anderen Handschriften vorzuziehen, die V. 496 stattdessen De/lfeioj (korrekt eigentlich Delfai=oj), der »Delphische«, haben: vgl. bereits Farnell 1907, 146 Anm. a; S. 381 Anm. 111. Nach Graf 1979, 5 Anm. 33 paßt allerdings Delfi/nioj nicht ins Metrum des Hexameters, die Bedeutung von De/lfeioj wiederum »verstehe ich nicht« (ebenda). Graf meint daher ebenda: »Man sollte die Stelle mit Gemoll als korrupt ansehen«. – Zum Opfer der »weißen Gerstengrütze« bzw. des »weißen Gerstenmehls« (V. 491. 509 pu=r d' e¹pikai/ontej e¹pi/ t’ a)/lfita leukaÜ qu/ontej) vgl.: Malkin 2000, 77 (»les colons allument un feu à des fins sacrificatoires, puisque ce qu’ils offrent est de la ‘farine blanche’, et non des offrandes brûlées «).– Zu Hom., Od. 14, 77 a)/lfita leuka/ in der Bedeutung »weiße Gerstengrütze« als Teil einer Mahlzeit zusammen mit Ferkelfleisch vgl. Herda 2006b, 70 mit Anm. 400. Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Die ihm dort zusätzlich verliehene Epiklese 'Epo/yioj (»der Auswählende«) verweist darauf, dass Apollon die Knossier als seine o¹rgi/onej, seinen Kultverein, der die o)/rgia, die ‘heiligen Riten’ ausführt, »auswählte«300. Er siedelt sie im phokischen Krisa an, und übergibt ihnen zu ihrem Unterhalt das landeinwärts gelegene Orakelheiligtum von Delphi zur Verwaltung301. Dies Orakelheiligtum hatte er selbst ____________________ 300 Zu Apollons Epiklese ‘Epopsios’, die auch für Zeus belegt ist (vgl. Hesych s. v. 'Epo/yioj; Kallim., hymn. Zeus 82), etwa in Kreta, was in unserem Zusammenhang besonders interessant ist (ein Zeus Epopsios begegnet als Adressat in einer Weihinschrift auf einem steinernen Zeiger für eine Sonnenuhr in Itanos auf Kreta im 4. Jh. v. Chr: Guarducci 1942, 111 zu Nr. IV 11 Z. 1 – 2), vgl. die ältere Forschungsmeinung bei O. Jessen, RE VI 1 (1907) 247 s. v. Epopsios: »Beiwort der Götter, die von ihrer hohen Warte auf die Menschen niederschauen, die Freveltaten erkennen und strafen und Unschuldige schützen.«; vgl. ders., ebenda 248 s. v. Epoptes; Cook 1914, Cook 1925, 1130 – 1131; Kolk 1963, 33 mit Anm. 18. – Der Kult des Apollon Epopsios ist nicht nur in Krisa, sondern auch in Didyma für das frühe 3. Jh. v. Chr. nachgewiesen: Didyma II, Nr. 76 'Apo/llwnoj 'Efoyi/ou (Block einer Rundbasis oder eines Altars); vgl. dazu: Tuchelt 1973, 85. Ehrhardt 1988, 131 – 132 deutet den Ephopsios in Didyma unter Verweis auf Hesych s. v. e¹po/yomai: qewrh/sw als Orakelgott. Vgl. Fontenrose 1988, 120: »The name suits the oracular god, but the dedication to a god so named appears to mean a separate cult, perhaps marked only by an altar (and image?)«. – Mir erscheinen diese Deutungen nicht zutreffend. Vielmehr ist die Epiklese 'Epo/yioj in Hymn. Hom. Ap. 496 eine Anspielung darauf, dass Apollon die Kreter in Krisa als seine ‘Orgiones’ »auswählt«, damit sie den Kult des Delphinios in Krisa und das Orakel des Pythios in Delphi anführen (vgl. die betreffenden Passagen des Hymnos in der folgenden Anm.; dazu auch hier Anm. 69. 351). Vgl. für diese schon bei Hom., Il. 9, 167 (Boten/Herolde) und Od. 2, 294 (Schiffe) nachweisbare Wortbedeutung: Liddell – Scott 1948 – 85 s. v. e¹pio/yomai: »I will choose«. Burkert 1991, 42 mit Anm. 5 weist darauf, dass das Verb e¹pio/yasqai später nur noch in der attischen Sakralsprache gebräuchlich war und »die Inanspruchnahme für sakrale Pflichten« bedeutete. Er weist dazu etwa auf die Auswahl der Arrephoroi durch den Archon Basileus, die als o( basileu\j e¹pio/yato a)rrhfo/rouj bezeichnet wird und altes »sakrales Königsrecht« bedeute (Suda, weitere ältere Beispiele für den Wortgebrauch bei Burkert 1991, 54 Anm. 5). – Wurde der Kult des Ephopsios in Didyma also in Anspielung auf denjenigen in Krisa/Delphi bei der Neugründung des Orakels 331 v. Chr. im Namen des Kultpersonals eingerichtet, das seine Auswahl durch Apollon Didymeus beanspruchte? – Die Kreter als o¹rgi/onej des Apollon in Krisa/Delphi (die überlieferten Handschriften Hymn. Hom. Ap. 389 haben die Akkusativ Plural-Form o¹rgi/onaj, zu erwarten wäre eigentlich o¹rgho/naj oder o¹rgeio/naj) sind den Molpoi im Kult des Apollon Delphinios in Milet direkt vergleichbar: vgl. Herda 2006b, 35 – 37. Vergleichbar sind etwa auch die Branchidai im Kult des Apollon Didymeus in Didyma: hier Anm. 351. 301 V. 388 – 396. 478 – 485. 501. 524 – 543. Der Ort Krisa lag ca. 3,5 km westlich unterhalb von Delphi beim heutigen Ort Chryso und war spätestens seit dem 4. Jt. v. Chr. besiedelt. Zugehörig ist der ca. 1,5 km südlich liegende, bis in die Frühbronzezeit (Anfang 3. Jt. v. Chr.) zurückgehende Hafenort Kirrha (südlich der Magula von Xeropigadi, heute wieder Kirrha), mit dem Krisa schon in der Antike gleichgesetzt wurde und der später zum Heiligtumshafen von Delphi wurde: DNP 6 (1999) 850 – 851 s. v. Krisa (G. Daverio Rocchi); Rousset 2002, 32 – 33. 43 – 44. 185 – 187. 190 – 191. Abb. 1 – 3. – Möglicherweise verbirgt sich hinter Krisa auch ein polisartiges Ethnos, das sich aus mehreren Siedlungen zusammensetzte: Rougemont 2006, 477 Anm. 4; zu solchen Internationale Archäologie-ASTK 11 53 gegründet, indem er den Grundstein des Tempels legte302, den Altar baute und das Altarfeuer entfachte303. Die Darstellung des Hymnos darf nicht einfach als »literarische Mache« abgetan werden304, genausowenig, wie der maritime Aspekt des Delphinios insgesamt zu leugnen ist305. Vielmehr kann im synkretistischen Apollon Delphinios, wie schon Th. Wiegand und andere vermuteten, das minoischmykenische Substrat einer delphingestaltigen Seefahrergottheit ausgemacht werden306, die zusätzlich noch Merkmale des hethitischen Telipinu trägt. Im Rahmen der ‘großen Kolonisation’ in archaischer Zeit erlangte der Apollon Delphinios dann besondere Bedeutung307. Die weite Kultverbreitung im ‘dorischen’ wie ‘ionischen’ Siedlungsraum zeigt jedoch an, dass bereits in protogeometrischer bis geometrischer Zeit im Zuge der Migrationsbewegungen, die gemeinhin als dorische, aiolische und ionische Kolonisation bezeichnet werden, der politische Gott Apollon mit dem Seefahrergott Delphinios zum synkretistischen Kult des Apollon Delphinios vereinigt wurde308. Eines der bestimmenden Elemente seines Kultes dürfte dabei die Verbindung zur Kolonisation gewesen sein. I. Malkin hat herausgearbeitet, dass Apollon im Apollonhymnos als doppelter Gründer (Ktistes) auftritt309: Er gründet nicht nur später das Orakelheiligtum in Delphi, vielmehr veranlasst er die Kreter auch, ihm zuerst als Apollon Delphinios einen Altar bzw. ein Heiligtum am Strand von Krisa zu errichten, wo das von ihm geleitete Schiff glücklich anlandete. Hier werden weitere Funktionen des Apollon deutlich: er ist nicht nur der Gründergott, sondern auch der Schützer der Schiffe (Nhosso/oj), Gott der Küste bzw. des Strandes ( )/Aktioj, 'Aktai=oj) und Gott der glücklichen Landung ('Ekba/sioj/'Ekbath/rioj/ 'Epiba/sioj/'Epibath/rioj) und Ausfahrt ('Emba/sioj)310. Die Einrichtung des Altares des Apollon Delphinios und das anschließende Opfer dort am Strand von Krisa ist als Chiffre für die Gründung der phokischen Polis Krisa durch den Gott selbst zu werten311. Die Kreter aus Knossos, die das Feuer des Altares entzünden, vollführen eine Handlung, die typisch ist für die Gründung einer Kolonie in ‘Ethnosstaaten’ vgl. etwa Morgan 2003, 124 – 126 zu Krisa. Der Apollonhymnos mit der Geschichte von der Gründung des Delphinios weist m. E. aber eindeutig auf ein religiös-kultisches Zentrum, das die Siedlung bzw. der Siedlungsverband, der unter dem Namen Krisa figurierte, besessen haben muss. 302 V. 287. 294 – 295. 303 V. 271. 384. 444. 304 RE VI 1 (1936) 862 – 921 bes. 913–916 s. v. Tierdämonen (S. Eitrem). 305 Die sonst wegweisende Studie von Graf 1979, betont einseitig den politischen Delphinios und spielt die Verbindung zur Seefahrt herunter. Der Aspekt der Kolonisation wird gar nicht berücksichtigt. Zum Apollonhymnos schreibt er ebenda 21: »Die Ableitung vom Delphin, schon im Apollonhymnus vorausgesetzt und dort wohl mit ein Grund dafür, dass der Gott mit der Seefahrt verbunden wurde, erweist sich bei der vorgetragenen Deutung des Kultes als problematisch.« Vgl. Graf 1985, 219: »Auch diese Form des Apollon (der A. Delphinios, A. H.), irrigerweise oft als Gott der Seefahrt bezeichnet, kreist um die Sorge für die Epheben und ihre Aufnahme in das staatliche Leben.«; vgl. ebenda 57. Graf folgen z. B. Ehrhardt 1988, 421 Anm. 341; Trümpy 1997, 187; Gorman 2001, 169. 171. 194; Parker 2003, 179. 181 (dazu hier Anm. 9). 306 Th. Wiegand, in: Milet I 3, 407; vgl. ältere Literatur bei Graf 1979, 2 Anm. 1 – 4; Herda 2005, 246 mit Anm. 17; 287 mit Anm. 209. 212; hier Kap. V mit Anm. 161. Der Delphin ist bereits in der minoischen und mykenischen Ikonographie v. a. der Siegel als ‘Dämonisches Wesen’ Helfer des Göttlichen, indem er bei Opferungen assistiert: Marinatos 1986, 48 ff. 71 Abb. 33. 34. 36. 38. 39; Czernohaus 1988, 169 – 184; vgl. Jung 1997, 144 – 145 mit Anm. 79. Zu tiergestaltigen ‘Dämonen’ in der mykenischen Ikonographie vgl. auch Graf 1997, 496. 307 Vgl. bereits: Gruppe 1906, 1226 ff. Ältere Literatur weiterhin bei: Graf 1979, 2 mit Anm. 1 – 3; vgl. außerdem: Leipunska 1964, 22; Losev 1957, 277; vgl. dazu Onyshkevych 1998, 41 Anm. 93. 308 Graf 1979, 21 – 22; Graf 1985, 129 weist darauf, dass Apollon Delphinios im nordionischen Erythrai verehrt wurde (vgl. hier Anm. 144), im direkt nördlich angrenzenden äolischen Siedlungsraum bisher jedoch noch nicht nachgewiesen werden konnte. Er folgert, dass der Gott »wohl der ionischen Siedlerschicht angehört«. Vgl. dazu bereits Bourboulis 1949, 47. 61, die den ihrer Meinung nach aus Attika herstammenden ‘ionischen’ Delphinios dem ‘dorischen’ Karneios gegenüberstellt. Wilamowitz-Moellendorff 1955, 142 mit Anm. 1 – 2 ging dagegen davon aus, der Apollon Delphinios sei überhaupt erst mit der von Delphi geleiteten archaischen Kolonisation entstanden. 309 Malkin 2000, 72. 310 Malkin 2000, 76; vgl. Malkin 1986, 960. 971. Man vgl. auch Graf 1979, 5: »Steht wirklich hinter der eben erzählten Episode des Hymnos ein Opfer der ankommenden Pilger in Krisa, so könnte daraus die Funktion des Apollon Delphinios als Geleiter der Seefahrer gelesen werden. Anderswo gelten solche Opfer Apollon Epibasios, gehören so jedenfalls in den Funktionsbereich Apollons« mit Hinweis auf Apoll. Rhod. 1, 404. – Zum Kult des Apollon 'Ekba/sioj in der milesischen Kolonie Kyzikos vgl. hier Kap. IV mit Anm. 127 – 130. 311 Vgl. Malkin 2000, 71. 76 – 77, der allerdings nicht von der Gründung der Polis Krisa, sondern der Polis Delphi ausgeht. Eine Polis Delphi konnte allerdings erst nach der Zerstörung von Krisa im sog. ersten Heiligen Krieg ca. 600 v. Chr. entstehen: vgl. schon: RE IV 2 (1901) 2547 – 2553 s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen); Graf 1979, 4 – 5; Herda 2006b, 273 – 274. Anm. 1936. Bis zu diesem Zeitpunkt unterstand das Orakelheiligtum der Polis Krisa, wie der vom Apollonhymnos beschriebene Prozessionsverlauf Krisa–Delphi deutlich macht. Entsprechend ist das Aufkommen der volksetymologischen Ableitung des Ortsnamens Delphi von Delphinios auch erst nach der Zerstörung von Krisa zu denken, als die neue Polis Delphi die Kontrolle über den Kult des Apollon Delphinios in Krisa und seinem Hafenort Kirrha gewann: Graf 1979, 4-5. Möglicherweise wurde der Ortsname Delphi/Delfoi/ statt des älteren Puqw/ sogar jetzt erst in Anlehnung an den Kultnamen des Delphinios eingeführt: RE IV 2 (1901) 2527 s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen). – Zu Krisa/Kirrha vgl. hier Anm. 301; DNP 3 (1997) 411 – 412. s. v. Delphoi (G. Daverio Rocchi); DNP 6 (1999) 850 – 851 s. v. Krisa (G. Daverio Rocchi); zum Heiligen Krieg: DNP 5 (1998) 251 – 252 s. v. Heilige Kriege (K.-W. Welwei). – In diese Zeit (6. Jh. v. Chr.) gehört vielleicht auch der Mythos von dem Kreter Kastalios, der unter Führung des Apollon Delphinios Delphi als kretische Kolonie gegründet und ein Heiligtum des Apollon Delphinios erichtet haben sollte: Etym. Magn. s. v. Delfi/nioj; Tzetzes Schol. Lykophr. 207; vgl. Bourboulis 1949, 12 – 13. Nr. 36. 38; S. 23 – 24. Anm. 1. 54 archaischer Zeit. Das erste gemeinsame Feuer der Siedler ist dabei mit der koinh\ e¸sti/a, dem Heiligen Herd im Prytaneion der neugegründeten Polis gleichzusetzen312. Die Parallele zu Milet ist wieder schlagend: auch dort ist der Heilige Herd im Delphinion zu suchen, so wie übrigens auch in Milets Kolonie Olbie Polis, im kretischen Dreros und in Hyrtakina313 und – was eine weitere enge Parallele zum Aussagegehalt des homerischen Hymnos bietet – in Knossos, der Heimatstadt der von Apollon ausgewählten kretischen Seefahrer314. Für Milet ist zudem der Gründungsakt des Gottes selbst in einer allerdings nur fragmentarisch erhaltenen literarischen Beschreibung erhalten: Wie Kallimachos berichtet, landete Apollon (Delphinios) von Delos, seinem Geburtsort, kommend auf einem Delphin reitend im milesischen Vorort Oikous315. Die Tradition der Gründung eines Altares bzw. eines Heiligtums am Strand von Milet durch den Gott selbst ist in Analogie zum Apollon-Hymnos vorauszusetzen, wenn uns auch die Überlieferung hierfür bisher fehlt. Anzeiger für eine solche bei den Milesiern gültige Vorstellung ist die Tatsache, dass die Molpoi als Kultverein des Apollon Delphinios, zuvorderst aber ihr Vorsitzender, der Aisymnetes-Stephanephoros, nicht nur den Kult des Apollon Delphinios besorgten, sondern auch für die Pflege des Hestia-Prytaneia-Kultes in Milet zuständig waren316. Sie pflegten den auf Veranlassung des Gottes errichteten Heiligen Herd und wurden damit symbolhaft gesprochen zu den Hütern des gottgegebenen milesischen Staates. Umgekehrt konnte Apollon Delphinios selbst, wenn sich kein milesischer Bürger für das kostspielige Amt des AisymnetesStephanephoros fand, zum Aisymnetes- Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Stephanephoros werden317, wodurch die für uns Heutige merkwürdig anmutende Situation entstand, dass der Gott – zumindest symbolisch – seinem eigenen Kult vorstand und gleichfalls für den Kult der Hestia zu sorgen hatte. Ein weiteres Problem besteht darin, dass nach Kallimachos, der hier sicherlich die milesische Lokalhistorie zitiert318, der Apollon Delphinios am Strand des milesischen Vorortes Oikous landete und nicht in Milet selbst, wo das historische Delphinion am südöstlichen Strand der Löwenbucht lag (Abb. 1). Oikous galt den Milesiern als die erste Siedlung der Minoer, bevor sie auf einer nahegelegenen Insel eine neue Siedlung gründeten, die nach dem minoischen Gründer bzw. einer gleichnamigen Siedlung auf Kreta ‘Milatos’, bzw. später ionisch-griechisch ‘Miletos’, benannt wurde319. Wenn der Apollon Delphinios in Oikous landete, dann lokalisierte dort die milesische Tradition auch das erste (minoische) Heiligtum des Gottes320. Das Delphinion am Löwenhafen konnte danach nur dasjenige sein, das bei der Verlegung der minoischen Siedlung vom Festland auf die Insel neu eingerichtet wurde. Dorthin, so dürfen wir den nur in Fragmenten erhaltenen Gründungsmythos ergänzen, brachten die ionischen Gründerheroen um den Kodros-Sohn Neileos schließlich auch die Flamme des Heiligen Herdes des Prytaneions von Athen, um das politische Zentrum des ionischen Milet neu zu gründen321. Abwegig erscheint diese Rekonstruktion des Gründungsmythos keineswegs, zumal der im ‘Homerischen’ Apollonhymnos überlieferte Gründungsmythos von Krisa, versinnbildlicht in der ____________________ 317 ____________________ 312 Malkin 2000, 77; vgl. Detienne 1990, 307. 310. Zum Heiligen Herd und seiner Bedeutung bei Kolonisationsunternehmen vgl. umfassend Malkin 1987, 114 – 134. 313 Vgl. Herda 2005, 276 – 277 mit Anm. 158 – 159. – Zu Dreros und Hyrtakina vgl. jetzt: D’Acunto 2005, 46 –48. 55. Ebenda 48 geht D’Acunto jedoch davon aus, dass das Prytaneion von Dreros nicht im Herdtempel an der Agora zu suchen ist, den er mit dem Delphinion gleichsetzt (ebenda 22 – 24). Zur Identifizierung des Delphinions von Dreros vgl. hier Anm. 38. 314 Im Delphinion von Knossos wurden laut Aussage von Inschriften zumindest seit dem 3. Jh. v. Chr. Proxeniedekrete aufgestellt, was auf die Abhaltung von Gastmählern am Staatsherd ebendort hinweist: Guarducci 1935 (= ICr I), VIII Nr. 8 (201 v. Chr.). 10 (3./2. Jh. v. Chr.). 12 (Ende 2. Jh. v. Chr.). Zudem standen hier wie im Delphinion von Milet Staatsverträge: ICR I, VIII Nr. 6 (um 250 v. Chr.). 13 (nach 145 v. Chr.?); ICR I, XVI Nr. 3 – 5 (Ende 2. Jh. v. Chr.); vgl. Graf 1979, 10 mit Anm. 85. Zur Datierung der knossischen Urkunden vgl. Herda 2006b, 276 Anm. 1951. – Vgl. außerdem den milesischen Vertrag mit Knossos (Milet I 3, Nr. 140 A Z. 7 – 8; ca. 260 – 220 v. Chr.), der ausdrücklich im Apollon (Delphinios)-Heiligtum in Milet und im Apollon (-Delphinios)-Heiligtum in Knossos aufgestellt werden sollte. 315 Kallim., Branchos fr. 229 Z. 12 – 13. (Pfeiffer); Herda 2005, 288 – 289. mit Anm. 216 – 219; 291 mit Anm. 230; vgl. hier Kap. I mit Anm. 17. 316 Vgl. hier Kap. I mit Anm. 23. Zu Apollon Delphinios als Aisymnetes-Stephanephoros: Herda 2006b, 39 – 40. Anm. 175; 35 mit Anm. 153; 76 Anm. 440; 293 mit Anm. 2085; 409 mit Anm. 2904. 318 Vgl. zur »intensiven Heranziehung« der milesischen Lokal- und Gründungsgeschichten durch Kallimachos: Ehrhardt 2003b, 284. 319 Vgl. Schol. Dion. Periheg. 825; dazu: Herda 2005, 288 – 289. mit Anm. 216 – 219. Die Tradition von Milatos als mythischem Gründer Milets lässt sich bis zu Herodoros von Herakleia FGrHist 31 F 45 (5. Jh. v. Chr.) zurückverfolgen, ist also älter als die Erwähnung bei Ephoros FGrHist 70 F 127 (4. Jh. v. Chr.): Sourvinou-Inwood 2005, 269 – 270. mit Anm. 149. Ephoros als älteste Quelle vermutete dagegen: Prinz 1979, 97 ff. bes. 109 – 111 zu Test. 80; danach z. B. DNP 8 (2000) 170 s. v. Miletos [1] etc., (L. Käppel). – Anknüpfungspunkt für diesen Mythos war die Homonymie des Ortsnamens der Siedlung am Golf des Mäander mit dem kretischen Milatos: Prinz 1979, 107. 111; Gorman 2001, 19 – 20; vgl. schon Ephoros. – Die neuesten Ergebnisse der Grabungen im bronzezeitlichen Milet, dem Mil(l)awanda/Milawata der hethitischen Texte, lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass der Ortsname Millawanda-Miletos tatsächlich auf ein kretischminoisches Toponym *Mil(l)Mtos zurückgeht: Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 215 – 216. 320 Vgl. auch Parke 1985, 226 Anm. 7: »Callimachus fr. 229. He described Apollo as brought by a dolphin from Delos, Oi¹kou/s]ion ei¹j a)/stu. The use of the periphrasis for Miletus [gemeint ist ‘Oikous’, A. H.], as George Huxley points out to me, may be meant to suggest a pre-Ionian setting«. 321 Vgl. Hdt. 1, 146; dazu: Malkin 1987, 117 ff.; Herda 2006b, 159 – 160 mit Anm. 1145–1147. Internationale Archäologie-ASTK 11 Gründung des Delphinions am Strand von Krisa durch Apollon selbst, ebenfalls in der heroischen Zeit angesetzt ist, in der die minoischen Kreter zum mykenischen Pylos enge Kontakte besaßen. Außerdem folgten die griechischen Gründungsmythen, wie F. Prinz festgestellt hat, immer dem Ziel, das Alter einer Stadt »in ältestmögliche Zeit hochzudatieren«322. Der archäologische Befund zeigt freilich im Delphinion am Löwenhafen ein ganz anderes Bild: Am Ort kann das Heiligtum erst im 6. Jh. v. Chr. entstanden sein, es wurde also erst zu diesem Zeitpunkt dorthin verlegt323. Und auch die Religionsgeschichte lässt vermuten, dass der synkretistische Apollon Delphinios-Kult erst in der frühen Eisenzeit (11.–10. Jh. v. Chr.) entstanden ist, wenn er sich auch aus den wohl bronzezeitlichen Göttern Apollon und Delphinios zusammensetzt (vgl. Kap. I). Der Apollon Delphinios dürfte aber zumindest nach der Vorstellung der Milesier mythischer Gründer ihres sakralen und politischen Zentrums und damit auch des Polisstaates als Ganzem gewesen sein, was ihn direkt mit dem bronzezeitlichen hethitischen Gott Telipinu vergleichbar macht. Apollon Delphinios war gleichsam die Personifikation der Staatlichkeit. In identischer Funktion erscheint er wie oben erschlossen wurde etwa auch in Krisa, Dreros, Knossos und Olbie Polis. In Athen wird dieser Bezug durch die enge Verbindung des Apollon Delphinios mit dem attischen Staatsgründer und Heros Theseus deutlich324. In der Inselpolis Aigina wurde Apollon (Delphinios) im Monat Delphinios als Oi¹kisth/j (»Gründer [der Stadt]«) und Dwmati/thj (»zum Haus [des Staates] gehörend«) im dortigen Delphinion geopfert, wodurch auch in Aigina der Apollon Delphinios-Kult – neben demjenigen des Zeus – als wichtigster Staatskult erkennbar wird, das Delphinion als Zentrum des Staates (Prytaneion)325. ____________________ 322 Prinz 1979, 109. Vgl. zu den verschiedenen Mythenversionen der Gründung Milets, die insgesamt dem Ziel dienten, den Ursprung der Polis in möglichst weit zurückliegende mythische Zeit zurückzuverfolgen: Herda 1998, Hauptblatt 9 – 10 Anm. 52 – 53; Herda 2006b, 308 mit Anm. 2192; Sourvinou-Inwood 2005, 268 – 309. Zur mythischen Kolonisation von Kyzikos durch die Argonauten vgl. hier Kap. IV mit Anm. 130. – Zum zeitlichen Ansatz der Gründung Krisas und Delphis in minoisch-mykenischer Zeit vgl. oben mit Anm. 296. Nach Homer, Od. 8, 79 – 81 war das Orakel in Delphi bereits vor dem trojanischen Krieg tätig: vgl. unten mit Anm. 349. 323 Hierzu Herda 2005, 258 mit Anm. 78; 290 – 291 mit Anm. 229 – 230. 324 Farnell 1907, 146; Bourboulis 1949, 38 – 43; Graf 1979, 9 – 10. 13 – 19. 325 Zum Opfer an Apollon ‘Oikistes’ und ‘Domatites’ in Aigina vgl. Schol. Pind., Nem. 5, 81a = Pythainetos FGrHist 299 F 6 (2. Jh. v. Chr.); dazu: Farnell 1907, 135. 148. 367 – 368. Anm. 34 d; Bourboulis 1949, 11 Nr. 26; S. 61. 70; Graf 1979, 4. 18 – 19. – Zu Apollon (Delphinios?) Oikistes in Aigina vgl. den Apollon (Didymeus) Archegetes Oikistes in Kyzikos (Ail. Arist., or. 16, 237; dazu hier Kap. IV mit Anm. 122 – 125) bzw. den Apollon (Pythios) Archegetes in Naxos: Thuk. 6, 3, 1; dazu hier Kap. IV mit Anm. 55 Die Doppelfunktion des Apollon Delphinios als politischer Gott und Gott der Seefahrt und Kolonisation ist für Milet aus dem Vergleich mit dem ‘homerischen’ Apollonhymnos problemlos zu erschließen. Die Parallelen betreffen sogar die bildliche Gottesvorstellung: Wie im Hymnos, so figuriert der synkretistische Gott auch in Milet als anthropomorpher Kouros (Abb. 2) und theriomorpher Delphin326. 126; Kap. IX mit Anm. 334 – 335. – Farnell 1907, 148 übersetzt Dwmati/thj (von dw½ma, »Haus«, abgeleitet) mit »builder of the home«; Liddell – Scott 1948 – 85 s. v. dwmati/thj übersetzen mit »belonging to the house«. O. Jessen, RE V 1 (1903) 1294 s. v. Domatites setzt den Domatites in Anlehnung an Wide 1893, 46. 84 – 85 mit dem Apollon Oi¹ke/thj gleich und deutet ihn als »Hausund Gentilgott« (vgl. Wide 1893, 46: »der im Hause verehrte«). F. Jacoby, FGrHist, Dritter Teil b, Kommentar zu Nr. 297 – 607 (Noten) (1955, Reprint 1969) 3 Anm. 7 meinte dazu übertrieben skeptisch: »Die Deutung als ‘Haus- und Gentilgott’ (Sam Wide Lakon. Kulte p. 46; 84) ist leider keineswegs sicher.« – Nach dem hier Ausgeführten wird mit dem »Haus« das »‘Urhaus’ des Staates« respektive das Prytaneion als Regierungssitz der Polis Aigina mit dem Heiligen Herd im Zentrum gemeint sein, das im Delphinion von Aigina zu suchen ist. Hierfür spricht zudem, dass auch die Herdgöttin Hestia den Beinamen Dwmati=tij führte: Aischyl., Ag. 968 (im Palast des Agamemnon in Mykene); vgl. Wide 1893, 46; Jessen a. O. – Das Prytaneion von Aigina ist in einer Inschrift des 2. Jhs. v. Chr. im Zusammenhang mit der dortigen öffentlichen Speisung (Sitesis) eines Pergameners genannt: M. Fränkel, IG IV 1 (1902) 1 ff. Nr. 3 Z. 44 – 45. si/th|s]in e¹n prutanei/wi (Ehrung für Kleon, Sohn des Strategos, ca. 158 – 144 v. Chr.); vgl. dazu: Walter-Karydi 2000, 95 mit Anm. 19. Zu Apollon Delphinios in Aigina vgl. Herda 2006b, 248 – 249 mit Anm. 1770. Auf den Kult ist auch in Pind., Isth. 9, 6 f. angespielt, wo die Aigineten »wie Delphine in der See« beschrieben werden: Hornblower 2007, 287 Anm. 3. – Der ‘Aiginetische’ Apollon, dem ein gewisser Sostratos (wahrscheinlich der aiginetische Händler, den Herodot 4, 152 erwähnt) ca. 500 v. Chr. einen Steinanker im etruskischen Gravisca (griech. Agylla) im dortigen Heiligtum des griechischen Emporions weihte (Jeffery 1961, 416. 439 – 440. Inschrift Aigina »E«; Taf. 73, 7: 'Apo/…lon…oj 'Aigina/…ta e¹m…i\ So/st…ratoj… e¹poi/e…se ho [?I]…[--]; Boardman 1988, 206 mit Abb. 245: Johnston 2000, 15 – 16. Nr. 1), ist m. E. der Apollon Delphinios. Demgegenüber nimmt Walter-Karydi 2001, 97 an, es habe sich hier um den Apollon Pythios gehandelt, der in Aigina ein großes Heiligtum mit einem Bankettgebäude, dem sog. Thearion, besaß: vgl. Pind., Nem. 3, 70 mit Scholien; dazu: Walter-Karydi 2001, 87 – 95 Abb. 2 – 5. – Den überragenden Rang des Zeuskultes in Aigina erweist die von Herodot (2, 178) überlieferte Information, die Aigineten hätten in Naukratis ein Heiligtum des Zeus eingerichtet, wie dies die Milesier für ihren Hauptgott Apollon und die Samier für ihre Stadtgöttin Hera getan hätten. Dieser Zeus war wahrscheinlich der Zeus Hellanios, der auf dem Berg Panhellanios verehrt wurde: s. o. Kap. VII mit Anm. 211 – 212. 326 Zu Apollon Delphinios als Kouros im Apollonhymnos: hier Kap. I mit Anm. 38 (ebenda mit Hinweis auf die ungefähr zeitgleiche Darstellung des Gottes aus dem Delphinion von Dreros); – als Delphin: oben mit Anm. 294 – 299. Münzzeichen der Polis Delphi war in spätarchaischer und frühklassischer Zeit neben dem Widder der Delphin (vgl. etwa: Head 1884, 24 – 25 Taf. 4, 1 – 12), ebenso trug die Kassettendecke im spätarchaischen Apollontempel von Delphi wahrscheinlich Delphindarstellungen (vgl. die Darstellung auf den Rückseiten delphischen Tridrachmen der frühklassischen Zeit: Franke – Hirmer 1972, 102 – 103 Taf. 146 unten rechts). Diese Darstellungen sind nicht nur als Anspielung auf die Ableitung des Ortsnamens Delphi von Delphin zu deuten (ältere Literatur bei Herda 2006b, 273 – 274 mit Anm. 1936), sondern sind 56 In diesem Kontext ist weiterhin darauf zu verweisen, dass der Beginn der Hauptseefahrtssaison wahrscheinlich mit dem milesischen Neujahrsfest für Apollon Delphinios und Apollon Didymeus zusammenfiel, das im Monat Taureon, der unserem April/Mai entspricht, gefeiert wurde327. Die weite Verbreitung des Kultes in den milesischen Kolonien kann als wichtiges zusätzliches Indiz für eine Doppelfunktion gewertet werden (Abb. 8)328. Apollon Delphinios war prädestiniert, als Stadtgott in den politisch eigenständigen Kolonien zu dienen. Eine Parallele hierfür bietet die Übertragung des Apollon-Delphinios-Kultes vom nordionischen Phokaia in dessen Kolonie Massalia, die wahrscheinlich wie auch die Übertragung des ArtemisEpheseie-Kultes dorthin, vom Orakel des Apollon Didymeus sanktioniert worden ist329. auch auf den Kult des Apollon Delphinios in Krisa zu beziehen, der nach der Zerstörung Krisas von der neuen Polis Delphi übernommen worden sein dürfte: s. o. Anm. 311. – Zu Apollon Delphinios als Kouros in Milet vgl. man die Darstellung des von Demetrios gegen 100 v. Chr. geschaffenen Kultbildes für das Delphinion in Milet. Es zeigt den Gott als nackten jungen Mann: hier Kap. I mit Anm. 29; Abb. 2. Auch den ‘rationalisierten’ Delphinreiter Apollon Delphinios, wie ihn Kallimachos, Branchos fr. 229 Z. 12 – 13 überliefert (vgl. hier Kap. I mit Anm. 17; Kap. IX mit Anm. 315), hat man sich als Kouros vorzustellen. Die Mythenrationalisierung, seit Hekataios gern geübt (vgl. etwa: Graf 1987, 117 ff. 168 ff.), blühte unter dem EinFluss des Aristoteles in der alexandrinischen Akademie, etwa bei Theophrast, Palaiphatos und eben Kallimachos: Brodersen 2002, 9 ff. – Ursprünglicher dürfte allerdings die Vorstellung sein, dass Apollon Delphinios als Delphin das Meer durchquert und erst am Strand zum Kouros mutiert: Herda 2005, 287 Anm. 212. Für die Delphingestalt vergleiche man die spätarchaischen Münzen der milesischen Kolonie Olbie Polis, die wie der Gott selbst als Delphin gebildet sind: hier Kap. V mit Anm. 160 – 161. 327 Farnell 1907, 148; Bilabel 1920, 82; Bourboulis 1949, 63 – 69 (sie unterscheidet den eigentlichen Beginn der Seefahrt zur Zeit der Großen Dionysia in Athen im Monat Artemision [März/April; vgl. Theophr., char. 3] vom Beginn der Hauptseefahrtssaison im April/Mai); dagegen Graf 1979, 6 – 7, der dieser Unterscheidung nicht folgt und den Beginn der Hauptseefahrtssaison im Artemision ansetzt. 328 Vgl. schon Bourboulis 1949, 77 – 78, deren Resümée mit dem Kult in Milet endet. Allerdings hat Bourboulis die politische Komponente des Kultes weitgehend verkannt. 329 Zum Kult des Apollon Delphinios und der Artemis Epheseie in Massalia vgl. Strab. 4, 1, 4 p. 179c; dazu: Salviat 2000, 25–31 (vgl. dazu hier Anm. 149). Zu Apollon Delphinios als Hauptgott Massalias auch: Salviat 1992, 143 – 144; Herda 2006b, 275 Anm. 1945. Furtwängler 1978, 290. 293 verbindet zwei massaliotische Silbermünzemissionen mit dem Delphinioskult: Obolen mit einem jugendlichen Männerkopf mit Krobylosfrisur (ebenda 110 – 122 Groupe C; Taf. 3 – 5; ca. 490 – 470 v. Chr.) sowie Hemitetartemoria mit Delphinköpfen (ebenda 272 – 273 Groupe BB, BBa; Taf. 39; ca. 490 – 470 v. Chr.). – Aufgrund des Befundes in Massalia ist der Apollon-Delphinios-Kult für die Mutterstadt Phokaia vorauszusetzen, wieder in Analogie zum Befund in Milet und seinen Kolonien; vgl. schon RE IV 2 (1901) 2547 s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen); Bilabel 1920, 83 und bes. 243 der vermutete, »dass der Delphinios die Phokäer nach Massalia führte«; vgl. auch Gorman 2001, 170 Anm. 11. Dies ist von Graf 1979, 3; Graf 1985, 410 – 417 nicht berücksichtigt worden. Salviat 2000, 28 leitet den Kult des Apollon Delphinios in Massalia stattdessen nicht Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Die Parallelisierung der Situation in Milet – Didyma mit derjenigen in Krisa – Delphi geht noch weiter: Die im Apollonhymnos beschriebene Prozession von Krisa zum Orakelheiligtum in Delphi, die Apollon Phorminx spielend anführt, während die Kreter ihm Paiane singend folgen, kennzeichnet die Richtung der Kultverbreitung des Gottes: zuerst Krisa, dann Delphi. Man vergleiche wieder die Situation in Milet, wie sie Kallimachos in seinem ‘Branchos’ beschreibt: Apollon landet zuerst auf einem Delphin reitend in Oikous-Milet. Dann erst trifft er, von dort kommend, in einem Wald im Gebiet von Milet den Hirten Branchos. Am Ort des Treffens gründet er das Orakel und macht Branchos zum ersten Mantis330. Andererseits wird durch den Prozessionsritus die enge Zusammengehörigkeit von Krisa und Delphi – auf die übrigens schon Homer anspielt – deutlich gemacht. Letztere Funktion hat auch die Neujahrsprozession zwischen Milet und Didyma, deren Anfänge bis in die Jahre um 700 v. Chr. zurückverfolgt werden können331. In beiden Fällen ist also zumindest ursprünglich ein Orakelheiligtum durch eine Prozessionsstraße fest an eine Polis angebunden, deren religiös-politisches Zentrum, d. h. Prytaneion, ein Apollon-Delphinios-Heiligtum bildet. Der Unterschied liegt in der späteren Entwicklung: Während das Orakel von Pytho-Delphi schon früh einen panhellenischen Charakter erlangte und spätestens nach der Zerstörung der Polis Krisa im ersten ‘Heiligen Krieg’ (ca. 600 v. Chr.) gänzlich unabhängig wurde, sich sogar die Herrschaftsverhältnisse zwischen beiden Orten in dem Sinne umkehrten, dass jetzt Krisa/Kirrha mit seinem Delphinion zu einer Art Heiligtumshafen für die neue Polis Delphi wurde, Delphi selbst ein eigenes, neues Prytaneion erhielt332, blieb das Orakel von Didyma aus Phokaia, sondern aus Milet her. – Zur Übertragung des Artemis-Epheseie-Kultes vgl. hier Kap. IV mit Anm. 148 – 149. 330 Kallim., Branchos fr. 229 (Pfeiffer); vgl. Dieg. 10, 14. – Die knapp gehaltene Bemerkung in Dieg. 10, 14 und der fragmentarische Zustand des Kallimachos-Gedichtes führen immer wieder zu dem Missverständnis, Apollon sei als Delphinreiter direkt bei Didyma gelandet: vgl. hier Kap. I mit Anm. 17. Die Analogie der Situation in Krisa-Delphi, wie sie der Homerische Apollonhymnos liefert, kann stattdessen als Indiz gewertet werden, dass Apollon nach dem Verständnis der Milesier erst in OikousMilet landete, bevor er dann nach Didyma zog, um sein Orakel zu gründen. 331 Zur Prozession Krisa–Delphi vgl. Hymn. Hom. Ap. 513 – 523; vgl. Herda 2006b, 268 – 271. – Homer, Il. 2, 519 – 520 nennt Pytho (der alte Name von Delphi; s. o. Anm. 311) mit Krisa in einem Zug als von den Phokern Epistrophos und Schedios, Söhnen des Iphitos, beherrscht: Puqw=na/ te petrh/essan | Kri=sa/n te zaqe/hn. 332 Vgl. zur Zerstörung der Polis Krisas hier Anm. 311. Zu Krisa als Heiligtumshafen von Delphi vgl. bes. Graf 1979, 5. Zur Identität von Krisa und Kirrha vgl. hier Anm. 301. Zum Prytaneion von Delphi und seinem Heiligen Herd vgl. Miller 1978, 11. 17. 30. 139 – 140 Nr. 26; S. 159 Nr. 139; S. 171 Nr. 212; S. 187 – 189 Nr. 288 – 305; S. 227 – 228; Malkin 1987, 118 – 119. Zu den Prytanen von Delphi vgl. Roux 1970, 117 – 132. Zur möglicherweise erst gegen Internationale Archäologie-ASTK 11 immer als ‘extraurbanes’ Heiligtum an Milet angebunden und wurde von der Polis kontrolliert. Schlussendlich ist noch einmal auf die Bedeutung der beiden Orakel in Delphi und Didyma für die Kolonisation einzugehen: Die Rolle Delphis bei den Kolonisationsunternehmen der griechischen Poleis ist in vielen Studien eingehend behandelt worden333. I. Malkin konnte plausibel machen, dass Delphi schon für die chalkidische Gründung Naxos auf Sizilien (gegründet ca. 730 v. Chr.) Pate stand334. Der dort verehrte Apollon Archegetes ist der Apollon Pythios von Delphi in seiner Funktion als ‘Anführer’ der Kolonisten335. Seinem panhellenischen Charakter entsprechend sanktionierte Delphi die Kolonisation vieler verschiedener Griechenstädte vor allem im westlichen Mittelmeer und in Nordafrika. Sein weiter Wirkungskreis sicherte ihm eine entsprechend große Klientel, die auch mehr Einnahmen für das Heiligtumspersonal in Delphi bedeutete. Dieses Vorgehen ist durch den Gott selbst legitimiert: Im Apollonhymnos animiert er die knossischen Händler, sein Kultverein zu sein. Ihre Zweifel an der Lukrativität des Unternehmens, sich an einem unfruchtbaren und ungeliebten Ort niederzulassen (V. 529 ou)/te trughfo/roj h(/de g’ e¹ph/ratoj), wischt er mit der Aussicht auf einträgliche Geschäfte durch das Orakel hinweg (V. 478 f.)336: a)ll' e¹nqa/de pi/ona nho\n, eàcet' e¹mo\n polloi=si tetime/non a)nqrw/poisin: »Ihr werdet Besitzer hier meines schatzreichen Tempels, den viele Menschen verehren.« (Übersetzung A. Weiher) Apollon Wie hier gezeigt wurde, trat das Orakel des Didymeus Milesios demgegenüber – 600 v. Chr. erfolgten Umbenennung von Pytho in Delphoi vgl. hier Anm. 311. 333 Beispielhaft Malkin 1987, 17 – 91; vgl. hier Anm. 101. 334 An der Gründung war neben der Polis Chalkis auf Euböa auch die kykladische Inselpolis Naxos beteiligt, was die Namensgebung der Kolonie erklärt: Hellanikos FGrHist 4 F 82; Thuk. 6, 3, 1; Diod. 14, 88, 1; vgl. dazu, DNP 8 (2000) 765 – 767 s. v. Naxos 1 (H. Sonnabend); DNP 8 (2000) 767 – 768 s. v. Naxos 2 (G. Falco – E. Olshausen). 335 Zum Apollon Archegetes im sizilischen Naxos (Thuk. 6, 3, 1) und seiner von Malkin erkannten Verbindung zum Apollon Pythios vgl. hier Kap. IV mit Anm. 126. Dem Apollon (Pythios) Archegetes in Naxos ist etwa auch der Apollon (Didymeus) Archegetes Oikistes in Kyzikos (Ail. Arist., or. 16, 237; vgl. dazu hier Kap. IV mit Anm. 122 – 125) oder der Apollon (Delphinios) Oikistes Domatites in Aigina vergleichbar (Schol. Pind., Nem. 5, 81 = Pythainetos FGrHist 299 F 6; dazu hier Kap. IX mit Anm. 325). 336 Vgl. auch V. 482 – 483. 501. 524 – 543; s. o. mit Anm. 300. Den Reichtum des Orakels von Delphi an Dreifüßen (vgl. Hom. Hymn. Ap. 265) und Tieren (Rinder, Schafe, Pferde) kennt schon Homer, Il. 9, 404 – 405. 57 entsprechend seiner engen Anbindung an eine einzelne Polis, nämlich Milet – als oberste Instanz und Schutzmacht der milesischen Kolonisation auf, die insbesondere auf die Kontrolle der Propontis und des Schwarzen Meeres mit all ihren Ressourcen abzielte. Eindeutig wird dies durch den Orakeltext auf dem Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis für das spätere 6. Jh. v. Chr. erwiesen (Abb. 7a-c)337. Die phokäische Kolonie Massalia im Rhônedelta (gegründet ca. 600 v. Chr.) scheint etwas aus dem Rahmen zu fallen. Gesetztenfalls, diese Gründung ist tatsächlich mit Hilfe des Orakels von Didyma und nicht Delphis geschehen, würde sich eine Konkurrenz zwischen Delphi und Didyma338 in dem Sinne andeuten, dass Didyma nicht nur die Kolonisation Milets, sondern auch diejenige weiterer ostionischer Poleis sanktionierte, die dann gegebenenfalls ihre Kolonien auch im EinFlussbereich des Orakels von Delphi gründeten339. In ihren Funktionen glichen sich die beiden Orakel in Delphi und Didyma bis in die Details (vgl. Kap. IV–V). Wie der Apollon Pythios, so trat der Apollon Didymeus als ‘Archegetes’ (in Kyzikos) und ‘Kathegemon’ (in Apollonia am Rhyndakos) an Stelle eines menschlichen Oikistes auf, führte die Siedler persönlich an den Ort der Gründung, richtete Kulte als ‘Exegetes’ (in Kyzikos, Olbie Polis, evtl. Massalia und Naukratis) ein oder bestimmte die Oikistai, sandte sie aus (Themistagoras in Phasis, evtl. Anaximandros in Apollonia Pontike)340 und schützte sie als ‘Hegemon’ (Phasis). Die Tätigkeit der beiden Orakel war an die beiden Orakelorte mit ihren für die Orakel lebenswichtigen Einrichtungen, etwa das Kultpersonal ____________________ 337 Damit bestätigt sich die in der älteren Forschung nur vermutungsweise geäußerte Meinung, das Orakel von Didyma habe die milesische Kolonisation sanktioniert (vgl. hier Kap. IV mit Anm. 98 – 99). Die Zweifel von Malkin 1987, 17, die er mit dem Fehlen authentischer archaischer Gründungsorakel begründet, sind daher hinfällig. 338 Salviat 2000, 27 Anm. 6: »La rivalité des deux oracles – Pytho et Didymes – ne fait pas de doute«. 339 Vgl. dazu auch Greaves 2002, 124 – 127 bes. 124, der vermutet, dass z. B. die ionischen Poleis Klazomenai, Erythrai und der Inselstaat Paros, die mit Milet zusammen Kolonien gründeten, gleichfalls das Orakel von Didyma konsultierten. Ebenda 124 weist Greaves auf Herodot (1, 157), der von Konsultationen durch Ioner und Äolier spricht. Eine Sammlung der überlieferten Orakel durch J. Fontenrose (Fontenrose 1988, 177 – 244), die Greaves 2002, 125 Abb. 3.19 kartiert hat, zeigt außerdem, dass Lyder und Karer das Orakel befragten. – Aus Hdt. 1, 165, 1 und 1, 167, 4 geht allerdings hervor, dass Phokaia seine Kolonie Alalia auf Korsika ca. 565 v. Chr. aufgrund eines Orakels »der Pythia«, also Delphis, gegründet hat: Malkin 1987, 17. 72 – 73. Klazomenai stiftete noch vor der Eroberung von Sardes durch die Perser ca. 548/7 v. Chr., möglicherweise aus Anlass eines Sieges gegen die Lyder, ein Schatzhaus nach Delphi: Hdt. 1, 16. 51; dazu: RE IV 2 (1901) 2549 – 2550. s. v. Delphoi (F. Hiller v. Gaertringen). Zum delphischen Orakel bezüglich der Nachgründung der milesischen Kolonie Sinope vgl. hier Anm. 99. 340 Zu den namentlich bekannten Gründern milesischer Kolonien vgl. hier Kap. IV mit Anm. 114. 58 (Kreter, Branchidai, Mantis, Pythia) oder die heiligen Orte, mit den Kultmälern (Lorbeer, Quelle) gebunden: Keines der zahlreichen Filialheiligtümer des Apollon Pythios, die über das ganze Mittelmeer verstreut waren und die diesen speziellen Apollonkult als den weitverbreitetsten ausweisen341, hatte eine Delphi vergleichbare Funktion. Ebenso gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Filialheiligtümer des Apollon Didymeus Milesios in Naukratis, Olbie Polis oder Phasis Orakel erteilten. Eine Sonderrolle mag vielleicht noch dem Kult des Apollon Didymeus in Sogdiana zugekommen sein, den die Branchidai in ihrem Exil seit 494 oder 479 v. Chr. ausgeübt haben werden, bevor sie von Alexander ausgelöscht wurden (vgl. Kap. VI). Während das Orakel in Didyma schwieg, weil sein Kultpersonal, eben diese Branchidai, fehlten, mangelte es allerdings den Branchidai in Sogdiana an der heiligen Orakelstätte von Didyma mit dem Lorbeer und der Heiligen Quelle, so dass auch in Sogdiana schwerlich ein Orakel bestanden haben wird. Dass die Branchidai trotzdem sterben mussten342, wird nicht durch ihren Verrat der griechischen Sache an die Perser erklärt werden können, da übertreibt die Propaganda zu offensichtlich. Ihre Ermordung wird vielmehr – wie H. W. Parke vermutet –, mit der Neueinrichtung des Orakels von Didyma zusammengehangen haben, die unter Alexander erfolgte: Das von Milet gesteuerte Orakel343 sollte – um seine Kontrollierbarkeit und ____________________ 341 Zur Kultverbreitung s. die ältere Zusammenstellung bei RE II 1 (1895) 1 – 111 bes. 64 – 68 s. v. Apollon (K. Wernicke); RE XXIV (1963) 566 – 567 s. v. Pythios [1] (H. v. Geisau). Vgl. Parker 2003, 181: »If we accept and conflate the results of recent studies we might suggest that Apollo Pythios is Apollo in his most general aspect«. Die weite Verbreitung des Apollon Pythios-Kultes dürfte vor allem vom Orakel des Gottes in ‘Pytho’-Delphi seit dem 8. Jh. v. Chr. propagiert worden sein: Suárez de la Torre 1998, 69 – 70; vgl. Caldas 2003, 34 – 35 Anm. 187; vgl. hier Anm. 273 zu Naukratis. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Epiklese Pythios bei Homer nicht gebraucht wird, vielmehr zuerst im sog. Homerischen Apollonhymnos (V. 370 – 374) begegnet, wo sie dadurch erklärt wird, dass Apollon in Pytho (= Delphi) eine Drachin tötete, die dann »verweste« (griechisch pu/qesqai). Die Epiklese ist demnach vom Ortsnamen abgeleitet: s. WilamowitzMoellendorff 1903, 579; RE IV 2 (1901) 2517 – 2538 bes. 2525 (F. Hiller. v. Gaertringen); RE XXIV (1963) 515 – 547 bes. 517 s. v. Pythia [1] (W. Fauth); RE XXIV (1963) 566 – 567 s. v. Pythios [1] (H. v. Geisau); RE XXIV (1963) 569 – 580 bes. 571 – 572 s. v. Pytho [1] (S. Lauffer). Die Umbenennung von Pytho in Delphi/Delphoi erfolgte wahrscheinlich erst nach der Zerstörung Krisas im ersten Heiligen Krieg: s. o. Anm. 311. 342 Zur Historizität der Branchidai und ihrer Verschleppung nach Sogdiana vgl. hier Kap. III mit Anm. 67; Kap. VI mit Anm. 182. 188 – 194; zum archaischen Alter des Branchos-Mythos als genealogischem Mythos der Branchidai vgl. hier Kap. III mit Anm. 67 – 68. 343 Zu den von Milet bestellten Kosmoi als wahrscheinlichen Nachfolgern der Branchidai als Kultverein des Apollon Didymeus vgl. hier Anm. 69. Der ‘Prophetes’ als vermutlicher Vorsitzender der Kosmoi wurde aus den fünf milesischen Demen per Wahl für jeweils ein Jahr bestimmt: Herda 2006b, 34 Anm. 146 mit älterer Literatur. Die ‘Prophetis’ als Medium des Orakels (vgl. hier Text mit Anm. 355) wurde von Apollon selbst durch ein ‘Investitur- Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Autorität zu wahren – mit milesischer Stimme sprechen und nicht mit derjenigen der aus dem tiefsten Innerasien möglicherweise zurückkehrenden Branchidai. Deshalb rieten die Milesier im Heer des Alexander ihm wohl, die Branchidai zu ‘bestrafen’344. Der synkretistische Kult des Apollon Didymeus stellt eine Anbindung des wohl schon in der Spätbronzezeit entstandenen kleinasiatisch-griechischen Apollon an eine indigene Lokalgottheit Didymeus dar, die schon früh, vielleicht in protogeometrischer Zeit, in den Pantheon des griechisch-ionischen Milet integriert wurde. Die Frage nach den möglicherweise bronzezeitlichen Anfängen des Orakels bleibt weiterhin offen345. Doch wird es spätestens in spätgeometrischer Zeit (ca. 700 v. Chr.), als der sog. Sekos I um die Orakelstätte errichtet wurde (Abb. 4), Bestand gehabt haben. Ungefähr um dieselbe Zeit dichtete Homer die Ilias, in der Apollon Phoibos als omnipotenter Orakelgott eine hervorgehobene Stellung innerhalb derjenigen Götter innehatte, die kleinasiatische Trojaner wie festländische Griechen gleichermaßen beherrschten. Dort begegnen bereits alle Elemente, die wesenhaft für die Orakelpraxis sind, etwa auch der griechische Seher (ma/ntij) Kalchas346. Orakel’ bestimmt, wie eine Hydrophoros-Inschrift des 1. Jhs. n. Chr. aus Didyma belegt: Günther 1980, 170 – 176 Nr. 5 Taf. 74, 3; Günther 1985, 2 – 3 Abb. 2; Fontenrose 1988, 56. 192 ‘R 17’ (von Günther und Fontenrose als Ausnahme bewertet). 344 Die Hauptquelle ist Curtius Rufus 7, 5, 28 – 35, der von Alexanders Konsultation der Milesier in seinem Heer berichtet; vgl. Parke 1985b, 67 – 68; Tuchelt 1988, 436 – 437 mit Anm. 77 – 78; Gorman 2001, 196 Anm. 57. Demgegenüber vermutet Hammond 1998, 344 (vgl. auch: Altheim – Stiehl 1970, 158 – 161; Flower 2000, 118; Fredricksmeyer 2003, 266; MacLean Rodge 2004, 154), Alexander sei es als Hauptinitiator ausschließlich um die Bestrafung der Branchidai für ihren Verrat an der griechischen Sache gegangen. Nach Hammonds Meinung (Hammond 1998, 344 Anm. 18) ist Parkes’ Rekonstruktion »far from convincing«. 345 Zum Alter des Orakels in Didyma, das beispielsweise Pausanias (7, 2, 6) in die Zeit vor der ionischen Migration ansetzt, vgl. hier Kap. III mit Anm. 58 – 63; zum archäologischen Befund im griechischen Orakelheiligtum, der nur ins späte 8. Jh. v. Chr. zurückgeht, während sonstige Funde bis in die mittlere Bronzezeit zurückreichen, vgl. hier Kap. III mit Anm. 62 – 63. 346 Vgl. z. B. Hom., Il. 1, 72. 80. 86 – 87. 384 – 385 zu Kalchas als Mantis des Apollon Phoibos. Nach W. Burkert praktiziert Kalchas noch die ‘altmodische’ Orakelpraxis der Vogelschau, die zur Zeit Homers durch die aus dem Orient von wandernden Sehern nach Kleinasien und weiter nach Festlandsgriechenland verbreitete Opferschau in Gestalt der Leberschau (Hepatoskopie) weitgehend verdrängt worden sei: Burkert 1984, 50. 54; vgl. Burkert 2005, 5 – 8. Ein verlorenes Gedicht Hesiods (dessen Vater aus Aiolien stammte) über Vogelmantik sowie eine archaische Inschrift zur Vogelmantik aus Ephesos weisen allerdings darauf hin, dass diese Art der Divination, die im westlichen Kleinasien eine bronzezeitliche Tradition besitzt, in archaischer Zeit weiter praktiziert wurde: vgl. dazu Herda (im Druck), Kap. VIII mit Anm. 401 – 402. Flower 2008, 25 mit Anm. 2; S. 79 (Homer). 51 (Hesiod). 113 (Inschrift Ephesos). 90. 136 (Aischylos). 15 (Xenophon). 135 (Aristoteles).– Zu Kalchas vgl. DNP 6 (1999) 153 s. v. Kalchas (R. Nünlist); Flower 2008, 25. 78. 80 – 81. 133. 204. 209. Internationale Archäologie-ASTK 11 Apollon trägt zudem das zusätzliche Epitheton ‘Hekatos’347, wie der Apollon in Didyma348. Nach dem Verständnis der homerischen Zeit reichten die Urspünge der griechischen Orakel also in die heroische Zeit bzw. die Bronzezeit zurück. Diese Vorstellung spiegelt sich etwa im Mythos des ‘homerischen’ Apollonhymnos wider, der von den Kretern aus dem minoischen Knossos als ersten Priestern und Orakeldeutern des Apollon von Delphi erzählt, oder in den didymäischen Orakeln zur Gründung des ionischen Milet349. Ihre Bedeutung für die Kolonisationsunternehmungen werden die Orakel von Delphi und Didyma jedoch erst in spätgeometrischfrüharchaischer Zeit (seit ca. 730 v. Chr.) erlangt haben. Das früheste Fallbeispiel bildet Naxos auf Sizilien, Kolonie von Chalkis und dem kykladischen Naxos. Wenn die oben schon angesprochene Vermutung von I. Malkin zutreffen sollte, dass hinter dem Apollon Archegetes in Naxos das Orakel des Apollon Pythios von Delphi steht, dann hätte Delphi noch vor Didyma mit der Sanktionierung von Kolonisationsunternehmen begonnen350. Seitdem dominierte Delphi zwar im Vergleich, doch Didymas Rang dürfte sich parallel zur Zunahme der milesischen Kolonisationstätigkeit im 7./6. Jh. v. Chr. erhöht haben. Dass die uns heute noch erhaltene antike Überlieferung so wenig über den Zusammenhang zwischen dem didymäischen Orakel und der ____________________ 347 Hom., Il. 1, 356. Vgl. hier Kap. III mit Anm. 60; Kap. IV mit Anm. 133. 349 Verschiedenste Orakeltechniken sind zu Zeiten Homers voll etabliert und praktiziert worden, hierdurch ergibt sich ein Terminus ante quem: Traumorakel, von Zeus gesandt: Il. 1, 63. – In Od. 8, 79 – 81 befragt Agamemnon vor dem Zug nach Troja das Orakel des Apollon in Pytho (Delphi), das danach bereits in der Bronzezeit in Betrieb gewesen wäre: vgl. dazu Burkert 1985a, 114 – 118; Suárez de la Torre 2005, 17 – 31, vgl. zu Delphis Gründung in der Bronzezeit auch den ‘Homerischen’ Hymnos: s. o. mit Anm. 286. 312. – Zum Baumorakel des Zeus in Dodona: Hom., Il. 16, 232 – 235; Od. 14; 327 – 328; 19, 296 – 297; Burkert 2005, 31 – 32; Eidinow 2007, 60 – 61. – Zu Totenorakeln: Od. 11, 23 – 332; vgl. dazu Rosenberger 2001, 128 – 129; Burkert 2005, 14. – Vgl. auch die Weisagungen Sterbender: Il. 16, 851 – 855 (Patroklos); 22, 356 – 361 (Hektor). – Die in der Forschung vorherrschende zeitliche Bestimmung der Anfänge der griechischen Apollon-Orakel in geometrischer Zeit basiert vor allem auf der Annahme, die Apollongestalt sei erst in protogeometrischer Zeit entstanden. In den spätbronzezeitlichen Linear B-Texten sei der Gott nicht zu belegen und (ex silentio!) also auch nicht vorhanden gewesen: Burkert 1975, 1 – 21; Burkert 1985a, 51. 143 – 149. 367 Anm. 53; vgl Graf 1996a, 122: der Kult des Apollon »must have been introduced and brought to Panhellenic importance during the Dark Ages«. In Übereinstimmung setzt etwa Sourvinou-Inwood 1996, 445 die Ursprünge des Orakels von Delphi im späten 9. Jh. v. Chr. an, Burkert 1985a, 117 sogar erst nach 750 v. Chr. (vgl. auch Morgan 1990, 148 – 190). Zum wohl bronzezeitlichen, kleinasiatischen Ursprung Apollons vgl. aber hier Kap. I mit Anm. 8 – 9. – Zu den didymäischen Orakeln für den ionischen Ktistes Neileos s. o. Kap. III mit Anm. 58. 350 Man vergleiche die nützliche chronologische Übersicht über die Koloniegründungen bei: DNP 6 (1999) 653–664 s. v. Kolonisation IV (W. Eder). 348 59 milesischen Kolonisation zu berichten weiß – ganz im Gegensatz zu den Verbindungen Delphis zur Kolonisation – kann durch die historische Entwicklung erklärt werden: da das Orakel in Didyma einen festen Bestandteil des milesischen Polisstaates bildete, weshalb der Apollon Didymeus deshalb auch die erweiterte Epiklese ‘Milesios’ trug, war sein Schicksal an dasjenige der Polis gebunden. Milet aber verlor nach der Niederlage im Perserkrieg (499–494 v. Chr.) und der anschließenden persischen Okkupation schlagartig seine Bedeutung. Auch das in archaischer Zeit für das Orakel zuständige Geschlecht der Branchidai, in seiner Funktion den Kretern des Apollonhymnos vergleichbar351, verschwand ____________________ 351 Vgl. hier Anm. 69. – Die späteren Quellen wissen nichts mehr von den Kretern in Delphi. Die Annahme von F. Hiller v. Gaertringen (RE IV 2 [1901] 2528 s. v. Delphoi), sie seien »zu Tempelsklaven degradiert« worden, stützt sich auf keinerlei Zeugnisse. Wahrscheinlich wurden sie bzw. diejenigen, die sich auf sie zurückführten (gentilizische Strukturen sind typisch für Kultvereine und besonders Kultpersonal in Orakelheiligtümern: vgl. die Branchidai in Didyma oder die Telmessoi in Telmessos; vgl. dazu allgemein: Flower 2008, 37 – 50 [‘Mantic Families’]), nach der Zerstörung Krisas im ersten Heiligen Krieg ca. 600 v. Chr. durch die Amphiktyonen, die von da an Delphi kontrollierten, entfernt. Die Ankündigung Apollons, die Kreter bei künftigen Freveln gegen sein göttliches Recht in Delphi mit ihrer Entmachtung zu bestrafen (Hom. Hymn. Ap. V. 540 – 543), kann m. E. nicht, wie häufig geschehen, als Argument dafür herhalten, der sog. pythische Teil des Hymnos sei erst nach dem ersten Heiligen Krieg entstanden (so etwa Hiller v. Gaertringen a. O. 2527 f. zu V. 540 – 543: »ein nachträgliches Einschiebsel«; vgl. auch Schmidt 1974, 21 mit älterer Literatur in Anm. 3; Morgan 1990, 144; D. Frame, The Homerizon: Conceptual Interrogations in Homeric Studies, The Homeric Poems after Ionia: A Case in Point, http://chs.harvard.edu/publications.sec/classics.ssp [Center for Hellenic Studies, Washington, September 2006] mit Anm. 6 – 8). Apollon sanktioniert vielmehr für die Zukunft das göttliche Recht durch Strafandrohung. Strafandrohungen aber sind selbverständlicher Teil schon in den ersten schriftlich erhaltenen griechischen Gesetzen auf Kreta, etwa im Delphinion von Dreros (2. Hälfte 7. Jh. v. Chr.): vgl. Hölkeskamp 1994, 149–151. Sie werden bereits vor der Verschriftlichung von Gesetzen als Sanktionsmaßnahmen der mündlich tradierten Regelungen sakraler wie politischer Art gedient haben. – Kretische Elemente hat man im Delphi der historischen Zeit in der delphischen Phratrie der Labyadai zu fassen geglaubt (der Name ihres Urvaters Labys weist angeblich auf die kretische Doppelaxt, ‘Labrys’; kleine bronzene Votiv-Doppeläxte fanden sich im Heiligtum): Dumont 1975, 64 mit Anm. 42 unter Verweis auf Picard 1949, 208 (Labrys>Labys>Labyadai); Bourboulis 1949, 37 unter Verweis auf Perdrizet 1908, 4 – 5 (Doppeläxte>Labrys>Labyadai). Doch steht hinter ihrem Namen (gleichzusetzen mit der delphischen Phratria der Lafria/dai bei Hesych s. v.?) wohl eher die alte mittelgriechische Göttin (Artemis) Lafri/a von Kalydon, deren Kult die Labyadai in Delphi im Rahmen des Festes der Lafri/a besorgten. Zu dieser vgl. Nilsson 1906, 218–225 bes. 220 – 221.; Wilamowitz-Moellendorff 1955, 374 – 380; Graf 1985, 411 – 412. – Auffällig ist der Anteil an kretischen Bronzen (Dreifüße, Untersätze, Helm und Schilde) unter den frühesten Funden aus dem Heiligtum (8. Jh. v. Chr.): Morgan 1990, 45 – 46. 134. 140. 142 f. Morgan 1990, 143 – 144 erklärt die Funde jedoch als Weihungen von Korinthern. Vgl. aber Maass 1993, 128 – 132 Abb. 54 – 56, der Beziehungen Delphis zu Kreta im 8.–7. Jh. v. Chr. konstatiert. Ebenda 129 weist Maass zusätzlich auf zwei minoisch-kretische Kultgefäße (ca. 1500 v. Chr.; vgl. d’ Athènes 1991, 7 – 8. Abb. 1 – 60 spätestens 479 v. Chr. aus Didyma, das Orakel selbst verstummte. Als etwa Herodot seine ‘Geschichten’ niederschrieb, gehörte es also bereits der Vergangenheit an352. Die Dominanz von Delphi als wichtigstem panhellenischem Orakel war in der Folgezeit so prägend, dass die Milesier bei der Wiederbelebung des Orakels von Didyma in der Alexanderzeit353 bewusst eine Deszendenz des mythischen Orakelgründers Branchos aus Delphi konstruierten354 und den männlichen ‘Mantis’ der Branchidai, der das Medium des orakelnden Apollon Didymeus in archaischer Zeit gewesen war355, durch eine weibliche ‘Prophetis’ nach dem Vorbild der ‘Pythia’ von Delphi ersetzten, die beide ihre göttliche Inspiration in ähnlicher Weise 2) aus einem mykenischen Heiligtum beim späteren ApollonTempel, die seines Erachtens »weniger eine frühe – vielleicht auch nur indirekte – Beziehungen zu Kreta« aufzeigen, als vielmehr die Bedeutung des mykenischen Kultplatzes erweisen. 352 Zum Verstummen vgl. hier Kap. III mit Anm. 70; Kap. VI mit Anm. 182 – 184. Wenn Herodot aus der Perspektive seiner Zeit, des mittleren 5. Jhs. v. Chr., vom Orakel in Branchidai/Didyma berichtet, schreibt er bezeichnenderweise immer in der Vergangenheit: Parke 1985a, 230 Anm. 4; Parke 1985b, 61 mit Anm. 12; Parke 1986, 123 Anm. 5. 353 Zur Wiederbelebung vgl. hier Anm. 61; Kap. VI mit Anm. 185 ff.; Anm. 300; Kap. IX mit Anm. 343 – 344. 354 Zur konstruierten Abstammung des Branchos von einem gewissen Smikros aus Delphi (Kallim., Branchos fr. 229 Pfeiffer) vgl. hier Anm. 61; Herda 2006b, 129 Anm. 903; 277 mit Anm. 1960. In den Kontext der Angleichung an Delphi im späten 4. Jh. v. Chr. mag auch gehören, dass der Apollon Didymeus mit der zusätzlichen Epiklese Pythios versehen werden konnte. Dies ist allerdings erst für 287 n. Chr. bezeugt: Didyma II Nr. 159 Z. I 1 (Epigramm des T. Festus); vgl. dazu: Fontenrose 1988, 23 – 24; Herda 2006b, 297 Anm. 2117. Demgegenüber dürfte die Epiklese der Artemis in Didyma seit archaischer Zeit Puqei/h gelautet haben, ein Bezug dieses Kultes zum Orakelkult des Apollon Didymeus bereits in archaischer Zeit ist naheliegend: Herda 2006b, 297; man vergleiche etwa den theophoren Namen Pytheios des Vaters des milesischen Eponymen von 479/78 v. Chr.: Milet I 3, 254 ff. Nr. 122 I 45 'Anaci/mandroj Puqei/o. – Der Apollon Pythios von Delphi dürfte ebenfalls schon in archaischer Zeit in Milet verehrt worden sein. Darauf weist etwa das Vorkommen des theophoren Namens Puqo/mandroj, der im 6. und 5. Jh. v. Chr. mehrfach als Name eponymer Aisymnetai-Stephanephoroi begegnet: Milet I 3, 254 ff. Nr. 122 I 20 'Astua/nac Puqoma/ndro (504/3 v. Chr.); I 27 'Arte/mwn Puqoma/ndro (497/96 v. Chr.); I 39 Puqo/mandroj 'Arte/mwnoj (485/4 v. Chr.). Zur Datierung vgl. hier Anm. 34. Daneben begegnet außerdem der theophore Name Python: s. o. Anm. 237. 271. 355 Aus dem Branchos-Mythos ist herzuleiten, dass einer der männlichen Branchidai in der Nachfolge des Branchos als Mantis das Medium des Orakels bildete: Parke 1985a, 2 – 4; Fontenrose 1988, 45 – 46. 78. 172; Herda 2006b, 129 Anm. 903. Die archaische, gegen 550 v. Chr. datierte Statue eines langgewandeten, auf einem hochrechteckigen Block (Thakos?) sitzenden Mannes mit langem Stab aus Didyma, jetzt im Archäologischen Museum in Istanbul (Inv. 1945), hat U. Höckmann als Darstellung eines Mantis gedeutet: Höckmann 1996, 93 – 102 Taf. 18 – 19; vgl. dagegen Kopanias 2001, 149 – 166, der die zweifellos ägyptisch beinflusste Statue als Darstellung eines reichen Söldners oder Händlers griechischer oder ägyptischer Abstammung deuten möchte und ca. 580/70 v. Chr. datiert (ich danke Joannis Mylonopoulos, Erfurt, für diesen Hinweis). Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus erhielten356. Dass das Wissen um die Bedeutung Didymas für die Kolonisation Milets aber trotzdem nicht verloren ging, darauf weisen die zahlreichen epigraphisch bezeugten Theoriai, die ehemalige und angebliche milesische Kolonien wie etwa Naukratis spätestens seit dem 3. Jh. v. Chr. zu den Didymeia als Teil des milesischen Neujahrsfestes auf den Weg nach Didyma schickten357. Schließlich stellte der Rhetor ____________________ 356 Zur Erwähnung einer ‘Prophetis’ in einer Hydrophoros-Inschrift aus Didyma (1. Jh. n. Chr.) vgl. hier Anm. 333. Literarisches Hauptzeugnis für die Prophetis in Didyma und das dortige Orakelritual ist Jamblichos, de myst. 3, 11; vgl. dazu: A. Rehm, in: Didyma II 323 B; Parke 1985a, 42. 210 – 219; Parke 1986, 123 – 124; Fontenrose 1988, 55 – 56. 78 – 79. 81. 84. 85. 105. 128. 239. Die Pythia in Delphi wurde selbst auch ‘Prophetis’ genannt: vgl. Aristoph. Gramm. in der Hypothesis zu Aischyl., Eum.; Eur., Ion 42. 321; Plat., Phaidr. 244a. – Aus Lukian, Bis. acc. 1 geht zusätzlich hervor, dass die ‘Prophetis’ in Didyma auch als ‘Promantis’ bezeichnet werden konnte. Dies ist wiederum eine Angleichung an Delphi, wo die Pythia diesen Titel trug: z. B. Hdt. 6, 66; 7, 111. 141; vgl. G. Radke, RE XXIII 1 (1957) 647 s. v. Promantis 2); RE XXIV (1963) 515 – 547 bes. 516 – 517 s. v. Pythia [1] (W. Fauth); Parke 1985a, 186. Nach Meinung von Parke 1986, 124 ist der Wechsel in der Ausgabeform der Orakel in Didyma von archaischer Zeit (in Prosa; vgl. etwa auch das neugefundene Orakel auf dem Beintäfelchen aus Berezan/Olbie Polis) zur Phase nach der Neugründung ca. 331 v. Chr. (in Hexameter-Versen) ebenfalls eine Angleichung an delphische Praxis, die allerdings seit dem 4. Jh. v. Chr. einen immer selteneren Gebrauch der altertümlicheren Versform zeigte. Demgegenüber vertritt Fontenrose 1988, 102 – 103 die Meinung, Versorakel hätten in Delphi im Gegensatz zu solchen in Prosa immer eine seltene Ausnahme gebildet, es bestünde in diesem Punkt also ein Unterschied zwischen der Orakelpraxis in Delphi und Didyma seit dem späten 4. Jh. v. Chr. 357 Zu den Theoriai, die regelhaft Phialai-Stiftungen nach Didyma beinhalteten: Herda 2006b, 144 – 145 Anm. 1015 (Naukratis, Kios, Iasos, Sinope etc. mit älterer Literatur); 180 – 180 mit Anm. 1286; hier Kap. VI mit Anm. 186 (allgemein). 200 (Iasos); Kap. VII mit Anm. 252 (Naukratis). Zu Phialai-Stiftungen allgemein vgl. die Zusammenstellung nach Heiligtumsinventaren bei: SchmidtDounas 2000, 145 – 151; zum finanziellen Aspekt vgl. Marcellesi 2004, 20 – 26. 111. – Graham 1964, 98 – 117 postuliert, wenn auch mit historisch bedingten Unterbrechungen, ein enges politisches und vor allem auch religiöses Verhältnis zwischen Milet und seinen Kolonien seit der Gründungsphase im 7./6. Jh. v. Chr. Vgl. ebenda 142 – 153 am Beispiel des Verhältnisses von Korinth zu seiner Kolonie Korkyra und ebenda 154 – 165 am Beispiel von Argos und seinen erklärten Kolonien Knossos und Tylissos. Vorsichtig zustimmend zu Grahams These betreffs Milet und seiner Kolonien: Ehrhardt 1988, 23 – 24; Ehrhardt 1985, 94 – 95; Gorman 2001, 147 – 151 vermutet ein enges Verhältnis zu den Kolonien erst seit der zeitweisen Befreiung Milets von den Persern 479/78 – 404 v. Chr. – Von einer »Fiktion des 4. Jhs.« geht dagegen Ehrhardt 1987, 88 unter Bezug auf Gawantka 1975, 111 – 112 aus; vgl. P. Herrmann, in: Milet VI 1, 171. Nach Ehrhardt 1987, 105 – 107 sind beispielweise die Phialenweihungen der milesischen Kolonie Kyzikos nach Didyma in erster Linie politisch motiviert. Der Isopolitie-Vertrag zwischen Milet und seiner Kolonie Olbie Polis aus den Jahren zwischen 334 und 323 v. Chr. sah jedoch ausdrücklich vor, dass die Milesier gemäß bereits bestehender älterer Verträge das Recht hatten, an den Kulten in Olbia zu partizipieren wie umgekehrt den ‘Olbiopolitai’ das Recht zustand, an den milesischen Kulten teilzunehmen: Milet I 3, 289 – 291 Nr. 136; Milet VI 1, 170 – 171. n. 136. Vergleichbares wird der zeitgleiche Isopolitie-Vertrag zwischen Milet und Kyzikos enthalten haben: Milet I 3, 291 – 294 Nr. 137; Milet VI 1, 171 n. 137; vgl. dazu Graham 1964, 98 – 117. Fassbar ist dies am ehesten in den Internationale Archäologie-ASTK 11 Menander von Laodikeia noch im 3. Jh. n. Chr. die Kolonisationstätigkeit der Orakel von Delphi und Didyma auf eine Stufe, wenn er damit im Falle Didymas auch nur die ruhmreiche Vergangenheit beschwor358. X. Zusammenfassung Apollon, der ‘griechischste’ aller Götter – doch mit westkleinasiatischen Wurzeln (vgl. Apaliunaš und Lukhgenh/j = »der in Lykien Geborene«) –, lässt sich in besonderem Maße mit der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Akme der ionischen Metropole Milet im 7. und 6. Jh. v. Chr. verbinden. In zwei seiner Erscheinungsformen manifestierte sich zum einen der synkretistische Charakter griechischer Kulte im früheisenzeitlichen Kleinasien, die als Produkt eines Jahrhunderte dauernden Migrationsprozesses anzusehen sind, der im 11. Jh. v. Chr. einsetzte. Zum anderen wird eine Art Bipolarität der milesischen Staatsreligion erkennbar: Apollon Delphinios, der nicht nur eisenzeitlich-griechische, sondern auch bronzezeitliche, kretisch-mykenische (Delphinios = Delphin-Gott) wie hattisch-hethitische Züge (Telipinu) trug, war der politische Gott, der Gründer des Staates und sein Schützer für die Zukunft. Er wurde im Herzen der Stadt, im Delphinion an der Agora verehrt (Abb. 1–2). Hier war der Ort der Phialai-Weihungen von Kyzikos nach Didyma: Graham 1964, 108. In diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert ist, dass die Kyzikener 271/70 v. Chr. zwei Phialai, darunter eine »Omphalosschale« (vgl. dazu auch hier Kap. IV mit Anm. 111), nach Didyma weihten, die in der betreffenden didymäischen Schatzurkunde ausdrücklich als aus zwei kyzikenischen Heiligtümern stammend angeführt sind: Didyma II 258 Nr. 432 Z. 6 ff. fia/lai du/o e¹k Kuzi/kou, aÑj a)ph/neikan e¹k tw½n temenw½n tw½i qew½i, tou/twn mi/a o¹mfalwth/, e¸kate/raj o¸lkh\ 'Aleca/ndreiai draxmai\ e¸kato/n. Die hierfür von Ehrhardt 1987, 105 gelieferte Erklärung, die Weihung sei »Hals über Kopf« erfolgt, ist nicht befriedigend. Eher handelt es sich um einen Akt besonderer Pietät gegenüber Apollon Didymeus als Gründergottheit von Kyzikos; vgl. auch A. Rehm, in: Didyma II 262: »Die Vermutung liegt nahe, dass man sich in Kyzikos getrieben fühlte, dem Gott von Didyma, dem Herrn der Mutterstadt, eine ganz besondere Ehrung zu erweisen«. Denkbar ist, dass die Schalen ursprünglich ältere Weihungen an Apollon (Iasonios Ekbasios?) in Kyzikos darstellten, die – in gewisser Weise Aphidrymata vergleichbar – dazu dienen sollten, das gerade 277 v. Chr. durch Kelten geplünderte Inventar des Heiligtums in Didyma wiederherzustellen. Von diesem sicherlich nicht unbedeutenden Inventar (man vergleiche nur die riesige Schatzstiftung des Seleukos I. und Antiochos I. aus dem Jahre 288/87 v. Chr.: A. Rehm, in: Didyma II 255 – 257 Nr. 424; Bringmann – Steuben 1995, 334 – 338 Nr. 280) waren nach Ausweis der Schatzurkunde des Jahres 277/76 v. Chr. gerade einmal eine treibverzierte(?) Phiale und ein versilbertes Rinderhorn »aus dem Krieg übriggeblieben«: Didyma II 257 Nr. 426 Z. 6 ff.: ta/de pe[ri] | egenhqh/ e¹k tou= pole/mou para\ 'Apo/llwni: fia/[lh] | tupwth/, ke/raj boo\j perihrgurwme/non; dazu A. Rehm, ebenda 260; Günther 1971, 48 – 50 bes. 48 mit Anm. 127. 358 s. o. Kap. IV mit Anm. 99. 61 Bürgerinitiation, hier lag das Prytaneion, ‘Urhaushalt’ mit dem Heiligen Herd und Regierungssitz Milets in einem. Der andere Apollon, der Didymeus, war der Gott des indigenen Orakels von Didyma, viele Kilometer von Milet entfernt. Das Orakel bestand nach dem milesischen Lokalmythos bereits vor der Ankunft der ionischen Griechen. So half Apollon Didymeus den Siedlern, den rechten Ort für die Gründung Milets zu finden und wies die Einrichtung des Kultes der Artemis Kithone Hegemone an. Der Kult des Apollon Didymeus wurde von den Branchidai versehen, einem möglicherweise luwisch-karischen Clan, deren Name auch synonym für den Ort bzw. das Orakel stehen konnte (Abb. 3–5). Die räumliche und ideelle Verbindung der beiden Kulte erfolgte im Ritual des milesischen Neujahrsfestes. Opfer im Delphinion und in Didyma bildeten Anfang und Ende, sie wurden durch eine große Staatsprozession fest miteinander verknüpft. Didyma war so Teil des milesischen Staates, der Apollon Didymeus wurde zum ‘Milesios’. Auch funktional bildeten Delphinios und Didymeus Milesios ein komplementäres Kultpaar, das als spezifisch milesisch zu gelten hat: Dieses Paar sanktionierte die milesische Kolonisation in der Propontis und im Schwarzen Meer, die im 7./6. Jh. v. Chr. so überaus erfolgreich war und in Konkurrenz zur Kolonisationstätigkeit des panhellenischen ApollonPythios-Orakels in Delphi trat (Abb. 8). Aufgezeigt wird dies anhand literarischer, epigraphischer und archäologischer Quellen am Beispiel von Borysthenes–Olbie Polis, Kyzikos, Apollonia am Rhyndakos und Phasis. Für das propontische Kyzikos und dessen Tochterkolonie Apollonia am Rhyndakos sowie für Phasis in der Kolchis können Gründungsorakel des Apollon Didymeus aus verschiedenen Indizien erschlossen werden. Für Borysthenes–Olbie Polis liegt sogar die archaische Kopie eines didymeischen Gründungsorakels vor. Das Beinplättchen, auf das der Text geschrieben wurde, ist Apollon Didymeus Milesios geweiht, der also in Borysthenes–Olbie Polis einen eigenen Kult besaß (Abb. 7a-c). Im Rahmen der Kolonisation führte Apollon Didymeus mehrere Kulttitel. So bezeichneten etwa die Epitheta ‘Hegemon’ (Phasis, vgl. Abb. 6) bzw. ‘Kathegemon’ (Apollonia am Rhyndakos) den Didymeus in seiner Funktion als Anführer und Schützer der Kolonisten, die nur in Ausnahmefällen von einem namentlich bekannten Oikistes/Archegetes geführt wurden (Habron, Kretines und Koos in Sinope, Anaximandros in Apollonia Pontike, Hermochares in Kardia, Themistagoras in Phasis). Zumindest in Kyzikos übernahm der Orakelgott auch explizit die Aufgabe des ‘Exegetes’, die sonst dem menschlichen Oikistes zufiel: Er bestimmte die Kulte, gründete sie mittels sog. a)fidru/mata (Kultübertragungen) und legte die religiösen Vorschriften fest. Diese Rolle wird 62 Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Didyma regelhaft zugefallen sein, wie etwa der Orakeltext aus Borysthenes–Olbie Polis zeigt (Abb. 7a-c). Auf diese Weise war die Kontinuität des milesischen Pantheons auch in der feindlichen Fremde gewahrt. Die angestammten Götter dürften nach dem Verständnis der antiken Milesier eine der Garantien des Fortbestands ihrer Kolonien und Tochterkolonien gebildet haben, die seit ihren Anfängen den Status eigener Polisstaaten besaßen. Dieser religiöse Konservatismus ermöglicht uns heute im günstigsten Fall, von den Kolonien auf die Zustände in Milet zur Zeit der Kolonisation zurückzuschließen und umgekehrt359. Dies lässt sich etwa auch für den zentralen Kult des Apollon Delphinios wahrscheinlich machen, der neben Olbie Polis noch in Prokonessos, Kios, Apollonia Pontike, Odessos, Nymphaion, Pantikapaion, Kepoi, Hermonassa, Gorgippia und Sinope direkt oder indirekt bezeugt ist (Abb. 8). Der Kult des Apollon Didymeus ist dagegen außer in Olbie Polis noch in Phasis und Amisos direkt bezeugt, in Sinope und seiner Tochterkolonie Trapezos indirekt. Es ergibt sich, dass Sinope wahrscheinlich die einzige Kolonie neben Borysthenes–Olbie Polis ist, die das milesische Kultpaar Apollon Didymeus – Apollon Delphinios aufweist. Einen Sonderfall stellt das ägyptische Naukratis im Nildelta dar, das entgegen der antiken Überlieferung, die in spätklassischer Zeit einsetzt, nicht als typische milesische Kolonie bezeichnet werden kann. Vielmehr handelt es sich anfänglich, wie etwa im Falle der Siedlungen in Borysthenes-Berezan und Olbie-Purotino, um ein milesisches Emporion. An der Besiedlung von Naukratis waren zudem von Anfang an weitere, vermutlich nordionische und aiolische Poleis beteiligt, wie die Funde aus dem Aphroditeheiligtum zeigen. Dort wie im Heiligtum des Apollon Didymeus Milesios, dessen Benennung durch zahlreiche archaische Weihgraffiti gesichert ist, von denen ein einziges die Epiklese ‘Didymeus’ erhalten hat, reichen die Funde ins späte 7. Jh. v. Chr. zurück (Abb. 9–11). Um diese Zeit gelangten die ersten Griechen in die ursprünglich wohl ägyptische Siedlung, deren Name Nkrd gelautet haben dürfte. Bereits vorher hatten griechische Händler und Söldner den ersten Pharaonen der 26. Dynastie, Psammetich I. (664–610 v. Chr.) und Necho II. (610–595 v. Chr.), geholfen, ihre Macht in Unterägypten zu etablieren. Letzterer stiftete gar seine Rüstung nach der siegreichen Schlacht von Magdôlos 609 v. Chr. in das Heiligtum des Apollon Didymeus nach Didyma selbst, was als diplomatische Geste gegenüber dem Polisstaat Milet zu werten ist, der wohl gezielte militärische Hilfe geleistet hatte. In der Folge wird Necho auch die Einrichtung des Kultes des Orakelgottes Apollon ____________________ 359 Vgl. zu diesem methodischen Ansatz o. Anm. 147. 358. Didymeus Milesios in der neuen Siedlung Naukratis zugelassen haben, zumal das ägyptische Gegenstück des orakelnden Apollon, der Horus von Buto, dem Pharao zum Bündnis mit den Griechen geraten hatte. Die Niederlassung der Milesier in Naukratis und die Einrichtung eines Heiligtums für ihren ‘Staatsgott in der Fremde’, Apollon Didymeus, setzt ein Orakel des Didymeus aus diesem Anlass voraus. Die griechische Siedlung in Naukratis erhielt, wie Herodot (2, 178) berichtet, erst unter Amasis ca. 570/60 v. Chr. den Status einer (semiautonomen) Polis mit einem angeschlossenen Emporion. Für eine Polis zu diesem relativ frühen Zeitpunkt im 6. Jh. v. Chr. sprechen weitere Indizien wie die Kulte des Apollon Pythios Komaios und der Aphrodite Pandemos, der Ortsname ‘Naukratis’ und das davon abgeleitete Ethnikon ‘Naukratites’, sowie Weihungen von Kouros-Statuetten in das Apollon Didymeus MilesiosHeiligtum. Der Kult des Apollon Pythios Komaios in Naukratis kann weiterhin als Indiz dafür gelten, dass die Gründung der Polis Naukratis durch ein Orakel des Apollon Pythios in Delphi sanktioniert wurde. Delphi verdrängte Didyma unter Amasis, weil Milet sich auf die Seite der Feinde des Amasis gestellt hatte. So erklärt sich auch, weshalb Amasis nach dem Tempelbrand in Delphi 548 v. Chr. so großzügig den dortigen Wiederaufbau finanzierte, während Weihungen nach Didyma von ihm nicht bekannt sind. Nach der Zerstörung Milets und Didymas in den Perserkriegen (499–479/78 v. Chr.) schwieg das Orakel des Apollon Didymeus für fast 150 Jahre. Erst mit der entgültigen Befreiung von den Persern durch Alexander den Großen setzte es ca. 331 v. Chr. wieder ein. In dieser Zeit kam vermutlich auch die von Milet wie von Naukratis vertretene Gründungsgeschichte auf, die Naukratis zu einer milesischen Kolonie erklärte. So übernahm Naukratis spätestens jetzt den milesischen Kalender und fand sich im frühen 3. Jh. v. Chr. in Didyma in Gesellschaft zahlreicher milesischer Kolonien, die Theoriai zu den jährlichen Feiern der Boiegia bzw. Didymeia für Apollon Didymeus als Teil des milesischen Neujahrsfestes entsandten. Das neu erstandene Orakel in Didyma bescherte Milet weitere Verbündete: Vor allem Seleukos I. suchte die enge Anbindung an Didyma und propagierte die Deszendenz seines Hauses vom ‘Archegetes’ Apollon Didymeus, der prompt mit an ihn persönlich gerichtete Orakel antwortete. Seleukos revanchierte sich seinerseits durch die Rückgabe des von Dareios oder Xerxes aus Didyma geraubten und nach Ekbatana gebrachten Kultbildes des Kanachos (Abb. 5). In diesen Kontext gehört auch die Neuaufstellung von Altären des Didymeus durch den milesischen General Seleukos’ I., Demodamos, im hintersten Baktrien noch jenseits des Jaxartes-Flusses, am nordöstlichsten Grenzpunkt, den die griechische Kultur je für sich vereinnahmte (Abb. 8). Die Internationale Archäologie-ASTK 11 Einrichtung des Apollon Didymeus-Kultes kurz vor 306 v. Chr sollte an die von Alexander 329 v. Chr. getöteten Branchidai erinnern. Das alte Orakelpersonal von Didyma war von den Persern nach Baktrien verschleppt worden und dürfte dort den Kult des Didymeus bis zur Ankunft Alexanders weitergepflegt haben. Dieser ließ sie angeblich wegen ihres Verrats der griechischen Sache niedermetzeln und alle ihre Heiligtümer zerstören. Seleukos wird es also nicht zuletzt um die Wiederbelebung des Kultes seines ‘Stammgottes’ in Baktrien gegangen sein. Bemerkenswert ist weiterhin die bisher wenig zitierte Kultstatue, die die Milesier dem Didymeus Helios Apollon im hellenistischen Medinet Habu bei Theben am Nil weihten. Ihr genauer Aufstellungskontext ist unbekannt, doch könnte hier eine interpretatio Graeca vorliegen, die den Apollon Didymeus neben die in Medinet Habu in der Ptolemäerzeit verehrten ägyptischen Orakelgötter Theut/Thot (= Hermes) und Amun-Re (= Zeus) stellte. Vorstellbar ist, dass die Milesier mit dieser Weihung die ptolemäischen Könige an die Rolle erinnern wollten, die der Apollon Didymeus Milesios bei der ersten Ansiedlung von Milesiern in Ägypten während der 26. Dynastie gespielt hatte, vor allem in Naukratis. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang aber auch an die engen Beziehungen zwischen den Ptolemäern und Didyma seit der kurzen Periode unter Ptolemaios I. Soter 279/78–261/60 v. Chr., als Westkleinasien zu ihrem Herrschaftsbereich gehörte und Kallimachos mit königlichem Auftrag seinen Iambos auf Branchos, den Gründerheros des Orakels, dichtete. Ptolemäischer Herscherkult ist in Milet und Didyma bezeugt (Ptolemaios I., Arsinoë und Philotera) und noch Ptolemaios IX., XII., XIII. und Kleopatra VII. stifteten nach Didyma. Das mit der milesischen Kolonisation des 7./6. Jhs. v. Chr. unauflöslich verbundene Kultpaar Apollon Didymeus – Apollon Delphinios findet eine enge zeitliche und strukturelle Parallele: die Situation, die der sog. pythische Teil des ins frühe 7. Jh. v. Chr. zu datierende homerische Apollonhymnos vom delphischen Orakel und der ihm ursprünglich zugeordneten Polis Krisa zeichnet. Hier wie dort ist Apollon in Gestalt des vom Meer her kommenden Delphinios der mythische Gründer des Heiligen Herdes (= Prytaneion) der neuen Siedlung, die er anschließend durch eine Prozession(-sstraße) mit seinem Orakel verbindet. In beiden Fällen »erwählt« (daher die Epiklese ‘Epopsios’ bzw. ‘Ephopsios’!) Apollon zudem eigenhändig seine Orakelpriester: in Delphi die Kreter, in Didyma Branchos bzw. die Branchidai. Beide Orakel bildeten in der Folge den Ausgangspunkt für rege Kolonisationstätigkeit, in deren Rahmen auch die Kulte des Apollon Pythios und Apollon Didymeus verbreitet wurden. In keinem Fall entwickelten sich diese Filialkulte jedoch zu 63 eigenständigen Orakelstätten: die Autorität der Orakel blieb in Delphi und Didyma. Die Unterschiede, die zwischen Milet– Didyma und Krisa–Delphi bestehen, sind durch ihre spezifische historische und geographische Lage erklärbar: Didyma blieb aufgrund der festen Anbindung an Milet und seiner exponierten Randlage zu den östlichen Großreichen der Lyder und dann der Perser eine panhellenische Wirkung versagt. Seine Bedeutung entwickelte sich vielmehr parallel zu derjenigen Milets, das in archaischer Zeit blühte und sich nie wieder von der persischen Eroberung 494 v. Chr. erholen sollte. Ganz anders Delphi: seine geschützte zentrale Lage im griechischen Mutterland und die frühe Zerstörung der beherrschenden Polis Krisa durch eine panhellenische Amphyktionie ca. 600 v. Chr. garantierten eine nahezu ungebrochene Entwicklung, die bereits im 8. Jh. v. Chr. etwa mit der Kolonisation von Naxos auf Sizilien einen ersten Höhepunkt erreichte und den Kult des Apollon Pythios schnell zum weitestverbreiteten aller Apollon-Kulte machte. Die Verbreitung des Apollon DidymeusKultes war demgegenüber sehr eingeschränkt, wie hier gezeigt wurde. Auch dürfte die Kolonisationstätigkeit Didymas später als diejenige Delphis eingesetzt haben, nämlich erst im 7. Jh. v. Chr. Sie konzentrierte sich auf die Propontis und das Schwarze Meer, sowie auf Ägypten. Lediglich bei der Gründung der phokäischen Kolonie Massalia und der Etablierung des dortigen Apollon Delphinios und Artemis Epheseie-Kultes ca. 600 v. Chr. ist es Didyma möglicherweise einmal gelungen, in die Interessensphäre Delphis einzudringen. Umgekehrt dürfte Delphi schon zur Zeit des Amasis in Naukratis aktiv geworden sein, wie hier vermutet wurde. Auch im Schwarzen Meer mag die zweite Gründung von Sinope mit delphischer, nicht didymäischer Unterstützung abgelaufen sein, ebenso wie die Gründungen der megarischen Kolonie Kalchedon und ihrer Tochterstädte Kallatis und Chersones. Athen, das in der Propontis und im Schwarzen Meer den milesischen Einfluss immer mehr einschränkte, um schließlich nach der Zerstörung Milets sowie Didymas und der Einrichtung des ersten Seebundes 478 v. Chr. selbst die führende Rolle zu übernehmen, war dem Orakel in Delphi angeschlossen. Es unterhielt sogar eine eigene, wenn auch unregelmäßig stattfindende Prozession als Teil eines »Athenian festival celebrated at Delphi«, der sog. Pythaïs360, um die Machtverhältnisse klarzustellen. Die ____________________ 360 Boethius 1918; Daux 1936, 708 – 729; Parker 2005, 83 – 87. Ein Grenzstein der Prozessionsstraße nach Delphi aus dem mittleren 4. Jh. v. Chr. wurde bei den Agora-Grabungen in der Nähe des Panathenaia-Prozessionsweges unter einer Mauer vor dem Nordende der Attalos-Stoa gefunden (Agora, Inschriften-Inv. I 5476): o(/roj i¸era=j… o¸do= di' hÒj po…reu/etai h( P…uqai\j e¹j De…lfo/j; vgl. Travlos 1971, 91. 93 Abb. 117; Lalonde 1991, 29 Nr. H34; Herda 2006b, 253 – 254. mit Anm. 1802; Parker 2005, 86 mit Anm. 28 (verbindet den Horos mit der Pythaïs von 355 v. Chr.). 64 Prozessionsstraße sollte angeblich dem Weg folgen, den Apollon selbst von Delos über Athen kommend nach Delphi genommen hatte361. Es verwundert keinesfalls, dass sich Milet bei der Neueinrichtung des verstummten Orakels in Didyma 331 v. Chr. dann so nahe an Delphi orientierte. So wurde eine Deszendenz des Branchos aus Delphi konstruiert, der männliche Mantis der Branchidai wurde durch eine weibliche Prophetis nach dem Vorbild der delphischen Pythia ersetzt. Die von Milesiern angestiftete Ermordung der Branchidai im fernen Sogdiana-Baktrien durch Alexander 329 v. Chr. kann in diesem Zusammenhang als historisch angesehen werden. Sie zerstörte zwar einen wichtigen Traditionsstrang des didymeischen Orakels, ermöglichte aber gleichzeitig die ungestörte Kontrolle über den wieder aufblühenden Orakelkult des Apollon Didymeus, der bis zum Ende der heidnischen Antike durch die Prozessionsstraße mit dem kultischen Zentrum Milets, dem Apollon Delphinios-Heiligtum, verbunden blieb. Zwar sandte Didyma keine neuen Kolonien mehr aus, aber die alten Kolonien gedachten seiner Bedeutung und schickten jedes Jahr ihre Theoriai zum Fest der Boiegia und Didymeia aus. Abbildungsnachweis Abb. 1: nach Herda 2005 Abb. 279 Abb. 29 Abb. 2: nach Thomas1983 Taf. 27, 1–2 Abb. 3: nach Herda 2006b Abb. 17 Abb. 4: nach Herda 2006b Abb. 21 Abb. 5: Foto J. Laurentius, Antikensammlung Berlin, Neg.-Nr. SK 1592 N1-2; nach Herda 2006b Abb. 11 a Abb. 6: Foto nach Tsetskhladze 1994b Abb. 2; Schnittzeichnung der Schale und Umzeichnung der Inschrift nach Lordkipadnidze 1999 Abb. 1 Abb. 7: a) (Foto) nach Rusjaeva 1986 Taf. zu S. 32; b–c) (Umzeichnungen) nach ebenda 27 Abb. 1 Abb. 8: Zeichnung Verfasser (graphische Bearbeitung: Stefan Gräbener, Berlin und Verf.) Abb. 9: a) Fotos nach Venit 1988 Taf. 1 Nr. 2 a–b, Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Nr. 878 Abb. 10: a) Foto nach Venit 1988Taf. 2 Nr. 3, b) Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Taf. 881 Alexander Herda, Apollon Delphinios – Apollon Didymeus Abb. 11: a) Foto nach Venit 1988 Taf. 2 Nr. 5, b) Faksimile nach Gardner 1888 Taf. 20 Nr. 879 Abbkürzungsverzeichnis Abmeier 1990 A. 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Abb. 1 Milet, Stadtplan in spätarchaischer Zeit mit Lage des Delphinions nördlich der Agora; grau unterlegt: ungefähre Ausdehnung des versumpften südlichen Ausläufers der Löwenbucht, der im 6. Jh. v. Chr. angeschüttet wurde (Stand 2004) Abb. 2 milesische Bronzemünzen mit Darstellung des von Demetrios ca. 100 v. Chr. gestifteten Kultbildes des Apollon Delphinios, das ihn auf einem Felsen sitzend zeigt, mit der Rechten auf einen Köcher gestützt, mit der Linken den Bogen haltend, rechts unten ist der Omphalos zu sehen (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Münzkabinett) a) aus der Regierungszeit des Commodus (176–192 n. Chr.) b) aus der Regierungszeit des Septimius Severus (193–211 n. Chr.) Abb. 3 Kulttopographie der Prozessionsverlaufes Prozessionsstationen; sowie der wichtigsten Höhenlinien alle 50 m Milesia Ende des 6. Jhs. v. Chr. mit Angabe des zwischen Milet und Didyma (eingekreiste Zahlen: nicht ausgefüllte Zeichen: Lokalisierung hypothetisch) weiteren Wegeverbindungen (punktiert = rekonstruiert); Abb. 4 Didyma, Umgebung des Apollonorakels mit zentralem Altarplatz im Osten Abb. 5 Milet, Fries vom Bühnengebäude des Theaters, Mitte des 2. Jhs. n. Chr. (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, SK 1592) Frontseite mit Darstellung der spätarchaischen Statue des sog. Kanachos-Apollon (der Nimbus ist kaiserzeitliche Zutat), des brennenden Aschenaltars des Apollon Didymeus und zweier hellenistischer Fackelträgerstatuen, Stiftungen des milesischen Bildhauers Demetrios (Ende 2. Jh. v. Chr.). Abb. 6 Beintäfelchen aus Berezan-Olbie Polis mit Graffiti (2. Hälfte 6. v. Chr.): a) Foto der Vorderseite b) UmzeichnungVorderseite: private Kopie(?) eines Orakels des Apollon Didymeus bezüglich der Gründung von Olbie Polis c) Umzeichnung Vorderseite (um 180° gedreht): Weihung an Apollon Didym(eus) Milesios Abb. 7 silberne Omphalosschale mit eingeritzter Weihung an Apollon Hegemon in Phasis, ca. 420/00 v. Chr. Abb. 8 Verbreitung des aus Milet stammenden Apollon-Delphinios-Kultes, des aus Didyma stammenden Apollon-Didymeus-Kultes sowie der didymäischen Gründungsorakel (volle Symbole: Kult direkt bezeugt; leere Symbole: Kult indirekt bezeugt) Abb. 9 Nordionische Vogelschale Kairo 26153 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis mit Weihung an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 625-600 v. Chr. oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift Abb. 10 Nordionische Vogelschale Kairo 26155 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis mit Weihinschrift an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 625-600 v. Chr.: oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift Abb. 11 Nordionische Vogelschale Kairo 26154 aus dem Apollon-Heiligtum in Naukratis mit Weihinschrift an Apollon (Didymeus Milesios), ca. 620/10 v. Chr.: oben: Foto – unten: Umzeichung der Weihinschrift Abbildungsnachweise: Abb. 1 nach Herda, Prytaneion Abb. 279 Abb. 29 Abb. 2 nach E. Thomas, DHMHTRIOS GLAUKOU MILHSIOS. Bemerkungen zur Person und zum Werk eines späthellenistischen Bildhauers, IstMitt 33, 1983, 124–133 Taf. 27, 1–2 Abb. 3 nach Herda, Delphinios Abb. 17 Abb. 4 nach Herda, Delphinios Abb. 21 Abb. 5 Foto J. Laurentius, Antikensammlung Berlin, Neg.-Nr. SK 1592 N1-2; nach Herda, Delphinios Abb. 11 a Abb. 6 a) (Foto) nach A.S. Rusjaeva, Milet – Didym – Borisfen – Olbija: Problemy kolonizatsii nizhnevo Pobuzh’ja (Milet – Didyma – Borysthenes – Olbia: Die Kolonisation der Unteren Bug-Region), VDI 177, 1986, 25 ff. Taf. zu S. 32); b–c) (Umzeichnungen) nach ebenda 27 Abb. 1 Abb. 7 Foto nach G. R. Tsetskhladze, The Silver Phiale Mesomphalos from the Kuban (Northern Caucasus), OxfJA 13, 1994, 199–215 Abb. 2; Schnittzeichnung der Schale und Umzeichnung der Inschrift nach O.D. Lordkipadnidze, Les divinités de la ville de Phasis. Apollon ou la triade apollonienne?, in: O. Lordkipadnidze – P. Lévêque (Hrsg.), Religions du Pont-Euxin, Actes du VIIIe Symposium de Vani (Colchide) 1997 (1999) 129–153 bes. 142 Abb. 1 Abb. 8 Zeichnung Verfasser (graphische Bearbeitung: Stefan Gräbener, Berlin und Verf.) Abb. 9 a) Fotos nach Venit Taf. 1 Nr. 2 a–b Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Nr. 878 Abb. 10 a) Foto nach Venit Taf. 2 Nr. 3 b) Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Taf. 881 Abb. 11 a) Foto nach Venit Taf. 2 Nr. 5 b) Faksimile nach Naukratis II Taf. 20 Nr. 879